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7.

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In der Nacht war Jack Finnegan aufgewacht, und wieder hatte er geglaubt, seine strapazierten Nerven spielten ihm einen Streich. Dann aber hatte er sich vergewissert, daß er nicht träumte: Wirklich, kleine Regentropfen hatten sein Gesicht genäßt, und irgendwo in der Ferne hatte ein Blitz gezuckt. Dann war das verhaltene Grollen eines Gewitterdonners über die See gerollt.

Die anderen hatten fest geschlafen. Finnegan aber hatte sich die Pütz genommen und sie dazu benutzt, ablaufendes Wasser von ihrer Segel-Sonnenschutzplane aufzufangen. Schließlich hatte der kurze Regen ausgesetzt, und Finnegan hatte seine Holzpütz auf der Plattform in der Nähe des Mastes abgestellt und fortan wie seinen Augapfel gehütet.

Er wartete darauf, daß es wieder anfing zu regnen, doch diesmal wurde er enttäuscht. Unberechenbar waren die Launen der Natur, im Guten wie im Argen.

Am Morgen des dritten Tages nun, den sie als Gefangene ihres eigenen Schiffes auf der Plattform verbrachten, wies Finnegan seinen Freund Paddy Rogers auf das kostbare Naß hin, das er gewonnen hatte.

„Mann, ein schöneres Geschenk gibt es nicht“, sagte Rogers überwältigt.

„Ja“, brummte Finnegan und warf einen Blick auf Reuter, Marten und Pravemann, die eben aufwachten und sich die Augen rieben. „Nimm schnell einen Schluck. Danach stellen wir die Pütz wieder weg. Vielleicht merken die Kerle nicht, daß Wasser drin ist.“

„Und wenn schon. Hast du denn genug getrunken?“

„Nur einen kleinen Schluck. Wir müssen äußerst sparsam damit umgehen.“

Rogers nickte und hob die Holzpütz an seinen Mund. Er benetzte nur ein wenig seine Lippen und ließ den Schluck Wasser durch seine Kehle rinnen, dann setzte er wieder ab und tat, was Finnegan ihm empfohlen hatte. Die Pütz stand nun etwa in der Mitte der einen Hälfte des Marses, und beide Engländer hatten ein waches Auge darauf.

Reuter war jedoch nicht entgangen, daß Paddy Rogers die Pütz hochgehoben hatte.

„He!“ sagte er heiser. „Was hat denn das nun wieder zu bedeuten? Rogers, ist dein Geist umnachtet?“

Rogers begegnete seinem Blick. „Sag das noch mal.“

Piet Reuter zog es vor, zu schweigen. Sein Blick wanderte zum Segel hoch und verharrte dort. Plötzlich straffte sich seine Gestalt, er griff nach Pravemanns Schulter und rüttelte daran, versetzte auch dem großen Jan Marten einen Stoß.

„Was ist? Zeigt sich endlich ein Schiff?“ murmelte Pravemann.

„Nein. Aber das Segel ist noch ganz feucht“, entgegnete Reuter. „Heute nacht hat es geregnet.“

Marten blinzelte und gab einen unwilligen Laut von sich.

„Regen?“ wiederholte er. „Sollen wir vielleicht das Segel ablutschen? Pfui Teufel, das schmeckt mir nicht.“

„Wir können es einfacher haben“, sagte Reuter und stand auf. Er trat bis dicht an die Pütz und konnte das Wasser darin erkennen.

Marten und Pravemann hatten sich ebenfalls von ihren harten Schlafplätzen erhoben, sie spürten etwas von der Bedeutung, die dieser Moment für sie alle hatte.

Paddy Rogers brachte sich vorsichtshalber zwischen Piet Reuter und die Pütz. Noch hockte er auf der Plattform, aber er war bereit, sehr schnell aufzuspringen und den Holländer daran zu hindern, auch nur die Hand nach der Pütz auszustrekken.

„Sehr nett finde ich das nicht von euch“, sagte Reuter schleppend. „Ihr reißt euch heimlich das Wasser unter den Nagel und laßt uns nicht einmal daran nippen. Na, zum Glück habt ihr ja nicht gleich alles ausgesoffen, wir kriegen unseren Anteil noch.“

„Anteil? Dir ist wohl nicht gut, was?“ sagte Rogers und sah ihn von unten her an.

Jack Finnegan musterte den Holländer ebenfalls kalt.

„Daß ihr darauf keinen Anspruch habt, ist dir doch wohl klar“, sagte er. „Ihr habt uns nur verhöhnt, aber wir haben die Pütz unter Einsatz unseres Lebens aus dem Wasser gefischt.“

„Mit den Kameraden zu teilen, ist Ehrensache.“ Reuter lächelte verschlagen. „Nun stellt euch doch nicht so an. Kann man nicht mal einen Spaß mit euch machen? Hölle, wenn ich das Wasser hätte, würde ich es ganz bestimmt mit euch teilen.“

„Das erzähl’ lieber deinen Freunden“, sagte Finnegan verächtlich. „Die kaufen es dir ab. Aber uns kannst du nicht verschaukeln, klar?“

„Vorsichtig, Finnegan …“

„Ihr würdet uns nicht einen Tropfen abgeben, wenn die Pütz euch gehören würde. Ihr seid ein schlimmes Trio, das weiß ich gut genug, Piet Reuter, und wenn ihr nicht eine gehörige Portion Respekt vor uns hättet, wären wir längst von den Haien zerrissen worden, nicht wahr?“ Finnegan stemmte die Fäuste in die Seiten. „Möchtest du ein Tänzchen mit uns wagen? Na los, ich warte. Hol dir das Wasser, wenn du dich traust.“

Paddy Rogers war plötzlich auf den Beinen und richtete sich dicht vor Reuter zu seiner vollen Körpergröße auf.

„Ich warte auch“, sagte er gelassen.

Reuter rührte sich nicht vom Fleck, doch er wagte nicht, die beiden Engländer anzugreifen, auch mit Martens und Pravemanns Unterstützung nicht. Jetzt, da es ums eigene Überleben ging, hätte Reuter zwar eine Menge riskiert, doch der Einsatz war ihm immer noch zu hoch. Es war ein Wagnis, Finnegan und Rogers direkt anzugehen. Lieber wartete er eine bessere Gelegenheit ab. Die würde sich schon noch bieten.

Jan Marten war ein starker Kerl, aber vor Paddy Rogers schreckte er zurück, denn er wußte, wie dieser Mann zuschlagen konnte. Man hatte dies im Vordeck der „Zeland“ bei einer Auseinandersetzung sehen können – seinerzeit hatte Rogers einmal drei Kerle, die ihm eine kleine Flasche Whisky gestohlen hatten, nach Strich und Faden verprügelt, so sehr, daß ihnen Hören und Sehen vergangen war. Statt sie dem Profos zu melden, hatte er sich lieber auf seine Art Genugtuung verschafft.

Seit jenem Tag waren ihm die Hochachtung und der Respekt der gesamten Crew gewiß gewesen. Pravemann hatte regelrecht Angst vor Rogers, wenn er dies auch gut verbarg. Kurzum, alle drei Holländer hatten Grund genug, die offene Auseinandersetzung mit dem Bullen zu meiden.

Und Jack Finnegan? Der war auch ein harter und gefährlicher Kämpfer, das wußten sie. Drei gegen zwei, dieses Verhältnis täuschte über die wahre Kräfteverteilung: Reuter, Marten und Pravemann riskierten, selbst zu den Haien befördert zu werden, wenn sie mit den bloßen Fäusten auf die Engländer losgingen.

Etwas anderes wäre es gewesen, wenn Messer und Säbel zur Verfügung gestanden hätten. Aber die gab es nun mal nicht. Die einzige Waffe auf der Plattform war die Verstrebung, mit der Rogers gegen die Haie gekämpft hatte, und die gehörte nach wie vor den beiden Engländern. Da konnte Pravemann es sich noch so sehr wünschen, beispielsweise Rogers ein Messer in den Rücken zu schleudern – dieses Verlangen würde sich nicht erfüllen lassen, solange sie auf dem Mars verweilen mußten.

Jack Finnegan nahm die Pütz und stellte sie an den Rand der Plattform. Das war eine zusätzliche Herausforderung. Er wollte prüfen, wie groß Reuters Mut war.

„So“, sagte er. „Wenn ihr es jetzt wagt, auch nur einen Versuch zu unternehmen, um euch die Pütz zu holen, stoße ich sie ins Wasser, damit ihr sie ja nicht kriegt, ihr drei Käsefresser.“

„Jetzt gehst du zu weit“, sagte Piet Reuter leise.

„Ich? Du hättest gestern lieber nicht so dreckig lachen, sondern uns besser helfen sollen.“

„Du kannst uns deswegen nicht sterben lassen, Finnegan.“

„Tue ich das? Noch seid ihr hübsch lebendig, soweit ich erkennen kann.“

„Finnegan, laß doch mal vernünftig mit dir reden.“

„Das hört sich schon besser an.“

„Das Gequatsche hat keinen Zweck“, sagte plötzlich Jan Marten. „Geben wir’s diesen Bastarden!“

„Halt dich zurück“, warnte Reuter. Er wußte, daß Martens Gerede nur eine leere Drohung war, aber er hoffte, dessen Worte ausnutzen zu können, um seinen eigenen Sätzen den nötigen Nachdruck zu verleihen.

„Immer ruhig Blut und setzt euch wieder“, sagte Pravemann. „Was soll denn das Ganze? So erreichen wir gar nichts. Irgendwann schlafen unsere Freunde ja doch wieder ein. Dann sehen wir, wie sich das regeln läßt.“

„Irrtum“, sagte Finnegan höhnisch. „Wir schlafen mit einem geschlossenen und mit einem wachen Auge. Hätte ich sonst vielleicht den Regen bemerkt?“

Reuter trat zu Marten und Pravemann zurück. Sie raunten sich untereinander etwas zu, wiesen auf die Engländer und schienen zu beratschlagen. Was sie sprachen, konnten Finnegan und Rogers nicht verstehen.

Finnegan und Rogers verschränkten die Arme vor der Brust.

„Laß dich von denen bloß nicht ins Bockshorn jagen“, sagte Finnegan verhalten. „Sie können gar nichts tun. Immer hübsch ruhig bleiben, Paddy.“

So belauerten sich die beiden Parteien gegenseitig wie wilde Tiere – und unten im Wasser lauerten weiterhin die Haie. Jedem der fünf Männer war klar: Wer bei einem eventuellen Kampf von der Plattform flog, dem war nicht mehr zu helfen.

Jack Finnegan lag für einige Zeit mit seinen eigenen Gefühlen im Widerstreit, dann entschied er sich, wenigstens den Versuch einer Einigung zu unternehmen. Er brach das tödliche Schweigen, das auf der Plattform herrschte.

„Eigentlich ist es idiotisch, was wir hier treiben“, sagte er. „Wir könnten, wenn wir wollten, Ruhe und Frieden walten lassen. Wollen wir es nicht probieren? Ich meine, das wäre in unserem Interesse, denn wenn wir den Haß weiterhin schüren, wird der Mars für uns fünf bald zur Hölle.“

„Wie klug er redet“, sagte Pravemann höhnisch. „Richtig gebildet, was? Er hätte das Zeug zum Bordkaplan.“

Finnegan ließ sich durch diese Worte nicht beeinflussen. „Wir müssen ganz einfach zusehen, so lange wie möglich durchzuhalten. Vielleicht taucht irgendwann ja doch ein Schiff auf. Je mehr Zeit vergeht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit. Leuchtet euch das nicht ein?“

„Doch“, erwiderte Piet Reuter. „Aber dann rück’ jetzt auch mit dem Wasser heraus, Finnegan. Ich hab’ nämlich Durst.“

„Nein.“

„Also sind wir wieder da, wo wir angefangen haben?“

„Nicht ganz“, sagte Finnegan. „Wir teilen das Wasser ein. Ihr habt also eine Chance, euren Anteil doch noch zu erhalten. Nur nicht sofort – ihr hättet euch ja heute nacht satt trinken können. Warum habt ihr’s nicht getan?“

„Warum hast du uns nicht geweckt?“ fragte Reuter aufgebracht.

„Weshalb hast du nicht aufgepaßt?“

So ging es hin und her, aber im Verlauf des hitzigen Gesprächs wurde mehr und mehr deutlich, wer die eigentliche Autorität auf der Plattform war: Finnegan. Er allein war imstande, den Überblick zu bewahren und die schiffbrüchige Gruppe zu leiten. Er blieb kühl und gelassen und offenbarte seinen harten Kern, der ihn nicht aufgeben ließ. Schließlich mußten Reuter, Marten und Pravemann seinen Vorschlag bezüglich des Wassers akzeptieren, es blieb ihnen nichts anderes übrig.

Somit war der Streit zwischen den beiden Parteien vorläufig auf einem ruhenden Punkt angelangt. Jeden Augenblick aber konnten die Reibereien von neuem beginnen.

Am nächsten Tag, dem vierten auf der Marsplattform, trieb aus der gesunkenen „Zeland“ ein Bootshaken auf. Die fünf Männer kauerten am Rand der Marsplattform und betrachteten das Ding, als handle es sich um eins der Weltwunder der Antike, dabei war es doch nur ein simpler Haken, dem bei normalem Betrieb an Bord eines Schiffes kein Mensch übertriebene Aufmerksamkeit geschenkt hätte.

„Den könnten wir gebrauchen“, sagte Piet Reuter.

„Ja“, pflichtete Jack Finnegan ihm bei. „Als Waffe gegen die Haie. Wer entert mit mir ab?“

„Ich natürlich“, erwiderte Paddy Rogers.

„Nein, du bleibst hier. Versteh mich nicht falsch, Paddy, aber es ist besser so.“

Reuter grinste. „Wegen des Wassers, wie? Damit wir es nicht aussaufen, oder? Nur die Ruhe, Finnegan, wir haben unsere Ration ja nun schon gehabt.“

Trotzdem kann man euch nicht trauen, dachte Finnegan, würden Paddy und ich runtersteigen, würdet ihr garantiert die Pütz leeren, darauf verwette ich meinen Kopf.

„Jan“, sagte Reuter zu Marten. „Wie wäre es mit dir?“

Marten sah verdutzt auf. „Ich soll … gut, meinetwegen, ich habe keine Angst. Wäre doch gelacht, wenn wir den verdammten Peekhaken nicht erwischen würden, was?“ Er musterte Finnegan und grinste. Er hatte Reuters Blick und Miene zu deuten gewußt: Er, Jan Marten, sollte versuchen, den Haken mit der eisernen Spitze an sich zu bringen, denn dann hatten sie nicht nur eine Waffe gegen die Haie, sondern auch gegen Finnegan und Rogers.

Finnegan nickte ihm aufmunternd zu. „Los, Paddy, gib ihm die Planke.“

Rogers händigte dem großen Holländer die Marsverstrebung nur widerwillig aus, aber er sah andererseits auch ein, daß es keine andere Möglichkeit gab. Allein konnte Jack Finnegan nicht hinuntersteigen, es wäre sein Tod gewesen. Und er, Paddy, war genau der richtige Mann, um die Pütz zu verteidigen, er mußte auf der Plattform zurückbleiben, denn ihm zollten Reuter und Pravemann den erforderlichen Respekt.

Finnegan hangelte nach unten, gefolgt von Marten. Sie hatten das Wasser fast erreicht, und der Engländer griff bereits nach dem Bootshaken, der in einem günstigen Winkel auf den Mast zutrieb – da hieb Marten plötzlich mit der Verstrebung zu.

Finnegan erhielt das Holz gegen den Rücken, er spürte einen Schmerz, der durch seinen ganzen Körper raste, seine Finger wurden für einen Augenblick kraftlos. Er ließ seinen Halt los und stürzte von den Webeleinen ins Wasser.

Paddy Rogers war der Zwischenfall nicht entgangen. Er stieß einen Fluch aus und griff sich die Pütz. Wütend schwenkte er sie und schrie: „Marten, du Schweinehund, jetzt schlage ich deinen beiden Kumpanen den Schädel ein!“

„Tu’s nicht!“ rief Marten. „Die verdammte Planke ist mir doch bloß ausgerutscht!“

„Jawohl, es war ein Mißgeschick“, sagte auch Reuter. „Ich habe es gesehen. Das war keine Absicht.“

„Sei vernünftig“, begann auch Pravemann auf den bulligen Engländer einzureden. „Glaubst du denn im Ernst, wir wären so dämlich, uns mit dir anzulegen? Wir wissen doch, daß du uns überlegen bist.“

Paddy Rogers zögerte.

Finnegan war im Wasser untergetaucht, schoß jetzt jedoch wieder hoch und schwamm zu den Wanten zurück. Jan Marten schickte einen drohenden Blick zu ihm hinüber. Er streckte die Hand nach dem Bootshaken aus und versuchte dabei, auch die Planke festzuhalten, doch sie entglitt ihm und landete mit einem hallenden Klatscher im Wasser.

Marten stieß eine lästerliche Verwünschung aus und langte wieder nach dem Haken.

„Die Haie!“ rief Finnegan. „Mein Gott, die Haie, Mann!“

Er trachtete, die Verstrebung in seinen Besitz zu bringen, doch die grauen Mörder waren nah heran und umzingelten ihn bereits.

Paddy Rogers geriet erneut in Zorn.

„Marten, du Bastard!“ brüllte er. „Hilf Jack, oder ich wisch’ deine Leute vom Mars!“

Reuter überlief es abwechselnd heiß und kalt, als er Rogers’ Blick registrierte. Die grau-grünen Augen schienen plötzlich zu lodern. In diesem Zustand war er zu allem fähig und würde es mit Leichtigkeit schaffen, sie beide von der Plattform zu befördern.

Pravemann stand geduckt da und hielt nach einer Möglichkeit zur Verteidigung Ausschau. Es gab sie jedoch nicht, die einzige Hoffnung lag in einem Sieg beim offenen Kampf. Aber auf einen solchen Kampf verzichteten sie lieber.

„Jan!“ schrie Reuter. „Hilf ihm! Um Himmels willen, laß die Haie nicht an ihn ran, sonst sind wir alle geliefert!“

Marten hatte den Peekhaken jetzt aufgefischt. Er drehte ihn in der Hand um und zielte mit der eisernen Spitze auf den Hai, der Finnegan am nächsten war. Der Mörderrachen öffnete sich weit, die nadelspitzen Zähne drohten nach Finnegans Beinen zu schnappen. Finnegan behielt bis zum letzten Moment die Nerven und trachtete, die Planke zu erreichen, doch Jan Marten sah sehr deutlich, daß er sich dennoch nicht mehr würde verteidigen können, wenn nicht sofort etwas geschah.

Und wenn er, Marten, seinem Landsmann Reuter nun nicht gehorchte – was war dann? Rogers würde Reuter und Pravemann von der Plattform stoßen. Finnegan würde von den Haien zerrissen werden. Er, Marten, würde den Kampf mit Rogers aufnehmen und im Vorteil sein, weil er den Bootshaken hatte. Oder? Aber was war, wenn ihn Rogers gar nicht erst auf den Mars zurückkehren ließ? Er konnte seine Position da oben durchaus verteidigen, es würde ihm nicht schwerfallen. Er konnte seinen Gegner in den Wanten zum Wahnsinn treiben, bis dieser – ohne Wasser, ohne Nahrung – derart geschwächt war, daß er von selbst in die See kippte.

All dies ging Marten im Bruchteil eines Augenblicks durch den Kopf, und so beschloß er, doch lieber Reuters Aufforderung zu befolgen. So groß war der Kameradschaftsgeist in ihm nicht, daß er sein Leben für die beiden Kumpane geopfert hätte, doch was kostete es ihn schon, nach den Haien zu stechen?

Er rammte dem Hai, der hinter Jack Finnegan war, die Spitze des Hakens geradewegs in den geöffneten Rachen. Das Tier bäumte sich auf. Marten stieß einen grimmigen Laut der Genugtuung aus und verstärkte den Druck seiner Waffe. Noch nie hatte er einen Hai, dazu noch einen so großen, an einer Pike zappeln gehabt, es war ein überwältigendes Erlebnis, faszinierend und schaurig zugleich.

Wieder bäumte der Hai sich auf und schlug mit der Schwanzflosse, daß das Wasser aufspritzte. Der Haken hatte sich in seinem Rachen verfangen, und jetzt zerrte das Tier so wild, daß Jan Marten seinen Halt in den Webeleinen verlor und zu Finnegan ins Wasser stürzte.

Finnegan hatte die Planke erreicht, riß sie an sich, drehte sich im Wasser um und wollte nach dem Hai schlagen, mit dem Marten im Kampf lag, doch der Holländer befand sich zwischen ihm und dem Todfeind, so daß er riskierte, den Mann statt des Raubfisches zu treffen.

Zwei andere Haie nahten.

Finnegan hatte keine Chance, sich allein mit der Marsverstrebung gegen sie zu verteidigen. In drohender Todesnot schwamm er zu den Wanten und kletterte hoch. Dann beugte er sich wieder zu Marten und dem ersten Hai hinunter und schlug dem Tier mit der Planke auf die Schnauze. Was er dabei jedoch sah, ließ ihm den Atem stocken.

Jan Marten versuchte, den Peekhaken an sich zu reißen, doch es war ein aussichtsloses Unterfangen. Der Hai klappte seine Kiefer zu. Der Biß war so kräftig, daß der Stiel des Hakens zerbrach. Dann stürzte sich das Tier ungeachtet der Hiebe, die Finnegan ihm verpaßte, auf den Holländer. Marten schlug wild um sich, doch er hatte keine Chance. Der Hai begrub ihn unter sich und verbiß sich in ihn.

Jack Finnegan hatte schon viel Grausames gesehen, doch jetzt schwanden ihm fast die Sinne. Alles spielte sich in größter Deutlichkeit vor seinen Augen ab, und Martens gräßliche Schreie jagten ihm einen kalten Schauer nach dem anderen über den Rücken. Er konnte nichts mehr für Marten tun.

Marten wurde zerfetzt, das Wasser färbte sich rot. Im Nu hatten sich alle Haie an der Unglücksstelle versammelt, zwölf oder noch mehr zählte Jack Finnegan. Sie balgten sich um das Opfer.

Jetzt ging auf der Marsplattform das Grauen um. Piet Reuter schüttelte die Faust gegen die Haie und stieß die übelsten Flüche aus. Dann, als Finnegan langsam in den Webeleinen aufenterte, begann er, diesen zu beschimpfen.

„Du bist ein Mörder, Finnegan!“ schrie er. „Deinetwegen hat es den armen Jan erwischt! Das wirst du noch schwer bereuen! Bezahlen wirst du dafür, das schwöre ich dir!“

„Nimm das zurück“, sagte Paddy Rogers drohend.

Finnegan kroch auf die Plattform zurück und hob in einer abwehrenden Geste die Hand. „Laß ihn, Paddy. Ich kann seine Reaktion verstehen.“ Er gesellte sich zu seinem Freund, und sie standen den beiden Holländern schweigend gegenüber. Kalter Haß glänzte in Reuters und Pravemanns Augen. Paddy Rogers hatte die Hände zu Fäusten geballt, daß das Weiße an den Knöcheln hervortrat. Auch er war kurz davor, überzukochen.

Finnegan jedoch versuchte, gelassen zu bleiben. Dabei bereitete er sich in seinem Inneren selbst die schwersten Vorwürfe. Du hättest den verdammten Haken allein herausfischen sollen, sagte er sich, ohne Marten. Sicher, er hat seinen Tod durch seine eigene Ungeschicklichkeit herbeigeführt, doch er könnte noch leben, wenn du klüger vorgegangen wärst.

Er hütete sich jedoch, dies laut zu äußern, denn seine Selbstbeschuldigungen wären nur Wasser auf Reuters Mühlen gewesen.

Seewölfe Paket 14

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