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14. Kapitel

In zwanzig Jahren hatte es niemand für nötig befunden, die knarrenden Scharniere der Kirchentüre zu schmieren. Das hätte es bei ihnen nicht gegeben. Damals jedenfalls nicht, als ihr Mann noch das Sagen hatte. Heute waren andere Zeiten. Nichts war mehr wie früher. Sie hatte den Eindruck, dass alles vor die Hunde ging, als hätte der Alte es geahnt und sich in das Sterben geflüchtet. Leicht hat er es sich gemacht, dachte sie wütend. Und ich muss das hier alles noch erleben. Die schmerzende Seele brauchte ein Ventil und außer Pfarrer Lambrecht traute sie niemandem. Im Dorf schon dreimal nicht. Sie schloss die Tür hinter sich und ihre Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit im Inneren der kleinen Kirche. Sie tauchte ihre Finger ins Weihwasserbecken, kniete und bekreuzigte sich dreimal. Dann zündete sie vor der Pieta, der schmerzensreichen Mutter Gottes, fünf Kerzen an: eine für ihren verstorbenen Mann, vier für die Söhne.

Sie setzte sich in eine Bank und betete. Die Kerzen brachten ein wenig Licht ins Dunkel. Sie betrachtete den Beichtstuhl. Irgendetwas kam ihr merkwürdig vor. War da nicht die Tür des Beichtstuhls offen und der Vorhang hing heraus? Das passte nicht zum alten Pfarrer Lambrecht. »Pfarrer Lambrecht?«, hörte sie sich sagen, erschrocken darüber, wie laut ihr Flüstern sich in der Stille ausbreitete. »Sind Sie da, Pfarrer Lambrecht?«

Als niemand antwortete, ging sie mit kleinen leisen Schritten zum Beichtstuhl. »Pfarrer Lambrecht?«, flüsterte sie erneut und klopfte an den Beichtstuhl. Alles blieb still. In der Dunkelheit konnte sie nur wenig erkennen.

Sie ging zurück zur Pieta und holte sich eine Kerze, die sie, durch die Hand geschützt, sorgfältig vor sich hertrug.

Als sie im Schein der Kerze den Vorhang zurückzog, entfuhr ihr ein lauter Schrei. Pfarrer Lambrecht war für immer zum Schweigen gebracht worden. Sie ließ die Kerze fallen und rannte zur Tür. Hinaus, nur fort von hier. Zum ersten Mal in ihrem Leben verließ sie das Haus Gottes, ohne sich mit Weihwasser zu bekreuzigen. Es war ein Haus des Teufels geworden.

Draußen rückte sie ihre Kleider und Haare zurecht. Niemand brauchte ihr anzumerken, dass sie das Ungeheuerliche mit eigenen Augen gesehen hatte. Wer sie nicht gut kannte, dem wäre nicht aufgefallen, mit welch schnellen Schritten, die ihr niemand mehr zugetraut hätte, sie das Dorf verließ.

Kassiopeia sah es sehr wohl. Und sie ahnte, dass dies kein gutes Omen war.

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