Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 20

4.

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Kapitän Pierre Delamotte war im Gegensatz zu seiner Crew mit den acht Engländern, die der Zufall in Damiette an Bord seines Schiffes „Mercure“ geweht hatte, höchst zufrieden. Er hatte schon bald erkannt, daß die Kerle mehr vom Segeln und der Schiffahrt verstanden als er selbst. Überall, wo einer von den Teufelskerlen dabei war, klappte es. Segelmanöver wurden bereits ausgeführt, bevor er den Befehl dazu gegeben hatte, und das in einer akkuraten Manier, wie er es in seiner langen Laufbahn noch nie erlebt hatte.

Diese Männer schienen Neptuns Söhne zu sein, und manchmal wunderte sich Pierre Delamotte, daß sie nicht alle Flossen statt Beine hatten.

Natürlich war dem Kapitän nicht entgangen, daß sich der Neid auf die Neuen innerhalb seiner Mannschaft ausbreitete. Es war sicher kein schönes Gefühl, mit ansehen zu müssen, daß plötzlich ein paar Leute ohne viel Trara das Kommando an Bord ihres Schiffes übernahmen – noch dazu Engländer, die noch auf den Bäumen gehockt hatten, als die Bretonen schon zur See gefahren waren.

Pierre Delamotte gönnte es seiner Crew. Vor allem dem Bootsmann und dem Decksältesten Marteau, der meinte, weil er mit bloßer Faust einen Holzpflock einschlagen konnte, sei er der geborene Schiffsführer.

Als Marteau, der Bootsmann Breton und dieser unsympathische Typ, den sie vor einem halben Jahr in Dieppe an Bord genommen hatten, jetzt vor ihm standen, die Köpfe hochrot vor Wut, da schaffte er es gerade noch, sich ein Grinsen zu verkneifen.

„So geht das nicht weiter, Kapitän!“ sagte Breton, der Bootsmann. „Die verdammten Engländer schlagen uns auf unserem eigenen Schiff nieder!“

„So ganz ohne Grund?“ fragte Pierre Delamotte.

„Na ja“, meinte der Bootsmann. „Marchais wollte nur wissen, was es mit den breiten Ledergürteln der Engländer auf sich hätte. Plötzlich spielen die Kerle verrückt und fallen über uns her!“

Pierre Delamotte betrachtete das verschlagene Gesicht des Giftzwerges, der den Kopf schiefgelegt hatte. Er ahnte, daß sich die Geschichte wohl etwas anders abgespielt hatte, und zuckte mit den Schultern.

„Was die neuen Männer in ihren Gürteln haben, geht niemanden etwas an, wenn sie es nicht selbst erzählen“, sagte er ruhig. „Ich habe das Gefühl, daß ihr von den Engländern nichts zu befürchten habt, wenn ihr sie in Ruhe laßt. Ich möchte keinen Streit auf meinem Schiff. Das einzige, was mich interessiert, ist, daß ich meine Ladung heil nach Brest bringe.“

Seine Worte gefielen den anderen nicht. Er sah es ihnen deutlich an den Gesichtern an. Aber er konnte ihnen nicht helfen.

„Vertragt euch mit den Neuen“, fuhr er fort. „Wenn ihr irgendwelche Differenzen habt, dann erwarte ich, daß sie innerhalb der Mannschaft im Vorschiff geregelt werden. Guten Tag, meine Herren.“

Sie zogen ab wie begossene Pudel. Marteau schnaufte wie ein Walroß. Die Wut fraß ihn fast auf.

„Jetzt steht der Kapitän auch schon auf deren Seite!“ stieß er hervor. „Ich halte das nicht mehr aus. Ich glaube, lange kann ich mich nicht mehr zurückhalten, dann muß ich einem von ihnen die Fresse polieren!“

Marchais nickte. „Ich bin an deiner Seite.“

Der Decksälteste blickte den Giftzwerg von oben herab skeptisch an. Offensichtlich war er von der großzügig angebotenen Hilfe nicht gerade begeistert.

„Sie sind schließlich nur acht“, warf der Bretone ein. „Wenn wir alle mitmischen, dürfte es eigentlich keine Schwierigkeiten geben.“

Marteau, der Hammer, begann zu grinsen.

„Ich werde mir dieses Narbengesicht vornehmen, das so tut, als hätte es das Sagen auf unserem Schiff“, erklärte er. „Ich werde mit ihm das Deck aufwischen, ihn auswringen und dann zum Trocknen über die Nagelbank hängen.“

Sie steigerten sich in eine Euphorie hinein, daß sie meinten, das Spiel schon gewonnen zu haben. Sie beschlossen, die anderen auf die Auseinandersetzung vorzubereiten, und dann wollten sie sich einen schönen Grund aussuchen, einen Streit vom Zaune zu brechen. Schließlich hatte der Kapitän ja gesagt, daß sie ihre Differenzen im Vorschiff regeln sollten.

Der Kutscher hatte sich die Sauerei zwei Tage mit angesehen, dann war ihm der Kragen geplatzt. Er hatte sich Bill geschnappt und war mit ihm zur Kombüse marschiert, wo der Koch der „Mercure“, ein schmieriger Kerl, der unter ständigen Blähungen litt, sein Regiment führte.

Seiner Krankheit hatte er auch seinen Namen zu verdanken. Alle nannten ihn „Pet“, was im Französischen soviel wie Furz heißt. Und genauso, wie er hieß, sah seine Kombüse aus. Dem Kutscher war nach einem kurzen Blick völlig klar, daß in dieser Kombüse kein vernünftiges Essen gekocht werden konnte.

„Was wollt ihr verfluchten Hurensöhne hier“, sagte Pet und ließ wieder ein paar seiner Blähungen los. „Hier hat niemand was zu suchen. Ihr Gesindel wollt nur stehlen! Raus hier, verdammt noch mal!“

Er sprach ein gebrochenes Englisch, aber die Schimpfwörter beherrschte er phantastisch.

Bill trat einen Schritt vor, packte den schmierigen Kerl an der Jacke und fragte, zu dem Kutscher gewandt: „Sollen wir ihn im Abwaschwasser ersäufen?“

Der Kutscher schüttelte den Kopf. „Dann kriegen wir den Bottich nie wieder sauber.“

Der schmierige Kerl kriegte unter Bills Griff kaum noch Luft. Er wollte schreien, und der Versuch strengte ihn derart an, daß seine ungewaschene Visage knallrot anlief.

„Hör mal zu, du stinkender Furz“, sagte der Kutscher grimmig. „Ab jetzt übernehme ich die Kombüse. Dich Schmutzfink will ich hier nicht mehr sehen, verstanden? Wie die Mannschaft deinen Fraß überlebt hat, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Los, schmeiß ihn raus, Bill!“

Bill ließ sich das nicht zweimal sagen. Er stieß den schmierigen Bruder zur Tür und gab ihm einen Tritt. Danach hatte er das Bedürfnis, sich die Hände zu waschen, aber er entdeckte nirgends eine Möglichkeit dazu. Das Abwaschwasser stand sicher schon länger als eine Woche in dem Bottich und war offenbar immer wieder benutzt worden.

„Kipp bloß das Zeug über Bord“, sagte der Kutscher. „Ich glaube, wir brauchen mindestens zehn Bottiche Wasser, bis wir diesen Stall einigermaßen wieder sauber haben.“

Bill hievte den schweren Bottich ein Stück hoch, dann ließ er ihn wieder sinken.

„Das schaffe ich nicht allein“, sagte er. „Ich hole Stenmark und Blacky.“

Der Kutscher hörte schon nicht mehr hin. Er war jetzt wieder in seinem Element. Für einen Augenblick hatte er ein ungutes Gefühl, daß er diesen Pet einfach aus seiner Kombüse hinausgeworfen hatte, aber dann sagte er sich, daß es auch zum Besten der französischen Mannschaft war. Alle an Bord hatten sich über den schlechten Fraß des schmierigen Mannes beschwert.

Bill hörte Stimmen, als er die Kuhl betrat. Er vernahm das quäkende Organ des Koches, der auf ein paar andere Männer einredete. Er verstand kein Französisch, aber er wußte sofort, daß sich Pet über die demütigende Behandlung durch die Engländer beschwerte.

Rufe der Empörung wurden laut. Einer der Männer, die sich am Großmast zusammengeschart hatten, entdeckte Bill, als dieser an ihnen vorbei zum Vorschiff wollte.

Ein schriller Ruf wurde laut.

Bill begriff, daß Pet den anderen erzählte, daß er dabeigewesen war, als man ihn aus seinem Reich hinausgeworfen hatte.

Im Nu war Bill der Weg versperrt. Der Decksälteste baute sich vor ihm auf und sagte etwas auf Französisch.

„Nix verstehen“, sagte Bill und wollte vorbei.

Eine große Faust zuckte vor und kriegte Bill am Arm zu fassen. Er schrie auf. Der Griff war brutal.

Der blonde Bootsmann trat vor.

„Ihr verfluchtes Engländerpack!“ stieß er hervor. „Was bildet ihr euch eigentlich ein? Dies ist immer noch ein französisches Schiff. Wenn Pet auch ein miserabler Koch ist, so kocht er immerhin französisch. Meinst du, einer von uns hätte Lust, jeden Tag Hafermehlbrei, ausgelutschten Schinken und glitschige Pfannkuchen zu fressen?“

„Der Kutscher ist ein ausgezeichneter Koch!“ rief Bill, dem das Hemd zu eng wurde. „Er kann auch französische Gerichte! Und er furzt wenigstens nicht in die Speisen!“

Es nutzte alles nichts. Die Wut der Franzosen steigerte sich immer mehr. Für Bill war das Ganze unbegreiflich. Er konnte ja nichts von den Gesprächen zwischen Breton, Marteau und Marchais, dem Giftzwerg wissen, die inzwischen auch alle anderen aufgewiegelt hatten. Die Sache mit Pet hatte das Faß endgültig überlaufen lassen.

Bill ließ sich geschickt sinken, trat Marteau vors Schienbein und huschte an dem Bootsmann vorbei, als der Decksälteste ihn jaulend losließ. Einem der Kerle rammte Bill den Kopf in den Leib, einem anderen wischte er mit einem Rundschlag einen Belegnagel aus der Faust.

Dennoch hätten sie Bill zu fassen gekriegt und vielleicht sogar massakriert, wenn nicht plötzlich zwei große Schatten aufgetaucht wären, hinter denen Bill eine leichte Verschnaufpause einlegen konnte.

Carberry hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Die Muskelpakete an seinen Oberarmen schienen die Franzosen im ersten Moment zu schocken. Sie wichen zurück. Offensichtlich erwarteten sie, daß sich ihre beiden Stärksten, Marteau, der Hammer, und der Bretone um die muskelbepackten Engländer kümmern würden.

Carberry grinste Ferris Tucker an, der neben ihm stand.

„Die Schneckenfresser scheißen sich in die Hosen“, sagte er. „Im Märchenerzählen sind sie ganz großartig, aber wenn es zur Sache geht, ziehen sie immer sehr schnell den Schwanz ein.“

Der Bretone, der genau verstanden hatte, was Carberry gesagt hatte, spuckte Gift und Galle.

„Dein freches Maul muß man auch noch extra totschlagen, wenn du schon in der Hölle schmorst, Narbengesicht!“ stieß er wütend hervor. „Wir haben die Schnauze voll von euch Engländern. Die ‚Mercure‘ ist unser Schiff, auf dem Franzosen das Sagen haben und keine nachgemachten Normannen!“

Carberry holte schon aus, aber Ferris Tucker hielt ihn zurück. Er warf einen kurzen Blick hinter sich, um sich zu vergewissern, daß alle Seewölfe vollzählig versammelt waren und keiner von ihnen in einen Hinterhalt geraten konnte.

Stenmark und Jeff Bowie waren da, ebenso Bill, Luke Morgan und Blacky. Nur der Kutscher fehlte.

Seitlich von den Seewölfen standen Jack Finnegan und Paddy Rogers, aber sie schoben sich nun näher an die Gruppe der Engländer heran und bekundeten damit, daß sie gewillt waren, sich auf ihre Seite zu stellen, sobald es hart auf hart ging.

„Wo ist der Kutscher?“ fragte Ferris leise.

„In der Kombüse“, flüsterte Bill zurück. „Wir haben diesen furzenden Schmierfinken dort rausgeschmissen, damit wir endlich mal was Vernünftiges zu essen kriegen.“

Ferris Tucker blickte zu den Franzosen hinüber. Der schmierige Koch stand mitten unter ihnen. Offensichtlich dachte niemand daran, sich um den einen Engländer in der Kombüse zu kümmern.

Aus den Augenwinkeln sah Ferris den Kapitän Pierre Delamotte an der Galerie zum Achterdeck stehen. Er schaute interessiert zur Kuhl hinunter, unternahm aber nichts, um die drohende Auseinandersetzung zu verhindern. Für einen Moment glaubte Ferris, sogar ein leichtes Grinsen auf seinem Gesicht zu entdecken.

„Ihr seid nichts weiter als Schleimscheißer“, sagte Ferris Tucker zu den Franzosen. „Wenn ihr anständige Kerle wärt, müßtet ihr zugeben, daß jeder von uns besser ist als der stärkste Ochse von euch. Aber was soll man schon von Kerlen erwarten, die ihren Verstand in den Fäusten spazieren tragen …“

Das war für den Bretonen zuviel. Er stieß einen Schrei aus und gab damit das Signal zum Angriff. Einer der Franzosen zauberte eine Pistole unter seinem Hemd hervor, aber bevor er abdrücken konnte, krachte ein Schuß auf dem Achterdeck.

Alles erstarrte und blickte zum Achterdeck hinauf. Alain Duval, der Steuermann, stand an der Galerie und hielt eine Pistole in der rechten Hand, aus der noch Pulverdampf quoll. Vom Kapitän war nichts mehr zu sehen.

„Der Kapitän hat sich zu einem Schläfchen hingelegt“, sagte Duval mit ruhiger Stimme. „Er möchte keinen Lärm an Deck. Außerdem haßt er es, wenn sich Männer mit Messern und Pistolen auseinandersetzen. Er wird jeden hart bestrafen, der einen anderen mit einer derartigen Waffe verwundet, verstanden?“ Er drehte sich um und verschwand.

Die Männer auf der Kuhl sahen sich grinsend an. Pistolen und Messer polterten auf die Planken. Noch bevor das Klappern des letzten Messers auf den Planken verklungen war, holte der Bretone zu einem fürchterlichen Rundschlag aus, der Ferris Tucker von den Beinen holen sollte.

Ferris war nur eine Idee schneller. Er ging seinerseits zum Angriff über. So wirbelte die Faust des Bretonen hinter Ferris’ Schultern nur Luft auf, während der Bootsmann ein paar harte Brocken zu schlucken kriegte.

Da der Steuermann Lärm verboten hatte, vollzog sich die Auseinandersetzung, die die Machtverhältnisse an Bord der „Mercure“ ein für allemal klären sollte, in völliger Lautlosigkeit. Manch einer konnte einen Schmerzensschrei nicht ganz unterdrücken mußte sich dafür aber vorwurfsvolle Blicke der anderen gefallen lassen.

Carberry und Ferris Tucker kristallisierten sich als Mittelpunkt dieses mittleren Gemetzels heraus. Fast alle sechzehn Franzosen hatten sich zugleich auf die beiden gestürzt.

Ed war in seinem Element. Marteau, der wie ein Baum auf der Stelle stand und seine beiden Hämmer wirbeln ließ, traf öfter seine eigenen Leute als den verhaßten Gegner. Immer, wenn er einen Heumacher in den Wind gejagt hatte, spürte er die kräftigen Fäuste Carberrys, die vielleicht nicht ganz so groß waren wie die Marteaus, aber ebenso hart zuschlagen konnten.

Die anderen Seewölfe hätten eigentlich in aller Ruhe zuschauen können, bis Carberry und Ferris Tucker mit den anderen aufgeräumt hätten, aber das gefiel ihnen nicht.

Jeff Bowie, der ein paarmal vergeblich versucht hatte, in den dichten Kreis einzudringen, der Carberry und Ferris umlagerte, pickte sich seine Leute mit dem Haken an seiner linken Hand aus dem Pulk. Bevor die Gegner sich von ihrem Schrecken erholt hatten, schickte er sie mit gezielten Hieben auf die Planken, wo schon drei von ihnen herumkrauchten und ihre fehlenden Zähne suchten.

Der Kutscher war wieder an Deck erschienen, nachdem niemand aufgetaucht war, um den Bottich mit dem stinkenden Wasser abzuholen. Seine Augen wurden groß, als er das Tohuwabohu auf der Kuhl sah. Er packte die Bratpfanne, die er in der Hand hielt, fester und donnerte sie dem ersten Kerl, der in seine Reichweite geriet, auf die Rübe. Mit einem leisen Seufzer legte sich der Mann schlafen.

Der nächste drehte sich gerade um, als der Kutscher ausholte. Das war eine Menge Pech, denn wahrscheinlich hätte sein Hinterkopf den Schlag besser verdaut als seine Nase. Er jault auf wie ein getretener Hund, und ein paar der Männer zischten sofort: „Psst!“

Der Kutscher, dem nicht bekannt war, daß der Kapitän ein Nickerchen halten wollte, brüllte: „Ed, halt noch einen Augenblick durch, ich komme!“

Für einen Moment geriet die Schlägerei ins Stocken. Alle Köpfe ruckten herum, und der Kutscher schaute verdutzt, als er die vorwurfsvollen Blicke der anderen auf sich gerichtet sah.

„Ein Ton noch, du magerer Hering“, sagte der Bootsmann Breton keuchend und blinzelte mit seinen beiden blauen Augen, die sich schon fast geschlossen hatten, „und du wirst kielgeholt, klar?“

Der Kutscher heulte auf.

„Hast du gehört, wie der Schnekkenfresser mich genannt hat, Ed?“ schrie er. „Ich werde ihm …“

„Wenn du nicht sofort das Maul hältst, helfe ich dem Schneckenfresser dabei“, sagte Carberry knurrend. „Du weckst mit deinem Gebrüll den Kapitän auf!“

Der Mund des Kutschers blieb für einen Moment offen. Erst als die Faust des schmierigen Kochs der „Mercure“ unter sein Kinn krachte, schloß er ihn wieder.

Der Kutscher kochte vor Wut. Verdammt, warum sagte ihm nie jemand etwas? Immer war er der einzige, der von nichts wußte!

Pet, der zu wenig Kräfte hatte, um den Kutscher ernsthaft in Bedrängnis zu bringen, kriegte seinen Zorn zu spüren. Die Bratpfanne wirbelte und traf den schmierigen Kerl an allen Körperteilen, so daß er vor lauter Schmerzen sogar das Furzen vergaß. Er lief vor dem Kutscher davon, huschte durch eine Luke und ward für den Rest der Diskussion auf der Kuhl nicht mehr gesehen.

Die Franzosen hatten erkannt, daß es keinen Sinn hatte, wenn sie sich alle auf zwei Männer stürzten. So bildete sich eine zweite Gruppe, in derem Mittelpunkt Stenmark und Blacky standen. Aber auch gegen sie hatten die Franzosen nicht den Hauch einer Chance.

Die kampferprobten Seewölfe teilten wesentlich mehr aus, als sie einstecken mußten. Immer mehr Franzosen, die zu Boden geschickt worden waren, standen nicht mehr auf oder krochen zur Seite, um nicht noch mehr einstecken zu müssen.

Jeff Bowie, Luke Morgan und die beiden Engländer Finnegan und Rogers hatten es endlich geschafft, den Ring um Carberry und Ferris Tucker zu sprengen. Bill und der Kutscher waren unterdessen verschwunden.

Carberry brauchte sich nur noch um Marteau, den Hammer zu kümmern, als Jeff an seiner Seite auftauchte. Grinsend widmete er sich seiner Aufgabe.

Der „Hammer“ war inzwischen ziemlich müde geworden. Er brachte seine mächtigen Fäuste kaum mehr hoch, und wenn, dann bedeutete es für Carberry keine Schwierigkeit, den lahmen, langsamen Schlägen auszuweichen.

Marteaus Gesicht sah ziemlich demoliert aus. Seine Oberlippe war geschwollen, und wenn er keuchend Luft holte, war deutlich zu erkennen, daß ihm zwei Zähne fehlten, Die linke Augenbraue war aufgeplatzt. Seine linke Gesichtshälfte sah deshalb so wüst aus, weil er ein paarmal das Blut, das aus der Augenbraue lief, mit seiner Faust verschmiert hatte.

„Weißt du jetzt, wer hier an Bord das Sagen hat, solange wir auf diesem Kahn fahren?“ fragte Carberry zwischendurch.

Der Decksälteste der „Mercure“ schüttelte stöhnend den Kopf.

„Dief ift ein franföfiffef Fiff!“ sagte er durch seine fehlenden Zähne und keuchte wie ein Walroß, das gerade den Atlanktik durchquert hat. „Der Boff im Vorfiff bin ich!“

Carberry holte aus und langte kräftig hin. Der „Hammer“ krachte der Länge nach an Deck, steif wie eine Planke. Es gab eine Erschütterung, als sei die „Mercure“ auf Grund gelaufen.

„Du bist ein ziemlich müder Boff“, knurrte Carberry. Dann drehte er sich um und blickte die anderen wild an, die erstarrt dem Fall ihres für unbesiegbar gehaltenen Decksältesten zugeschaut hatten.

„Nun haltet endlich mal die Luft an, ihr Pfeifen“, sagte er grollend. „Niemand von uns hat die Absicht, sich dieses Schiff unter den Nagel zu reißen. Wir alle wollen nur so schnell wie möglich nach Old England zurück. Wenn wir bis Brest zusammenhalten, kann uns nichts passieren, und hinterher kann jeder von euch wieder den Boß spielen, das ist uns scheißegal.“

„Scheißegal!“ krächzte „Sir John“, der flügelflatternd auf der Galerie zum Achterdeck saß und sich das Geschehen aus luftiger Höhe angeschaut hatte.

Ein paar Kerle konnten sich offenbar mit der Niederlage nicht abfinden. Sie hatten sich um Marchais, den Giftzwerg, zusammengeschart und nahmen eine drohende Haltung ein. Marchais selbst und zwei andere hielten Messer in den Händen.

„Wir lassen uns nicht für blöd verkaufen!“ sagte der Giftzwerg. Er hatte offensichtlich verstanden, sich aus der allgemeinen Keilerei herauszuhalten, denn im Gegensatz zu allen anderen sah er völlig frisch und unbeschädigt aus.

Stenmark trat neben Carberry.

„Der Hurensohn will bloß wissen, was wir in unseren Gürteln versteckt haben“, flüsterte er.

Carberry nickte.

„Den Kerl sollten wir über Bord werfen“, sagte er so laut, daß der Bretone ihn gut verstehen konnte. „Er ist eine miese, hinterhältige Ratte, und daß die anderen ihn unter sich dulden, wirft ein schlechtes Licht auf sie.“

Der Giftzwerg lief rot an. Er wollte einen Schritt vortreten, das spitze Messer in der vorgereckten Faust, als ihn etwas in den Rücken traf, über ihn hinwegschwappte und nach allen Seiten spritzte.

Der Giftzwerg kriegte im ersten Augenblick keine Luft mehr. Er ruderte hilflos mit den Armen. Seine Kleidung war von oben bis unten durchnäßt, und als er endlich wieder atmen konnte, sog er einen widerlichen Duft durch seine Nase.

Wild drehte er sich um. Er sah die grinsenden Engländer, die gerade einen Bottich abstellten, dessen Inhalt sie ihm über den Rücken gekippt hatten. Wie ein Berserker stürzte er sich auf den Kutscher, doch der hielt schon wieder seine Bratpfanne in der Hand und knallte sie gegen den Messerarm des Giftzwerges, der seinen Zahnstocher aufschreiend fallen ließ.

Die anderen waren alle zurückgewichen. Der Gestank des abgestandenen Abwaschwassers war geradezu widerlich.

„In dem Zeug hat euer Koch euer Geschirr abgewaschen!“ rief der Kutscher. „Wenn ihr weiterhin wie Schweine fressen wollt, soll es mir recht sein. Ich werde jedenfalls für meine Männer gesondert kochen.“

„Was denn?“ fragte der Bretone grollend. „Hafermehlbrei?“

„Habt ihr so was an Bord?“ fragte der Kutscher.

Der Bretone schüttelte den Kopf.

„Na also“, sagte der Kutscher. „Was ihr nicht an Bord habt, kann ich auch nicht kochen. Im übrigen habe ich immer ein offenes Ohr für die Wünsche der Mannschaft nach einem guten Essen.“

Die Lage hatte sich plötzlich entspannt. Keiner der Franzosen verspürte mehr den Wunsch, die Engländer ins Meer zu schmeißen. Manch einer von ihnen zollte den Neuen im stillen Achtung, denn wenn sie ehrlich waren, mußten sie zugeben, daß die Engländer besser waren als sie. Sie waren eine zusammengespleißte Mannschaft von Kameraden, in der einer für den anderen da war, wenn es brenzlig wurde. Eine Ratte wie Marchais hätten sie niemals unter sich geduldet.

Der Bretone trat Marchais in den Hintern, als dieser wieder zu keifen begann.

„Der Tanz ist vorbei, Marchais“, sagte er. „Wenn du dich hättest austoben wollen, wäre vorhin Gelegenheit genug gewesen, aber wie ich sehe, hast du es mal wieder geschafft, dich aus allem herauszuhalten.“

Der Giftzwerg zog den Kopf zwischen die Schultern. Seine gemein blickenden Augen huschten von einem zum anderen, und als er sah, daß er nirgends Unterstützung erwarten konnte, drehte er sich abrupt um und verschwand im Vorschiff.

Der Bretone blieb vor Carberry und Ferris Tucker stehen, ein verlegenes Grinsen im Gesicht.

„Tut mir leid“, begann er stockend. „Aber ihr müßt verstehen, daß es nicht einfach für uns …“

Carberry winkte ab.

„Wenn wir immer tun, was für das Schiff und seine Besatzung das beste ist, werden wir blendend miteinander auskommen“, sagte er. „Wir ziehen schließlich alle an einem Tampen.“

Der Bretone zögerte noch ein paar Sekunden, doch dann streckte er die Hand aus, und Carberry nahm sie und drückte sie, daß dem Bootsmann die Tränen in die Augen traten.

Auch Marteau, der Hammer, reichte Ferris Tucker die Hand. Er sagte allerdings nichts. Offensichtlich hatte er bemerkt, daß sich das Fehlen seiner Zähne ungünstig auf seine Aussprache auswirkte.

Bills helle Stimme störte die allgemeine Versöhnung.

„Zwei Mastspitzen achteraus!“ rief er vom Steuerbordschanzkleid über die Kuhl.

„Bill, du gehst auf Ausguck in den Hauptmars!“ befahl Carberry mit dröhnender Stimme.

„Ein Mann in den Hauptmars!“ ertönte die Stimme des Steuermanns vom Achterdeck.

Einen Augenblick später erschien der Kapitän an der Galerie und beobachtete zufrieden, daß man den Befehl schon ausgeführt hatte, bevor er ausgesprochen worden war.

„Was ist das für eine Volksversammlung!“ rief er zur Kuhl hinunter. „Habt ihr nichts anderes zu tun, als den ganzen Tag zu quasseln? An die Brassen und Schoten, Leute. Vielleicht geht es bald rund, wenn es ein verfluchter Spanier ist, der unseren Kurs kreuzt!“

Seewölfe Paket 14

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