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Zwei

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Dr. Grünfelds Sekretärin Frau Cernic brachte den üblichen Kaffee. „Herr Clausen, möchten Sie heute einen Kaffee?“ „Nein danke, ich jetzt nicht“, sagte Clausen.

Clausen war nicht beliebt bei seinen Kollegen. Er kleidete sich deutlich anders als die Anderen. Er trug auffällig teure Anzüge und rahmengenähte Schuhe. Oft setzte er sich so hin, da jeder seine teure Armbanduhr oder die goldenen Manschettenknöpfe sehen konnte.

„Das wird ein Blockbuster-Produkt, sage ich Ihnen“, schaltete sich Clausen erneut ein. „Ich würde dazu gern in etwa 3-4 Wochen um einen speziellen Besprechungstermin bitten. Dann sind wir soweit“. Diese Andeutungen klangen geheimnisvoll. Alle übrigen Anwesenden waren etwas irritiert, wie so oft bei Clausens Vorträgen.

„Was ist denn das, ein Blockbuster“? fragte der Finanzleiter. Er mochte keine Anglizismen.

„Sie werden schon sehen“.

„Na, Ihre Begeisterung in allen Ehren“, sagte Dr. Grünfeld. Jeder konnte eine gewisse Skepsis heraushören. Jeder wusste auch, dass er und Clausen nicht gerade Freunde waren. Dr. Grünfeld hatte irgendwo mal einen Satz zu Arroganz gelesen, der ihm jetzt bei Clausens Auftritt wieder in den Sinn kam: „Manche Hähne glauben, dass die Sonne ihretwegen aufgeht.“

Bei Lemkes Rückkehr in sein Büro sah er seinen Kollegen Christof Brix, der sich in seinem Bürostuhl breit machte.

Brix war sauer, weil nicht er, sondern Lemke dieses Projekt bearbeiten sollte. Er scheute sich nicht, dies in unmissverständlicher Sprache auszudrücken. Die frühere kollegiale Freundschaft zwischen beiden war nicht zuletzt durch diese Entscheidung eingetrübt worden. Lemke mochte nicht diese oft vulgären Sprache seines Kollegen. Auch äußerlich unterschieden sich die beiden. Lemke, stets bedacht sich dezent zu kleiden, eher grau in grau mit passenden schwarzen Schuhen sah ein wenig auf den eher modisch und nicht richtig geschmackvoll gekleideten Brix herab. Anders als Lemke mit seinem korrekten Haarschnitt und Linksscheitel lief Brix oft mit längeren Haaren herum, die er gelegentlich mit viel Gel zu bändigen versuchte. „Was machst du auf meinem Platz“, fragte Lemke verärgert.

„Na, hast du wieder in den oberen Etagen rumgeschleimt?“ antwortete Brix. „Du Arsch hast mir das interessanteste Projekt weggeschnappt. Das sollte ich bearbeiten, hat Clausen mir gesagt.“

„Das liegt an dem Brilli in deinem Ohr“, sagte Lemke. „Das verträgt sich nicht mit einem medizinischen Produkt“. Diese überspitzte Bemerkung reizte seinen Kollegen natürlich. Und das hatte Lemke auch beabsichtigt. Brix griff diese Gelegenheit sofort auf.

„Was ist daran medizinisch? Es geht hier um ein Mittel, Männern das Bumsen zu erleichtern“. Das war die sehr ordinäre Beschreibung des Projektes, das Lemke bearbeiten sollte. „Außerdem war ich gestern im Labor. Und da gibt es große Zweifel, ob das Mittel überhaupt wirkt. „

„Was verstehst du davon, ob das wirkt oder nicht. Oder hast du das mit deiner Freundin getestet?“ Lemke wusste genau, dass Brix zur Zeit keine Freundin und sowieso Probleme mit dem weiblichen Geschlecht hatte. Er wollte sich diese Spitze nicht verkneifen.

Brix wurde noch gereizter. „Aber du, du bist sicher eifrig dabei, dein neues Produkt zu probieren? Zuhause, oder wo gehst du dafür hin?“

„Mach dich an deine Arbeit“, sagte Lemke, „und halt mich nicht länger auf. Und ich lade dich auch nicht zu meiner Grillparty am übernächsten Wochenende ein.“

Sie waren beide doch sehr unterschiedlich. Brix war unsensibel und bestimmt noch ehrgeiziger als Lemke. Ein Grund, warum dieses Projekt nicht Brix zugeteilt worden war, lag daran, dass Lemke sich mehr „nach oben“ am Geschäftsführer orientiert hatte. Anders Brix, der auf seinen guten Kontakt zum Marketingleiter Clausen baute.

Lemke hatte sich bei Frau Cernic beliebt gemacht, indem er mit ihr oft den neuesten internen Klatsch der Firma durchging. Oft ging er für einige Minuten ins Büro bei Frau Cernic vorbei. Anders als die vielen recht kahlen Arbeitsräume im Haus, der vom Geschäftsführer unausgesprochen vorgegebenen nüchternen Arbeitshaltung, hatte sie ihr Büro durch Bilder ihrer Leidenschaft für Südfrankreich und stets durch einen frischen Blumenstrauß geschmückt. Ein Umfeld, in dem Lemke sich für einen kleinen Plausch so zwischendurch recht wohl fühlte.

„Haben Sie gesehen“, sagte sie, „der Brix hat ein richtiges Kunstwerk am Arm, und vielleicht auch noch sonst wo an anderen versteckten Stellen.“ Sie meinte das großflächige Tattoo mit einem Schriftzug an Brix Unterarm,“ irgend etwas Lateinisches“. Sie gehörte zu den Menschen, die keine Fußballspiele oder Live-Konzerte im Fernsehen verfolgten. Die heute so modischen Körperverzierungen waren ihr so vermutlich fremd geblieben. Wäre sie Mitglied in einem Fitness-Center, hätte sie einen Eindruck vom aktuellen Stand der Körperbeschriftungen und Bemalungen durch Tattoos bekommen können. Lemke war, wie viele Menschen aus seinem Umfeld, tattoolos. Er gehörte zu der einen Gruppe von Menschen ohne, im Gegensatz zu der anderen Gruppe, die das schön fanden. Wie würden diese Menschen im Alter mit schrumpelnder Haut aussehen? Manchmal mokierte sich Lemke auch über Ohrringe, Brillis, Piercings. Manchmal empfand er sich in einem Anflug von Selbstkritik als intolerant. Konnte er doch feststellen, dass es Abgeordnete im Bundestag, ja selbst Minister mit solchen Körperverzierungen gab. Zum Glück waren seine beiden Söhne noch nicht in dem Alter, in dem diese damit verbundenen Diskussionen geführt werden mussten.

Offensichtlich mochte Frau Cernic Brix nicht besonders, der immer ernst und ohne jeden Charme war. Ralf Lemke dagegen war zuvorkommend, oft witzig und hilfsbereit. Sie wusste als Einzige davon, dass ihr Chef, Dr. Grünfeld, und Lemke sich bei einem Marathonlauf im nahen Büdelsdorf getroffen hatten. „Mein Chef läuft am Sonntag Marathon in Büdelsdorf“, hatte sie Lemke beiläufig erzählt. „Deswegen ist er abends immer sehr pünktlich weg, ich glaube, um zu trainieren.“ Zufällig hatte Lemke dann Dr. Grünfeld beim Marathon-Start getroffen. „Zufällig“ ist falsch, denn Lemke hatte sich sofort nach Frau Cernics Information zum Start nachgemeldet. Lemke und sein Chef waren eine Strecke zusammen gelaufen, bis Lemke dann aber davonzog. Es wäre doch zu auffällig gewesen, wenn er seinen älteren Chef auch noch hätte gewinnen lassen. Aber es schien, dass dieser Vorgang doch karriereförderlich gewesen war.

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