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Prolog

»Hana!«

Beim Klang ihres Namens ließ Hana ihre Cousins stehen und lief zu dem ausgespannten Segeltuch, unter dem Onkel Anwar saß und mit einem abgenutzten Taschenmesser eine Orange schälte. Die sechsjährige Hana war die Sommerhitze in Israel gewöhnt, und eine Temperatur von zweiunddreißig Grad hielt sie nicht davon ab, im Freien zu spielen. Aber wenn das Familienoberhaupt rief, unterbrach sie, was sie gerade tat, und antwortete sofort.

Hana trat in den Schatten und strich sich eine Strähne ihres langen schwarzen Haars aus dem Gesicht. Auf einem weißen Plastikstuhl saß Großonkel Anwar mit seinen 74 Jahren. Die vielfarbige Zeltplane war an dem weitläufigen dreistöckigen Betongebäude befestigt, das die Abboud-Familie seit etlichen Generationen ihr Heim nannte.

»Ja, Onkel!«, antwortete sie höflich. Ihre Mutter hatte ihr eingeschärft, immer ehrerbietig mit älteren Familienmitgliedern zu sprechen.

»Willkommen, Kind.«

Anwar löste ein paar Orangenschnitze und reichte sie Hana. Der gebräunte Daumen des Onkels wies verblasste Narben von Jahrzehnten harter Arbeit in den Olivenhainen rund um Nazareth auf. Hanas Vater war ein wohlhabender Geschäftsmann. Zusammen mit seinen Brüdern besaß er eine Fabrik, die Plastikwasserrohre produzierte, die in ganz Israel und der Westbank verkauft wurden. Die Familie lebte in Reineh, einem arabischen Städtchen vier Meilen nördlich von Nazareth. Onkel Anwar war allerdings in der deutlich größeren alten Stadt wohnen geblieben, in der Jesus den größten Teil seiner Kindheit verbracht hatte.

»Die ist für dich«, sagte Anwar. »Sag mir, ist sie süß?«

Hana kannte die Antwort, aber sie biss in das Fruchtfleisch, sodass ihr der warme Saft in den Mund lief. Orangen aus Israel waren die besten auf der Welt.

»Ja, süß und saftig.«

»Hast du gewusst, dass Gott sagt, wir sollen ›schmecken und sehen‹, dass er gut ist?«

»Nein, Onkel«, erwiderte Hana und machte große Augen.

Immer wieder hatte sie ehrfürchtig und ein wenig ängstlich mitverfolgt, wie Anwar ihren älteren Brüdern und Cousins Fragen stellte, auf die es ihrer Ansicht nach keine Antwort gab.

»Er möchte, dass seine Güte für dich so wirklich ist wie der süße Saft in deinem Mund.«

»Ja«, nickte Hana.

»Weißt du, warum ich dich mit deinem Namen zu mir gerufen habe?«

»Weil du mir eine Orange geben wolltest?«

»Ja.« Über Anwars Gesicht glitt ein Lächeln. »Und weil der Allmächtige dich dazu erwählt hat, dass du jeden Tag deines Lebens in seiner Nähe lebst.«

»Wie bei dem jungen Samuel«, sagte sie und erinnerte sich an die Geschichte, die sie in der Woche zuvor in der kleinen Kirche vernommen hatte, die die Familie besuchte. Es war das erste Mal, dass sie ihren Namen in einer Erzählung der Bibel gehört hatte. Die biblische Hannah war die Mutter von Samuel.

»Stimmt genau. Als Pastor Sadr die Geschichte vorgelesen hat, habe ich an dich gedacht.«

»Nicht an meine Brüder? Die sind schließlich Jungs. So wie Samuel.«

»Gott hat auch einen Plan für Mikael und Nathanil, aber hier geht es um dich«, sagte Anwar und lehnte sich ein wenig vor. »Wenn Gott dich mitten in der Nacht aufweckt, weißt du, was du dann sagst?«

Es war den Erwachsenen in der Familie schon aufgefallen, dass Hana ein sehr waches Auffassungsvermögen besaß.

»Rede, Herr, deine Dienerin hört.«

»Gut.« Mit einem Lächeln lehnte Anwar sich zurück und teilte die Frucht in drei weitere Teile. »Bring das deinen Cousins.«

Der Auftrag

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