Читать книгу Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 7
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ОглавлениеIn dem kochenden Pandämonium, das unter ihnen herrschte, wirkte die Marsplattform wahrhaftig wie eine Rettungsinsel. Erschöpft setzten sich Finnegan, Rogers und die drei anderen hin und hielten sich fest, um vom Wind ja nicht wieder in die Tiefe gerissen zu werden.
Jack Finnegan hielt Umschau und stellte fest, daß die drei Kameraden ausnahmslos Holländer waren. Sie hießen Piet Reuter, Jan Marten und Dirk Pravemann und gehörten zum einfachen Schiffsvolk, alles Leute, die vor dem Mast gefahren waren.
Weder der Kapitän noch einer seiner Offiziere, auch der Bootsmann und der Profos hatten sich nicht zu retten vermocht. Der höhere Rang und die Privilegien, die diese Männer an Bord genossen hatten, konnten sie nicht vor dem Untergang bewahren. Vor dem Schicksal waren alle Männer gleich, selbst Könige und Kirchenfürsten ertranken, wenn sie in einen Sturm wie diesen gerieten.
So jedenfalls dachte Finnegan in diesen Augenblicken des Ausruhens und Reflektierens, und im Prinzip hatte er recht. So und nicht anders hatte es wohl sein sollen, ein winziger Teil der Crew war mit dem Leben davongekommen, sonst keiner.
Er blickte zu Paddy Rogers.
Rogers war ein Bulle von Mann, rothaarig, mit grau-grünen Augen, einer Knollennase und einem massigen Kinn. Eigentlich war er ein typischer Kraft-mensch, ein bißchen mundfaul und mit dem Verstand nicht so schnell wie andere. An Bord hatte er das Denken meist Finnegan überlassen, wenn sie zusammen Dienst gehabt hatten.
Das mit dem Denken übernahm Finnegan gern, aber er hatte nie versucht, Rogers irgendwie zu übervorteilen oder zu hintergehen. Er achtete den Mann auf seine Art, und sie hatten Freundschaft geschlossen. Einen Freund legt man nicht herein, man versucht in allen Lebenslagen, ihm zu helfen.
Finnegan hatte seine festen Ansichten über Kameradschaft und das Leben zur See, der ungeschriebene Ehrenkodex aller Fahrensleute galt ihm sehr viel – was man bei weitem nicht von allen Kerlen behaupten konnte, die an Bord eines Segelschiffes die Meere befuhren.
Finnegan war hager und sehnig, dunkelblond und grauäugig. Sein Gesicht war schmal und markant geschnitten, und er verfügte über einen ausgesprochen wachen Verstand. Er war zäh und furchtlos, kein Mann, der sich bereitwillig duckte.
Er hatte seine Fassung wiedergewonnen, die Todesangst war vorbei. Er konnte ruhig und wohlüberlegt sprechen.
Er legte Rogers die Hand auf die Schulter und sagte: „Paddy, ich will dir was anvertrauen. Nur dir. Die anderen können es nicht hören.“
„Hast du im Vordeck Geld gefunden?“ Rogers sah sich nach hinten um. „Dann behalte es für dich. Wenn die drei Kerle da auch nur Lunte riechen, gibt es Streit. Du weißt ja, wie die rangehen.“
„Kein Geld, Paddy, es geht um was anderes. Ich habe eben richtige Angst gehabt, verstehst du?“
„Ja. Mir ging’s nicht besser als dir.“
„Wo warst du?“
„Achtern. Bin über die Kuhl geflogen und dann unterm Niedergang zum Achterdeck liegengeblieben. Als der verfluchte Kahn auf Grund setzte, dachte ich: Jetzt gehst du über den Deich, Paddy, du alter Sack. Ja, so war das.“ Für seine Begriffe war dies schon eine sehr lange Rede, er holte tief Luft und wartete ab, was Finnegan erwidern würde.
Finnegan hielt sich wieder mit beiden Händen fest, denn eine gewaltige Sturmbö heulte heran und drohte, sie von ihrer rettenden Insel zu fegen. Die Holländer fluchten wie verrückt.
„Es ist eine schlimme Sache, wie eine Ratte abzusaufen“, sagte Finnegan, als die Wucht des Windes wieder etwas nachließ. „Schlimmer, als von einer fallenden Rah zerschmettert zu werden. Schlimmer, als eine Kugel in den Kopf zu kriegen. Es ist die furchtbarste Todesart, behaupte ich, Paddy, und deshalb schäme ich mich nicht, daß ich Angst gehabt habe.“
„Ich auch nicht.“
„Dann sind wir uns ja mal wieder einig. Gut, wir können hier verschnaufen und erst mal wieder ein wenig unsere Kräfte sammeln. Aber hast du dir schon überlegt, wie wir hier wieder wegkommen?“
„Nein“, erwiderte Rogers.
„Dann denk mal schön nach. So schnell kommen wir hier nicht wieder runter. Wir sind sozusagen dazu verdammt, auf dieser Scheiß-Plattform hocken zu bleiben und auf jemanden zu warten, der uns wegholt. Sonst vergammeln wir hier nämlich.“
„So ein Dreck“, sagte Paddy Rogers.
„Ja, verflucht. Ich hab’ das blöde Gefühl, daß wir vom Regen in die Traufe geraten sind“, sagte Finnegan und hatte all seine frommen Vorsätze angesichts dessen, was sie noch erwartete, bereits wieder vergessen.
Am Morgen des 21. Mai hatte sich der Sturm ausgetobt.
Jack Finnegan, Paddy Rogers, Piet Reuter, Jan Marten und Dirk Pravemann hatten alles heil überstanden, sie hatten überlebt, aber sie waren, wie Finnegan schon in der Nacht vorhergesehen hatte, von einer Hölle in die andere geraten:
Haie umkreisten den Großmast mit der Marsplattform, den Rahen und den zerfetzten Segeln. Gierige Mörder belagerten den Großmast, um bei der ersten Gelegenheit, die sich ihnen bot, über ihre Beute herzufallen. Die beiden Engländer und die drei Holländer hatten weder Trinkwasser noch Proviant, das Festland war außer Sicht, und die Sonne brannte unbarmherzig auf sie nieder.
„Biester“, sagte Piet Reuter, ein schlanker und muskulöser Mann mit derben Händen. „Seht sie euch an. Sie warten darauf, daß einer von uns runterfällt wie eine reife Birne. Aber den Gefallen tun wir ihnen nicht.“
„Die haben Ausdauer“, meinte Finnegan. „Die lassen so schnell nicht locker.“
Reuter streifte ihn mit einem Blick, dann sah er wieder zu den Dreiecksflossen, die scharf durch das Wasser schnitten und schwache Ringe um den Mast herum zeichneten.
„Irgendwann müssen sie ja abhauen“, sagte der Holländer. „Und dann können wir versuchen, zur Küste zu schwimmen.“
Jan Marten, ein Koloß von Kerl mit kurzen hellblonden Haaren, schüttelte den Kopf. „Das ist viel zu weit. Das schaffen wir nie. Bevor wir das Land erreichen, ertrinken wir oder werden von den Haien verschlungen.“
Reuter verzog spöttisch den Mund. „Du hast die Hosen wohl voll, was? Dirk, wie ist deine Meinung?“
Dirk Pravemann war der kleinste der drei Holländer, klein, aber sehr flink und wendig. Er setzte eine ähnliche Miene wie Reuter auf und erwiderte: „Ich finde, man sollte einen Versuch wagen. Aber das ist eben was für hartgesottene Kerle. Piet, wenn sich die verteufelten Haie verziehen, entere ich mit dir zusammen in das Wasser da ab, und wir unternehmen was, das verspreche ich dir.“
„Moment mal“, sagte Marten jetzt rasch. „Dann bin ich natürlich auch mit dabei.“ Einen Hasenfuß wollte er sich denn doch nicht schimpfen lassen. „Auf mich könnt ihr zählen.“
„In Ordnung“, sagte Reuter. „Eigentlich habe ich das von dir auch nicht anders erwartet.“ Er sah zu den beiden Engländern. „Und ihr? Was ist mit euch?“
Finnegan und Rogers tauschten einen Blick. Sie beherrschten beide gut die holländische Sprache und hatten jedes Wort verstanden. Aber es gefiel ihnen nicht, daß sich Reuter als Wortführer aufspielte. Überhaupt – die drei Holländer gehörten zu den miesesten Typen, die an Bord der „Zeland“ gefahren waren, und es gab ihnen zu denken, daß sie ausgerechnet mit diesen Kerlen die Plattform teilen mußten.
Aber was blieb ihnen anderes übrig?
Finnegan antwortete: „Grundsätzlich bin ich für alles, was uns irgendwie aus dem Schlamassel hilft. Nur finde ich, daß wir keinen Selbstmord begehen sollten. Soweit sind wir denn doch noch nicht.“
„Wie meinst du das?“ fragte Reuter.
„So, wie ich es gesagt habe.“
Reuter rückte einen Schritt auf ihn zu. „Aus dir werde ich nicht recht schlau, Mann. Für wie gewitzt hältst du dich eigentlich?“
„Ich suche nach einer Lösung, genau wie du. Aber wir sollten zusammenhalten und gemeinsam überlegen, ob es nicht eine sinnvollere Art gibt, mit der Situation fertigzuwerden“, sagte Finnegan.
Reuter wußte darauf vorläufig nichts zu entgegnen und verfiel in dumpfes Schweigen. Eine Zeitlang herrschte Stille auf der Plattform, alle fünf beobachteten die Haie und sannen über ihr Schicksal nach.
Jack Finnegan und Paddy Rogers waren harte Knochen, ehemalige Nordseefischer, gebürtig aus Harwich, die bei den Holländern angeheuert hatten, weil sie auf deren Handelsschiffen mehr verdienten als bei dem mühseligen Fischfang.
Erstklassige Seeleute waren sie, denn sie mußten schon als Jungen mit hinaus auf die Nordsee. Beide waren sie Ende Zwanzig, hielten wie Pech und Schwefel zusammen und verstanden es, mit ihren Fäusten umzugehen. Auf der „Zeland“ hatten sie sich den anderen gegenüber stets zu behaupten gewußt, und das sollte, so hatten sie insgeheim beschlossen, auch jetzt nicht anders werden.
Reuter mußte zurückstecken, er würde nicht der Mann sein, der von jetzt an die Befehle gab, jedenfalls nicht, was Finnegans und Rogers’ Position in der Rangordnung betraf.
Finnegan war als erstem ihre prekäre Lage bewußt geworden, und er sah auch jetzt keine Möglichkeit, an den Dingen etwas zu ändern. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte, sie konnten selbst nichts, aber auch gar nichts für ihre Rettung tun.
Selbstverständlich schied ein Schwimmversuch nach Süden aus, wo sich die Küste Ägyptens befinden mußte, denn selbst wenn sich die Haie kurzfristig zurückzogen, würden sie stets nah genug bei dem gesunkenen Schiff bleiben, um die Männer angreifen zu können, falls sie sich vom Mars herunterwagten.
Das Wrack war eine Todesfalle, und wenn man es recht betrachtete, wäre es für alle fünf besser gewesen, sie wären gleich ertrunken, statt ihr Leben zu retten, das jetzt an einem seidenen Faden hing. Ohne Essen konnte der Mensch zwei oder drei Wochen aushalten, nicht aber ohne Trinkwasser.
Dennoch durften sie nicht verzweifeln. Sie mußten die Nerven behalten und sich den Kopf darüber zerbrechen, ob es nicht doch einen Weg gab, sich aus ihrer Lage zu befreien.
„Ich hab’s“, sagte Pravemann plötzlich. „Wir könnten aus der Großrah ein Floß zusammenfügen. Hölle, warum haben wir nicht gleich daran gedacht?“
„Hast du denn ein Werkzeug?“ fragte Finnegan.
„Das nicht, aber …“
Finnegan unterbrach ihn. „Hat einer von uns ein Messer?“
„Ich hatte eins, aber ich habe es verloren, als der Kahn absoff“, erwiderte Reuter mit ziemlich finsterer Miene. „Aber was heißt das schon?“
Finnegan lächelte ihm freundlich zu. „Das heißt, daß wir die Rah nicht in Teilstücke zerlegen können. Unmöglich. Wie willst du das bewerkstelligen?“
„Das weiß ich nicht“, sagte Reuter gereizt. „Aber wir können die Rah wenigstens abfieren und zu Wasser bringen.“
„Und weiter?“ fragte Jan Marten mit gefurchter Stirn.
„Wir setzen uns darauf und paddeln mit den Händen bis zur Küste“, erwiderte Piet Reuter. „Ganz einfach. Gut, daß du die Rah erwähnt hast, Dirk.“
Paddy Rogers hatte sich zu den drei Holländern umgedreht. „Ein schöner Mist ist das, was du erzählst, Macker“, sagte er entrüstet. „Die Haie schnappen unsere Beine weg, die von der Rah ins Wasser baumeln, und ich will meine Beine behalten. Das ist doch keine Lösung.“
„Hast du denn einen besseren Vorschlag?“ fragte Reuter verärgert.
„Die Sonne trocknet unser Gehirn ein“, sagte Jack Finnegan. „Wir sollten wenigstens etwas tun, um für Schatten zu sorgen. Paddy, hilfst du mir?“
„Klar doch. Was hast du vor?“
„Wir können das zerfetzte Großsegel als Sonnendach über dem Mars ausspannen, dann ist es hier wenigstens nicht mehr so heiß.“
„Gute Idee“, pflichtete der bullige Mann ihm sofort bei. „Auf was warten wir noch?“
Sie enterten die Großrah und begannen mit ihrem Werk. Bald hing das Segeltuch als bizarrer Sonnenschutz über der Plattform, und Schatten zeichneten sich auf ihrer Rettungsinsel ab.
Die Holländer rührten keinen Finger, um den Engländern zu helfen. Piet Reuter war wütend darüber, daß ihm nicht selbst eingefallen war, das Großsegel auszuspannen. Jan Marten und Dirk Pravemann hüteten sich, aus eigener Initiative heraus etwas zu tun.
Zwei Parteien hatten sich gebildet.