Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 19

3.

Оглавление

Jesus Valencia wußte, daß seine Karriere als Offizier der Spanischen Marine so gut wie beendet war, als er den Haß in den Augen seines Kapitäns Juan de Faleiro sah.

Sein Geiergesicht war verzerrt, die Mundwinkel waren weiß von getrocknetem Speichel. Er hatte die Perücke abgenommen und sah jetzt aus wie ein Gift und Galle spuckender Gnom aus der Unterwelt. Es fehlen ihm nur noch die Hörer, dachte Jesus Valencia.

„Sie wissen, warum ich Sie zu mir in die Kammer gebeten habe, Señor Valencia?“ begann er mit schleimiger Stimme, aber der Erste Offizier hörte die Boshaftigkeit, die in seinen Worten mitschwang.

„Ich bin mir keiner Schuld bewußt, Señor Capitán“, erwiderte er gepreßt.

„So.“ Juan de Faleiro erhob sich abrupt und ging hinter dem Tisch, auf dem eine Karte ausgebreitet lag, hin und her. „Sie finden es also völlig in Ordnung, wenn ein Untergebener seinem Vorgesetzten in Gegenwart der Mannschaft widerspricht und sogar Befehle verweigert.“

„Ich werde jeden Ihrer Befehle befolgen, Señor Capitán“, sagte Jesus Valencia, „wenn er nicht gegen mein Gewissen oder meinen Glauben verstößt.“

„So. Sie glauben also, daß ein Befehl, der der Erhaltung der vollen Manövrierfähigkeit und Gefechtsbereitschaft des Schiffes dient, gegen Ihren Glauben verstößt?“

„Der Tod der vier Rudersklaven war unnötig“, entgegnete Jesus Valencia fest. „Soweit mir bekannt ist, lautet unsere Order, nach geeigneten Handelsstützpunkten im östlichen Mittelmeerraum zu suchen und wenn möglich, mit den jeweiligen örtlichen Stellen Verträge abzuschließen. Die ‚San Antonio‘ ist nicht dafür ausgerüstet, französische Handelsfahrer zu kapern.“

Die weißen Flecken in den Mundwinkeln des Kapitäns wurden größer. Jesus Valencia kannte das. Gleich würde der Glatzkopf explodieren.

„Das ist Insubordination!“ kreischte de Faleiro. „Sind Sie sich eigentlich darüber im klaren, daß ich Sie an die Rah hängen lassen könnte? Sie haben nicht zu entscheiden, welche Aufgabe für die ‚San Antonio‘ wichtiger ist! Wissen Sie eigentlich, was die Engländer, die sich an Bord des Franzosen befinden, der Spanischen Krone angetan haben? Auf jeden ihrer Köpfe ist eine hohe Belohnung ausgesetzt!“

„Woher wollen Sie wissen, daß es sich um diese Engländer handelt, Señor Capitán?“ fragte der Erste Offizier.

„Haben Sie nicht den Ruf ‚Arwenack‘ gehört?“ Juan de Faleiro blickte seinen Ersten Offizier nicht mehr an. Er schien mit seinen Gedanken weit fort zu sein. Sein Gesicht hatte sich zu einer Grimasse des Hasses verzerrt, als er flüsternd sagte: „Ihr Kapitän, den sie Seewolf nennen, stammt aus Falmouth an der Küste Cornwalls. Er ist mit Drake gefahren, diesem Hundesohn, der unsere Kolonien in Westindien geplündert hat.“ Sein Blick war jetzt wieder klar und voll auf Jesus Valencia gerichtet. „Und Sie meinen, ich hätte kein Recht, diese Feinde Spaniens zu jagen?“

Jesus Valencia schwieg. Er wußte, daß Juan de Faleiro in der besseren Position war. Wenn es stimmte, was er behauptete, dann würde er immer Recht erhalten, wenn es hart auf hart ging. Dann würde ihn ein Marinegericht sogar freisprechen, wenn er ihn hier in der Kammer erschoß.

Der Kapitän sah, wie es in Jesus Valencia arbeitete. Ein häßliches Grinsen breitete sich auf seinem Geiergesicht aus. Er wußte, daß er wieder obenauf war, und er war entschlossen, Valencia für seinen Widerspruch zu demütigen.

Er wollte etwas sagen, doch in diesem Moment verstummte wieder der dumpfe Trommelschlag, der den Takt für die Ruderer angab.

Mit ein paar Schritten war Juan de Faleiro an seinem Ersten Offizier vorbei und stieg den Niedergang zur achteren Plattform hinauf.

Er hörte das laute Geschrei und das Klirren der Ketten durch den stärker werdenden Wind. Eine Peitsche klatschte auf den Rücken eines Ruderers, der sich schreiend krümmte.

Juan de Faleiro sah vorn auf dem Laufgang die Gestalt eines der Aufseher liegen. Sein nackter Rücken war blutüberströmt. Zwei andere Aufseher standen geduckt vor einem der Rudersklaven, der eine gebrochene Kette mit beiden Händen hielt und sie über seinem Kopf schwang.

„Teniente Ribera!“ brüllte Juan de Faleiro. „Schießen Sie den Kerl nieder!“

Der Teniente, der auf der vorderen Plattform neben einer Drehbasse stand, rührte sich nicht.

Die Stimme des Kapitäns überschlug sich vor Wut. Kaum ein Wort von dem, was er über die Lippen brachte, war zu verstehen. Er hastete auf den Laufgang und zerrte seine Pistole hervor, die er vorn im Gürtel seiner Hose stecken hatte.

„Zur Seite!“ brüllte er die beiden Aufseher an, die sich nicht an den Ruderer heranwagten. Die beiden gehorchten nur zu gern. Sie gaben dem Kapitän die Sicht auf den Rudersklaven frei, der immer noch seine Kette schwang, deren eines Glied er geknackt haben mußte.

Die Kugel aus der großkalibrigen Pistole des Kapitäns traf den Mann in die Brust und stieß ihn zurück gegen die drei anderen Ruderer, die mit ihm auf einer Duchts saßen. Sie schrien auf, als sie das Blut ihres Leidensgenossen an ihren Händen spürten, und einer von ihnen brüllte: „Schlagt endlich dieses Schwein von einem Kapitän tot!“

Ehe Juan de Faleiro reagieren konnte, war der Mann aufgesprungen, hatte die lose Kette aufgehoben, die dem Toten aus den Fingern geglitten war, und hieb damit auf de Faleiro ein.

Die Kette streifte den Kapitän an der linken Schulter und riß ihm das Wams entzwei. De Faleiro kreischte wie ein Schwein, das zur Schlachtbank geführt wird. Er stolperte und wäre fast auf der anderen Seite des Laufganges zwischen zwei Duchten gestürzt. Hände griffen instinktiv nach ihm, aber da fauchten die Peitschen der Aufseher durch die Luft und klatschten auf die Arme der Rudersklaven. Einer der Aufseher faßte nach dem linken Arm des Kapitäns und zog ihn auf den Laufgang zurück.

Schreiend riß sich Juan de Faleiro los. Der aufgerissene Ärmel seines linken Armes färbte sich dunkel von seinem Blut. Als er es sah, traten ihm die Augen aus den Höhlen. Der Zeigefinger seiner rechten Hand stach auf den Mann zu, der ihn mit der Kette getroffen hatte.

„Schließt ihn los!“ kreischte er. „Ich werde den verlausten Verbrechern zeigen, was es heißt, die Hand gegen den Kapitän zu erheben! Ich werde ein Exempel statuieren, daß euch Hundesöhnen ein für allemal die Lust vergeht, euch über Schläge und schlechte Behandlung zu beschweren!“

Er hastete den Laufgang zurück bis zum Tabernakel, neben dem Jesus Valencia stand und sich das Schauspiel ansah. Sein Anblick brachte Juan de Faleiro noch mehr in Rage. Er zitterte am ganzen Körper, und über seine flekkige Glatze lief der Schweiß in Strömen. Er wollte Valencia anschreien, doch dann durchzuckte ein Gedanke seinen Geierschädel. Das Zittern seines Körpers hörte von einem Moment zum anderen auf. Er drehte sich um und beobachtete, wie die Aufseher den Rudersklaven, der auf den Kapitän mit der Kette losgegangen war, zusammenschlugen und losschlossen. Zwei Seeleute trugen den schwer verwundeten Aufseher zur achteren Plattform. Der Mann war ohne Bewußtsein. Sein Rücken sah merkwürdig krumm aus, und Jesus Valencia, der mit zusammengekniffenen Lippen auf den Mann starrte, ahnte, daß die Kette dem Aufseher das Rückgrat gebrochen hatte.

Ihm wurde schlecht. Nicht so sehr vor dem Anblick eines halbtoten Mannes – die hatte er in vielen Seegefechten schon mehr als einmal gesehen. Nein, die brutale Gewalt, die an Bord der „San Antonio“ herrschte, bewirkte die Übelkeit, die ihn befiel.

Gewalt erzeugte Gegengewalt, und mit brutalen Schlägen wurde die Leistung eines Rudersklaven eher gemindert als gesteigert.

Jesus Valencia ahnte, daß der Kapitän das wußte. Wenn er dennoch duldete, daß seine Aufseher ihre Peitschen mit aller Brutalität einsetzten, und er es ihnen sogar befahl, dann blieb nur ein Schluß übrig: Juan de Faleior war ein Mann, der sich an den Qualen anderer weidete, der andere quälen mußte, um sich von Tag zu Tag neu seiner Macht bewußt zu werden.

Jesus Valencia starrte auf den schmalen Rücken des kleinen Kapitäns, der die „San Antonio“ in eine Hölle verwandelt hatte. Eine kurze Bewegung zum Gürtel, mit der er seine Pistole herausziehen würde, ein Krümmen des Zeige-fingers – und die Welt wäre von einem üblen Menschenschinder befreit.

Er schüttelte den Kopf. Er würde es nie fertigbringen, einen Menschen kaltblütig zu ermorden.

„Sein Rückgrat ist gebrochen“, hörte er die kalte Stimme des Kapitäns. „Gebt dem Mann eine Kugel, damit er nicht mehr leidet.“

Es war still an Bord. Nur der auffrischende Wind, der das Meer zu kräuseln begann, sägte jaulend an den Wanten.

Carlos Mendez, der Zweite Offizier, durchbrach das entsetzte Schweigen.

„Señor Capitán, wir sollten Segel setzen“, sagte er. „Der Wind frischt immer mehr auf, und die Ruderer brauchen unbedingt eine Erholungspause.“

Mendez sah sofort, daß die letzten Worte zuviel waren.

„Es wird weitergerudert, bis ich den Befehl gebe, die Riemen einzuholen!“ brüllte de Faleiro. Mit einem Wink rief er den Zuchtmeister heran und befahl ihm, den tödlich verwundeten Aufseher von seinen Qualen zu erlösen.

Der Zuchtmeister, sonst brutal wie der Kapitän, wurde ein wenig blaß um die Nase, aber er führte den Befehl aus, ohne lange zu zögern. Als das Echo des Schusses über der „San Antonio“ verhallt war, schien sich Juan de Faleiro wieder wohler zu fühlen. Er starrte den Rudersklaven an, den zwei Aufseher zwischen sich wie in einem Schraubstock hatten.

Der Mann hatte seinen Widerstand aufgegeben. Er wußte daß er ein todgeweihter Mann war, aber der Tod hatte für jemanden, der an Bord der „San Antonio“ Sklavendienste zu verrichten hatte, seinen Schrecken verloren.

„Hängt den Mann an die Rahnock!“ befahl Juan de Faleiro kalt. „Señor Valencia, Sie übernehmen die Hinrichtung. Sobald er baumelt, werden Segel gesetzt!“

Die Trommel wurde wieder geschlagen. Die langen Riemen tauchten ins Wasser und schoben das schlanke Schiff durch die unruhiger werdende See.

Jesus Valencia sah das hämische Grinsen des Kapitäns, und er wußte, daß er sich diesmal seinem Befehl nicht widersetzen konnte. Der Rudersträfling hatte den Kapitän angegriffen, und darauf gab es auf See nur eine Strafe: den Tod.

Mit leiser Stimme befahl Valencia den Aufsehern, die Leiche des von Juan de Faleiro erschossenen Ruderers über Bord zu schaffen und die Hinrichtung so schnell wie möglich vorzubereiten. Dann ging er über den Laufgang hinüber zur vorderen Plattform, wo Teniente Ribera, der Befehlshaber über die Seesoldaten, unbeweglich stand und ihm entgegenblickte.

Ribera schien zu spüren, was in Valencia vorging.

„Tut mir leid, Valencia“, sagte er leise, „aber ich konnte es nicht verhindern. Auf diesem Schiff sitzen die wahren Verbrecher nicht auf den Ruderbänken, sondern befinden sich auf dem Laufgang. Es ist ein Wunder, daß nicht schon längst etwas Derartiges geschehen ist. Die Leute werden bis aufs Blut gepeinigt, obwohl keine Veranlassung dazu besteht. Ich glaube, der Tote, den sie da gerade über Bord werfen, hat einen der Aufseher nur mal herausfordernd angeschaut. Der Aufseher hat ihn so lange gepeitscht, bis es ihm zuviel wurde und er plötzlich die Kette hochschwang und zuschlug. Er mußte das Glied schon irgendwann vorher gesprengt haben.“

Jesus Valencia nickte. So ähnlich hatte er sich die ganze Sache ebenfalls gedacht.

„Er ist der Kapitän“, erwiderte er nur.

Ribera nickte grimmig.

„Zum Glück hat er mir und meinen Männern nichts zu befehlen“, sagte er. „Wahrscheinlich wird er in Spanien einen Bericht über mich schreiben, aber er kann sich darauf verlassen, daß mein Bericht auch an die richtigen Stellen gelangt.“

Jesus Valencia war versucht, Ribera ins Vertrauen zu ziehen, aber er unterließ es. Konnte er dem Teniente trauen? Er wußte es nicht. Alles, was er gegen Juan de Faleiro plante, mußte für die anderen wie Meuterei aussehen. Und schließlich war es das auch. Nach seinen Beweggründen würde niemand fragen, wenn er versuchte, de Faleiro die Befehlsgewalt über die „San Antonio“ zu entreißen. Das war sowieso nur möglich, wenn er den Kapitän tötete.

Jesus Valencia schüttelte den Kopf. Er steckte in einer ausweglosen Klemme. Ihm blieb nichts anderes übrig, als den Mund zu halten und den Verbrechen des Kapitäns stillschweigend zuzusehen. Es sei denn, er nahm seinen eigenen Tod in Kauf.

Er ging zurück zur achteren Plattform. Der Kapitän hockte wieder in seiner Kammer und brütete wahrscheinlich über dem Kurs, den die französische Galeone genommen hatte. Carlos Mendez, der Zweite Offizier, wich seinem Blick aus. In den Gesichtern des Zuchtmeisters und der Aufseher sah er Schadenfreude und Gehässigkeit.

Die Seeleute hatten die Großrah abgefiert, so daß die eine Nock dicht über der achteren Plattform schwebte. Einer der Aufseher hatte eine Schlinge geknüpft und legte sie dem Rudersklaven um den Hals. Der Mann wehrte sich nicht. Er stand apathisch da und hatte sich in sein Schicksal ergeben.

Ein Schrei des Zornes und der Entrüstung stieg aus den Kehlen der Ruderer, als die Rah mit dem Delinquenten hochschwang. Sie brüllten sich heiser, bis sich ihr Leidensgenosse nicht mehr rührte und nur noch vom Wind hin und her bewegt wurde.

Jesus Valencia hatte mit bleichem Gesicht zugeschaut. Das Grinsen in den Gesichtern der Aufseher hatte wieder Übelkeit in ihm ausgelöst, doch er behielt sich in der Gewalt. Er wollte vor den anderen keine Schwäche zeigen und sich noch ihrem Spott aussetzen.

Als der Mann sich nicht mehr rührte, befahl er, ihn herunterzuholen und dem Meer zu übergeben. Er übertrug dem Zweiten Offizier, die Segel setzen zu lassen und beobachtete mit steinernem Gesicht, wie die Riemen eingeholt wurden und die Rudersklaven zu Tode erschöpft auf ihren Duchten zusammenbrachen.

Seewölfe Paket 14

Подняться наверх