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Mister Gorbachev, tear down this wall!

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Das Brandenburger Tor ist wohl mit dem Kölner Dom das Wahrzeichen Deutschlands schlechthin. Für die Berliner und die Ostdeutschen gilt dies umso mehr. Über die RIAS-Grüße in den 80-er Jahren an unsere „Brüder und Schwestern im Nahen Osten“ jenseits des Brandenburger Tores konnten viele jedoch nicht lachen.

Jedes Mal, wenn ich zu DDR-Zeiten in Berlin war, zog es mich wie magisch an diesen Ort. Selbst, wenn ich nur für einen Tag in der Stadt war, musste ich wenigstens auf einen kurzen Spaziergang dorthin. Es war fast eine Art Masochismus, das Tor auf sich zukommen zu sehen, um dann irgendwann an einer bestimmten Stelle stehen bleiben zu müssen. Diese Stelle war oft verschoben, mal in die eine, mal in die andere Richtung. Als ich 1979 das erste Mal in Berlin war, konnte man noch die Straße vor dem Tor überqueren, bis zum Absperrgitter, wo in etwa 20 Meter Entfernung Grenzer standen. Nach heutiger Topographie etwa 30 m vom Eingang des „Adlon“ entfernt. In den 80-er Jahren war dann bereits vor der Straße Schluss, und es kamen Grenzer auf einen zu, wenn man zu lange auf das Tor schaute. Es war immer deprimierend, auf der anderen Seite, weniger als 100 Meter entfernt die Tribüne der Westberliner Touristen oder den Reichstag zu sehen, fast nur einen Steinwurf entfernt. Oder als 1987 David Bowie am Reichstag sang und die Musik von der anderen Seite herüberwehte. In der Ferne konnte man, manchmal nur schemenhaft, die Siegessäule sehen.

Wenn ich träumte, wo ich die Mauer überwinden würde, wenn ich könnte, dann am Brandenburger Tor, und halb sprang man, halb flog man über die Mauer, und war drüben. Und wenn ich mit offenen Augen träumte, stehend vor dem Tor, dann sagte ich mir: sollte ich jemals auf die andere Seite dürfen, dann gehe ich zuerst zur Tribüne und schaue in den Osten. Aber dieser Gedanke war so phantastisch und irreal, ich habe nicht daran geglaubt, dass ich es mit jungen Jahren erleben könnte, vielleicht mit 40,50, also 2005-2015.

Dann kam Ronald Reagan nach Berlin. Als er amerikanischer Präsident wurde, schmunzelten viele in Ost und West, ein Cowboy-Schauspieler als Präsident? Aber er ist vielleicht der meistunterschätzte Staatschef der USA gewesen. Und er hat – im Ergebnis seiner Politik – verdammt viel für die Deutschen und die Einheit getan. Seine zunächst sehr konfrontative Militärdoktrin mit der Idee des „Star Wars“ gegen die Sowjetunion hat zunächst vor allem unfassbar viel Geld gekostet, die USA fast in den Ruin getrieben, aber vor allem die Sowjet-Union. Die Russen konnten am Ende finanziell einfach nicht mehr mithalten. Der einzige, der dies Gott sei Dank eingesehen hatte, war der neue Mann im Kreml mit der markanten Narbe am Kopf, Michael Gorbatschow. Dann setzte Reagan auf Kooperation mit der Sowjetunion, traf sich mit ihm im einsamen „Weißen Haus“ im schönen Reykjavik, um dezidiert Dinge beim Namen zu nennen. Wie an jenem denkwürdigen 12. Juni des Jahres 1987.

Die Generation der ersten Mauerjahre verbindet Berlin mit Kennedy und seinem „Ich bin ein Berliner!“ oder mit dem Appell von Bürgermeister Ernst Reuter „Ihr Völker der Welt! Schaut auf diese Stadt!“ Meine Assoziation mit Berlin und dem Brandenburger Tor ist nicht zuletzt Ronald Reagan, als er in seiner Rede die Sowjetunion anmahnte, sich für mehr Demokratie und die Menschenrechte einzusetzen, um dann seine Rede mit den Worten zu beenden: „Mister Gorbachev, tear down this wall! … Mister Gorbachev, open this gate!“

Wenn ich diese Worte im Fernsehen wieder mal höre, bin ich ergriffen und dankbar. Der Machthaber auf der anderen Seite tönte noch am 20. Januar 1989, dass die Mauer in 50 oder 100 Jahren noch stehen werde. Mit der Ergänzung: „… solange die Bedingungen, die zu ihrer Errichtung geführt haben, nicht beseitigt sind.“ 1989 waren diese „Bedingungen“ nicht mehr gegeben. Dafür haben viele mutige Menschen gesorgt, in kirchlichen Kreisen der DDR, in Bautzen oder Brandenburg, später auch durch die „Abstimmung mit den Füßen“, und dann natürlich die Menschen in Leipzig, Dresden, Plauen, Jena, Apolda und anderen Orten. Und im Radio lief kurze Zeit später der „Soundtrack“ zum Mauerfall, der Hit einer Berliner Schülergruppe, der „Gropiuslärchen“, „Berlin, Berlin, Dein Herz kennt keine Mauern…“

An anderer Stelle hat Honecker seine Prophezeiung der 100 Jahre Mauer ergänzt um folgenden Satz, stets mit einer hohen, sich überschlagenden Stimme: „Die Mauer… ist erforderlich, um unsere Republik vor Räubern zu schützen.“ 1989 konnte man so einen Satz nicht ernst nehmen, ab 1991 bekamen die „Räuber“ für nicht wenige ehemalige DDR-Bürger ein Gesicht: die „Treuhand“. Dabei war der ermordete Rohwedder noch weniger drakonisch als seine Nachfolgerin, Birgit Breuel. Ich erinnere mich, dass die Demonstranten, die 1990 für den Erhalt von DDR-Betrieben auch in Leipzig auf die Straße gingen, von Rednern am Mikrophon auf dem Augustusplatz beschimpft wurden als „Querulanten“, „Feinde der Einheit“, ja quasi als „Terroristen“. Wenn konkurrenz-f ä h i g e Firmen im Osten plattgemacht bzw. für eine Mark (!) verkauft wurden an windige Typen, dann war dieser Protest mehr als berechtigt. Dass viele, wahrscheinlich die meisten Betriebe im Osten eine geringere Arbeitsproduktivität besaßen, bestritt ja niemand. Aber dieser eiskalte Ton und die brutale Enteignung von Volkseigentum (im besten Sinne des Wortes) brachte die Menschen eben auf die Palme. Heute werden marode Konzerne ja auch subventioniert oder Banken gerettet…

Was mich und viele andere nach der Wende verbittert hat, dass niemand von den Verantwortlichen angemessen für die Maueropfer bestraft wurde. Wie müssen sich erst die Bautzen-Häftlinge und die Angehörigen der Opfer fühlen! Der Erbauer der Mauer, Ulbricht, war nicht mehr zu verurteilen, aber der Ingenieur des Mauerbaus, Honecker, kam nach einem kurzen Intermezzo im Gefängnis schnell frei und konnte seine letzten Jahre im Ausland verbringen.

Viele waren aus anderen Gründen zu Recht verbittert. Da die Deutschen ausgewiesene Großmeister im (Er-)Finden von Euphemismen sind, wurden auch in der Nachwendezeit unzählige neue Termini geprägt. DDR-Betriebe wurden nicht etwa geschlossen, nein, sie wurden durch die Treuhand abgewickelt. Heute heißt es statt Abriss Rückbau oder bei Entlassungen Anschlussverwendung, und Arbeitslose heißen Arbeitssuchende.

In Vergessenheit geraten ist auch ein Aspekt bei der Währungsunion. Ohne Zweifel hätte es die DDR-Sparer schlimmer treffen können als mit dem Umtauschkurs 1 DM = 2 DDR-Mark (einige Protagonisten der SPD forderten einen Kurs von 1:4). Aber die damaligen Verantwortlichen erzählten den DDR-Bürger etwas von Anteilscheinen am Volksvermögen, das irgendwann zurückgezahlt werden sollte. Wer erinnert sich noch?!

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