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Der 18. August war ein Donnerstag.

Man hatte die M109 bei Tagesanbruch durch eine Transportfirma auf die Hügelkette südlich der Stadt schleppen lassen.

Wenn der Preis stimmte, fragte niemand nach den Hintergründen des Auftrages.

Die Zugmaschine schob das Waffensystem auf die Erdsporne, koppelte ab und machte sich auf den Rückweg. Zurück blieben ein milder Morgen und eine Besatzung, die aus drei Männern bestand. Zwei zu wenig, um das Geschütz mit der Geschwindigkeit zu betreiben, für die es konzipiert worden war. Aber Geschwindigkeit war für das Vorhaben nicht von Relevanz. Die Mannschaft hatte vom ersten Schuss an eine halbe Stunde, um das Ziel zu treffen – in artilleristischen Größenordnungen war das alle Zeit der Welt.

Anfangs würden sie Projektile ohne Zünder verschießen und nach jedem einzelnen die Ausrichtung des Rohres korrigieren. So lange, bis sie sich an das Objekt herangetastet hätten. Für das Personal des Reaktors wäre nur ein entfernter Knall der Treibladung zu hören, im Anschluss daran das bedrohliche Surren, wenn Stahl Luft trennte, und dann ein krachender Einschlag. Einer ohne Detonation.

Der Vorteil an der zünderlosen Munition in Kombination mit einer Anvisiertechnik, bei der man Probeschüsse von unten immer weiter an das Ziel heransetzte, war eine Verdopplung der Trefferwahrscheinlichkeit. Ging das Geschoss zu tief und hatte keinen allzu steilen Winkel zum Boden, entstand ein Abpraller. Es setzte in diesem Fall auf der Erde auf, prallte ab und überschlug sich mehrfach in Richtung Zielobjekt, um es mit etwas Glück doch noch todbringend zu erreichen. Dann explodierten zwar nicht die darin enthaltenen elf Kilogramm Sprengstoff, aber die Wucht von dreiundvierzig Kilogramm, die mit einer Geschwindigkeit von dreitausend Stundenkilometer aus dem Rohr geprügelt wurden, reichte, um einen feindlichen Panzer, an der Wanne getroffen, auf das Dach zu werfen. Das, so glaubte die Mannschaft des Geschützes, müsste auch einem thermonuklearen Reaktor genügen.

Zumindest die ersten drei, vier Schüsse lang sollte das Kraftwerkspersonal in Chaos verfallen und keine Idee haben, was in ihrer unmittelbaren Nähe einschlug. Und alle dreißig Sekunden würde die Besatzung nachladen und die Feinjustierung des Zielfernrohres geringfügig dem Atommeiler näherbringen.

Bis es Zeit für Munition mit Zündern wäre.


»Brüder, es ist so weit.«

Jamal löste den Verschluss mit einem Schlag auf den Arretierungshebel. Unter metallischem Krachen schloss er den ersten Boten ein, den sie der Welt mitzugeben hatten.

»Drei, zwei, eins, FEUER!«

Jamal zog kräftig an der Leine und verursachte einen Donner, der das gesamte Geschütz erst rückwärts auf die Erdsporne und dann nach vorn schwanken ließ. Die Waffenanlage im Kampfraum rauschte an den Köpfen der drei vorbei, schlug innerhalb des Bruchteils einer Sekunde bis fast an die Rückseite des Geschützturmes aus und fuhr wieder in die Ausgangsposition. Der Verschluss stand offen und qualmte.

»Los, los, los, Männer!«, trieb Noah Bijan und Jamal an, die ein neues Geschoss ins Rohr hievten und es in die Züge und Felder pressten. Die Treibladung dahinter, Anzünder hinein und den Verschlussblock schließen.

»Feuerbereit!«, schrie Jamal von seiner Position rechts der Waffenanlage.

»FEUER!«

Den zweiten Schuss hatte Noah geringfügig höher angesetzt. Ein Abpraller, der krachend in einem der Nebengebäude endete.

Geschoss um Geschoss ging zünderlos im einen Kilometer entfernten Zielgebiet nieder. Im zweistelligen Meterbereich arbeitete man sich an das Ziel heran. Bis ein Projektil die Reaktorkuppel seitlich streifte und das erste Sprenggeschoss mit Verzögerungszünder in der Waffenanlage auf den Einsatz wartete.

»Brüder, lasst uns Geschichte schreiben! Seid ihr bereit?«

Nicken von Bijan.

Von Jamal kam keine Reaktion aus seinem versteinerten Gesicht, was als Zustimmung zu werten war.

»Dann sehen wir uns danach. Ich warte auf euch. DREI … ZWEI … EINS … FEUER!«

Das Geschoss trieb es grollend aus dem Rohr. Durch einen Rechtsdrall stabilisiert steuerte es auf den Reaktor zu, kam etwas tiefer als anvisiert, hielt aber dennoch auf den unteren Kuppelrand zu und schlug ein.

DAS THEODIZEE-PROBLEM

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