Читать книгу Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 25

2.

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Das Einlaufen der Prachtschebecke erregte größte Aufmerksamkeit und beträchtliches Aufsehen, denn in die ehemalige kleine Hauptstadt des maurischen Königreiches verirrten sich nur selten mal größere Schiffe.

Der Tag war noch sonnig und warm. Denia lag eingebettet am Fuß des fast achthundert Yards hohen Mongó, einem Berg, dessen untere Hänge mit Weinreben bepflanzt waren. Zur verträumt wirkenden Burg hin zogen sich endlose Orangenplantagen.

Sehr malerisch wirkte das Städtchen.

„Keine größeren Schiffe“, stellte Hasard fest. „Nur Fischerboote und zwei kleine Schaluppen. Hier haben wir ganz sicher nichts zu befürchten. Es wirkt alles harmlos und friedlich.“

„Hier ist offenbar die Zeit stehengeblieben“, meinte Don Juan versonnen. „Die Einwohner leben vom Weinbau, den Orangen und der Fischerei. Dort drüben ist die ganze Pier frei.“

Eine lange Holzpier ragte in den Hafen. Auf der einen Seite der Pier lagen winzige Fischerboote, die andere Seite war leer. Hinter der Pier standen weißleuchtende Backsteinhäuser im maurischen Stil.

Denia hatte als Honoratioren einen Alcalden aufzuweisen, einen dicklichen genußsüchtigen Menschen, der mehr oder weniger gewandt die Geschicke des Ortes lenkte.

Der zweite bedeutsame Mensch war der Hafenverwalter, ebenfalls sehr genußsüchtig und ein etwas wabbelig wirkender Mann. Die beiden waren miteinander verwandt und betrieben Vetternwirtschaft, denn alle unteren Chargen waren ebenfalls mit ihnen verwandt.

Der Alcalde war ein bißchen vertrottelt und eigenbrötlerisch. Der Hafenmensch stand ihm in nichts nach, schließlich war er ja mit ihm verwandt.

Ein Wachmann mit einer langen Tröte, die er zum Ärger der anderen Bürger bei jeder Gelegenheit blies, hatte die Schebecke schon lange vor der Einfahrt bemerkt und weckte jetzt den ganzen Ort aus seinem Dämmerschlaf, indem er kräftig ins Horn stieß.

Er war ein wichtiger Mensch, mit großer Verantwortung, denn er verbreitete als allererster jede Neuigkeit.

Nachdem er die dösenden Bürger aufgeschreckt hatte, rannte er in gewaltigen Sprüngen zum Backsteinhaus der Hafenverwaltung, wo der Alcalde und Don Martin, der dickliche Hafenmensch, gerade bei einem Becher Rotwein hockten.

Er stieß atemlos die Tür auf und nahm Haltung an. Dabei keuchte er noch vom schnellen Laufen.

„Was gibt es denn?“ fragte der Hafenmensch unwillig.

Der Wachmann setzte heroisch die lange Tröte an den Mund, pumpte die Backen auf wie ein Hamster und begann mit hervorquellenden Augen und aller Kraft hineinzublasen.

Der Ton war so schaurig und laut, daß die beiden fast vor Schreck vom Hocker fielen. Entnervt hielten sie sich die Ohren zu.

„Beim heiligen Sankt Blasius!“ schrie der Hafenmensch gequält. „Mußt du denn immer so einen Krach veranstalten, du blaswütiger Idiot?“

Der Wachmann ließ sich nicht beirren. Schließlich war es seine vaterländische Pflicht, jede Neuigkeit auszuposaunen. Er setzte die Tröte ab, holte tief Luft und blies den beiden noch einmal die Ohren voll.

Die beiden Kerle gingen in Deckung, zumal die Töne in dem engen Raum so klangen wie die Trompeten von Jericho und zu befürchten war, daß die Wände einstürzten.

Der zweite Trompetenstoß verklang, und als der Wachmann zum dritten und letzten Mal ansetzte, wie das bei wichtigen Meldungen üblich war, schlug ihm der Alcalde auf das Blasrohr, daß es scheppernd zu Boden fiel.

„Genug jetzt, du Blödmann!“ brüllte er. „Ich habe dir schon hundertmal gesagt, daß du in den Amtsstuben nicht blasen sollst. Das tust du draußen schon genug und zum Gotterbarmen.“

„Aber es ist meine Pflicht“, erwiderte der Posten gekränkt. „Dafür werde ich schließlich bezahlt.“

„Aber nicht in den Amtsstuben, du Esel. Hier kannst du deine Meldung ausposaunen …“

„Habe ich doch getan.“ Das Gesicht des Mannes wirkte jetzt sehr gekränkt und beleidigt.

„Ja, schon, aber nicht mit deiner verdammten Tute. Ich habe das anders gemeint. Es ist nicht nötig, hier herumzutreten, verstehst du? Du kannst deine Meldung mündlich abgeben.“

„Das will ich ja auch.“

Der Hafenmensch entsann sich jetzt, daß ja eine Meldung fällig war, und versuchte, sachlich zu bleiben.

„Was ist denn überhaupt los?“

Der Posten wollte wieder nach seinem Blasprügel greifen, doch ein drohender Blick verhinderte das rechtzeitig.

„Sage jetzt endlich, was los ist, bei allen Heiligen.“

„Ein Schiff nähert sich dem Hafen“, verkündete der Wachmann. „Es nähert sich ihm eilends.“

„Das hast du doch gerade gesagt.“

„Aber ‚eilends‘ habe ich vergessen.“

„Das ist auch nicht so wichtig. Was für ein Schiff?“

„Ein – ein Barbareskenschiff, glaube ich. Es hat drei Masten.“

„Ein Barbareskenschiff?“ stöhnte der Alcalde. „Was will es denn in unserem Hafen?“

„Vielleicht will es anlegen. Ich bin zu der Vermutung gelangt, daß es anlegen will, sonst würde es nicht in den Hafen segeln.“

„Ja, das ist wahr“, sagte Don Martin, der Hafenmensch. „Und wie sieht es aus?“

Der Hafenmensch hätte sich ohne weiteres von dem Aussehendes Barbareskenschiffes überzeugen können, aber dann hätte der Wachmann nichts zu tun gehabt, und er wurde ja schließlich dafür bezahlt, daß er etwas wahrnahm und meldete.

„Es hat drei Masten“, sagte er lahm.

„Das hast du schon gesagt. Was noch?“

„Mehr Masten hat es jedenfalls nicht. Höchstens noch ein paar Segel – und Männer an Deck.“

„Barbaresken?“

„So genau konnte ich das nicht sehen. Es war noch zu weit weg. Aber wenn es ein Barbareskenschiff ist, dann hat es auch ganz sicher Barbaresken an Bord.“

„Um Himmels willen“, stöhnte der Hafenmensch. „Das hat uns gerade noch gefehlt. Eroberer, was?“

„Was für Dinger?“ fragte der Posten.

„Eroberer, sagte ich.“

Der Alcalde faßte ein Entschluß. Er erhob sich, öffnete die Tür und warf einen Blick hinaus.

„Tatsächlich, ein Schiff“, sagte er staunend. „Und was für eins!“

„Was denn für eins?“ fragte der Hafenmensch, weil er zu faul war, aufzustehen und seinen Platz zu verlassen.

„Eine Schebecke. Sieh sie dir mal an.“

Don Martin erhob sich seufzend und warf einen Blick durch die angelehnte Tür.

„Ja, eine Schebecke“, sagte er. „Das letzte Mal habe ich vor sechs Jahren eine gesehen. Was die hier wohl will?“

„Anlegen“, sagte der Wachmann.

„Du gehst sofort auf deinen Posten und stellst fest, ob noch weitere Schiffe in Sichtweite sind“, befahl Don Martin.

Weil die beiden Kerle so angelegentlich zu der heransegelnden Schebecke starrten, nutzte der Posten die günstige Gelegenheit und trank blitzschnell die Rotweinhumpen leer. Dann ging er hinaus, aufgeblasen und wichtigtuerisch, die Tröte fest unter den Arm geklemmt. Er erweckte den Eindruck, als wolle er sich dem anstürmenden Feind entgegenwerfen und den Heldentod sterben.

„Das sind keine Eroberer“, sagte Don Martin fachkundig. „Die tragen spanische Uniformen oder so was. Vielleicht ein Freundschaftsbesuch oder so.“

„Santos“, murmelte der Alcalde. „Wenn das so ist, dann muß ich mich schnell umziehen.“

„Ich auch“, erklärte Don Martin. „Ohne Uniform bin ich nur ein halber Mensch.“

Die Uniformen hatten sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr getragen, weil in dem Ort absolut nichts los war und auch nur sehr selten ein größeres Schiff Denia anlief.

Jetzt staffierten sie sich in aller Eile aus.

„Das sind ja zwei seltsame Heilige“, sagte Hasard zu Don Juan und deutete unauffällig zur Pier hinüber, wo zwei dickliche Kerle aufgeregt und mit tomatenroten Köpfen herumstanden.

Der Spanier konnte sich das Grinsen nicht mehr verkneifen.

Da standen zwei dicke Señores in rotgrünen Kürbishosen und ebensolchen Mühlsteinen um den Hals wie Old O’Flynn und versuchten vergeblich, ihre Bäuche einzuziehen. Beflissenheit lag in ihren Gesichtern, und zum Erstaunen der Arwenacks verneigten sich die beiden Kerle etliche Male.

„Die halten uns wohl für eine königliche Abordnung“, meinte Dan. „Da ist ja fast der ganze Ort zusammengelaufen.“

So war es. Überall tauchten Männlein und Weiblein auf oder standen vor ihren Häusern, um die Schebecke zu bestaunen.

Die letzten Segel wurden weggenommen, und dann legten die Arwenacks mit einem gekonnten Manöver an.

Die zwei uniformierten Kerle eilten beflissen herbei, nahmen höchstpersönlich die Leinen wahr und legten sie um die hölzernen Poller.

Dabei dienerten sie erneut und warfen einen scheuen Blick zu dem Mann, der in gemessener und dennoch hochmütiger Haltung auf dem Achterdeck der Schebecke stand.

„Ob das wohl Seine Allerkatholischste Majestät, unser König, ist?“ fragte Don Martin leise und ergriffen. „So könnte er jedenfalls aussehen.“

Der Alcalde war sich da nicht ganz so sicher. Er wagte kaum, den vornehm gekleideten Alten mit der weißen Halskrause und dem wettergegerbten Gesicht anzublicken.

„Ich weiß nicht“, raunte er kläglich. „Es – es wäre einfach zuviel der Ehre. Sicher ist es aber ein Grande vom Hochadel. So sehen die nämlich aus.“

Old O’Flynn hatte Ohren wie ein Luchs und verstand jedes Wort, das die beiden Kerle flüsterten. Er grinste sich heimlich eins, ließ sich jedoch nicht das Geringste anmerken. Lediglich zu einem flüchtigen Blick und einem huldvollen Handwedeln mit der ringgeschmückten Rechten ließ er sich herab.

Die beiden einfältigen Kerle versanken fast vor Ehrfurcht.

„Willkommen, willkommen“, dienerten sie.

Hasard hatte die beiden auf den ersten Blick richtig eingeschätzt. Das waren zwei absolut harmlose Trottel mit engem Horizont. Geistige Flachwassersegler mit beachtenswertem Respekt vor der Obrigkeit oder allem, was auch nur danach aussah. Ihm entging auch nicht, daß sie Old O’Flynn heimlich und respektvoll anstarrten, obwohl sie sich große Mühe gaben, das zu verbergen.

Der Seewolf grüßte lässig und etwas herablassend. Dann stellte er sich als Don Esteban vor und nannte noch ein paar längere Namen, die die Kerle ohnehin nicht behielten.

Er lud die beiden an Bord ein und stellte fest, daß sie meilenweit nach Rotwein rochen.

Wieder grüßten die beiden sehr linkisch, als sie auf den Planken standen und sich ehrfürchtig umsahen.

Sie wußten nicht, wen sie vor sich hatten, sie ahnten es nicht einmal. Vielleicht hatten sie noch nie etwas von Lobo del Mar gehört. Oder aber sie erkannten ihn ganz einfach nicht.

„Was führt Sie in unseren Hafen, Señores?“ fragte der Hafenmensch, der vor Verlegenheit einen knallroten Kopf hatte und immer wieder heimlich zu Old O’Flynn blickte, dessen Blick ausdruckslos in die Ferne gerichtet war, als ginge ihn das alles nichts an. „Sie segeln ein Schiff der Barbaresken, Don Esteban“, fuhr er leise fort, „ist das nicht ein bißchen ungewöhnlich? Verzeihen Sie bitte die Frage.“

„Aber gern“, sagte Hasard generös. „Auf den ersten Blick mag das ungewöhnlich erscheinen, aber die Mission ist schließlich von Seiner Allerkatholischsten Majestät höchstpersönlich abgesegnet.“

„Eine Mission?“ stammelte der Alcalde.

„Sie ist geheim“, raunte Hasard, „und sie muß natürlich auch geheim bleiben, deshalb haben wir bewußt diesen Hafen gewählt.“

„Welche Ehre, Don Esteban.“

„Gut, gut, mein Bester. Es bleibt also unter uns und niemand wird ein Sterbenswörtchen darüber erfahren. Ich muß Sie beide zu Geheimnisträgern ernennen.“

Die beiden Kerle versanken fast in den Planken, so angetan waren sie von der Ehre, jetzt Geheimnisträger zu sein.

Der Alcalde nahm sich heimlich vor, dieses Ereignis sogleich nach der Abreise laut hinauszuposaunen, denn da konnte er mit einem Titel glänzen, den niemand aufzuweisen hatte.

Geheimnisträger Seiner Allerkatholischsten Majestät, des Königs Philipp II. von Spanien!

Das ging runter wie warmes Öl und bedeutete den absoluten Höhepunkt in seinem ereignislosen Leben.

Aber er hatte noch einen Konkurrenten, der ebenso dachte und dessen Kopf mittlerweile so knallig angelaufen war, als würde er jeden Augenblick platzen.

Das gleiche nahm sich nämlich Don Martin ebenfalls vor, kaum, daß er zum Geheimnisträger ernannt worden war. Das mußte natürlich alle Welt erfahren, und man würde ihn wie einen Helden feiern. Er war so aufgeregt, daß er mühsam nach Luft schnappen mußte.

Hasard entging nichts, keine Regung, keine Bewegung, und so stellte er amüsiert fest, daß die beiden Kerle ob der unvergleichlichen Ehre, die ihnen soeben zuteil geworden war, fassungslos nach Luft rangen.

Eine breite Hand klopfte Don Martin leutselig auf den Rücken. Sie gehörte dem freundlichen breitschultrigen und etwas dicklichen Padre mit der Knubbelnase.

„Haltet ein mit dem Wein“, sagte Paddy Rogers salbungsvoll. „Der Wein macht lose Leute, und starkes Getränk macht wild; wer dazu Lust hat, wird nimmer weise. Eine Mahnung aus dem zwanzigsten Kapitel der Sprüche.“

Der Hafenmensch zuckte verstört zusammen. War dem Padre also doch nicht entgangen, daß sie zuvor einen gezwitschert hatten!

„So isses, so isses, verehrungswürdiger Padre“, sagte Don Martin voller Eifer.

Und der Alcalde blies verzweifelt die Wangen auf, damit seine Weinfahne etwas Milderung erfuhr.

Der gute Padre hatte noch mehr Sprüche auf Lager, die sich auf die Völlerei bezogen. Sie bewirkten bei den beiden fromme Schauer, denn die Sprüche paßten wie die Faust aufs Auge.

An der Pier hatten sich mittlerweile immer mehr Gaffer eingefunden. Keiner traute sich jedoch in unmittelbare Nähe der Schebecke, dafür sorgten schon die wichtigtuerischen Blicke des Alcalden und Hafenmeisters, die eifersüchtig darüber wachten, daß der Pöbel nicht mit den Hohen Señores in Berührung geriet.

„Sicher benötigen die ehrenwerten Señores frisches Trinkwasser und Proviant“, sagte Don Martin untertänigst. Dabei dienerte er unisono demütig mit dem Alcalden.

Ein Monstrum von Kerl, mit einer riesigen Kürbishose bekleidet und zahlreichen Narben in dem kantigen Gesicht, schob sein gewaltiges Kinn vor und zog indigniert eine Augenbraue hoch.

„Wasser?“ fragte er gedehnt. Er sann dem Wort nach, als hätte er es noch nie gehört. „Nein, so was brauchen wir vorerst nicht.“

„Ich meinte natürlich Wein“, sagte der Alcalde hastig. „Don Martin hat sich nur versprochen. Wir haben hier ein vorzügliches Weinchen, es gedeiht an den Hängen von Denia. Es wäre uns eine Ehre, wenn wir es den ehrenwerten Señores anbieten dürften.“

„Nun ja, das dürfen Sie schon“, sagte der mit der gewaltigen Kürbishose Bekleidete gnädig und herablassend. „Wir können ja mal ein paar Fässer von dem Zeug probieren, für Ihre Seligkeit.“

Hasard wollte den Profos erst bremsen, doch dann ließ er den Dingen einfach freien Lauf und amüsierte sich insgeheim weiter. Außerdem mußte Paddy gerade in diesem Augenblick wieder einen seiner passenden Sprüche absetzen.

„Selig sind, die da geistig arm sind, denn das Himmelreich ist ihr“, tönte er salbungsvoll, wobei er die beiden durchdringend ansah.

Der Kutscher biß sich fast auf die Lippen, um nicht herauszuplatzen. Hasards Gesicht wurde starr, und Old O’Flynn ruckte mit seiner weißen Halskrause herum, weil er glaubte, sich verhört zu haben.

„… die da geistlich arm sind, heißt das“, raunte der Kutscher Paddy zu, „nicht geistig arm. Sieh dich bloß vor!“

„So isses“, sagten die beiden nickend. Sie hatten die gravierende Verwechslung der beiden Worte nicht mitgekriegt oder überhaupt nicht kapiert, denn ein Geistlicher konnte sich ja nicht irren.

Paddy war es furchtbar peinlich, sich so verhauen zu haben. Auch sein Kopf nahm langsam vor Verlegenheit eine rote Farbe an.

Aber die Scharte wollte er unbedingt wieder auswetzen, und so sagte er noch einen weiteren Vers auf: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen geröstet werden. Matthäus, fünftes Kapitel, Vers vier.“

„So isses“, sagte der Alcalde.

Und auch der Hafenmeister sagte wie ein Papagei: „So isses, so isses.“

Hasard hatte das Gefühl, als bahne sich ein Debakel an, und so schob er den dicken Paddy unauffällig zur Seite. Den nahm sich auch gleich darauf wieder der Kutscher vor.

„Mann“, sagte er erschüttert. „Die da Leid tragen, werden keinesfalls geröstet, Paddy, sie werden getröstet, und das ist immerhin ein himmelweiter Unterschied.“

„Ich bin so aufgeregt“, murmelte Paddy, „soviel auf einmal habe ich noch nie in meinem ganzen Leben gesagt. Da kann man doch schon mal was verwechseln, Mister Kutscher, nicht wahr?“

„Ja, natürlich. Es ist zum Glück ja auch nicht aufgefallen. Die beiden Kerle sind selbst viel zu aufgeregt, und im übrigen scheinen sie ihre Nasen häufiger in die Weinhumpen als in die Bibel zu stecken.“

„Da bin ich aber froh“, sagte Paddy erleichtert.

Unterdessen hatte Hasard immer noch alle Mühe, sein Lachen zu verbeißen. Er riß sich zusammen und klopfte dem Alcalden wohlwollend auf die Schulter.

„Das Angebot nehmen wir natürlich gern an“, sagte er. „Wir haben jedoch einen anderen Grund, warum wir Ihren Hafen anliefen. Uns fehlen zwei Anker. Wir haben sie in einem Sturm verloren und brauchen dringend dafür Ersatz.“ Er blinzelte den beiden vertraulich zu und zog sie etwas beiseite. „Wir haben eine sehr hochgestellte Persönlichkeit an Bord, wie Sie sicher schon bemerkt haben.“

Die beiden nickten ehrfürchtig und warfen einen heimlichen Blick zu Old O’Flynn.

„Wir glaubten schon, es sei Seine Allerkatholischste Majestät höchstpersönlich“, flüsterte Don Martin.

„Fast ist es so“, raunte Hasard. „Da Sie nun ja Geheimnisträger Erster Klasse sind, kann ich es Ihnen ruhig sagen. Jener überaus ehrenwerte Grande dort ist Don Egalo Alvarez de Segovia. Wer hätte nicht schon von ihm gehört! Er ist eine der höchstgestelltesten Persönlichkeiten der spanischen Krone und ein Edelmann durch und durch.“

Die beiden erschauerten bis ins Mark.

„Ja ja“, sagte der Hafenmensch eifrig, „wir haben schon viel von seinen Taten gehört, sehr viel.“

„Ja, wirklich sehr viel“, sagte auch der Alcalde, damit man ihn nicht für einen Dummkopf hielt, der keine Ahnung hatte. „Seine Taten werden im ganzen Lande gerühmt.“

„So ist es“, sagte Hasard. Er sah die beiden an und forschte in ihren Gesichtern, aber da lag kein Erkennen und auch kein Argwohn. So konnte er unbesorgt noch weiter reizen. Mal sehen, wie sie reagieren, dachte er. Sein Gesicht nahm einen verschwörerischen Ausdruck an.

„Don Egalo hat den berüchtigten El Lobo del Mar zur Strecke gebracht“, vertraute er ihnen leise an. „Jenen Korsaren, auf den die Krone eine hohe Kopfprämie ausgesetzt hat.“

Er sah, wie die beiden zusammenzuckten, als hätte man ihnen etwas auf die Schädel geschlagen.

„Lobo del Mar ist endlich gefangen?“ fragte der Alcalde fassungslos. „Wir haben viel von ihm gehört. Er trieb ja seit Jahren sein Unwesen und hat der Krone unermeßlichen Schaden zugefügt.“

„Das ist jetzt vorbei“, sagte Hasard. „Seit er mit Don Egalo die Klingen gekreuzt hat, gibt es ihn nicht mehr.“

„Was muß das für ein Mann sein!“ sagte Don Martin erschauernd. Er traute sich kaum noch, einen Blick zu Old O’Flynn zu werfen.

Der hatte natürlich alles mitgekriegt und schaute jetzt heroisch über den Hafen, als würde dort gleich der nächste Lobo del Mar auftauchen.

Kein Wunder, daß dieser Don Egalo so stolz und unnahbar ist, dachte der Alcalde. Was er geschafft hatte, war bisher noch keinem gelungen, obwohl sie den Wolf seit Ewigkeiten gejagt hatten.

Der Hafenmensch merkte nicht, daß er kräftig auf den Arm genommen wurde, und der Alcalde merkte es noch weniger. Da war auch kein Erkennen in ihrem Blick. Sie standen vor El Lobo del Mar und waren ahnungslos wie kleine Kinder. Sie dienerten noch vor ihm und empfanden einen unheimlichen Respekt vor dem Mann, der in Wahrheit der Schwiegervater des Seewolfs war.

Die beiden einfältigen Kerle sahen auch nicht das versteckte Grinsen in den Gesichtern der verkleideten Arwenacks.

„Sie erhalten natürlich sofort zwei Anker“, sagte der Alcalde in tiefer Demut, „das ist völlig selbstverständlich. Und ebenso selbstverständlich geht das zu unseren Lasten. Bitte, Señor, das werden Sie doch nicht abschlagen.“

„Das muß nicht sein“, sagte Hasard. „Ich bezahle die Anker natürlich gern.“

Aber davon wollten die beiden nichts wissen.

Dann schlug sich der Alcalde plötzlich vor die Stirn.

„Da fällt mir noch etwas ein. Vor ein paar Wochen sank vor der Küste eine kleine Galeone, die auf dem Weg nach Cartagena war. Sie sank in einem fürchterlichen Sturm, und niemand konnte gerettet werden. Das Wrack trieb später hier an. Der einzige Überlebende starb. Er wies uns darauf hin, daß sich an Bord vierzig Silber- und zehn Goldbarren befänden, die der spanischen Krone abgeliefert werden müßten. Wir haben immer auf einen Handelsfahrer gewartet, der nach Cartagena unterwegs war. Würde es Sie sehr belasten, Señor, diese Barren mitzunehmen? Es waren doch insgesamt fünfzig Barren, nicht wahr?“ wandte er sich fragend an Don Martin.

Der Hafenmensch hatte ganz plötzlich feine Schweißperlen auf der Stirn, die er nervös abwischte.

„Äh – ja, genau fünfzig“, sagte er mühsam.

Hasard durchschaute die beiden Kerle sofort. Da waren anfangs wohl ein paar Barren mehr im Spiel gewesen, aber die Kerle hatten sich ganz sicher ihren Anteil abgezwackt, das sah er deutlich an ihren schuldbeladenen Gesichtern. Aber das war ihm egal.

Erneut verbarg er sein Grinsen. Am liebsten hätte er laut hinausgebrüllt, doch er beherrschte sich eisern. Er zögerte die Antwort absichtlich etwas hinaus.

„Sicher haben Sie eine – äh, Unterredung mit Seiner Majestät“, sagte der Alcalde. „Oder wie nennt man das?“

„Eine Audienz bei Hofe. Natürlich, das ist durchaus üblich, zumal wir ja adligen Kreisen entstammen. Seine Majestät möchte natürlich über die Mission genau informiert werden.“

Der Hafenmensch rieb sich aufgeregt die Hände. Dann wischte er sie an seiner Uniformhose hastig ab.

„Äh – ich – ich meine, wir …“ Er druckste herum.

„Ja, also, ich weiß schon, was Don Martin meint“, sagte der Alcalde erregt. „Wenn Sie die Barren bei Hofe abliefern – würden Sie dann eventuell die Freundlichkeit haben, die Stadt Denia und; uns beide zu erwähnen? Es wäre uns eine große Ehre, wenn Seiner Majestät unsere Namen an die erlauchten Ohren kämen.“

Etwas weiter vorn drehte sich der Profos zu Smoky um, weil ihm fast die Luft wegblieb. Fast hätte er eine brüllende Lachsalve zum Himmel geschickt.

„Mein Gott, sind das zwei dämliche Rübenschweine“, flüsterte er mit halberstickter Stimme. „Das gibt es doch gar nicht.“

„Hier gibt’s alles“, sagte Smoky. „Aber hör jetzt auf, sonst kriege ich einen Lachanfall.“

„Den würge ich schon die ganze Zeit runter“, sagte der Profos. Er drehte sich so, daß die beiden Tölpel sein Gesicht nicht sehen konnten, in dem es ständig zuckte, und lauschte weiter.

„Nun, eine Gefälligkeit ist die andere wert“, sagte Hasard. „Seine Majestät wird gern vernehmen, daß es in Denia so grundanständige, ehrliche und rechtschaffene Männer wie Sie gibt. Ich werde einen ganz persönlichen Bericht erstatten und natürlich auch die beiden Anker nicht unerwähnt lassen. Seine Majestät ist sehr großzügig. Womöglich ist später mit einer Beförderung zu rechnen.“

Die beiden wußten zwar nicht, zu was man sie noch befördern konnte, aber sie kannten sich mit höfischen Sitten auch nicht so genau aus.

„Sicher werden die beiden Helden zu Oberpißrinnenverwaltern ernannt“, meinte der Profos und grinste infam.

„Wir sind Ihnen bis in alle Zukunft zu ewigem Dank verpflichtet“, sagte Don Martin ergriffen. „Daß Sie das für uns tun wollen, Señor. Erst Geheimnisträger – und jetzt auch noch das. Entschuldigen Sie uns bitte, wir werden sofort alles Nötige veranlassen. Es dauert wirklich nicht lange.“

Hasard entließ sie mit einer großzügigen Handbewegung und sah den beiden Tröpfen nach, wie sie mit knallroten Köpfen über die Pier stiefelten und dabei vor Aufregung mit den Armen herumfuchtelten. In seinem Eifer wäre Don Martin fast noch im Hafenwasser gelandet, denn er quasselte so angestrengt auf den Alcalden ein, daß er gar nicht bemerkte, als er vorbeitrat.

Nur ein schneller Griff des Alcalden bewahrte ihn vor einem nassen Bad.

„War das nicht ein bißchen riskant?“ fragte Don Juan mit leisem Vorwurf in der Stimme.

Hasard schüttelte lächelnd den Kopf.

„Ich wollte nur einmal sehen, wie weit ich gehen kann. Diese beiden Kerle haben absolut keine Ahnung, und wenn die es nicht wissen, wer soll es in diesem Kaff dann wissen? Oder glaubst du, sie hätten Lobo del Mar gleich freiwillig ihre Schätze herausgerückt?“

„Sicher nicht. Die beiden scheinen ein bißchen verrückt zu sein.“

„Ein bißchen viel“, meinte Ben Brighton. „Die sind ja regelrecht total bescheuert.“

Sie lachten und amüsierten sich erst einmal köstlich, solange die beiden Kerle das nicht sehen konnten.

Seewölfe Paket 30

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