Читать книгу Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 36
4.
ОглавлениеDon Juan de Alcazar hatte sich stur gezeigt und verweigerte bei dem Verhör durch den Generalkapitän jede Aussage. Das brachte den hohen Herrn sehr in Harnisch, und er drohte dem Spanier ein paar Male die Peitsche und hochnotpeinliche Folter an.
Doch auch das ließ Don Juan unbeeindruckt. Er habe ihm nichts zu sagen, ließ er Don Miguel kühl wissen.
„Dann bringen Sie diesen verräterischen Bastard augenblicklich nach Cádiz, Don Pedro, wie es besprochen wurde. Sie haften mir persönlich für die Auslieferung, und Sie erhalten von mir einige Sondervollmachten, damit es keine Verzögerungen gibt.“
Don Pedro stand stramm. Er war der Erste Offizier an Bord, ein Mann von schlanker Statur mit einem dreieckigen Bart am Kinn, buschigen schwarzen Augenbrauen und einem grimmig und kalt wirkenden Gesicht. Die dunklen Augen über einer etwas gekrümmten Nase blickten eiskalt und durchdringend.
Don Pedro war ein Mann, der mit großer Härte durchgriff. Er war auch ein fanatischer Anhänger seines Königs, und so wußte der Generalkapitän Don Juan de Alcazar bei ihm in besten Händen. Sein Erster würde sich eher vierteilen lassen, als daß einem Kerl wie de Alcazar die Flucht gelang.
In Gibraltar hatte es sich bei Behörden und Militär längst herumgesprochen, wer der Obrigkeit da in die Hände gefallen war. Entsprechend waren die Sicherheitsmaßnahmen vorbereitet worden.
Zwei Beamte der Casa de la Diputación, ernste Männer, die einen Sitz in der Provinzregierung hatten, erschienen persönlich bei Don Miguel, um mit den Augen des Gesetzes über allem zu wachen.
Don Pedro erhielt mehrere versiegelte Schreiben, die ihm überall Tür und Tor öffnen würden.
In der Frühe des nächsten Morgens wurde der Gefangene aus dem finsteren Verlies der Vorpiek geholt.
Schwarze Bartschatten standen in Don Juans Gesicht. Als er ins Helle trat, kniff er die Augen zusammen, um sie an das Sonnenlicht zu gewöhnen.
Don Pedro musterte ihn kalt und verächtlich.
„Sie werden unter scharfer Bewachung nach Madrid gebracht“, erklärte er knapp. „Alles Weitere wird dort entschieden. Sollten Sie sich zu einem Fluchtversuch entschließen, wird man lediglich Ihre Leiche oder Ihren Kopf an den spanischen Hof bringen. Das ist alles.“
Don Juan traf es wie ein Hammerschlag, als er die Worte hörte. Er hatte fest damit gerechnet, nach Cádiz überstellt zu werden, wie Don Miguel das mit Old O’Flynn besprochen hatte. Da muß etwas schiefgegangen sein, überlegte er. Hatte man den Alten und seine Rolle als spanischer Edelmann durchschaut?
Er ließ sich nichts anmerken. Ruhig und gefaßt stand er da und ließ sich weitere Ketten anlegen. Um ihn herum wimmelte es von Seesoldaten, Bewaffneten und Stadtpolizisten. Auch zwei Kerle der Casa de la Diputación waren dabei, wie er an den Uniformen sah.
Nach Madrid, überlegte er fieberhaft. Das bedeutete, daß er direkt dem Hof überstellt wurde, und das bedeutete gleichzeitig, daß die Arwenacks davon sicherlich nichts wußten. Sie würden ihn in Cádiz vermuten und warten – sehr lange warten und dabei doch nur ins Leere vorstoßen.
Was war da nur passiert?
Sie stießen ihn vorwärts, und er sah aus den Augenwinkeln noch, wie der Erste Offizier von einem der Beamten zur Seite genommen wurde. Was sie sprachen, konnte er leider nicht hören, aber es hätte ihn sehr erleichtert, wenn er es gewußt hätte.
„Es war doch vereinbart worden, daß der Mann nach Cádiz gebracht werden soll“, sagte der Beamte erstaunt. „Warum wurde das buchstäblich in letzter Minute geändert?“
Don Pedros Lippen waren so dünn wie die Seite eines Messers, sein flüchtiges Lächeln kalt wie Gletschereis. Seine Augen lachten nicht mit, es war ein bloßes Verziehen seiner Mundwinkel.
„Es ist nichts geändert worden, Señor Batista. Natürlich wird der Verräter nach Cádiz überstellt. Ich lasse ihn absichtlich im unklaren, damit er nicht weiß, wo er sich befindet. Er soll ruhig annehmen, er sei auf dem Wege nach Madrid. Bei einem unvorhergesehenen Zwischenfall dürfte ihn das sehr verwirren.“
„Ah, ich verstehe“, sagte der Mann von der Casa. „Sie wollen ihm natürlich nicht die hauchdünne Chance einer Möglichkeit geben. Sehr vernünftig, Don Pedro.“
„Nicht einem Vaterlandsverräter wie ihm“, sagte Don Pedro. „Er gehört an den Galgen, zur öffentlichen Inaugenscheinnahme. Seine Leiche soll im Wind schaukeln, und alle sollen ihn verhöhnen. Die Garotte ist zu schade für den Kerl.“
„Aber sein Tod dauert länger.“
„Es gibt Henker, die das Hängen sehr in die Länge ziehen können.“
„Bei der Garotte auch“, sagte der Mann von der Casa genüßlich. „Ich bin sicher, daß er an den richtigen Mann gerät.“
„Ich werde dazu jedenfalls tun, was ich kann.“
Davon war der Beamte der Casa überzeugt. Er grüßte knapp und ging zu der Kutsche hinüber, vor der sich ein Dutzend bewaffnete Männer aufhielten.
„Laufen müßte der Kerl“, sagte einer der Soldaten erbost. „Aber nein, die adligen Herrschaften werden gefahren oder getragen, obwohl sie dem eigenen Land den Krieg erklärt haben.“
Don Juan ließ die Bemerkungen gleichgültig über sich ergehen. Was wußten die Kerle schon von ihm und seinem Handeln? Sie hatten nicht die geringste Ahnung, um was es eigentlich ging. Seine Motive waren für sie ein Buch mit sieben Siegeln, und sie hatten es auch nie im Leben begriffen.
Der Spanier blinzelte in das helle Sonnenlicht. Er lauschte aufmerksam den Gesprächen der Offiziere, um herauszuhören, was mit den Arwenacks geschehen war. Er vernahm jedoch kein Sterbenswörtchen darüber. Niemand erwähnte die Männer von der Schebecke. Das bedrückte ihn sehr, und er sann darüber nach, was wohl passiert sein mochte. Die Arwenacks waren jedenfalls losgesegelt, das stand fest. Oder hatten seine Landsleute die Schebecke in eine andere Bucht verholt? Auch das konnte er nicht herausfinden, denn jetzt forderte ihn eine barsche Stimme zum Einsteigen auf.
Bevor er einstieg, sah er noch, daß mehr als ein Dutzend Soldaten der Kutsche Geleit gaben. Vierzehn Bewacher waren es insgesamt, außer Don Pedro und den beiden Kutschern. Sie alle waren beritten. Sechs Soldaten setzten sich vor die zweispännige Kutsche, der Rest ritt hinterher.
Don Juan stieg ein und erhielt von Don Pedro einen Tritt.
Wuterfüllt fuhr er unglaublich schnell herum. Die Arme mit den Ketten hoben sich blitzschnell. Der Erste Offizier wich erschrocken einen Schritt zurück und richtete die Pistole auf ihn.
„Schließt den Kerl an den Querholm der Kutsche“, befahl er mit bleichem Gesicht. „Der ist ja gefährlicher als tausend Nattern.“
„Tun Sie das nicht noch einmal“, sagte Juan de Alcazar drohend.
Zwei Mann schlossen ihn mit einer zusätzlichen Kette im Innern der Kutsche an. Er konnte sich nur noch sehr knapp bewegen.
Don Pedro nahm in der geräumigen Kutsche ihm gegenüber Platz. Sein Gesicht war verkniffen, seine Augen blickten tückisch.
„Losfahren!“ befahl der Erste.
Die Kutsche ruckte an. Don Pedro stand auf und zog die Vorhänge vor die Scheiben, bis im Innern Dämmerlicht herrschte. Aus seiner Position konnte Don Juan draußen nichts sehen. Don Pedro hingegen hatte einen begrenzten Ausblick.
Pferdegewieher war zu hören, ein paar Stimmen, das Klirren von Waffen. Etliche Spanier trugen Hellebarden und waren zusätzlich mit Musketen und Pistolen bewaffnet.
Die beiden Männer in der Kutsche musterten sich feindlich. Don Juan dachte an Flucht, er dachte aber auch über die Aussichtslosigkeit eines solchen Versuches nach. Er war gefesselt und unbewaffnet, und er hatte mehr als ein Dutzend berittener Kerle gegen sich, die vor Waffen nur so starrten.
Vorerst war jeder weitere Gedanke an eine Flucht zwecklos. Er lehnte sich in die Ecke zurück und war nach kurzer Zeit eingeschlafen, was Don Pedro maßlos ärgerte. Dieser Verräter schlief in aller Seelenruhe, und er selbst mußte bei der langweiligen Fahrt wach bleiben. Außerdem tat der Kerl so, als ginge ihn das alles nichts an. Der schien überhaupt keine Nerven zu haben, obwohl er genau wußte, was ihm in Kürze bevorstand.
Während er die Pistole auf Don Juan richtete, stieß er ihn mit dem Stiefel an.
Don Juan war sofort hellwach.
„Hier wird nicht gepennt“, knurrte Don Pedro. „Sie befinden sich nicht auf einer Spazierfahrt.“
„Das dachte ich mir fast“, sagte Don Juan, „deshalb brauche ich vermutlich keine Passage zu bezahlen.“
Er lehnte sich wieder zurück und schloß die Augen, bis das Spiel sich wiederholte und Don Pedro ihn erneut ärgerlich anstieß.
„Ich habe nur die Augen geschlossen, um Ihren Anblick nicht länger ertragen zu müssen“, sagte er ruhig.
„Das können wir recht bald ändern“, erwiderte Don Pedro tückisch. „Ich werde Sie von dem Anblick befreien.“ Er lachte kurz und stoßartig auf.
Etwas später gab er den Befehl zum Halten an den Kutscher. Der ganze Troß stoppte.
Don Pedro stieg aus.
„Nehmt ihm die Fußfesseln ab und verbindet ihm die Augen!“ befahl er einem Soldaten. „Dann schließt ihn mit einer weiteren Kette hinten an die Kutsche an. Der Kerl wird renitent und aufsässig. Das Laufen wird ihm guttun.“
Don Juan sah gerade noch, bevor sie ihn aus der Kutsche zerrten, daß sie sich auf einem staubigen ausgefahrenen Weg in einem größeren Olivenhain befanden. Dann wurde es auch schon dunkel, als sie ihm die Augen verbanden.
Don Pedro ließ seine Boshaftigkeit an dem Hilfslosen aus.
„Jetzt können Sie weiterpennen, Sie Bastard. Und vergessen Sie nicht das Laufen. Es geht jetzt lustig über Stock und Stein.“
Er hörte die Soldaten lachen. Sie freuten sich offenbar darüber, daß er ein bißchen gequält wurde.
Gleich darauf wurde die Fahrt fortgesetzt. Don Juan fühlte plötzlich einen brennenden Schmerz am Kopf. Den Knall hörte er gleichzeitig. Im ersten Augenblick glaubte er, einer der sadistischen Kerle hätte auf ihn geschossen, dann erkannte er seinen Irrtum.
Es war einer der beiden Kutscher, der anscheinend ebenfalls seine sadistische Ader entdeckt hatte oder auf Befehl Don Pedros so handelte.
Er spielte „Glückstreffer“, wie die Kerle das höhnisch nannten. Hin und wieder schlug er mit der langen Peitsche vom Kutschbock aus nach hinten. Manchmal traf er, mitunter aber knallte die Lederschnur an die Wand der Kutsche. Wenn er traf, stieß er ein meckerndes Gelächter aus, in das der andere Kerl mit einfiel.
Die Pferde liefen schneller. Don Juan wurden fast die Gelenke aus den Schultern gerissen. Er wurde von einer Seite zur anderen gezerrt, wenn die Kutsche über Unebenheiten rumpelte, und er mußte höllisch schnell laufen, um nicht hinzufallen.
Er biß die Zähne zusammen und rannte in absoluter Dunkelheit dahin. Er sah nichts, nicht einmal einen Streifen Dämmerlicht.
Nach einer Weile begann er schneller zu atmen und dann zu keuchen, weil er als Seemann das Laufen nicht gewohnt war. Schweiß perlte auf seiner Stirn und sickerte in die Augenbinde.
Dann zuckte er wieder zusammen, wenn ihn unerwartet die Peitschenschnur traf und einen Striemen auf seiner Haut hinterließ. Jedesmal war dann das Lachen zu hören.
„Seht mal unseren Laufburschen an“, hörte er die höhnischen Bemerkungen der Soldaten hinter sich. „Der rennt sogar schneller als die Gäule.“
Wieder ein Peitschenhieb, der einen roten Strich auf seiner linken Wange hinterließ.
Dann wurde die Kutsche hart nach rechts gerissen. Don Juan war darauf nicht vorbereitet, zudem sah er nichts. Der Ruck erfolgte so unerwartet und heftig, daß er strauchelte. Er fing sich noch einmal, dann hörte er die Räder wild über Steine rumpeln.
Über einen dieser Brocken stolperte er und stürzte. Genau das hatte er unbedingt vermeiden wollen, denn jetzt begann eine entsetzliche Tortur. Erbarmungslos wurde sein Körper an den Ketten mitgeschleift und geschunden. Kurzes Strauchwerk zerkratzte ihm das Gesicht, Steine und Dreck rissen seine Haut auf. Unzählige Schrammen trug er innerhalb kürzester Zeit davon.
Ein paar Minuten wurde er mitgeschleift und schrammte hart über den Boden. Dann hielt die Kutsche.
Don Juan konnte sich nur sehr mühsam aufrichten. Er hatte das Gefühl, als sei jeder einzelne Knochen in seinem Leib gebrochen.
Einer der Kerle nahm ihm die Augenbinde ab. Er blickte in Don Pedros kalte Fischaugen.
„Ein beschwerlicher Weg nach Madrid“, sagte er höhnisch. „Aber dort wird man Sie schon wieder aufpäppeln. Schließlich sollen nur gesunde Männer dem Henker überstellt werden.“
Don Juan hörte die Worte wie aus weiter Ferne. Sein Körper brannte und schmerzte höllisch. Von der Stirn sickerte ihm ein dünner Blutfaden in die Augen.
Aus halbzusammengekniffenen Augen blickte er in den Himmel. Dann mußte er wieder in die Kutsche steigen und wurde angekettet.
Don Juan lächelte sehr zum Ärger des Offiziers, denn er hatte etwas entdeckt, als man ihm für einen Augenblick die Augenbinde abgenommen hatte. Ganz sicher war das Don Pedro entgangen.
Don Juan hatte sich in diesem winzigen Augenblick sehr schnell orientiert. Einen derart scharfen Blick hatte er erst bei den Seewölfen entwickelt. Früher wäre ihm das nicht aufgefallen.
Die Sonne stand noch fast im Osten. Die Kutsche aber bewegte sich genau in westnordwestlicher Richtung. Hätte sie Kurs auf Madrid genommen, so folgerte Don Juan logisch weiter, dann müßte sie sich in nordnordwestlicher, fast nördlicher Richtung, bewegen. Das war aber nicht der Fall, wie er eindeutig erkannt hatte.
Er grinste noch mehr. In westnordwestlicher Richtung lag einwandfrei Cádiz, aber nicht die Hauptstadt des Landes.
Man hatte ihm also bewußt etwas Falsches mitgeteilt – und offenbar nur aus dem Grund, ihn zu verwirren.
„Ihr überhebliches Grinsen wird Ihnen noch vergehen!“ brüllte Don Pedro, den die Ruhe und Gelassenheit mächtig aufregte. Er hätte Don Juan lieber winselnd auf den Knien vor sich gesehen. Aber der Kerl war unbeugsam und unglaublich hart.
„Ich wüßte nicht, daß das Grinsen in unserem Land auch noch verboten ist“, sagte er. „Oder wird man deshalb vor das Inquisitionsgericht gestellt?“
Am Nachmittag stoppte die Kutsche erneut. Sie hielt vor einer armselig aussehenden Herberge. Den Soldaten und Bewachern wurde Verpflegung, Wasser und Wein gebracht.
Für Don Juan gab es auch Wasser – eine kleine Muck voll. Einer der Soldaten brachte es ihm. Als Don Juan danach greifen wollte, zog der Soldat die Hand zurück und goß ihm das Wasser ins Gesicht.
„Kühlt doch schön, was?“ fragte er grinsend.
„Du erbärmliche Ratte“, sagte Don Juan. „Du fühlst dich offenbar als ganz großer Held.“
Sie brachten ihm nichts zu essen. Erst am späten Abend erhielt er einen Kanten Brot und einen Schluck Wasser.
Er mußte die Nacht in der Kutsche verbringen, während die meisten Bewacher und Don Pedro in einer Finca übernachteten. Posten umstellten die Kutsche, ein Feuer wurde entzündet. An Flucht war überhaupt nicht zu denken.