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Kapitel 1: Das Spiel der Spiele

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Robert Thornton hatte gerade die Subway Station DeKalb Street in Brooklyn, New York, verlassen, als ihm der Stand des fliegenden Händlers auffiel.

Auf einem Tapeziertisch lagen Computerspiele aus.

Robert atmete tief durch. Seine Eltern hatten ihm das Taschengeld halbiert, weil seine Schulleistungen momentan stark zu wünschen übrig ließen. Er griff unwillkürlich in die weiten Taschen seiner Cargo-Hose und fühlte sein Portemonnaie, aber er ließ es stecken. Schließlich wusste er auch so, dass er nur noch fünf Dollar hatte.

Fünf Dollar für den Rest des Monats.

Trotzdem trat Robert etwas näher an den Tisch heran.

Dort lagen fast ausschließlich Exemplare eines Spiels, das Hellgate hieß.

Cool! , dachte Robert. Das Tor zur Hölle!

Eine Menagerie des Schreckens war auf dem Cover abgebildet. Mischwesen aus Vampir und Fledermaus, Zombies mit stumpfem Totenblick, bei denen sich das faulige Fleisch von den Knochen löste… Im Hintergrund war ein Friedhof zu sehen, dessen Grabsteine zum Teil umgestoßen waren. Totenhände ragten bereits aus der Erde hervor und griffen nach einer jungen Frau in zerfetzter Kleidung, die verzweifelt zu fliehen versuchte.

Robert nahm eines der Spiele, drehte es um und sah auf die Alterskennung.

Es war immer dasselbe. Die wirklich guten Spiele waren erst ab 18. Robert war für seine sechzehn Jahre zwar recht gut entwickelt, aber wenn ein Altersnachweis verlangt wurde, stand er dumm da.

Bei einem fliegenden Händler hatte er vielleicht Glück. Es kam schon mal vor, dass ein oder zwei Augen zugedrückt wurden. Nur zu dumm, dass er nicht das nötige Kleingeld hatte.

„Hellgate – das Spiel der Spiele!“, sagte die sehr tiefe Stimme des Händlers. „Kann ich nur empfehlen!“ Diese Stimme hatte auf Robert eine elektrisierende Wirkung. Das war eine Stimme von unerbittlicher Autorität.

Eine Stimme, die einem Schuldirektor oder einem Navy-Offizier hätte gehören können.

Robert blickte auf.

Der Mann war groß, breitschultrig und hatte beängstigend dürre und langfingrige Hände. Sein schwarzer Ledermantel reichte fast bis zu den Knöcheln. Sein haarloser Kopf erinnerte an einen Totenschädel, der durch den dunklen Kinnbart noch länger wirkte. Ganz im Gegensatz zu dem haarlosen Schädel besaß er sehr buschige und nach oben gebogene Augenbrauen.

Ein Gothic-Opa! , dachte Robert. So wie der riecht, hat er es mit dem Leichenöl für seine Körperpflege aber ein bisschen übertrieben!

„Tja, das Spiel sieht cool aus, aber ich fürchte, ich habe nicht genug Geld dabei“, bekannte Robert. „Sind Sie öfter her?“

„Das Spiel kostet fünf Dollar.“

„Hey, das ist ja genauso viel wie…“

„Du kannst es bezahlen – und ich sage dir, du wirst diesen Tag nicht vergessen. Ein Spiel wie Hellgate hast du noch nicht gespielt. Es sprengt alle Dimensionen, bringt dich in Gefilde des Schreckens, von deren Existenz du bisher nicht einmal etwas geahnt hast!“

„Mich interessiert eigentlich mehr, mit welcher Grafik-Engine da gearbeitet wird und…“

Der Händler unterbrach ihn.

„Du wirst dich in einer anderen Wirklichkeit befinden, Junge! Dieses Spiel ist ein Tor zur Hölle. Wenn du etwas erleben willst, dann kauf es. Wenn du dich weiter mit Kinderkram abgeben willst, dann verschwendest du hier nur deine Zeit.“

Robert atmete tief durch.

Die Sache kam ihm merkwürdig vor. Der Händler hatte etwas an sich, das ihn beunruhigte. Etwas, das nichts mit seiner Verkleidung zu tun hatte, die ihn aussehen ließ wie eine Kopie von Morpheus aus Matrix. Robert hatte keine Erklärung dafür. Er spürte nur, dass eine Gänsehaut seinen gesamten Körper überzog, sobald dieser Mann seine Stimme erhob.

Ihre Blicke trafen sich.

Ein überlegenes, triumphierendes Lächeln spielte um die Lippen des Händlers. Das Lächeln eines Mannes, der wusste, dass er bekam was er wollte. Immer. Und zu seinen Bedingungen.

„Ich bin nur dieses eine Mal hier – und du hast doch die fünf Dollar! Du würdest es bereuen, wenn du jetzt einfach weitergehst.“ Das Lächeln wurde breiter. „Aber in Wahrheit hast du dich doch auch längst schon entschieden.“

„Ich nehme an, das sind Raubkopien… Bei dem Preis!“

„Es sind Originale.“ Er kicherte. „Frisch aus der Höllenpresse…“

„Sind die Dinger geklaut oder wie können Sie die so günstig anbieten?“

„Das braucht dich ebenso wenig zu kümmern, wie es mich kümmert, dass du erst sechzehn bist.“

Robert war perplex. „Wie…?“

„Habe ich doch richtig schätzt, oder?“

„Also greif schon zu! Du bezahlst mit fünf Dollar und deiner Seele, an die du doch sowieso nicht glaubst. Da kommen wir beide auf unsere Kosten! Glaub mir!“ Robert schluckte. Der Händler bedachte ihn mit einem Blick, der ihn unwillkürlich schaudern ließ. Er hatte das Gefühl, dass dieser Mann ihm bis auf den Grund seiner Seele blicken konnte und alles über ihn wusste.

Wirklich alles.

Das ist doch Quatsch! , dachte er.

Dann sah er sich noch einmal das Cover des Spiels an.

Vielleicht ist es ja wirklich so supercool, wie der Typ sagt!, überlegte Robert. Bei einem Preis von fünf Dollar ging er jedenfalls kein großes Risiko ein.

„In Ordnung“, sagte Robert, legte seine Schulbücher kurz auf den Tisch des Händlers und kramte sein Portemonnaie hervor.

Er ahnte nicht, dass damit das Grauen begonnen hatte.

*

Robert ging bis zur nächsten Straßenecke, dort musste er abbiegen. Dabei blickte er immer wieder auf das Cover von Hellgate. Die dämonischen Wesen, die dort abgebildet waren, schienen ihm mit ihrem Blick zu folgen, gleichgültig, aus welchem Winkel er sie betrachtete.

Wenn die Cover-Graphik schon so geil ist, lässt das ja einiges für das Spiel hoffen! , dachte er.

Er probierte es mehrfach aus. Ein eigentümlicher Sog schien von diesem Cover und den darauf abgebildeten Gestalten auszugehen. Fast glaubte er schon, das Rascheln der Fledermausflügel zu hören…

Bevor er abbog, blickte er noch einmal zurück zu dem kahlköpfigen Händler.

Aber er war samt seinem Stand verschwunden.

Wie vom Erdboden verschluckt.

Zwei Polizisten standen in der Nähe und unterhielten sich.

Der eine aß einen Hot Dog, der andere gestikulierte mit den Armen. Wahrscheinlich durfte der Kerl hier gar nicht seinen Stand eröffnen! , dachte Robert. Komischer Typ! Ein alter Mann, der versucht cool zu wirken, damit er seine Spiele besser verkauft! Der war doch mindestens dreißig!

Zauberer und Höllentore: Acht Fantasy Krimis

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