Читать книгу Der Auftrag - Robert Whitlow - Страница 9

Kapitel 2

Оглавление

Die Tür des Konferenzraums schloss sich.

»Mr Lowenstein, es tut mir leid, aber …«, begann Hana.

»Nein«, unterbrach der Seniorpartner und hob die Hand. »Ich entschuldige mich, dass ich Sie nicht über den Zweck des Treffens informiert habe. Ein enger Freund, der die Familie Neumann kennt, rief letzte Woche an und bat mich, mich mit Brodsky zu treffen. Es kam mir erst in den Sinn, Sie hinzuzuziehen, als Gladys mir sagte, dass er bereits bei uns im Wartebereich sitzt.«

Mr Lowenstein war immer höflich zu Hana und gab ihr das Gefühl, in der Kanzlei willkommen zu sein. Der Seniorchef und seine Frau hatten Hana eine Woche nach ihrer Ankunft in Atlanta zum Abendessen in ihr elegantes Heim eingeladen. Später hatte Mrs Lowenstein darauf bestanden, dass Hana bei einem aufwendigen Abendessen für einen der wichtigsten Mandanten der Kanzlei neben ihr saß.

Hana schaute auf den Bildschirm. Das Bild des Kindes verschwand, der Monitor schaltete in den Ruhezustand.

»Wer starb?«, fragte sie.

»Gloria Neumann wurde von einem Terroristen getötet.«

Hana presste für einen Moment die Lippen zusammen, um ihre professionelle Gelassenheit zurückzugewinnen. »Was will Mr Brodsky?«

»Er möchte Collins, Lowenstein und Capella als Co-Anwälte in den Fall einbeziehen. Diese Kanzlei nimmt normalerweise keine Klagen wegen Körperverletzung an, und wir haben keine Erfahrung mit Fällen, die unter dem Antiterrorgesetz eingehen. Aber wir haben viel Erfahrung darin, Verschleierungstaktiken der großen Konzerne zu durchleuchten, um versteckte Vermögenswerte aufzudecken. Erinnern Sie sich an den Harkins-Prozess? Wir haben drei Scheinfirmen entlarvt, eine davon war offshore, und haben über fünf Millionen Dollar für unseren Mandanten herausgeholt.«

Hana erinnerte sich an die ausgiebige Feier in der Kanzlei und die Bonusschecks, nachdem der Fall gewonnen worden war. Sie war erst seit drei Wochen in Atlanta gewesen und hatte dennoch tausend Dollar erhalten.

»Ja, Sir.«

»Und dieser Fall wird genauso enden – wir werden damit beschäftigt sein, trübe Geldgeschäfte aufzudecken. Brodsky will eine Anwaltskanzlei ins Spiel bringen, die den Rechtsstreit finanzieren kann – im Gegenzug für einen Prozentsatz dessen, was wir herausholen. Ob er es zugeben will oder nicht, aber er hat nicht die Fähigkeiten, um ein komplexes Verfahren richtig anzugehen. Heute ist nur ein erster Schritt. Ich habe es gegenüber den Teilhabern noch nicht erwähnt. Die haben aber das letzte Wort.«

Hana wusste wenig über die Firmenpolitik, aber sie vermutete, dass Lowenstein sich durchsetzen würde, egal, was die anderen Partner wünschten.

»Und ich bin mir nicht sicher, ob es durchgehen würde, selbst wenn ich den Fall übernehmen wollte«, fuhr er fort.

»Nicht?« Hana war ehrlich erstaunt.

»Na ja, mein Name auf dem Briefkopf zählt schon etwas. Aber es gibt acht Eigenkapitalpartner, und sie müssten den Verlust mittragen, wenn wir den Fall übernehmen und keinen Schadensersatz erwirken. Risiken einzugehen, ist nicht so ihr Ding.«

Hana vermutete, dass Mr Collins in die Kategorie der Risikoscheuen fiel. Frank Capella, Spezialist für Wertpapierrecht, war eher ein Glücksspieler.

Lowenstein sah auf seine Uhr. »Ich möchte Brodsky nicht zu lange warten lassen.«

»Werden Sie sich das Video ansehen?«, fragte Hana.

»Ich muss es mir ansehen, um mir eine eigene Meinung darüber zu bilden, wie ich den Fall den Partnern in der Kanzlei präsentiere. Aber es ist nicht nötig, dass Sie das tun. Das Letzte, was ich will, ist, dass Sie Albträume bekommen.«

»Vielen Dank«, sagte Hana.

»Und bitte entschuldigen Sie noch einmal, dass ich Sie nicht vorher über den Zweck des Treffens informiert habe.«

»Das ist nicht nötig, Mr Lowenstein. Terroranschläge können sich überall auf der Welt ereignen. Aber Israel ist ein so kleines Land – wenn es dort passiert, haben alle das Gefühl, es war in der Nachbarschaft.«

Der Seniorchef wies mit der Fernbedienung auf den Bildschirm. »Und dieser Anschlag zog sogar Kreise von Jerusalem bis Atlanta.«

Hana stand auf, um den Konferenzraum zu verlassen, als das Bild von Sadie Neumann wieder auftauchte. Sie warf einen Blick darauf und zögerte.

»Wie alt war Gloria Neumann?«, fragte sie.

»Einunddreißig, als der Anschlag geschah.«

In vier Monaten würde Hana ihren einunddreißigsten Geburtstag feiern. Sie würde nach Israel fliegen, um zehn Tage mit Familie und Freunden zu verbringen.

»Und Sadie ist ihr einziges Kind?«

»Ja«, sagte Lowenstein. »Brodsky hat alle Fakten schriftlich zusammengestellt – falls Sie es lesen möchten.«

Hanas biss sich auf die Lippen. Sie konnte sich entweder das Video ansehen oder eine rasche Onlinerecherche durchführen, in jedem Fall hätte sie die relevanten Details in wenigen Minuten vorliegen.

»Ich will es mir eigentlich nicht ansehen, aber ich kann den Eindruck nicht loswerden, ich sollte es tun«, sagte sie. Langsam sank sie auf einen Stuhl.

Lowenstein hob die Augenbrauen. »Und Sie sind sich ganz sicher?«

Hana nickte grimmig.

Sie umklammerte die Armlehnen des Stuhls, als Lowenstein auf die Abspieltaste drückte. Das Video wurde fortgesetzt. Hana hielt den Atem an, als Sadie sich vorbeugte, um am Eis zu lecken. Das geschah ein paar Mal. Hana zwang sich, gleichmäßig zu atmen. Ein Mann ging schnell an Mutter und Tochter vorbei. Hana zuckte zusammen. Nichts geschah.

Plötzlich gab es eine Bewegung, und mehrere Leute rannten an Gloria und Sadie vorbei. Gloria stand plötzlich auf, das Eis glitt ihr aus der Hand. Zwei dunkel gekleidete Gestalten, eine deutlich größer als die andere, kamen kurz ins Bild. Der größere Mann hieb auf Sadies Kopf, und Gloria konnte sich gerade weit genug herumwerfen, um den Schlag abzufangen. Durch den Kamerawinkel konnte Hana nicht erkennen, was der Mann in der Hand hielt.

Aber als er sie wieder hob, sah sie, dass er ein großes Messer umklammerte. Er zog es Gloria von rechts nach links über den Hals. Sie versuchte noch auszuweichen, als er erneut zustach. Gloria stürzte zu Boden und begrub Sadie unter sich. Der Angreifer hob das Messer noch einmal, aber bevor er Mutter oder Tochter erreichen konnte, sackte er in sich zusammen und fiel auf die am Boden liegende Gloria.

Plötzlich drehte sich der kleinere der beiden Männer um, sodass sein Gesicht deutlich zu sehen war – ein arabischer Junge, ein Teenager. Da bemerkte Hana, dass er einen Mantel trug, obwohl es im Mai in Jerusalem schwülheiß sein konnte. »Er trägt eine Selbstmordweste!«, rief sie aus.

Der Junge griff mit der rechten Hand in den Mantel und hob die linke. Im Bruchteil einer Sekunde erschienen drei Soldaten in Grenzschutzuniformen mit gezogenen Waffen. Der Junge ging zu Boden und hob die Arme ausgestreckt über den Kopf. Einer der Soldaten zog Gloria Neumann unter dem Körper des Mannes hervor, der sie niedergestochen hatte, ein anderer hob Sadie auf, deren Mund zu einem stummen Schrei geöffnet war. Mutter und Tochter waren beide blutverschmiert. Hana wollte wegschauen, konnte es aber nicht. Die Bilder endeten abrupt.

»Das war’s«, sagte Lowenstein beklommen. »Gloria starb drei Stunden später im Hadassah Medical Center. Es besteht kein Zweifel: Sie hat sich geopfert, um ihre Tochter zu retten.«

»Wurde das Mädchen verletzt?«

»Sadie erlitt eine Schnittwunde an der rechten Wange. Brodsky hat ein Foto von ihr in das Paket mit den Unterlagen gelegt.«

Lowenstein schob das Foto über den Tisch. Sadie war ein hübsches Kind mit schwarzen Haaren, aber über ihre rechte Wange lief eine Narbe bis zum Mund, was dazu führte, dass das Gesicht des kleinen Mädchens leicht asymmetrisch wirkte. Auf der rechten Seite hing der Mundwinkel herab. Hana blieb am schwermütigen Ausdruck in Sadies Augen hängen.

»Wann wurde das Foto gemacht?«, fragte sie.

»Vor wenigen Monaten. Sie ist jetzt fast sieben.«

»Sie sieht älter aus. Kann man das Gesicht mit plastischer Chirurgie wiederherstellen?«

»Ich weiß nichts über den medizinischen Befund im Einzelnen. Aber sie wird von einem Kinderpsychologen betreut.«

Nach einem letzten Blick auf das Foto und einem kurzen stillen Gebet für das mutterlose Kind gab Hana Lowenstein das Bild zurück.

»Und die Täter?«

»Zwei Brüder aus der Gegend von Ramallah im Westjordanland. Ich erinnere mich nicht an den Namen der Stadt, aber vielleicht sagt er Ihnen etwas. Brodsky gab an, sie kämen aus einer wohlhabenden Familie, was mich überrascht.«

»Mich nicht. Es sind oft die besser gebildeten Leute, die der dschihadistischen Ideologie verfallen.«

Lowenstein nahm ein Blatt aus dem Ordner und setzte sich die Lesebrille auf. »Abdul Zadan, der ältere Bruder, wurde von den Soldaten erschossen. Tawfik Zadan, der Jüngere, trug die Selbstmordweste, die nicht detonierte. Tawfik wurde in Gewahrsam genommen.«

»Hat sich irgendeine Gruppe zu dem Anschlag bekannt? Hamas, Hisbollah, Al-Aqsa-Brigaden, ISIS?«

Lowenstein schüttelte den Kopf. »Nein. Alle bekannten Organisationen lobten die Tapferkeit der Zadan-Brüder, aber sie übernahmen keine Verantwortung für den Anschlag. Tawfik gab eine Erklärung ab, in der er behauptete, er und sein Bruder seien auf einer Mission für Allah. Wenn keine Verbindung zu einer bestimmten Gruppe nachzuweisen ist, wird es schwer sein, eine Klage zu rechtfertigen, da der Hauptzweck des Gesetzes darin besteht, den Terroristen den Geldhahn abzudrehen.«

Hana kannte sich mit den amerikanischen Antiterrorgesetzen nur begrenzt aus. »Wie die Klagen gegen Banken aus dem Nahen Osten, bei denen Terrorgruppen ihre Geldmittel verwahrten?«, fragte sie.

»Genau.« Lowenstein nickte.

Hana hatte ihre Anwaltslizenz in Israel erworben, und ihre Aufgabe als israelische Anwältin in der Kanzlei war es, die Geschäftsbeziehungen zu den internationalen Mandanten zu pflegen. Sie war mit den Feinheiten des US-Zivilrechts nicht vertraut, aber sie wusste, dass es einen sehr langen Arm des Gesetzes brauchte, um quer über den Atlantik und das Mittelmeer in die dunklen Nischen einer Terrorzelle zu gelangen.

»Ich verstehe, warum Brodsky keine Kanzlei gefunden hat, die ihm hilft«, sagte sie.

»Stimmt, aber ich habe in meiner Karriere schon viele Situationen entwirrt, die unauflösbar zu sein schienen. Manche Ermittlungen beginnen mit sehr wenigen Informationen, mit denen man arbeiten kann.« Lowenstein unterbrach sich. »Nachdem Sie jetzt das Video gesehen haben – möchten Sie am Gespräch mit Brodsky teilnehmen?«

»Wenn Sie das wünschen.«

Lowenstein musterte sie ein paar Sekunden lang. »Nein, das wird nicht notwendig sein. Aber ich habe vielleicht später noch ein paar Fragen an Sie.«

Hana verließ den Konferenzraum. Auf dem Weg zu ihrem Büro kam sie am Konferenzraum D vorbei. Durch die Glaswand sah sie Jakob Brodsky auf seinem Stuhl sitzen, eine Tasse Kaffee vor sich auf dem Tisch. Er war gerade in irgendetwas auf seinem Handy vertieft, schaute aber auf, als sie näher kam. Ihre Blicke trafen sich. Sie sah zuerst weg.

Hana loggte sich nicht ins Internet ein, um mehr über den Angriff auf Familie Neumann zu erfahren. Auch wenn Lowenstein sie schonen wollte – sie konnte das Bild der mit Blut bedeckten kleinen Sadie Neumann mit dem vor Angst weit aufgerissenen Mund nicht aus ihrem Kopf vertreiben.

Hana konnte den Gedanken nicht ertragen, dass etwas ähnlich Schreckliches einer ihrer Nichten oder deren Mütter zustoßen könnte. Sie schloss die Augen und betete mit einem einzigen Wort, das sie von den Älteren in ihrer Familie gelernt hatte.

»Shlama, shlama.«

Es war das uralte aramäische Gebet um Frieden, in der Sprache, die auch Jesus gesprochen hatte und die nur noch hier und da in vereinzelten arabisch- oder syrisch-christlichen Gemeinden lebendig war.

Der vertraute Klang des alten Gebetswortes brachte ein wenig Frieden in Hanas Seele.


Während Jakob im Konferenzraum D wartete, erhielt er zwei weitere Absagen von Kanzleien, die er für seinen Kampf um Gerechtigkeit kontaktiert hatte, in beiden Fällen ohne Begründung. Bisher war es ihm nicht gelungen, die Leidenschaft und gerechte Empörung, die er angesichts dieser Tragödie empfand, mit Erfolg zu vermitteln. Der Fall war schon vertrocknet, bevor er überhaupt reif war. Keine der großen Kanzleien, die bei Terrorismusprozessen zu den Vorreitern zählten, war bereit, sich überhaupt nur mit ihm zu treffen, nachdem sie erste Erkundigungen eingezogen hatten. Aber bisher hatte das Jakob nicht abgeschreckt.

Als er entschieden hatte, den Fall zu übernehmen, war eines der ersten Dinge, die er mit Ben vereinbarte, einen weiteren Anwalt zu engagieren.

Jakob postete Anfragen in zwanzig Anwaltsforen und versorgte die fast fünfzig Personen und Kanzleien, die sich daraufhin bei ihm meldeten, mit Informationen. Nichts davon führte zu konkreten Ergebnissen, hauptsächlich, weil Jakob nicht in der Lage war, den Namen eines Beklagten zu nennen, den man auf erhebliche Geldsummen verklagen könnte. Ein paar von Jakobs Anfragen hatten irgendwie den Weg über den professionellen Kreis der Kanzleien hinaus gefunden, und er hatte ein paar E-Mails von anderen Interessierten erhalten, darunter ein Literaturagent, der die Filmrechte an Gloria Neumanns Geschichte erwerben wollte. Die Möglichkeit, die Unterstützung von Collins, Lowenstein und Capella zu gewinnen, hatte Jakob neuen Auftrieb gegeben, herauszufinden, ob es eine Verbindung zwischen den Zadan-Brüdern und einer identifizierbaren terroristischen Organisation mit nennenswerten Vermögenswerten gab.

Jakob hatte seine Nachforschungen nicht auf das englischsprachige Internet beschränkt. Er sprach ausgezeichnet Russisch, und so richtete er einen Account ein, der es ihm ermöglichte, ins Darknet der ehemaligen Sowjetunion einzutauchen. Es war gefährlich, ein Ort der Hacker, Datendiebe und Verfechter bizarrer Verschwörungstheorien.

Er gab sich das Profil eines Russen, der mit fundamentalistischen islamischen Zielen sympathisierte, erkundete zahllose Webseiten und las schaurige Blogeinträge. Suchanfragen, die islamische Dschihadisten erwähnten, führten in der Regel zu Informationen über Einzelpersonen und Gruppen in zentralasiatischen Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung: Aserbaidschan, Tschetschenien, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan. Viele Menschen in dieser Region waren kulturelle Muslime, aber andere hatten sich bewusst radikal-fundamentalistischen Glaubensrichtungen angeschlossen. Die meisten Informationen, die Jakob ausfindig machte, richteten sich gegen Russland, das die Region seit Jahrtausenden beherrschte. Aber es gab auch Schmähungen gegen korrupte westliche Gesellschaften und gegen den »Eindringling« Israel, der nach islamistischer Auffassung unrechtmäßig Land besetzte, das unter islamischer Kontrolle und der Scharia stehen sollte. Immer, wenn das Thema Israel auftauchte, grub Jakob tiefer.

Jakob hatte viele verworrene Hetzschriften gelesen, die die wahren Gläubigen aufforderten, sich zu erheben und im Dschihad zu sterben. Aber es gab auch durchdachtere Videos und Posts, die auf eine bessere Organisation und mehr Geld im Hintergrund hindeuteten. Bisher hatte er acht konkrete Hinweise auf terroristische Aktivitäten aufgespürt, die gegen Juden in Israel gerichtet waren. Drei dieser Seiten, eine in Tadschikistan und zwei in Tschetschenien, feierten den Tod von Gloria Neumann, ohne sich direkt zu dem Anschlag zu bekennen. Es war erschütternd, den Namen dieser Frau in einer giftsprühenden Hasstirade zu lesen, die auf der anderen Seite der Erdkugel verfasst worden war.

In einem erschreckenden Rekrutierungsvideo aus Tschetschenien warb ein großer, schlanker, europäisch aussehender Mann um die vierzig leidenschaftlich für das glorreiche Unterfangen des Dschihad – in Englisch mit amerikanischem Akzent. Der bärtige Mann rief die englischsprachigen Muslime auf, dem Ruf zu folgen, die dekadenten Gesellschaften des Westens zu verlassen und sich ganz der Verbreitung des islamischen Glaubens zu widmen, bis der Islam die ganze Welt beherrschte.

Im Jahr zuvor hatte Jakob für eine behinderte Vietnamesin, die zu Unrecht aus ihrer Wohnung vertrieben worden war, einen Prozess gewonnen. Drei Anwaltskanzleien und das örtliche Rechtshilfebüro hatten es abgelehnt, sie zu vertreten. Jakobs Anwaltshonorar rechtfertigte kaum die Stunden, die er dafür investieren musste, aber das Urteil der Geschworenen ermöglichte es seiner Mandantin, die Anzahlung für ein kleines Häuschen zu leisten, in dem sie näher bei ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter wohnen konnte. Aber der Fall Neumann – der lag auf einem anderen juristischen Stern.

Leon Lowenstein war Jakobs vielversprechendste Spur gewesen. Dass es eine persönliche Verbindung zwischen Lowenstein und einem Freund von Ben Neumann gab, beflügelte Jakobs Hoffnungen. Alles, was er über Lowensteins Erfahrung und Hintergrund recherchiert hatte, steigerte seinen Optimismus. Der jüdische Anwalt war ein großzügiger Philanthrop, der genug Geld verdient hatte, um ein paar Dollar für eine gerechte Sache zu riskieren. Und was noch wichtiger war: Lowenstein war in seinem Spezialgebiet, dem Seerecht, bereits auf terroristische Aktivitäten gestoßen. Jakob hegte die optimistische Vorstellung, dass es von der Verfolgung somalischer Piraten in Hochgeschwindigkeitsbooten zu messerschwingenden Dschihadisten in Jerusalem nur ein kleiner Schritt wäre.

Das unerwartete Auftauchen der arabischen Anwältin war wie ein Warnschild gewesen, und als sie verlangte, dass er das Video stoppte, befürchtete Jakob, er hätte seine Zeit verschwendet. Es würde schwer werden, Ben die Nachricht zu überbringen, dass er noch immer keinen Erfolg vorweisen konnte. Er sah auf, als Hana in schnellem Schritt am Konferenzraum vorbeiging. Ihre Miene war undurchschaubar.

Was Jakob über den Konflikt zwischen Arabern und Juden im Nahen Osten wusste, beschränkte sich auf Stichpunkte, aber man musste kein Politexperte sein, um zu erkennen, dass die Fronten zwischen den Gruppen verhärtet und erstarrt waren. Ja, diese Anwältin war nach eigener Auskunft israelische Staatsbürgerin und hatte Zivildienst geleistet. Das klang nach Neutralität und damit positiv, aber er war sich nicht sicher, wie viel Gewicht er dem beimessen sollte.

Die ältere Dame, die Jakob in den Konferenzraum geführt hatte, kam zurück und unterbrach seine Gedanken. »Mr Lowenstein erwartet Sie.«

Der Auftrag

Подняться наверх