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Kapitel 9

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Bevor Sadie und ihr Vater die Kanzlei verließen, verlangte die Kleine, dass Ben mit dem Handy von Jakob Brodsky ein Foto von ihr und Hana machen und an die Anwältin schicken sollte, damit Hana »nicht vergisst, wie ich aussehe«.

»Ich kann Sie und Sadie gern mitnehmen«, sagte Jakob, als sie vor dem Fahrstuhl standen. »Ich muss nicht mehr ins Büro.«

»Sind Sie sicher?«, fragte Ben. »Wir geraten in die dichteste Rushhour.«

»Stimmt. Aber das gilt für alle Richtungen.«

»Wenn Sie uns am Einkaufszentrum in der Nähe meiner Schwiegereltern absetzen könnten, wäre das großartig«, sagte Ben. »Glorias Vater kann uns von dort abholen.«

»Kann ich Poppy treffen?«, bat Sadie. »Ich will ihm alles von Hana erzählen.«

»Ms Abboud hat einen ziemlichen Eindruck auf Sadie gemacht«, sagte Jakob, als sie zum Parkhaus gingen.

»Ja«, stimmte Ben ihm zu. »Das ist schon öfter so gewesen. Frauen, die Sadie kennenlernen, fühlen sich sofort zu ihr hingezogen. Nur dass es diesmal gegenseitig ist.«

»Was macht Hana jetzt?«, fragte Sadie.

»Hana ist Anwältin, so wie Mr Jakob«, sagte Ben. »Wahrscheinlich redet sie gerade mit jemandem, dem sie hilft, oder sie schreibt Briefe an Richter.«

»Kannst du sie bitte für mich anrufen?«, fragte Sadie ihren Vater. »Ich möchte über Handy mit ihr reden.«

»Nein, wir müssen Hana jetzt arbeiten lassen«, sagte Ben und wandte sich an Jakob. »Sie telefoniert viel mit ihren Großeltern. Wenn ich es erlauben würde, würden die ihr ein eigenes Handy kaufen und Anrufe mit ihr in den Kalender schreiben. Aber sie ist ja erst sechs.«

»Ich bin fast sieben«, protestierte Sadie von hinten. »Liza hat auch ein Handy und damit spricht sie mit ihrer Granny.«

»In der Schule?«, fragte Ben scharf.

»Ja. Das ist okay. Die Lehrerin weiß nichts davon.«

Ben drehte sich in seinem Sitz um, um Sadie direkt in die Augen sehen zu können. »Ich weiß, worüber wir heute Abend beim Schlafengehen reden müssen.«

• • •

Hana öffnete das Foto von ihr und Sadie. Es zeigte Hana auf einem Stuhl im Konferenzraum, Sadie stand neben ihr und hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt. Es klopfte, und Janet kam herein.

»Hast du Mr Neumann ebenso beeindruckt wie seine Tochter?«

Janets Frage thematisierte etwas, das Hana noch nicht bedacht hatte. Sie zeigte Janet das Foto auf ihrem Handy.

»Nein, das war nur zwischen mir und Sadie.«

»Mir wäre es auch so gegangen«, gab Janet zu, während sie das Foto betrachtete. Unwillkürlich fuhr sie sich mit dem Finger übers Gesicht und zeichnete Sadies Narbe nach bis zum Mundwinkel.

Ja«, sagte Hana, die die Geste bemerkt hatte. »Und dann gibt es noch die unsichtbaren Narben auf der Seele, die niemand sieht.«

»Vielleicht kannst du dazu beitragen, dass sie heilen.«

»Ich hoffe es.«

»Und wie war dein Date gestern Abend?«, wechselte Janet das Thema.

Hana berichtete von ihrem Gespräch mit Bart Kendall. Als sie geendet hatte, riss Janet den Mund auf. »Was?!? So ein dreister Typ!«

»Vielleicht habe ich es schlimmer dargestellt, als es war.«

»Nein, es war schlimmer, als du es dargestellt hast«, widersprach Janet. »Ich werde ihn von der Liste streichen.«

»Was für eine Liste?«

»Na ja, noch habe ich keine, aber falls doch mal, wird er jedenfalls nicht draufstehen.« Janet drehte sich um und verließ voller Zorn auf Bart den Raum.

Hanas Telefon klingelte. Es war Mr Lowenstein, der sich erkundigte: »Noch irgendwelche Überraschungen im Fall Neumann?«

»Nein. Sadie ist zauberhaft, und ich denke, mit Ben werde ich gut zusammenarbeiten können. Die Gesamtvertretungsvereinbarung ist unterzeichnet, und Jakob Brodsky wird den Kostenvorschuss morgen überweisen.«

»Ich habe an alle Teilhaber eine Mail geschickt, nachdem Sie bei mir waren. Die meisten haben geantwortet und ihre Zustimmung gegeben, dass wir einsteigen. Buchen Sie so rasch wie möglich einen Privatermittler – und einen Flug nach Israel, damit die Sache in Gang kommt.«

»Ich soll jetzt schon nach Israel fliegen?«

»Ich vertraue darauf, dass Ihre Augen und Ihr Verstand mir zuverlässige Informationen liefern. Und entwickeln Sie Ihre eigene Beziehung zum Mandanten, unabhängig von Jakob Brodsky. Ich bin noch nicht wirklich überzeugt von seinem Beitrag zu diesem Fall, und ich möchte, dass Sie auf einer soliden Basis mit Ben Neumann stehen, falls wir später die Verbindung zu Brodsky kappen müssen.«

Lowensteins Gedanken eilten in eine unerwartete Richtung. Hana war sich nicht sicher, wie sie reagieren sollte.

»Sadie will so bald wie möglich mit mir Eis essen gehen, und sie hat mich zu ihrem Geburtstag eingeladen.«

»Ausgezeichnet. Sie haben sie rasch für sich gewonnen.«

»Es beruht auf Gegenseitigkeit.«

»Laden Sie Sadie zum Eisessen ein – das gilt als Geschäftsausgabe.« Lowenstein schwieg kurz. »Haben Sie schon erste Ideen, wer als Ermittler infrage käme oder welche Firma wir befragen sollten?«

»Nein«, sagte Hana. »Aber ich kann mit den Kontakten beginnen, die ich aus meiner Zeit am Flughafen noch habe.«

»Das klingt gut. Und lassen Sie es mich immer sofort wissen, wenn sich etwas Wichtiges ergibt.«


Während der Stop-and-go-Fahrt zum Einkaufszentrum schlief Sadie auf dem Rücksitz ein.

»Was passiert jetzt als Nächstes in unserem Fall?«, erkundigte sich Ben.

»Es wird Strategiemeetings geben«, antwortete Jakob vage. »Ich habe einige Ideen für die Investigationsphase, die ich Hana und Leon Lowenstein vorstellen werde. Wir werden die Arbeit aufteilen, aber ich kann mehr Zeit in diesen Fall investieren als sie. Dass Hana Arabisch und Hebräisch spricht, ist sicher ein Pluspunkt.«

»Ihr liegt viel daran, zu helfen.«

»Ja, und das ist gut. Ich hatte gehofft, wir würden bereits heute erste Schritte festlegen, aber es war offensichtlich ein Kennenlerntermin.«

Ben drehte sich zu Sadie um. »Besonders für Sadie. Sie wird mir in den Ohren liegen, dass sie Hana anrufen will. Wenn Sadie sich erst mal was in den Kopf gesetzt hat, ist es viel schwieriger, sie davon abzulenken, als es bei einer Sechsjährigen normalerweise der Fall ist.«

»Einer fast Siebenjährigen«, erwiderte Jakob.

»Halten Sie da drüben, das passt gut«, sagte Ben und wies zur Südseite des Einkaufszentrums. »Ganz dort in der Nähe geht Sadie mit ihrem Großvater gern essen.«

Jakob wartete, bis ein Pick-up vor ihnen den Weg frei machte und er fahren konnte.

Jakob reichte Ben den Briefumschlag mit seiner Kopie der Gesamtvertretungsvereinbarung.

»Danke, dass Sie den Umweg gemacht haben, um uns mitzunehmen«, sagte Ben.

Jakob sah Vater und Tochter nach, die Hand in Hand Richtung Einkaufszentrum gingen. Hana zu hören und zu beobachten, wie sie auf Sadie einging, hatte ihm etwas bestätigt, was er bereits wusste – an diesem Fall Neumann war eindeutig etwas Besonderes.


Hana kam nach Hause und stellte einen Topf mit Suppe, die sie ein paar Tage zuvor gekocht hatte, zum Aufwärmen auf den Herd. Während sie wartete, ging sie nach draußen, um in dem Vogelhäuschen, das sie kürzlich an einem Ast aufgehängt hatte, Futter nachzufüllen. Das Häuschen hatte einen stetigen Strom leuchtend gelber Finken angelockt, unter den sich nur gelegentlich auch mal ein anderes Gefieder mischte.

Die Sonne versank hinter den Baumkronen und warf lange Schatten über den kleinen Vorgarten ihres Hauses. Hana schüttete winzige schwarze Samen in den Futterspender, als sie aus dem dichten Baumbestand an der Grundstücksgrenze ein Rascheln hörte. Sie sah in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und erwartete, ein Eichhörnchen auftauchen zu sehen, das mit einer Nuss im Maul den nächsten Baumstamm emporeilen würde.

Einer der Nachbarn hatte kürzlich Warnschilder vor einem tollwütigen Fuchs aufgehängt; die Telefonnummer des Veterinäramts war auch angegeben. Hana warf über die Schulter einen Blick zur Haustür und machte sich darauf gefasst, ins Haus zu rennen, falls ein Fuchs heranstürmen würde. Da tapste ein Fellbündel aus der Baumgruppe ins verblassende Sonnenlicht. Es war kein Fuchs, sondern ein schwarz-weiß gefleckter Hundewelpe.

Der Hund schüttelte sich ein paar Blätter aus dem Fell und kam dann auf Hana zu – ein Rüde mit dickem Fell und großen Pfoten, die darauf hindeuteten, dass der Hund bald recht groß sein würde. Hana kraulte seinen Hals. Kein Halsband. Der Hund war entweder entlaufen oder ausgesetzt worden.

Haustiere waren in Israel viel weniger verbreitet als in den USA, und im Haus in Reineh, in dem Hana aufgewachsen war, hatte es keine Tiere gegeben. Die meisten Hunde, die sie als Kind gesehen hatte, waren halb wilde Streuner gewesen, die den Haushaltsmüll durchschnüffelten. Der Welpe leckte mit seiner dicken rosa Zunge wie wild Hanas Finger.

»Okay, okay«, sagte Hana, »es ist auch schön, dich kennenzulernen.«

Der Gedanke an den tollwütigen Fuchs, der in der Nachbarschaft herumstreunte, machte Hana vorsichtig. Sie trug den Welpen ins Haus, nahm eine Schüssel aus dem Schrank, füllte sie mit Wasser und stellte sie auf Fußboden. Der Hund vergrub die Schnauze in der Schüssel und schlabberte gierig.

»Du hattest Durst«, sagte Hana.

An einer Seite des Wohngebiets gab es einen Entwässerungsgraben, der allerdings nur bei regelrechten Unwettern Wasser führte. Wenn sie das Tier laufen ließ, war sie nicht sicher, wo es wieder etwas zu trinken, geschweige denn zu fressen finden würde. Jetzt hob der Welpe eine Pfote und setzte sie in die Wasserschüssel, woraufhin das Wasser sich braun färbte.

Kurz entschlossen nahm Hana den Welpen auf den Arm, ging ins Bad und setzte ihn in die Wanne. Zu ihrer Verwunderung versuchte der Hund nicht, herauszuspringen, sondern legte sich hin und wartete ab.

»Aha, du hast schon mal gebadet, und es gefällt dir«, kommentierte Hana.

Als das Fell ganz durchnässt war, gab Hana etwas von ihrem teuren Shampoo in die Hand und seifte den Hund damit gründlich ein. Dann nahm sie die Handbrause und duschte den Schaum sorgfältig ab. Der Hund schien alles zu lieben, was mit Wasser zu tun hatte. Hana griff sich ein altes Handtuch, um ihn abzurubbeln, aber das hielt den Welpen nicht davon ab, sich heftig von Kopf bis Fuß zu schütteln. Das ganze Bad duftete nach dem Shampoo.

Im Kühlschrank fand Hana ein paar Scheiben Roastbeef, die sie auf einem Teller auf den Boden stellte. Der Hund verschlang das Fleisch geradezu, und Hana wurde bewusst, dass sie leider ganz und gar nicht darauf vorbereitet war, einen vierbeinigen Gast aufzunehmen. Sie schnappte sich ihre Handtasche, nahm den Hund hoch und ging zu ihrem Auto. Es war inzwischen dunkel. Als sie die Scheinwerfer einschaltete, meinte sie, in der Baumgruppe, aus der der Welpe gekommen war, ein Paar leuchtende Augen zu erkennen. Sie verschwanden rasch, aber bis dahin hatte Hana beschlossen, dass sie das Tier auf keinen Fall in das unzugängliche Dickicht zurückschicken konnte, auch wenn das Waldstück nur klein war.

Der Hund rollte sich auf dem Beifahrersitz zusammen, und Hana steuerte den nächsten Supermarkt an. Sie ließ den Hund im Auto, das Fenster einen Spaltbreit offen, und kaufte verschiedene Sorten Hundefutter, eine Metallschüssel, ein rotes Halsband, eine Nylonleine und ein buntes Kauspielzeug. Bei ihrer Rückkehr lag der Hund noch genauso zusammengerollt auf dem Sitz wie vorher, nur als sie die Taschen mit dem Hundefutter vor dem Sitz auf den Boden abstellte, bellte er einmal kurz und laut.

Zu Hause schüttete sie eine großzügige Portion Trockenfutter in die Metallschüssel, und zu Hanas Erleichterung verspeiste der Hund es vernehmlich schmatzend, denn den Geruch von Dosenfutter mochte Hana nicht. Als er seine Mahlzeit beendet hatte, begab der Welpe sich zur Haustür. Hana legte ihm das Halsband um und befestigte die Leine daran. Dann ging sie mit ihm nach draußen, und prompt verrichtete er ein paar Meter von der Haustür auf dem Rasen sein Geschäft. Wieder zurück im Haus rollte er sich auf den Rücken und rutschte auf dem Läufer, der einen Teil des Wohnzimmerbodens bedeckte, herum. Während Hana ihn beobachtete, fiel ihr ein, dass sie nicht wusste, ob sie laut Mietvertrag überhaupt Haustiere halten durfte.

Ihre wichtigen Dokumente bewahrte Hana in einem antiken Schreibtisch auf. Sie nahm den Mietvertrag heraus, und rasch fand sie, was sie suchte. Auf Seite 3 gab es eine Überschrift »Haustiere«. Sie las den Abschnitt durch und wusste danach, dass sie Vögel in einem Käfig halten durfte, aber ein Hund würde sie eine beträchtliche Kautionssumme kosten. Hana wusste, dass das nur der Anfang von vielen Ausgaben sein würde, wenn sie sich auf das Abenteuer einließ, ein Haustier zu halten.

Der Hund beschnüffelte in der Zwischenzeit alle Möbelstücke. Hana kniete sich neben ihn und kraulte ihn am Bauch. Der Welpe war hinreißend, und Hanas Herz schmolz dahin. Dann gab auch ihr Kopf nach. Allerdings, das wusste sie, würde sie zuerst Zettel an die Telefonmasten unter die Notiz über den tollwütigen Fuchs hängen, um zu erfahren, ob jemand einen schwarz-weißen Hund vermisste. Vorher konnte sie ihn nicht bei sich aufnehmen. Sie machte ein Foto mit dem Handy, druckte die Zettel aus und verteilte sie an den Masten. Als sie zurückkam, war der Hund eingeschlafen. Er sprang auf, als sie eintrat, bellte einmal scharf und wedelte zur Begrüßung erwartungsvoll mit dem Schwanz.

»Wie soll ich dich nennen?«, fragte Hana, als der Hund wieder bellte, diesmal leiser.

Sie kniete sich neben ihn und kraulte ihn hinter den Ohren. Dann hatte sie einen Einfall und musste lächeln. »Leon«, sagte sie. »Ich bin sicher, Mr Lowenstein hätte nichts dagegen, dass ich mir seinen Namen borge.«


Nachdem Jakob ein paar Stunden damit verbracht hatte, auf englischen und russischen Portalen nach Terrornetzwerken zu forschen, fuhr er seinen Computer herunter. Er war auf einen weiteren Hinweis auf den Mord an Gloria Neumann gestoßen, und zwar auf einer Seite aus Tschetschenien. Der Blogschreiber rühmte die mutige Tat von Abdul und Tawfik Zadan und forderte den Tod für »alle Juden und andere ungläubige Hunde«. Allerdings war auch dieser Kommentar die Tat eines Einzelnen, der sich auf keine Zugehörigkeit oder Mitgliedschaft in irgendeiner Vereinigung berief.

Um sich am Abend zu entspannen, schaute Jakob meist Fußball im Fernsehen. Er hatte einen Anbieter abonniert, mit dem er die Spiele in der English Premier League, der spanischen La Liga, der deutschen Bundesliga, der italienischen Serie A, der russischen Premier League und der Major League Soccer aus den USA verfolgen konnte. Durch die rasend schnell gesprochenen Kommentare zu den russischen Spielen hielt er sein Russisch auf dem Laufenden. Spanisch und Italienisch verstand er nicht, aber wenn in diesen Ligen ein Tor fiel, feierten die Kommentatoren dies mit einem Enthusiasmus, der normalerweise für einen Sechser im Lotto reserviert war.

Heute Abend lief ein wichtiges Spiel zwischen Spartak Moscow, dem Anwärter auf die nationale Meisterschaft, und CSKA Moscow, ebenfalls ein starkes Team. Jakob kannte die Namen aller Spieler aus beiden Mannschaften. Das Spiel wurde nachträglich ausgestrahlt, und Jakob musste sich beherrschen, um nicht online nach dem Ausgang zu forschen.

Er aß ein Stück Pizza und legte die Füße auf einen kleinen Tisch. Seine schwarze Ledercouch stand in der perfekten Position vor dem riesigen Bildschirm, der an die Wand montiert war. Der Ton aus dem Lautsprecher vermittelte ihm das Gefühl, live im Stadion zu sein. Die Fans beider Seiten grölten bekannte Fußballgesänge.

Jakobs Handy signalisierte einen Anruf: Butch Watson.

»Jakob, die Zwillinge sind da.«

»Gratuliere. Ist alles okay?«

»Ja, alles fantastisch. Einer der Jungs wiegt 2900, der andere 2100 Gramm. Kannst du dir vorstellen, dass Nelle dieses Gewicht in ihrem Bauch herumgeschleppt hat?«

Als Jakob Nelle das letzte Mal gesehen hatte, hatte er sich gefragt, wie die zierliche blonde Frau überhaupt noch laufen konnte, ohne vornüberzufallen.

»Ja, erstaunlich«, sagte Jakob und ballte die Faust, als der Torwart für Spartak einen Schuss abwehrte. »Danke für den Anruf.«

Aber Butch war noch nicht fertig. »Sie wurden heute Morgen geboren, und ich konnte das Krankenhaus seitdem nicht verlassen. Nelles Eltern sollten eigentlich hier sein, um zu helfen, aber sie können erst morgen kommen. Ich bitte dich nur ungern darum, aber vor einer halben Stunde wurde ein Babyfonsystem für vierhundert Dollar für uns geliefert, und ich mache mir Sorgen, jemand könnte es klauen, wenn es vor der Tür abgestellt wurde. Wir haben in letzter Zeit ein paar Pakete an Diebe verloren.«

»Habt ihr Anzeige erstattet?«

»Schon, aber du weißt ja, wie das läuft. Meinst du, du könntest mal rasch rüberfahren und das Paket für uns ins Haus stellen? Ich habe den Lieferweg verfolgt, die Auslieferung ist bestätigt. Ich würde ja selbst fahren, aber die Jungs halten uns auf Trab. Wenn einer schläft, ist der andere wach. Die Schwestern wollen, dass wir uns von Anfang an daran gewöhnen.«

Butch und Nelle wohnten zwanzig Minuten entfernt von Jakobs neuer Wohnung in einer recht zwielichtigen Gegend.

»Klar«, erwiderte Jakob. »Ich war gerade am Fußballgucken, aber ich kann eine Pause machen.«

»Danke. Du weißt, wo der Ersatzschlüssel liegt, oder?«

»Hinter dem Stechginsterbusch an der Hausecke.«

»Genau. Danke, Mann, danke. Nelle ist echt beunruhigt wegen diesem Babyfonkram.«

»Bin schon unterwegs«, sagte Jakob. »Ich melde mich, wenn ich alles sichergestellt habe.«

Mit raschen Schritten ging Jakob die Treppe zur Tiefgarage hinunter, in der sein Auto parkte.

Vier Straßen südlich von seinem Wohnblock verschlechterte sich die Wohngegend. Die Wohnblocks der Gegend, in der Butch und Nelle lebten, würden vermutlich in ein paar Jahren zum Abriss freigegeben. Sie wohnten auf der Rückseite des Komplexes. Jakob parkte neben Nelles Minivan. Jemand hatte zwei blaue Ballons an die Spiegel gebunden, zur Begrüßung für die Babys. Jakob machte rasch ein Foto mit dem Handy und schickte es an Butch.

Er fand den Stechginsterbusch, quetschte sich dahinter und grub im Dunkeln in den Tannennadeln, die den Boden bedeckten, bis er das kleine Metallkästchen fand. Auf der Fußmatte vor der Wohnung stand ein großer Karton. Jakob schloss die Tür auf und schob das Paket hinein.

Die Wohnung war chaotisch, was wohl einem überstürzten Aufbruch in die Klinik geschuldet war. Die Spüle stand voll mit benutztem Geschirr. Es gab keinen Geschirrspüler, und Jakob dachte, dass Butch und Nelle sich besser rasch eine neue Bleibe suchen sollten.

Jakob füllte das Spülbecken mit heißem Seifenwasser und begann, das Geschirr abzuwaschen. Die nächsten dreißig Minuten war er damit beschäftigt, die Küche auf Vordermann zu bringen. Zum Abschluss wischte er sogar noch den Fußboden. Seine eigene Wohnung hielt Jakob immer penibel sauber. Butchs Büroräume waren immer unordentlich, und weder er noch Nelle legten offensichtlich Wert auf ein aufgeräumtes Heim. Vielleicht würde sie das zu perfekten Zwillingseltern machen. Auf der Couch lagen Stapel sauberer Wäsche, aber Jakob ließ sie, wo sie waren. Er würde nicht Butchs Unterwäsche zusammenlegen.

Er verließ die Wohnung, schloss die Tür ab und ging die Treppe hinab. Die Sicherheitsbeleuchtung war aus, und er musste sich ein paar Stufen im Dunkeln hinuntertasten. Im nächsten Moment hörte er hinter sich ein Geräusch. Plötzlich wurde alles schwarz.

Der Auftrag

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