Читать книгу Blutdorf - Rolf Eversheim - Страница 15
Оглавление9. Kapitel
In Julia Scheffel zog sich alles zusammen, als sie ihre Hütehunde bellen hörte. Das Weideland war abgegrast und sie hatten begonnen, die Schafe auf eine nahe gelegene verwilderte Fläche zwischen Königsfeld und dem Wochenendhausgebiet Im Strohdell zu treiben, um sie im Auftrag der Gemeinde durch kontrollierte Beweidung wieder nutzbar zu machen. Die Bedeutung der Schafe für die Landschaftspflege wuchs. Bis eben also ein ganz normaler Arbeitstag. – Bis die Hunde bellten.
Nein, es war nicht der vertraute Klang, mit dem sie die Herde leiteten und verlorene Schafe zurückführten. Dieses Bellen hatte sie zuletzt als Kind gehört, damals, als Oskar und Anton Großvaters Herde hüteten. Damals, als der Großvater sagte, der Wolf sei in der Nähe, er und die Hunde würden es spüren.
Sie umklammerte Großvaters Hütestab fester. Respekt vor dem Wolf zu haben, war klug, aber Julia hatte Angst. Angst, ihre traumatischen Kindheitserlebnisse erneut durchmachen zu müssen. Zum Glück hatte sie der italienische Hundezüchter heute früh angerufen. Die Ausbildung der Herdenschutzhunde war abgeschlossen. Schon bald würden sie und die Hütehunde Verstärkung bekommen.
Die Hütehunde hatten aufgehört, die Herde zu treiben, und blieben, unruhig bellend, vor einem Verhau aus Brombeeren und Schwarzdorn stehen. Panik kam in Julia auf. So schnell sie konnte, eilte sie zu den Hunden, die sich gar nicht beruhigen wollten. Hatten sie einen Wolf in dem Verhau ausgemacht?
Als sie das undurchdringliche Dickicht erreicht hatte, konnte sie nichts sehen. Entschlossen schlug sie ein paar Mal mit dem Hütestab auf das Strauchwerk – schlagartig war der ganze Verhau belebt. Es krachte, rumpelte und schnaufte. Julia stockte der Atem. Doch gleich darauf entspannte sie sich ein wenig: Eine Rotte Wildschweine räumte fluchtartig ihr dornenbewehrtes Versteck. Vermutlich hätten sie es etwas langsamer angehen lassen, wenn sie geahnt hätten, dass die einzige Waffe, die sie draußen erwartete, ein Holzstock war, aber ihr ganzes Schweineleben lang hatten sie die Erfahrung machen müssen, dass Hundegebell und Schlagen auf die Büsche mit tödlicher Gefahr durch Jäger verbunden war.
Mit scharfem Ruf befahl Julia den Hunden, am Platz zu bleiben. Sie gehorchten ihr widerstrebend, allerdings nicht lange. Winselnd schlichen sie sich zum Dornenverhau.
»Verdammt noch mal, was soll das? Spinnt ihr?« Julias Nerven lagen blank. Was machten ihre Hunde? Die Sauen waren keine Gefahr für die Herde. Die Hunde wussten das. Trotzdem rückten sie nicht von der Hecke ab. Ob der Wolf doch eines der Schafe geholt hatte und die Sauen den Kadaver auf der Suche nach tierischem Eiweiß gefunden hatten?
Sie ging in die Knie, um wenigstens ein kleines Stück in den Verhau schauen zu können. Die Hunde wichen ihr nicht von der Seite, wagten sich allerdings auch nicht in die Dornen hinein. Julia wollte gerade schon wieder aufstehen, als sie einen Schuh in den Dornen sah. Es war ein grober Männerschuh. Solche Schuhe hatte doch … Sie verwarf den Gedanken sofort wieder. – Nein, das konnte nicht sein! Obwohl … dieses Brandzeichen im Leder hatte nur einer.
Sie holte tief Luft und zwängte sich ein kurzes Stück in die Dornen hinein, um den Schuh herauszuziehen, doch er hing fest. Sie zog kräftiger, bis ihr schlagartig bewusst wurde, dass der Schuh nicht festhing, sondern sein Besitzer noch in ihm steckte. Sie kroch zurück, stand auf und übergab sich. Dann nestelte sie ihr Handy aus der Tasche und wählte mit zitternden Fingern den Notruf.