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Drei

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Lemkes Sympathie für seinen Kollegen Brix war nie sehr ausgeprägt gewesen. Die Szene in seinem Büro hatte dieses Gefühl verstärkt. Und doch war Lemke ein eher auf Harmonie bedachter Mensch und hatte eingelenkt.

„Kommst du dann doch zu meiner Party? Am nächsten Sonnabend bei mir im Garten“. Lemke hatte Brix nun doch noch eingeladen. Zum Glück, wie sich herausstellen sollte. Brix hatte wenige, eigentlich gar keine wirklichen Freunde, mit denen er seine Freizeit verbrachte. So war er froh, dass er nun doch eingeladen wurde und vielleicht andere Menschen kennenlernen konnte.

Es war ein schöner sonniger Tag, Sonnabend nachmittag. Einige Kollegen und Nachbarn waren gekommen, einige brachten ihre Kinder mit.

„Kann ich meine Schwester mitbringen? Die ist zur Zeit solo und hängt etwas bedrückt rum. Sie hat sich vor kurzem von ihrem langjährigen Freund getrennt“, fragte Brix. „Kein Problem, bring sie einfach mit“, hatte Lemke gemeint.

„Ich bin Carolin Brix und muss auf meinen großen Bruder aufpassen“, stellte sie sich kokett vor. Sie gab Lemke die Hand zur Begrüßung. Er war überrascht, dass dieser Brix eine so attraktive Schwester hatte.

Lemke war kein Draufgänger. Frauen gegenüber war er meistens zurückhaltend, oft schüchtern. Er war nicht der Typ, dem es leicht fiel, auf Frauen zuzugehen. So hatte auch seine Frau Britta damals die Initiative ergreifen müssen, als sie sich kennen lernten.

Er war groß, sportlich, nicht auffällig schön. Eigentlich ausreichend für sein Selbstvertrauen. Aber da lag genau sein Problem, als er noch ein Jugendlicher war. Warum ging er meistens allein von den Partys nachhause und nicht mit einem dieser attraktiven Mädchen, die Anschluss bei einem seiner Freunde gefunden hatten? Er wäre zu nett, zu höflich und unproblematisch, hatte irgendwann eine Frau zu ihm gesagt. „Nett ist langweilig, weißt du.“

„Kommt denn Clausen auch“? Fragte Brix im Vorbeigehen, „oder ist er lieber Golf spielen gegangen?“

„Also, ich habe ihn eingeladen, aber er wusste noch nicht genau. Hätte er geahnt, was du für eine nette Schwester hast, wäre er bestimmt hier.“

Lemke wusste um die Vorliebe von Christof Brix, sich mit Rum in Stimmung zu bringen, auch um seine Hemmungen zu überspielen. Lemke wusste auch, dass Brix dann etwas mehr erzählte, als er sollte. Er hatte ihm deswegen den Schuss Rum für einen Planter´s Punch großzügiger als üblich eingefüllt. Warum sollte Lemke sich diese kleine Boshaftigkeit entgehen lassen?

Carolin Brix hatte sich ein Glas Prosecco genommen. Sie sah Lemkes Frau Britta zu, die sich gerade bemühte, einen Streit zwischen ihren beiden Kindern zu schlichten.

Britta hatte extra für die Party den Garten in Ordnung gebracht, die Beete vom restlichen Herbstlaub befreit und die Terrasse gefegt. Ihr Mann war bei solchen Arbeiten keine große Hilfe. Er hätte zu viel im Büro zu tun, meinte er. Und so war die meiste Gartenarbeit des Doppelhausgartens an ihr hängen geblieben. Es wäre ja auch Arbeit für unsere Familie, sagte sie sich. Das Haus hatten sie kurz nach der Geburt des zweiten Sohnes gekauft. Es war zum Familienheim geworden, wo sie alle einen geschützten Raum gefunden hatten. Sie hatten viele gute Jahre zusammen gehabt. Der ältere der beiden Söhne war im letzten Herbst eingeschult worden, was dem jüngeren für das nächste Jahr auch bevorstand.

Der Alltag der Familie, die Kinder, die Arbeit, das Abbezahlen des eigenen Hauses, all das hatten auch bei den Lemkes die liebevolle Spannung ihrer ersten Jahre abgelöst. Britta und Ralf Lemke hatten inzwischen eigene Lebensräume aufgebaut. Natürlich waren ihre Hauptthemen die beiden Söhne und deren Entwicklungs-Schritte. Das war es, was ihre Gemeinschaft zusammenhielt und beflügelte. Sie hatten einige gemeinsame Freunde, die sich vor allem aus den Kontakten zwischen den Kindern im Kindergarten und neuerdings auch in der Schule ergeben hatten. Ralf Lemke hatte sich voll in seine Arbeit gestürzt. Schließlich wollte er doch eine bessere Position, mehr Geld und Ansehen haben, damit, wie er sich einredete, seine Familie stolz auf ihn sein könnte.

„Ralf, hier gibt´s Arbeit für dich“, rief jemand. Seine Frau hatte Nürnberger Würstchen für die Kinder auf den Grill gelegt, die jetzt gut sein mussten. Und sie hatte Lachsstückchen mit Öl und Kräutern mariniert . Es duftete nach dem Fisch, der in Folie auf dem Grill brutzelte. Die Kinder hatten sich zu einer Schlange aufgereiht, um sich Würstchen und Nudelsalat abzuholen, während Lemke zur Lachs-Ausgabe aufrief.

„Carolin, mögen Sie auch Lachs?“

„Ja, gern. Ich komme.“ „Bleiben Sie, ich komme zu Ihnen.“

Sie stellte ihr Glas auf eine Mauer an der Terrasse. Lemke gab ihr ein besonders großes Stück. Er blieb bei ihr stehen. „Köstlich,“ meinte sie. „Ich liebe Lachs.“ Es entspann sich ein Gespräch über die Frage, ob gutes Essen nachhaltige Glücksgefühle entfachen könnte.

„Sie sollten auch die Wirkung von Prosecco nicht vergessen,“ meinte sie.

„Der macht aber auch leichtsinnig. Obwohl, er öffnet manchmal die Augen für das Schöne im Leben. Und macht Mut.“ Das Gespräch mit dieser Frau beflügelte ihn. Dieses pseudo-philosophische Geplänkel entsprach noch nicht ganz seinen Erwartungen, aber das konnte ja noch kommen.

Sie lächelte ihn an. Ihre Augen ruhten auf seinem Gesicht, sie sah auf seine Hände, seine Füße, die in blauen Sportschuhen im Gras standen. Lemke hatte seit langem nicht mehr mit einer so aufregend schönen Frau gesprochen. Seine Zurückhaltung Frauen gegenüber war heute weg. Heute fühlte er sich plötzlich bestätigt. Carolin regte seinen Witz an, seinen Charme. Menschen, die ihn langweilten, machten sein Gehirn träge. Dann war er stets erneut erschrocken, zu welchen banalen Allgemeinplätzen er sich äußerte. Heute war es anders. Er sprühte vor launigen Bemerkungen, verpackte darin kleine Komplimente und er merkte, dass diese wahrgenommen wurden.

Ihr Bruder schlenderte erneut zu ihnen herüber, ein Glas in der Hand.

„Na Carolin, langweilt mein Kollege dich mit seinen neuen Produktideen? Diese komischen Salben, die nicht erlaubt sind“?

Lemke wurde ärgerlich. Brix störte. „Brix, du hast gar nichts mehr im Glas, gönn dir doch einen guten Drink“. Sie sprachen sich trotz des Du mit ihren Nachnamen an. Das täuschte einen herzlich-kameradschaftlichen Ton vor. Die kollegiale Spannung zwischen beiden war jedoch nicht zu überhören.

Brix verstand. Er störte hier nur. Er steuerte auf eine Gruppe von weiteren Gästen zu und bald tat der Rum seine Wirkung. Er erklärte lautstark die angebliche Ungenauigkeit der neuesten Flüchtlingsstatistik, auch wenn dies nicht jeder im Garten mitbekommen wollte.

Lemke kümmerte sich, wie so oft auf Partys, nicht um seine Frau Britta. Er vergaß vieles um sich herum. Er hatte sie aus den Augen verloren. Aber es ging ihr wie auch ihm. Sie ließ sich ganz gerne anflirten, ohne dass sie das Gefühl hatte zu weit zu gehen. Ein außenstehender Beobachter hätte bemerken können, dass sie sich hauptsächlich mit den Männern ihrer Freundinnen oder Nachbarinnen unterhielt, dass sie laut und herzlich lachen konnte und Komplimente über ihr sommerliches Kleid und ihr Aussehen genoss. Jetzt stand sie fasziniert mit großen Augen da und hörte dem Handballtrainer ihres ältesten Sohnes zu. Recht auffällig, wie es nicht so recht zum Thema der sportlichen Begabung ihres Sohnes passte. Ein attraktiver, braungebrannter Mann, der sich gern mehr um ihren sportlich angeblich so talentierten Sohn kümmern wollte.

„Was sind das denn für Produkte, die mein Bruder meinte“, fragte Carolin.

„Wissen Sie, heute ist Party, das ist kein Thema für heute Abend. „Das hat mit Arbeit zu tun und das möchte ich heute meiden.“

„Darüber möchte ich aber mehr wissen. Müssen Sie mir erzählen“, sagte sie. „Ich gebe Ihnen nachher meine Karte mit der Telefonnummer“. Lemke glaubte, sich verhört zu haben. Er sollte sie anrufen?

Vier


Clausen war nun doch nicht zur Party gekommen. Ohne abzusagen. „Ich würde mich freuen, wenn Sie auch kämen“, hatte Lemke noch am Freitag zuvor wiederholt. „Mal sehen, ob ich kann“, hatte er geantwortet. Lemke wollte es nicht mit Clausen verderben, nachdem die Verantwortung für das neue Projekt gegen Clausens Willen bei Lemke gelandet war. „Unser Chef hätte in der Firma zur Zeit keinen „guten Lauf“, hatte Lemke zu Brix gesagt.

Clausen hatte kein besonderes Wochenende erlebt. Vielleicht hätte er doch zur Party gehen sollen, dachte er sich nach diesen langweiligen Tagen. Der Montag fing an wir jede Woche, als er am Mittag die Essenskantine betrat. Heute war er mal wieder dran als Mobbing-Opfer. „Herr Clausen, Vorsicht, die Tomatensuppe, das wäre doch schade um Ihren schönen Anzug“. Clausen saß mit Anzug und Krawatte am Mittagstisch, während die Mehrzahl der Kollegen ihr Sakko zum Essen ausgezogen hatte. Einige Kollegen grinsten verstohlen. Auch zwischen den Prokuristen herrschte oft ein rauer Ton. Immer wieder erlebte Clausen kleinere Sticheleien oder auch verdeckte Angriffe auf seine Person. Es hatte bei seinem ausgeprägten Selbstbewusstsein einige Zeit gedauert, bis er bemerkte, dass dieses Mobbing ihm selbst galt, nicht seinem Aufgabengebiet.

Clausen hatte sich seine Probleme mit seinen Kollegen selbst zuzuschreiben. Seine verkopfte Marketingsprache rief Spott hervor. Der vor kurzem gestartete Versuch, die Vertriebsorganisation nach einem System „client-zentrierter und umsatzgewichteter Prozessanalyse“ auszurichten stieß nicht nur bei dem Verkaufsleiter auf Widerstand. Denn den würde es direkt betreffen. Es lag auch an seiner Art, seine Sprache mit Marketing-Begriffen und englischen Fachwörtern zu spicken. Und dann auf irgendwelche Studien zu verweisen, die dann seine Ansichten stützten. Niemand machte sich dann noch die Mühe, den Inhalt oder die Existenz dieser Studien zu überprüfen.

Clausen war seit 4 Jahren Marketingleiter der Permedical GmbH. Er war noch von Dr. Grünfelds Vorgänger in diese Funktion eingesetzt worden. Der neue Geschäftsführer ließ zunächst alle Strukturen und Positionen unverändert. „Herr Clausen, ich möchte mit Ihnen als Marketingleiter erfolgreich zusammen arbeiten“, hatte er ihm gesagt, als Dr. Grünfeld in den Betrieb kam. „Kümmern Sie sich zunächst um unsere Marken und Produkte. Arbeiten Sie erweiterte Positionierungsfelder für die vorhandenen Produkte aus“, hatte er ihm zur Aufgabe gemacht. „Schließlich wollen wir das Umsatzpotential so weit wie möglich ausloten“.

Das flache, zweistöckige Gebäude der Permedical GmbH lag am Rand von Neumünster. Der Bau war langgestreckt, zweckmäßig. In beiden Etagen hatte der vorige Geschäftsführer zur Beschleunigung der internen Kommunikation einige Roller aufstellen lassen. Mit höhergestellten Handgriffen. Und Fußbremsen. Niemand hatte diesen „Kinderkram“ angenommen. Aber die beiden Trainees hatten ihren Spaß damit. Sie rollerten in unbeobachteten Augenblicken um die Wette den Gang entlang. Clausen selbst rollerte nie, auch an diesem Nachmittag nicht. Wie immer ging er eilig den Gang entlang hin zu seinem Eckzimmer. Er sah kurz in die offenstehenden Räume seiner Mitarbeiter.

„Frau Kullack, könnten Sie mir bitte einen Espresso machen?“ rief er in das Zimmer seiner Sekretärin durch die offene Tür. „Einen Doppelten, wie immer?“ fragte seine Sekretärin. „Ja klar“.

Nach einem seiner Italien-Urlaube hatte er sich eine italienische Espresso-Maschine angeschafft. Regelmäßig hatte er sich über den dünnen Firmen-Kaffee mokiert.

„Sehen Sie bitte nach, ob Lemke in seinem Zimmer ist“.

„Ja, mache ich, soll er kommen“?

„Ja natürlich“, sagte Clausen.

„Hallo Herr Clausen“, sagte Lemke.„Was macht das Gleitgel-Projekt?“, fragte Clausen, ohne auf Lemkes Begrüßung einzugehen. „Bevor Sie mir davon berichten: Wie weit sind Sie mit dem Markennamen?“

„Die Agentur kommt in der nächsten Woche mit Vorschlägen. Zudem soll sie eine visuelle Umsetzung des Produktnutzens zu finden.“

„Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit, Herr Lemke. Der Countdown läuft“.

„Es ist nicht ganz einfach. Das ist eine Gratwanderung. Unser Produkt ist im erotischen Bereich angesiedelt. Wir müssen vermeiden, in die Schmuddelecke zu geraten. Deshalb sollten wir mit der Produktbeschreibung und werblichen Umsetzung sehr behutsam vorgehen.“

„Behutsam? Das Produkt soll doch wegen des Nutzens gekauft werden. Wir müssen deutlich machen, worum es sich handelt. Das kann man nicht auf Zehenspitzen machen“, sagte Clausen. „Da müssen wir eben laut und vernehmlich auftreten“.

Lemke stimmte dieser Meinung nicht zu. Er äußerte sich jetzt aber nicht dazu. Er hatte den Eindruck, dass Clausen sich nicht in die differenzierte Problematik des Produktes einfühlen konnte. „Ich lasse mir mein Projekt nicht mit dem Holzhammer kaputt schlagen“, dachte er. „Auch von meinem Chef nicht“.

„Nun zu den Test-Arbeiten. Ich plane, einer Gruppe der Heimbewohner unser Produkt zu geben. Mal sehen, wie sie damit umgehen. Auch, ob die Idee bei Älteren akzeptiert wird oder eher auf Hemmungen stößt“.

„Heim“ war die Umschreibung für die Holstein-Residenz in der Nähe von Rendsburg, einer Senioren-Wohnanlage. „Für den wohlverdienten Ruhestand“. So stand es in Marketing-Deutsch auf der Titelseite der aufwändigen Hochglanz-Werbebroschüre, die neben Clausens Espressotasse lag.

„Bei der Auswahl hilft mir Frau Brotkorb, die Pflegedienstleiterin. Die ist sehr interessiert an unserem Produkttest.“ Lemke erklärte den Ablauf der Studie, erwähnte auch süffisant lächelnd den Spaß, den er selbst an dieser Arbeit hatte.

„Sprechen Sie im Haus nicht so viel über das Projekt. Sie wissen, dass wir uns hier in einer Grauzone des Arzneimittelmarktes bewegen. Das kann uns viel Ärger machen“, sagte Clausen.

„Nein, völlig klar. Hier haben Sie auch eine Probe“, sagte Lemke und gab Clausen eine Tube mit der Filzschreiber-Aufschrift „Muster“. Lemke wusste, dass Clausen seit seiner Scheidung allein lebte. Ob er eine Verwendung für das Gleitgel hätte, war Lemke egal. Er enthielt sich einer entsprechenden Bemerkung.

Auch Lemke hatte das Gleitgel noch nicht selbst ausprobiert. Seine Frau Britta hatte zu Beginn eines Gespräches über dieses Thema ablehnend reagiert. Sie war konservativer als ihr Mann. Sie hätte genug gesehen, meinte sie. Während ihrer Tätigkeit in einer Apotheke hatte sie auch Viagra an ältere Herren verkaufen müssen. Nicht sehr erbaut, wie auch ihre Kolleginnen. „Dann muss ich mir etwas einfallen lassen, wie ich das Produkt ausprobieren kann“, hatte Lemke sich überlegt. Aber was? Und dann hatte er plötzlich Carolin kennen gelernt. Könnte da etwas laufen?

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