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Die Chefin des Kanzleramtes zog den Anhänger ihrer Kette aus dem Ausschnitt und küsste ihn. Ohne die Lippen vom silbernen Kreuz zu lösen, schloss sie die Augen.

Heute wird beginnen, was du uns aufgetragen hast. Schon einmal war deine Strafe verheerend, vor viereinhalbtausend Jahren. Doch diesmal ist es kein Wasser, keine Sintflut. Zu viele von uns haben die Warnungen noch immer nicht verstanden. Und das werden sie auch nicht! Deswegen strafst du sie mit Krankheit und Tod und lässt die Gläubigen nun Archen bauen – aber nur die, die reinen Gewissens sind. Und sie werden gewaltig sein, diese Archen. Lass uns unter Beweis stellen, dass wir würdig für einen neuen Bund mit dir sind – denn Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.

Sie ließ das Kreuz ihrer Kette zurück in den Ausschnitt gleiten. Es hatte geklopft.

Ein Mann in Uniform deutete einen militärischen Gruß an und wartete darauf, dass die Chefin des Kanzleramtes vom Schreibtisch aufblickte.

»Ist alles in die Wege geleitet?«, fragte sie den Leiter des Sicherheitsdienstes und ließ ihre Unterlagen keinen Moment aus den Augen.

»So wie Sie es wollten«, erwiderte Roth.

Wäre er noch bei der Truppe und nicht ins Kanzleramt abkommandiert worden, hätte er seinen Antworten ein »Frau Staatssekretärin« anhängen müssen. Unter Politikern und hochrangigen Beamten jedoch war es üblich, diese Phrasen zu vermeiden.

»Wo haben Sie sie hingelegt?« Die Staatssekretärin sah zu ihm auf.

»In das Fach im Rednerpult.«

»Sie wissen, dass wir damit Geschichte schreiben?«

Er nickte, obwohl er keine Vorstellung davon hatte, was das tatsächlich hieß.

Sie erhob sich. »Dann fehlt wohl nur noch die, die durchs Programm führt.«

Sie strich ihr steif wirkendes Kostüm glatt, verließ das Büro und schritt auf den Saal zu, vor dem einige von Roths Männern bereitstanden.

»Viel Glück«, kam es ihm über die Lippen.

Nur für den Bruchteil einer Sekunde war in ihm eine Emotion hochgeschlagen, als er sich der Endgültigkeit dessen bewusst wurde, was der Staatssekretärin bevorstand.

Kaum war die Floskel ausgesprochen, fluchte er innerlich. Seitdem er für die engste Vertraute des Kanzlers arbeitete, bestach er durch Sachlichkeit und Äußerungen, die er auf das erforderliche Mindestmaß reduzierte.

»Glück sagen Sie? Das Glück ist mit den Dummen, Roth. Mit den Dummen! Was wir brauchen, sind Resultate. Und zwar so nötig wie nie zuvor, sonst hat das alles hier bald keinen Bestand mehr.«

Mit einer Arroganz, die den Leutnant, der Anfang dreißig war, beeindruckte, schritt sie auf einen der drei Eingänge des Sitzungssaals zu.

»Es beginnt, meine Herren!«, rief sie durch die Vorhalle.

Roth wartete, bis man die schweren und an die vier Meter hohen Türen hinter ihr verschloss und die Blicke seiner Männer auf ihn gerichtet waren.

»Verriegeln!«

Kaum hatte er den Befehl gegeben, wurden Ketten durch die Griffe der Flügeltüren gezogen. Sekunden später rasteten Vorhängeschlösser ein und er ordnete die Räumung des Kanzleramtes an.

DAS THEODIZEE-PROBLEM

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