Читать книгу Zauberer und Höllentore: Acht Fantasy Krimis - Rolf Michael, Alfred Bekker, Frank Rehfeld - Страница 17

Kapitel 10: Im Schloss der Blutsauger

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Robert und Brenda machten sich auf dem Weg zum Schloss.

Die Sonne stand schon bald hoch am Himmel. Es wurde warm.

Vögel zwitscherten und man hätte an ein idyllisches Postkartenmotiv denken, wenn man zum Schloss hinaufsah –

nicht an den Sitz dämonischer Kräfte.

Zwischendurch drehte sich Robert um und blickte zurück.

Brenda blieb ebenfalls stehen.

„Es tut sich einiges im Dorf“, stellte Robert fest.

Die Bewohner hatten inzwischen nach und nach die Häuser geöffnet. Sie traten ins Freie und begannen damit, die Toten wieder zu beerdigen. Sie hatten große Eile dabei.

In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen verfolgten Robert und Brenda, was im Dorf noch geschah. Die Beerdigungen schienen mit seltsamen Ritualen einher zu gehen. Offenbar versuchten die Bewohner durch die Anwendung magischer Rituale zu verhindern, dass die Toten wieder aus ihren Gräbern kamen.

„Ich glaube, es ist ganz gut, dass wir mit keinem der Dörfler mehr zusammengetroffen sind!“, war Brenda plötzlich überzeugt.

Robert sah sie stirnrunzelnd an. „Wieso?“

„Weil es schwer gewesen wäre, ihnen zu erklären, weshalb wir die durch Kreuze geschützten Häuser nicht hätten betreten können!“

„Wäre doch auf einen Versuch angekommen. Meinst du nicht?“

„Und was ist mit den Untoten? Sieh dir an, wie viel Mühe sich die Leute damit machen, sie wieder unter die Erde zu bringen und mit Hilfe von Magie dort auch zu halten. Robert, ich glaube, es war unsere Anwesenheit, die sie geweckt hat!“

„Der Gnom deutete so etwas an!“

„Genau!“

„Wie auch immer, lass uns diese Sache hier hinter uns bringen.“

*

Nach einem anstrengenden Aufstieg erreichten sie schließlich das Schloss. Die Sonne senkte sich bereits wieder. Brendas Vermutung, dass die Tage hier sehr viel kürzer waren als die nicht enden wollenden Nächte, sollte sich offenbar bestätigen.

„Nicht mehr lange und die Dämmerung bricht herein“, stellte sie fest. „Wir müssen uns beeilen!“

„Ja“, nickte Robert.

„Ich finde übrigens, wir sind ein gutes Team“, sagte sie.

„Ich meine, allein hätte bis jetzt keiner von uns es geschafft zu überleben. Aber gemeinsam haben wir sogar diese Nacht überstanden.“

„Wir können froh sein, dass die Sonne aufging, sonst wäre es vorbei gewesen.“ Er sah sie an und lächelte. „Aber ansonsten hast du recht. Allerdings wünsche ich mir, dass wir unsere Teamfähigkeit beim Lesen von Mathe-Formeln unter Beweis gestellt hätten – und nicht hier!“

„Das können wir ja nachholen“, meinte sie. „Ich meine, vorausgesetzt, wir kommen hier lebend wieder heraus!“

„Daran darfst nicht zweifeln, Brenda! Wir kommen hier lebend heraus. Verlass dich drauf!“

Er nahm sie bei der Hand und zog sie mit sich. Sie erreichten wenig später das morsche Haupttor zum Schlosshof.

Die Sonne stand schon bedenklich tief.

Das morsche Tor ließ sich leicht öffnen. Ein knarrender Laut entstand dabei. Seit vielen Jahren war niemand hier eingetreten.

„Jetzt wäre es nicht schlecht, wenn man sich hier ein bisschen auskennen würde!“, meinte Robert.

„Versuchen wir es doch mal mit dem Haupthaus!“, meinte Brenda.

„Warum nicht?“

Die Schlossmauern waren von wildem Wein überwuchert. Alles wirkte verfallen. Die Fenster waren vernagelt oder mit sicheren Gardinen verhangen.

Robert und Brenda öffnete mit einiger Mühe die Tür.

Im Inneren war ein Empfangsraum. Die Möbel waren Staub bedeckt. In der Mitte des Raumes waren ein Dutzend Särge fein säuberlich nebeneinander aufgereiht.

Robert nahm den Dolch und hebelte damit den Deckel des ersten Sarges auf. Er ließ sich leicht zur Seite schieben.

Brenda half ihm dabei.

Zum Vorschein kam eine der Nachtkreaturen, die halb Mensch und halb Riesenfledermaus waren.

„Dieser Blutsauger sieht noch sehr menschenähnlich aus“, stellte Brenda fest. „Zumindest im Gesicht.“

„Vielleicht entwickeln sich erst im Verlauf der Zeit immer tierhaftere Züge und verändern sich“, meinte Robert.

„Gut möglich.“

„Ich frage mich, wie der Schlossherr dann aussieht. Er muss ja wohl der Mächtigste unter den Bewohnern dieses Gemäuers sein!“

„Wir werden schon noch auf ihn treffen, Robert. Was machen wir jetzt mit den Nachtkreaturen?“

„Wir öffnen die Särge und sorgen dafür, dass Sonnenlicht in diese Räume kommt! Der Rest dürfte sich von allein erledigen!“

„Die Fenster sind vernagelt, das dauert zu lange! Wie wär’s wenn wir zumindest hier im Erdgeschoss die Särge einfach hinaus ins Freie zerren!“

„Nichts dagegen.“

„Dann packen wir es an!“

„Das wird eine Akkord-Arbeit. Die Sonne rennt uns davon!“

*

Ein Sarg nach dem anderen zerrten Robert und Brenda hinaus ins Freie und öffneten ihn dort. Wenn die Strahlen der inzwischen bereits untergehenden Sonne auf die Nachtkreatur fielen, fingen die Körper der Blutsauger Feuer.

Brenda und Robert betraten auch die höheren Stockwerke des Haupthauses. Auch hier gab es Särge. Doch manche der Schattengeschöpfe hatten sich inzwischen so weit von ihrer menschlichen Urform fortentwickelt, dass sie es vorzogen, wie Fledermäuse von der Decke herabzuhängen, wenn sie ruhten.

Zwischen den Nachtgeschöpfen hingen hunderte von gewöhnlichen Fledermäusen unterschiedlichster Größe.

Da hier die Fenster nicht vernagelt, sondern lediglich mit schweren Vorhängen verdeckt waren, die nicht einen einzigen Strahl des Tageslichts hereinließen, hatten Brenda und Robert es hier leichter. Sie öffneten die Särge und rissen die Vorhänge von den Fensterfronten und das Sonnenlicht sorgte für den Rest.

Das Feuer breitete sich rasend schnell aus. Die Fledermäuse schienen ebenfalls vom Virus des Bösen befallen zu sein, denn sie reagierten auf das Sonnenlicht genauso wie die Schattenkreaturen, denen so gut wie nichts Menschliches mehr anhaftete.

Der Brand fraß sich vorwärts.

Ein unbeschreiblicher Gestank breitete sich aus.

„Los, wir müssen noch in den Keller!“, war Brenda überzeugt. „Ich denke, da muss es irgendwo eine Gruft geben…“

„Einen Moment…“

Robert ging zum Fenster.

Die Sonne berührte bereits den Horizont. Es war höchste Eile geboten, sonst war es zu spät.

Sie rannten die Treppe hinunter, auf der sie ins Obergeschoss gelangt waren.

Im Erdgeschoss des Hauptshauses fanden sie schließlich den Eingang zum Keller.

Eine unscheinbare Tür in der dicken Steinwand, deren Oberfläche mit magischen Zeichen versehen war.

Eine schmale Wendeltreppe führte hinab.

„Das muss es sein!“, meinte Brenda.

„Es gibt sicher viele Keller und Verliese in diesem Schloss. Aber wir können nicht lange überlegen.“ Plötzlich erschienen Fackeln in verschiedenen Größen. Sie schwebten in der Luft und wie aus dem Nichts materialisierte der Gnom.

„Für die nächste Herausforderung habt ihr euch einen der folgenden Items verdient. Wählt bitte!“

„Zu gütig! Ich dachte schon, wir bekommen gar nichts für unsere Heldentaten!“, meinte Brenda.

„Keine Sorge!“, erwiderte der Gnom. „Ich vergesse euch schon nicht.“

Robert nahm sich eine der Fackeln. Auch Brenda griff zu.

„Viel Glück – und keine Angst vor der Dunkelheit!“, tönte der Gnom. „Und noch etwas! Erschreckt nicht, wenn ihr dem Schlossherrn begegnet! Die Dämmerung setzt ein und er wird sehr bald erwachen! Seht zu, dass ihr ihn erwischt, bevor es soweit ist, sonst verliere ich meine Wette.“ Er kicherte verschwand.

Der Gnom wurde einfach durchscheinend und verblasste schließlich ganz.

„Er hätte uns ruhig sagen können, wo wir suchen sollen!“, fand Robert.

Vorsichtig ging er die Treppe hinunter. Das flackernde Licht der Fackel ließ Schatte auf den uralten Mauern tanzen.

Ein feuchter Modergeruch schlug ihnen entgegen.

Am Fuß der sehr engen Wendeltreppe schloss sich ein Korridor an, der in ein hallenartiges Gewölbe mündete. Auch hier standen Särge.

Robert und Brenda verloren keine Zeit. Sie zündeten die Särge an. Rasch schlugen die Flammen empor, jetzt erst wurde sichtbar, dass an der kuppelartigen Decke des Gewölbes ebenfalls einige Exemplare der Fledermausmonster hingen.

Robert und Brenda setzen die Armbrust und den Bogen ein.

Eines dieser Monstren hatte fast die dreifache Größe der anderen und fiel dadurch aus der Reihe, dass es nicht sofort zerfiel, als der erste Pflock in den Körper eindrang.

Die gewaltige Nachtkreatur regte sich.

Das Wesen erwachte. Es stieß einen grollenden Laut aus und ließ sich zu Boden gleiten. Dort landete die Kreatur auf den Füßen und breitete die Flügel aus. Ein wütender Schrei entrang sich dem kaum noch menschlich zu nennenden Maul. Der Riesenvampir sah, was mit den Särgen geschehen war. Die Flammen verschlangen sie.

„Das muss der Schlossherr sein!“, glaubte Robert. „Der Obervampir oder wie man ihn auch immer nennen mag!“ Robert gab Brenda seine Fackel. Dann griff er zur Armbrust, die ihm bis dahin an einem Riemen an der Seite hing und zielte.

Ja, du hast Recht! Ich bin der Schlossherr! , gab der Vampir zu, dessen Gestalt sich am meisten von allen Schattenkreaturen, denen Brenda und Robert bislang begegnet waren, verändert hatte.

Aber er schien auch über die größten Kräfte zu verfügen.

Robert drückte die Armbrust ab. Der Holzpflock traf den Schlossherrn nahe dem Herzen, aber das schien ihm wenig auszumachen.

So einfach bin ich nicht zu besiegen! , grollte das Wesen.

Was habt ihr getan! Seit langer Zeit ist es keinem Sterblichen mehr gelungen, meine Residenz zu betreten!

Verlassen werdet ihr sie jedenfalls nicht mehr!

Mit fieberhafter Eile legte Robert einen weiteren Pflock ein, während Brenda die beiden Fackeln hielt. Aber aufgrund der brennenden Särge war es ohnehin hell genug im Gewölbe.

Robert schoss erneut.

Zwar traf sein Geschoss, aber der Schlossherr zog es diesmal einfach wieder aus seinem Körper heraus. Die Wunden heilten unmittelbar danach.

Meine Kräfte sind größer als die aller anderen Kreaturen der Nacht. Und wie ich sehe, habt ihr nicht geahnt, wie groß!

Ein telepathisches Gelächter hallte in den Köpfen von Brenda und Robert wieder. Es war so schrill, dass ein stechender Kopfschmerz die Folge war. Beide waren sie jetzt kaum noch in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

Sie wichen zurück.

Der Schlossherr näherte sich. Sein Körper hatte bereits kaum noch menschliche Merkmale. Lediglich die obere Hälfte des Kopfes erinnerte Robert flüchtig an jemanden, den er kannte.

Diese Augen! , durchfuhr es ihn. Es hat dich schon mal jemand so angesehen!

Robert musste unwillkürlich an den Mann denken, der ihm das Spiel verkauft hatte.

Aber dann schalt er sich einen Narren.

Ein Fauchen drang aus dem Maul der Kreatur, deren Zähne wie bei einem Raubtier gebleckt waren.

Robert und Brenda wichen abermals ein Stück zurück.

„Deine Waffe ist unwirksam!“, stellte Brenda verzweifelt fest. Ihr Bogen war ja ein Opfer der angreifenden Zombies gewesen, aber es war nicht anzunehmen, dass er ihnen in dieser Situation hätte helfen können.

Der Schlossherr umrundete einen der brennenden Särge.

„Vielleicht muss ich die Wirkung meiner Waffen etwas verstärken!“, meinte Robert. Er nahm seinen letzten Holzpflock aus der Tasche und hielt ihn in die Flamme der Fackel, die Brenda in der Linken hielt. Robert wartete, bis die Spitzer des Pflocks brannte.

Anschließend legte den Pflock in die Armbrust ein. Er verbrannte sich die Finger dabei.

Der Schlossherr griff an.

Er schien zu begreifen, was Robert vorhatte.

Aber schon im nächsten Moment traf ihn Roberts Geschoss genau ins Herz. Das Feuer fraß sich rasch vorwärts. Im Gesicht des Schlossherrn zeigte sich erst Unglauben, dann Entsetzen.

Niemand hat das je geschafft… Das ist unmöglich!

Er brannte lichterloh und zerfiel gleichzeitig zu einem Asche artigen Pulver. Wie Myriaden von Glühwürmchen segelten sie durch die Luft und sanken langsam zu Boden. Ein Schwall von Hass- und Rachegedanke erreichte Brenda und Robert noch.

Die Kopfschmerzen wurden für einige Augenblicke unerträglich.

Dann war auch das vorbei. Der Geist des Schlossherrn hatte sich ebenso aufgelöst wie sein Vampirkörper.

Zauberer und Höllentore: Acht Fantasy Krimis

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