Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 15

11.

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Die „Arwenack“-Rufe waren im Hafen von Damiette keineswegs ungehört geblieben. Hier, zwischen den Dhaus und Feluken, lag eine spanische Galeasse namens „San Antonio“. Ihr Kapitän Juan de Faleiro stand schon seit einiger Zeit an Deck und beobachtete die französische Galeone durch sein Messing-spektiv.

Ein hagerer Mensch war dieser de Faleiro, mit einem wahren Geiergesicht und stechenden dunklen Augen. Seine Glatze hatte er durch eine Perücke verdeckt, seine Kleidung war aus teuersten Stoffen gearbeitet, seine Hände waren gepflegt. Die Mannschaft sagte von ihm, er bestünde aus Gift und Galle, und in der Tat war er ein skrupelloser Menschenschinder, dem das Leben anderer so gut wie gar nichts bedeutete.

Seine Messerlippen hatten sich zu einem hämischen Grinsen verzogen. Er war jetzt Anfang der Fünfzig und hatte viel erlebt, doch seinen Ehrgeiz hatte nichts brechen können.

Seinerzeit, vor fünfzehn Jahren, hatte er eine Galeere kommandiert, die „Tortuga“, und auf jenem Schiff hatten einige Männer eines gewissen Philip Hasard Killigrew als Sklaven schuften müssen. Ein gewisser Dan O’Flynn, der mit zu dieser Bande von Hundesöhnen gehört hatte, hatte ihn, de Faleiro, damals niedergeschossen, als er den Befehl erhalten hatte, einen gewissen Ferris Tucker auszupeitschen.

Nach dem Schuß war Dan O’Flynn über Bord gesprungen, und jener Philip Hasard Killigrew und ein Mann namens Ben Brighton, die ihre Crew von der „Tortuga“ befreien wollten, hatten ihn aus dem Wasser gefischt. Schließlich war ihr Vorhaben gelungen – sie hatten ihre Männer befreit.

Und de Faleiro? Nun, der war damals von der Schußverletzung genesen, doch die spanische Marinebehörde hatte ihn im April 1577 zum Sündenbock gestempelt, weil es zwei lumpigen Engländern gelungen war, die „Tortuga“ zu entern, mit ihr dann die Silber-Galeone „San Mateo“ zu kapern und auf dieser nach England zu verschwinden.

Damit war de Faleiros Laufbahn als Seeoffizier so ziemlich am Ende gewesen – Grund genug für diesen ehrgeizigen Mann, die Engländer aus tiefster Seele zu hassen und zu verdammen. Er hatte es nie zum Kommandanten einer großen Kriegs-Galeone gebracht, sondern war ins Mittelmeer abgeschoben worden und Galeeren-Capitan geblieben.

De Faleiro wußte nur zu gut, daß der „Arwenack“-Ruf das Kampfgeschrei seiner erklärten Feinde war. Er war wie vom Blitz getroffen, als er ihn vernahm. In starrer Haltung stand er da und setzte das Spektiv nicht mehr ab.

„Kaum zu fassen“, murmelte er immer wieder. „Das sind sie, die Bastarde.“

Leider befand sich ein Teil seiner Offiziere gerade an Land, sonst hätte er sofort von der Pier in Damiette ablegen lassen, um die „Mercure“ zu verfolgen. Er wußte nämlich, daß der Franzose nach Brest wollte, hatte dies in der Stadt erfahren, und so konnte er sich leicht ausrechnen, welchen Kurs das Schiff nehmen würde.

Durch die Optik seines Rohres hatte Juan de Faleiro nur zu gut erkennen können, daß ein rothaariger Riese, ein großer Blonder, ein schwarzhaariger Kerl und ein hagerer Mann an Bord der „Mercure“ gegangen waren, zusammen mit den anderen, von denen er annahm, daß sie mit dazugehörten, obwohl er ihre Gesichter bislang noch nicht gesehen hatte, weil sie sich immer ungünstig gedreht hatten. Hin und wieder blendete ihn obendrein die Sonne, so daß er seine Beobachtungen vorerst auf die Personen jener vier Männer beschränken mußte.

Der Rothaarige war Ferris Tucker, die drei anderen hießen Stenmark, Blakky und der Kutscher, soviel war de Faleiro von damals her bekannt. Auf Ferris Tucker war der Spanier dermaßen fixiert – seinetwegen war er ja angeschossen worden –, daß er sich nicht weiter um die beiden Boote kümmerte, die zu einer entlegenen Pier zurücksegelten und dann ebenfalls den Hafen verließen.

Rache, dachte de Faleiro, fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit, aber sie vergehen auch wie im Flug, und einen alten Haß können sie nicht ersticken. Kein Jahrhundert würde die Wunden heilen, die man ihm seinerzeit zugefügt hatte.

So faßte er den Entschluß, die Verfolgung der „Mercure“ aufzunehmen, sobald seine Offiziere wieder an Bord der „San Antonio“ zurückkehrten. Er würde bei diesem Vorhaben eindeutig im Vorteil sein, denn mit seiner Galeasse konnte er rudern und segeln und war schneller als die Dreimast-Galeone. Schlief der Wind ein, so leisteten die Ruder weiterhin Vortrieb, die Galeasse war also windunabhängig.

An vierzig Riemen, zwanzig auf jeder Schiffsseite, arbeiteten auf der „San Antonio“ hundertsechzig Gefangene, also pro Riemen vier Mann. Armiert war sie leidlich, auf dem Vorkastell befanden sich zwei 24-Pfünder. Allerdings konnten diese nur voraus im Jagdschuß feuern, wanderte das Ziel aus, mußte das Schiff nachdrehen. Auf der achteren Plattform standen auf jeder Seite je drei Relingsbüchsen, auf den Laufplanken außerhalb der Duchten auf beiden Seiten je vier Drehbassen. An Bord waren zwanzig Seeleute zur Bedienung der beiden Lateinersegel, für Ankermanöver und alle anderen erforderlichen Arbeiten, ferner fünfzig Seesoldaten für den Enterkampf und für die Bedienung der Stücke.

Somit, dachte de Faleiro mit einem befriedigten Blick auf sein Schiff, sind wir für ein Gefecht ausreichend gerüstet. Wir werden es diesen elenden Hurensöhnen schon zeigen. Diesmal bin ich der Sieger.

Davon war er schon jetzt fest überzeugt.

Am 29. Mai, als die Seewölfe mit ihren beiden Jollen Damiette erreicht hatten, spielte sich auf der Marsplattform der gesunkenen „Zeland“ der letzte Akt in dem Drama der Schiffbrüchigen ab.

Reuter und Pravemann hockten hungrigen Wölfen gleich nebeneinander auf ihren Plätzen, die sie seit Stunden nicht mehr verlassen hatten. Sie kauerten einfach nur da und rührten sich nicht. Jack Finnegan und Paddy Rogers versuchten immer wieder, eine Unterhaltung zu beginnen, doch selbst untereinander wußten sie nicht mehr, was sie sich sagen sollten.

Über Jan Martens Tod war seit der letzten Nacht kein Wort mehr gefallen, Piet Reuter hatte aufgehört, Finnegan deswegen als Mörder zu beschimpfen. Finnegan war jedoch weit davon entfernt, zu glauben, daß dies ein gutes Zeichen sei. Es war lediglich die Ruhe vor dem Sturm, der unweigerlich über sie hereinbrechen mußte.

Lähmendes Schweigen lastete drückend auf dem Mars. Die Haie umkreisten weiterhin den Großmast und die Marsplattform, in der beharrlichen Hoffnung, daß es bald Beute für sie geben würde.

Piet Reuter war es schließlich, der das lange anhaltende Schweigen brach.

„Her mit dem Wasser“, sagte er rauh und wies auf die Holzpütz, in der ein jämmerlicher Rest von dem aufgefangenen Naß stand. „Jetzt sind wir wieder dran.“

Finnegan schüttelte den Kopf. „Irrtum. Ihr habt zweimal eure Ration gehabt.“

„Und ihr sauft, soviel ihr wollt, wenn wir schlafen.“

„Das ist nicht wahr.“

„Das ist doch wahr“, sagte der Holländer mit dem Starrsinn eines Kindes. „Du weißt es, Finnegan.“

„Ich weiß nur, daß wir vernünftig bleiben sollten.“

„Vernünftig?“ Dirk Pravemann lachte heiser. „Fängst du wieder mit deinen schlauen Sprüchen an?“

„Her mit dem Wasser“, sagte Reuter, und diesmal klang es drängend. „Ich habe Durst, Mann. Gewaltigen Durst.“

„Ich auch“, flüsterte Pravemann gierig.

„Aufpassen, Paddy“, zischte Finnegan seinem Freund zu. Sie standen beide auf und nahmen eine abwehrende Haltung ein. Finnegan schob den Wasserkübel wieder ein wenig näher zum Rand der Plattform.

Reuter und Pravemann waren nun auch auf den Beinen und schoben sich langsam heran. Der Bootshaken, dachte Reuter, es ist schade, daß wir ihn nicht doch ergattert haben, aber Marten, dieser Idiot, mußte ihn ja von den Haien zerbeißen lassen. Ist nicht schade um den Kerl, der Teufel soll ihn holen.

Wasser, dachte Pravemann, mein Gott, die Zunge liegt mir wie ein Klumpen im Mund. Habe ich überhaupt noch eine Zunge? Sind mir die Zähne ausgefallen? Himmel, ich lalle beim Sprechen! Was ist los?

„Ihr begeht einen schweren Fehler“, warnte Finnegan die Holländer noch einmal. „Ihr könnt die Pütz nicht erkämpfen. Ihr kriegt sie nicht.“

„Rück sie freiwillig raus!“ schrie Reuter, und plötzlich lief er im Gesicht blutrot an.

Finnegan begriff, daß alles Reden keinen Sinn mehr hatte. Selbst auf einen Kompromiß hätten sich Reuter und Pravemann in ihrem jetzigen Zustand nicht mehr eingelassen. Der dünne Faden, der ihre fünf Sinne bis zuletzt noch zusammengehalten hatte, war offenbar gerissen. Sie waren nicht mehr Herr ihres Tuns, der Wahnsinn hatte ihren Geist verblendet.

Achteinhalb Tage hatten genügt, sie um ihren Verstand zu bringen, die Gewalt regierte die Stunde.

Reuter stieß mit einemmal einen gurgelnden Laut aus und stürzte sich auf Finnegan. Finnegan duckte sich, blockte den Hieb ab, der seine Brust treffen sollte, konterte und warf den Kerl zurück bis an den Mast.

Rogers wollte mit eingreifen, mußte sich jedoch auf Pravemann konzentrieren, der ihn in diesem Moment mit ungeahnter Schnelligkeit angriff. Sofort versuchte Pravemann, Rogers empfindlich zu treffen, und riß seinen Fuß hoch.

Es war eine gemeine, niederträchtige Art der Attacke, doch genau dies und nichts anderes hatte Rogers von dem Kerl erwartet, und aus diesem Grund war er in gewisser Weise sogar vorbereitet.

Er packte Pravemanns Bein, ehe der Fuß seine Lenden traf, und drehte ihn kurz, aber ruckartig, nach links. Der Holländer schrie gellend auf. Rogers ließ ihn los, Pravemann stürzte, Rogers warf sich auf ihn, und im nächsten Augenblick wälzten und balgten sie sich auf dem Boden der Plattform.

Reuter unternahm derweil seinen nächsten Ausfall gegen Jack Finnegan.

Er duckte sich, tauchte unter den Armen des Gegners durch, sprang vor und trachtete, den Engländer vom Mars zu befördern. Finnegan war jedoch auf der Hut und wich aus. Reuter fiel auf den Bauch, rutschte ein Stück und glitt um ein Haar über den Rand der Plattform.

Er hielt sich verzweifelt fest. Unter sich sah er die Dreiecksflossen der Haie, und plötzlich hatte er sein grausiges Ende deutlich vor Augen. Dann aber richtete er seinen Blick nach links und entdeckte die Pütz in seiner unmittelbaren Nähe.

Er gab einen undefinierbaren Laut von sich, halb Lallen, halb Grunzen, dann packte er die Pütz und versuchte, sie an seinen Mund zu bringen.

Jack Finnegan war schneller. Er trat mit dem linken Fuß zu und traf Reuters Hand. Reuter heulte auf, ließ los – die Pütz segelte über den Rand der Marsplattform und senkte sich in einem Bogen auf die Wasserfläche. Klatschend tauchte sie ein und versank für alle Zeiten. Nur die Haie, die sich für kurze Zeit in der falschen Annahme, dies sei eine Beute, um sie herum versammelten, kündeten noch davon, daß es sie überhaupt gegeben hatte.

Reuter klammerte sich an Finnegans Bein fest.

„Du Satan!“ schrie er. „Du willst uns alle umbringen! Nicht nur Marten hast du abgemurkst – du willst auch uns weghaben, Dirk und mich und dann auch deinen Bastard von einem Freund!“

Finnegan wollte sich losreißen, doch Reuter biß ihm ins Bein. Seine Augen weiteten sich und glänzten irre, er war zu allem fähig.

Finnegan unterdrückte einen Schmerzenslaut. Er holte mit der Faust aus, schlug zu, traf Reuters Schläfe und konnte sich jetzt, da der Mann stöhnend zurücksank, aus dem Griff befreien.

Paddy Rogers rang immer noch mit Pravemann, denn dieser entwikkelte in seinem Zustand unglaubliche Kräfte. Zuletzt lagen sie hart am Rand der Plattform. Pravemann war jetzt unter dem schweren Mann, doch es gelang ihm, das Knie hochzureißen. So traf er Rogers in den Unterleib. Rogers stöhnte auf und ließ den Gegner los. Dirk Pravemann kroch unter ihm weg.

Aber er hatte die falsche Richtung genommen, robbte ins Leere und hatte plötzlich keinen Halt mehr. Er stieß einen Fluch aus, krallte sich noch mit seinen dürren Händen fest, rutschte aber ab, dann stürzte er mit einem Schrei, der dem eines Menschen schon nicht mehr ähnlich war, ins Wasser.

Reuter griff Finnegan noch einmal an, um ihn ins Wasser zu stoßen, er tobte und bediente sich der gemeinsten, lästerlichsten Ausdrücke, um den Engländer zu beleidigen. Jack Finnegan packte mit beiden Händen zu, stemmte Reuter hoch und ließ den Kerl höchst unsanft auf den Planken landen. Eigentlich hätte Reuter jetzt ohnmächtig werden müssen, doch er erwies sich als zäher, als Finnegan angenommen hatte.

Rogers griff nach der Marsverstrebung, um sie Reuter über den Hinterkopf zu ziehen, doch dieser sprang bereits wieder auf und warf sich mit einem Laut, der einer Mischung aus Kreischen und Keuchen ähnelte, auf seinen Gegner.

Noch einmal wich Finnegan aus, um nicht von der Plattform gestoßen zu werden. Piet Reuter raste an ihm vorbei und konnte nicht mehr rechtzeitig genug seinen Lauf stoppen. Er hatte sich verrechnet. Schreiend stolperte er über den Rand, bewegte sich zuckend in der Luft und entzog sich dann ihren Blicken.

Sie hörten das Geräusch, mit dem er ins Wasser klatschte, und vernahmen auch sein Gebrüll. Pravemann schrie nicht mehr. Die Haie wühlten das Wasser auf, das Rauschen drang bis zu den beiden Überlebenden hinauf.

„Sieh nicht hin, Paddy“, sagte Finnegan. „Es ist zu schrecklich.“

„Ja. Aber …“

„Wir können sie nicht mehr retten, unmöglich.“

„Das weiß ich. Ich meine was anderes.“ Rogers kratzte sich am Hinterkopf und suchte nach den richtigen Worten. Du sollst dir diesmal keine Vorwürfe bereiten, verstehst du? Es ist nicht unsere Schuld, daß sie abkratzen. Es hätte sie so oder so erwischt. Wir können nichts dafür. Fast wären wir selbst verreckt.“

Finnegan sah ihn offen an. „Das war mal wieder eine lange Rede, mein lieber Paddy. Aber du hast ganz recht. Unsere Schuld ist es nicht. Außerdem sind wir die Pütz los und haben nicht die geringste Aussicht, sie wiederzukriegen.“

„Wir gehen also auch vor die Hunde?“

„Vor die Haie, Paddy“, sagte Finnegan betrübt. „Die kriegen ihre Beute, das siehst du ja. Sie sind die wirklichen Sieger in diesem Teufelsspiel.“

Auch er war jetzt der Verzweiflung nahe. Er nahm wieder auf der Plattform Platz. Rogers setzte sich neben ihn. Das Toben der Haie hatte aufgehört, Reuters Geschrei war verebbt, und jetzt trat Ruhe ein. Die Haie zogen wieder ihre Kreise.

So geht es auch mit uns zu Ende, dachte Jack Finnegan.

Es ist alles ungerecht, sagte sich Paddy Rogers, die ganze Welt ist ein einziger Dreck, jawohl.

Die Abenddämmerung kündigte sich durch das Heraufziehen von Schleiern am Horizont an. Finnegan blickte noch einmal auf, ohne Hoffnung, ohne jede Zuversicht, es könne sich doch noch etwas ereignen, das ihnen die Rettung brachte.

Plötzlich aber gewahrte er etwas, das zuvor nicht dagewesen war. Er hob den Kopf.

„Paddy“, sagte er leise. „Es ist doch nicht mehr so heiß, daß es eine Fata Morgana geben könnte, nicht wahr?“

„Eine was?“

„Na, eine Luftspiegelung, die dir irgendwas vortäuscht. Sieh doch mal genau hin. Dort drüben, an der südwestlichen Kimm – sind das nicht Masten?“

Rogers erhob sich mit einem Ruck und schirmte seine Augen mit der Hand gegen das verblassende rötliche Sonnenlicht ab.

„Jawohl, Mann!“ stieß er plötzlich aus. „Das sind Masten – drei Stück!“

Nun stand auch Finnegan auf. Sie hielten gemeinsam Ausschau nach dem nahenden Schiff, einer Galeone, kletterten in den Wanten hoch, soweit sie konnten, winkten wie die Verrückten, lachten und schrien: „Ho, he! Hierher! Holt uns hier weg, laßt uns hier nicht sitzen! Hierher!“

Schon packte sie die Angst, die Besatzung der Galeone könne sie nicht gesichtet haben, doch ihre Furcht war unbegründet. Der Ausguck der „Mercure“ hatte sie entdeckt, das Schiff lurte an und drehte noch vor Einbruch der Dunkelheit bei der gesunkenen „Zeland“ bei. Eine Jolle wurde in Lee abgefiert und bemannt und glitt auf die aus dem Wasser ragende Plattform zu.

„Was treibt ihr denn da oben?“ rief einer der Rudergasten auf französisch.

„Ich versteh’ kein Wort!“ erwiderte Jack Finnegan. „Könnt ihr Englisch oder Holländisch?“

Da richtete sich ein rothaariger Riese von der Heckducht des Bootes auf und sagte: „Englisch? Sag’ bloß, du bist ein Landsmann.“

„Engländer, jawohl!“ stieß Finnegan aufgeregt hervor. „Aus Harwich, Sir! Bin bei der Nordseefischerei gewesen, aber dann hat mich die verdammte Idee gepackt, auf einem verfluchten Käsefresser anzuheuern. Na, und so ist das alles passiert. Der Kahn hier heißt ‚Zeland‘. Ist vor neun Tagen abgesoffen – oder waren’s acht? Egal. Der große Kerl hier, das ist mein Freund, Sir, er heißt Paddy Rogers. Und ich – ich bin Jack Finnegan.“

Die Jolle legte am Mast an. Ferris Tucker, der von Kapitän Pierre Delamotte zum Bootsführer ernannt worden war, enterte an den Wanten auf und trat zu den beiden armen Teufeln auf die Plattform. Er hielt ihnen seine ausgestreckte Hand hin.

„Ferris Tucker, gebürtig aus Cornwall. Redet mich bloß nicht mit Sir an. Auch nicht mit Mister Tucker. Ich heiße Ferris.“

„Danke, Ferris“, sagte Jack Finnegan.

Tucker blickte dem bulligen Rogers ins Gesicht. „Und du?“ Er drückte Finnegans Hand, dann bot er seine Rechte auch Rogers an. „Sprichst du nie ein Wort?“

„Selten“, erwiderte Paddy Rogers. Dann aber grinste er und packte Ferris’ Hand. Dieser staunte nicht schlecht, als der Kerl sie ihm fast zerquetschte.

„Nicht schlecht“, sagte er. „Für zwei Schiffbrüchige seid ihr noch ganz schön beisammen. Wie wär’s, wenn wir hier jetzt erst mal verschwinden? Ihr seid doch lange genug hier gewesen, oder?“

Die beiden entgegneten darauf nichts, denn von unten tönten jetzt die übelsten Flüche herauf, und jemand schlug mit einem der Riemen nach den Haien, die das Boot anzugreifen versuchten.

„Ihr Kakerlaken! Ihr triefäugigen Seegurken! Wollt ihr wohl abhauen? Ich zieh euch die Haut in Streifen von euren Affenärschen, wenn ihr nicht sofort anbraßt und abzieht!“

„Himmel“, sagte Finnegan. „Wer ist denn das?“

„Das ist Edwin Carberry, der Profos der verschütteten ‚Isabella‘ “, erklärte Ferris stolz. Er blickte über den Rand der Plattform in die Tiefe und grinste. „Los, entert mit ab, die Luft ist rein. Ed hat die Haie tatsächlich verjagt. Na los, bewegt euch. Den Rest erzählen wir uns im Boot und dann an Bord der ‚Mercure‘.“

Als sie in der Jolle saßen und zurück zur Galeone pullten, richtete sich Jack Finnegan plötzlich hoch auf und fragte: „He, Ferris Tucker und Edwin Carberry – jetzt geht mir ein Licht auf! Ihr gehört zu der sagenhaften Crew von Philip Hasard Killigrew, dem Seewolf, nicht wahr?“ Plötzlich packte er seinen Freund und schüttelte ihn. „Mann, Paddy, wach doch auf, sag was! Das sind die berühmten Arwenacks, die Helden der englischen Nation!“

„Trag bloß nicht zu dick auf“, sagte der Profos grollend, aber er war insgeheim doch mächtig stolz, solche Worte zu hören.

Finnegan und Rogers sollten fortan absolute Parteigänger von Ferris Tuckers Gruppe sein und sie um ein eisernes Glied verstärken. Bessere Kameraden konnte man sich nicht wünschen, das ging auch Ferris, Ed, Stenmark, dem Kutscher, Blacky, Jeff, Bill und Luke schon nach kurzer Zeit auf – und auch Delamotte hatte keinen Grund, sich über seine neuen Passagiere zu beklagen.

Die „Mercure“ nahm die Bootsbesatzung über, die Jolle wurde wieder an Deck geholt, und kurze Zeit später segelte die Galeone weiter westwärts.

Fünf Stunden später sollte ihr die spanische Galeasse „San Antonio“ folgen, doch das ahnte zu diesem Zeitpunkt an Bord der „Mercure“ noch keiner …

Seewölfe Paket 14

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