Читать книгу Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 40

8.

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Glockengeläut aus der Kapelle weckte sie.

Der Seewolf erwachte und brauchte eine ganze Weile, um sich zurechtzufinden. Es war noch stockfinster.

Zuerst begann die Morgenandacht, dann folgte die Wäsche an einem eiskalten Brunnen.

Die Mönche gingen schweigsam ins Refektorium hinüber, wo sie ihr karges Frühstück einnahmen.

Etwas später erschien auch der ehrwürdige Vater und nickte ihnen wohlwollend zu.

„Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen, Brüder im Herrn“, begrüßte er sie.

„Wunderbar“, erwiderte Hasard. „Wir sind Euch zu großem Dank verpflichtet, ehrwürdiger Vater.“

Mittlerweile war es draußen dämmrig geworden. Nicht mehr lange, und es würde hell sein.

„Habt ihr keine Bibeln?“ fragte der Prior.

„Nein, ehrwürdiger Vater“, entgegnete der Kutscher. „Jene Strolche, die uns ausraubten, haben uns fast alles gestohlen, leider auch die Bibeln.“

„Ich lasse euch welche besorgen, damit ihr Trost spenden und den Sündern die Beichte abnehmen könnt. In einer halben Stunde gehen wir hinüber.“ Er zeigte ihnen die Sünderliste. „Sucht euch drei dieser Erbarmungswürdigen aus, ich werde euch dann zu ihnen führen.“

Der Kutscher zeigte auf irgendwelche Namen. Zum Schluß deutete er auf de Alcazar. Sein Gesicht blieb unbewegt.

„Gut“, entschied der Prior. „Dann nehmt ihnen die Beichte ab und erteilt ihnen Absolution.“

Als er für einen kurzen Augenblick verschwand, sagte Hasard: „Bei den beiden ersten müssen wir uns anstrengen. Ich weiß überhaupt nicht, wie das vor sich geht.“

„Überlaß das mir, Bruder, ich kenne mich aus. Bei Doc Freemont wurde ich oft zu einem Todkranken gerufen, bei dem schon die Prediger waren, um die Beichte abzunehmen. Ich war oft dabei.“

„Dann ist ja alles klar.“

Er war froh, den Kutscher für das heikle Unternehmen ausgewählt zu haben. Nichts gegen Edwin Carberry, dachte er, aber der Profos hätte hier nicht hingepaßt. Er wäre für diese Rolle nicht glaubwürdig gewesen und hätte den ehrwürdigen Vater mit Sicherheit nach einem Schnäpschen gefragt, weil er unter Völlegefühlen leide, was, wie?

Der Prior und Padre Antonio kehrten zurück. Ihm folgten noch zwei weitere Mönche, die sich ebenfalls um die Verurteilten kümmern sollten.

Sie verließen das Kloster und gingen schweigend durch den noch stillen Morgen zur Festung hinüber.

Die Wachen gähnten ungeniert. Es war kühl und feucht, und sie warteten auf ihre Ablösung.

Die Mönche hatten die Kapuzen über die Köpfe gezogen. Hasard und des Kutschers Gesicht waren kaum zu erkennen.

„Ah, die Trostspender“, sagte einer der Gardisten. Es klang verächtlich. Vor dem Prior deutete er allerdings eine kleine Verbeugung an.

„Mein Sohn“, sagte der feiste Prior feierlich, „auch du wirst eines Tages vielleicht des Trostes bedürfen. Besinne dich also und laß uns endlich ein.“

Im großen Tor wurde ein kleines Nebentor geöffnet.

Die Mönche betraten den Vorhof, wo sich nochmals zwei Posten befanden. Einer der beiden trat auf sie zu und musterte sie. Er blickte Hasard und dem Kutscher ins Gesicht.

„Die beiden kenne ich nicht“, sagte er, „wer sind sie?“

„Wandermönche aus Sevilla“, erklärte der Prior. „Sie kommen aus dem Kloster de la Merced. Ich verbürge mich für sie.“

Der Posten nickte unschlüssig, warf den beiden nochmals einen Blick zu und ließ sie dann durch.

Geschafft, dachte Hasard. Das schlimmste Hindernis auf dem Weg zur Festung ist überwunden. Ohne fremde Hilfe wären sie hier niemals hineingelangt.

Das Innere der Festung war verwirrend. Hasard zählte so viele Wachen, daß er es schließlich aufgab. Auch die Anzahl der sich immer wieder verzweigenden Gänge war verwirrend und beeindruckend.

Sie konnten überall ungehindert passieren. Ein Spanier begleitete sie und zeigte auf die einzelnen Verliese, wenn der Prior einen Namen auf seiner Liste vorlas.

Der erste Mönch verschwand in einer Zelle.

Hasard registrierte, daß die Bohlentür hinter ihm nicht geschlossen wurde. Die Wachen waren absolut sicher, daß hier niemand entfliehen konnte.

Der Posten führte sie weiter zu einem anderen Verlies. In den Gängen blakten Fackeln. Das Licht war trübe und ließ die Gestalten als hohe und verzerrte Schatten über die Wände geistern.

„Hier, nehmt euch des armen Sünders an“, sagte der Prior. „Eine Viertelstunde, nicht länger. Dann geht ihr zum nächsten. Wir sehen uns nachher in der Abtei wieder.“

Der Schlüssel kreischte im Schloß. Hasard und der Kutscher fanden sich in einem stickigen hohen Raum wieder. In unerreichbarer Höhe befand sich ein schmaler Schlitz in der Mauer. Das Tageslicht ließ sich nur ahnen.

Auf dem Stroh hockte ein bärtiger untersetzter Mann mit wirren Haaren, der sie finster anblickte.

„Wir sind gekommen, um dir in deiner schwersten Stunde Beistand zu leisten, Bruder“, sagte der Kutscher. „Es steht geschrieben: Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt nur kurze Zeit und ist voll Unruhe.“

Der bärtige und brutal aussehende Kerl sprang auf.

„Hört bloß mit dem Scheiß auf, ihr scheinheiligen Ablaßprediger“, knurrte er wild. „Ändert euer Gelaber vielleicht etwas daran, daß sie mir morgen die Rübe abhacken?“

„Aber, Bruder“, beschwichtigte der Kutscher. „Geh in dich und denke über deine Sünden nach.“

„Ich bin nicht dein Bruder, verflucht noch mal! Ich hab’ zwei Kerle in einer Kneipe umgebracht – und damit basta. Die beiden Strolche werde ich morgen in der Hölle wiedersehen, und dann setzt es noch einmal Prügel, oder ich bringe sie wieder um, wenn das möglich ist.“

Der Kerl war verstockt und voller Zorn. Er trat mit den Füßen in das Stroh und fetzte es auseinander.

„Gebt mir lieber was zu saufen!“ schrie er sie an.

Der Kutscher wollte noch etwas sagen, doch der Bärtige erkannte offenbar eine Chance zur Flucht, obwohl er sich sagen mußte, daß er hier nicht hinausgelangte. Es war mehr ein Akt der Verzweiflung.

Er sprang auf sie los und ließ die Fäuste fliegen.

Hasard sah eine Menge Schwierigkeiten für den Kutscher und sich, wenn es dem Kerl gelang, den Gang zu erreichen. Die Posten würden ihn zwar überwältigen, aber dann würden sie auch gleichzeitig schärfer kontrollieren, und genau das wollte Hasard unbedingt vermeiden.

Er schlug aus dem Schultergelenk zu, kurz trocken, blitzschnell und explosiv.

Der Bärtige rannte in eine bretthart gestochene Rechte. Der Schlag hob ihn auf die Zehenspitzen. Seine Augen wurden glasig, und er kippte um, wie vom Blitz gefällt.

Der Kutscher fing ihn auf und legte ihn auf das Stroh zurück. Der Kerl erweckte den Eindruck, als schliefe er tief und fest und drehte ihnen dabei den Rücken zu.

„Gehen wir“, raunte Hasard. „Mit dem verstockten Burschen ist nicht zu reden.“

„In der Tat nicht“, erwiderte der Kutscher würdevoll.

Draußen empfing sie der Posten. Er lehnte die Hellebarde an die Steinwand, warf einen flüchtigen Blick in die Zelle, donnerte sie dann zu und grinste impertinent.

„Bei dem habt ihr wohl kein Glück gehabt, was?“

„Er sagte, wir sollten uns zum Teufel scheren, das sagte er ausgerechnet uns“, beschwerte sich der Kutscher.

„Ein Doppelmörder“, erklärte der Posten verächtlich. „Morgen früh kann er sich selbst mit dem Teufel unterhalten. Es ist nur ein kurzer Weg in die Hölle.“

Der nächste war an der Reihe, um die Beichte abzulegen. Es war ein langer dürrer Kerl mit einem Säufergesicht. Er hatte Gott gelästert und aus der Kirche ein paar silberne Kelche mitgehen lassen.

Als sie ihn festnahmen, hatte er in betrunkenem Zustand auch noch auf den König geschimpft. Das hatte zu seiner Verurteilung ausgereicht. Er sollte morgen mittag durch die Flammen geläutert werden.

Der Kerl hörte sich alles sehr geduldig an. Dann legte er vor den beiden Mönchen eine Beichte ab, daß es sie grauste. Was da alles zutage kam, ungeniert und frei erzählt, ließ sogar Hasard die Haare zu Berge stehen. Der Kerl rühmte sich lautstark, auch noch ein paar Leute abgemurkst zu haben, das wollte er auch noch dem Richter sagen, doch der hatte ihn gar nicht ausreden lassen.

Die beiden waren froh, als sie wieder draußen waren.

Danach war Don Juan de Alcazar an der Reihe.

Der Spanier saß auf dem plattgedrückten Strohhaufen, als Hasard und der Kutscher eintraten. Er erhob sich und lehnte sich an die Wand.

Die Gesichter der beiden konnte er in dem Dämmerlicht nicht erkennen, er sah nur zwei schattenhafte Flecken unter den tief herabgezogenen Kapuzen.

„Gott zum Gruß, mein Sohn“, murmelte der Kutscher dumpf. „Bruder Pancrazius und ich wollen dir die Beichte abnehmen, denn wisse, daß du nicht ohne Sünde bist, mein Sohn.“

Don Juan sah die beiden Gestalten abwartend an.

„Ich habe nichts zu beichten“, sagte er kühl.

Der Kutscher murmelte eine Litanei herunter und ließ wieder seinen Rosenkranz durch die Finger gleiten.

„Aber ich weiß, daß mein Erlöser lebt“, tönte er, „und als der letzte wird er über dem Staube sich erheben. Und nachdem diese meine Haut zerschlagen ist, werde ich ohne mein Fleisch Gott sehen – oder Hasard und den Kutscher“, fügte er leise hinzu.

In Don Juans Gesicht ging eine erstaunliche Wandlung vor. Erst schluckte er hart, dann wurde sein Blick ungläubig. Er starrte von einem zum anderen.

„Oh, mein Gott“, sagte er leise und hatte sich erstaunlich in der Gewalt.

„Nein, nein, wir sind’s“, sagte Hasard trocken. „Wir haben nicht viel Zeit, und wir können uns auch nicht lange aufhalten.“

„So ist es“, sagte der Kutscher und warf schnell einen Blick in den Gang zurück. Der Posten befand sich ganz am anderen Ende und brüllte einem Mann in einer der Zellen etwas zu.

„Keine Widerrede jetzt“, zischte der Kutscher energisch. Er zog seine Kutte aus und dann die Sandalen. „Zieh deine Plünnen aus, aber dalli!“

„Verdammt“, murmelte Hasard, „hast du dir das auch genau überlegt? Wir haben es nicht mal richtig besprochen.“

„Geht alles klar“, versicherte der Kutscher. „Dafür verwette ich meinen Kopf.“

Es blieb wirklich nicht viel Zeit, denn jeden Augenblick konnte der Posten aufkreuzen, und dann war alles umsonst.

Juan, der die Situation nicht kannte, verlor jedenfalls keine Zeit, als der Kutscher ihn nochmals energisch aufforderte. In aller Eile zog er seine Sachen aus und schlüpfte in die Kutte.

Der Kutscher zog seine Sachen an und gab Don Juan die Bibel. Sie hatten ihre Identität blitzschnell getauscht. Don Juan war zwar breiter, muskulöser und größer als der Kutscher, aber das Gewand war lang genug. Die Kapuze verhinderte, daß man ihre Gesichter deutlich sah. Außerdem hatte der Posten auch gar nicht so genau hingesehen.

„Und jetzt haut mir noch eins auf die Birne“, sagte der Kutscher.

Aber das war Hasard doch zuviel.

„Du bist glatt verrückt“, sagte er schluckend. „Dir auch noch weh tun. Kommt gar nicht in Frage. Markiere den Bewußtlosen. Aber wie, zum Teufel, willst du hinausgelangen?“

„Ich verlasse mich auf den Prior und auf mein eigenes Geschrei. Verschwindet jetzt endlich, es geht nicht anders.“

Hasard wußte nicht, was er sagen sollte. Er warf dem Kutscher einen Blick zu und nickte schließlich schweren Herzens.

„Wenn das nur gutgeht“, murmelte Juan erschüttert.

„Gequatscht wird später“, raunte der Kutscher. „Ich weiß ja, wo ich euch treffen werde.“

Hasard und Don Juan gingen hinaus. Beide hielten ihre Rosenkränze in den Händen.

Der Posten grinste ihnen zu, als sie aus der Zelle auf den Gang traten. Er warf einen Blick in das Verlies, sah den vermeintlichen Verbrecher an der Wand lehnen und schloß ab.

„Hat er gebeichtet?“ fragte er. „Der Kerl ist ein Hochverräter, ein ganz kalter Hund.“

„Er hat gebeichtet“, murmelte Hasard. „Wo ist der ehrwürdige Prior geblieben? Und unsere anderen Brüder?“

„Zwei sind noch unten. Der Prior ist zurückgegangen.“

„Dann gehen wir jetzt, mein Sohn“, sagte Hasard. „Möge Gott immer schützend seine Hand über dich halten.“

Sie verschränkten die Arme über der Brust, senkten demütig die Köpfe und gingen langsam hinaus, vorbei an dem zweiten Posten bis zu dem Kreuzgang.

Niemand behelligte sie. Nur einmal sahen sie einen Mönch in einer der Zellen verschwinden. Sie warteten so lange ab, bis er nicht mehr zu sehen war. Dann setzten sie ihren Weg fort.

Die Posten waren immer noch schläfrig, als sie den großen Hof passierten. Sie sahen nur zwei Mönchlein, und das war für sie ein nur zu gewohnter Anblick, bei dem sich niemand etwas dachte.

Dann schlugen sie den Weg zum Kloster ein, beide mit laut klopfenden Herzen. Als sie keiner der Festungsgardisten mehr sah, wandten sie sich dem Fischerhafen zu. Erst dort stieß Don Juan tief die Luft aus.

„Nein, nein“, sagte Hasard entschieden. „Keine Lobeserhebungen und Danksagungen, mein Freund. Wir ziehen uns jetzt um. Wir können es unbesorgt tun, denn die Fischer sind längst hinausgefahren. In dieser Ecke sieht uns niemand.“

Die Klamotten waren noch da. Sie zogen sich um und versteckten Kutten und Sandalen.

„Wie habt ihr das nur geschafft?“ fragte Don Juan. „Ich sollte morgen durch die Garotte hingerichtet werden, morgen in aller Frühe. Ich habe nicht damit gerechnet, befreit zu werden.“

„Wir haben es versprochen“, sagte Hasard. „Mit Gewalt ging es nicht, also mußten wir einen Trick anwenden, einen schäbigen zwar, aber das spielte keine Rolle, wenn es um dein Leben ging. Jetzt sorge ich mich nur um den Kutscher. Wir hatten nicht einmal genügend Zeit, um alles abzusprechen, wir mußten uns der jeweiligen Situation anpassen.“

Sie hockten in der Jolle und warteten, und sie warteten sehr lange, bis sie mit ihrer Geduld fast am Ende und verzweifelt waren.

Der Kutscher hatte die Ruhe weg und war durch nichts zu erschüttern. Er lehnte an der Wand und döste vor sich hin. Im Geiste vollzog er dabei den Weg der beiden Freunde.

Bei seinen Überlegungen lauschte er jedoch sehr scharf nach draußen.

Nichts war zu hören, es gab keinen Tumult, kein Geschrei.

Er ließ nochmals in aller Ruhe eine knappe Stunde verstreichen und lauschte den Schlägen der Turmuhr.

Jetzt müssen sie längst draußen sein, dachte er. Sicher haben sie sich bereits umgezogen und warten.

Dann hörte er, daß die Posten abgelöst wurden, und grinste sich eins. Das war gut so, fand er. Der Kerl, der sie begleitet hatte, war weg. Der andere hatte nichts gesehen und nichts gemerkt.

Dann begann er laut zu brüllen. Er war aufgestanden, hämmerte mit den Fäusten an die Bohlentür und kreischte wie ein Wahnsinniger. Dabei rief er pausenlos nach dem Posten.

Doch zu seinem Erstaunen kümmerte sich keiner um ihn. Die Posten waren das Gebrüll der Verurteilten gewohnt und scherten sich nicht daran.

Dem Kutscher wurde es langsam mulmig, aber er setzte seine Bemühungen unermüdlich fort.

Es dauerte fast eine Stunde, bis seine Zelle geöffnet wurde.

„Wenn du noch einmal schreist“, brüllte der Wärter erbost, „dann schlage ich dir die Zähne ins Gehirn!“

„Hilfe, Hilfe!“ kreischte der Kutscher. „Man hat mich überfallen! Ein Gefangener ist entflohen!“

„Wer denn?“

„Der Kerl, dem wir die Beichte abnahmen. Er hat mich niedergeschlagen und ist mit Bruder Pancrazius geflohen. Habt ihr Schlafmützen es denn nicht bemerkt?“

Der Posten stierte ungläubig und fassungslos. Er trat näher und leuchtete dem Kutscher mit einer Laterne ins Gesicht.

„Heilige Madonna“, stammelte er entsetzt. „Das darf ja nicht wahr sein. Du bist wahrhaftig ein anderer. Wer bist du?“

„Bruder Flavius“, jammerte der Kutscher laut.

Der Posten donnerte entsetzt die Tür zu und verschwand.

„Holt den Prior!“ brüllte der Kutscher. „Holt den ehrwürdigen Vater, er möge mich hier rausholen!“

In der Festung herrschte gleich darauf große Aufregung. Getrappel war zu hören, laute Stimmen. Hellebarden klirrten und überall wurden Fackeln entzündet.

Der Prior erschien erst knapp zwei Stunden später in Begleitung zweier finster blickender Gardisten.

Der Kutscher setzte eine Leidensmiene auf.

„Man hat mich niedergeschlagen, ehrwürdiger Vater, mich, einen friedliebenden Menschen. Man zog mir meine Sachen aus und vertauschte sie mit diesen.“

„Wie furchtbar, mein Sohn“, stammelte der feiste Prior. „Wo ist denn Padre Pancrazius?“

„Man hat ihn offenbar entführt. Ich weiß es nicht genau. Ich erhielt einen Schlag auf den Kopf und erwachte erst vor kurzem.“

„Laßt ihn hinaus“, sagte der Prior. „Es wird sich alles aufklären. Ihr seht ja selbst, was hier passiert ist. Der Gefangene ist entflohen, aber dafür könnt ihr Padre Flavius nicht einsperren. Ihn trifft schließlich keine Schuld.“

Ein erboster Comandante wollte den Kutscher nicht freigeben. Er tat es erst, als der Prior böse wurde und androhte, er würde sich beschweren, wenn man sein verirrtes Schaf nicht herausgebe.

„Das wird noch ein Nachspiel haben, ehrwürdiger Vater“, drohte der Comandante zornig. „Nehmt euer Schaf mit, aber haltet es zur Verfügung, ich muß noch mit ihm sprechen.“

„Später, sucht lieber nach dem Entflohenen. Geh ins Kloster, mein Sohn, dir wird nichts geschehen. Du stehst unter meinem persönlichen Schutz. Ich begleite dich hinaus.“

Das freute den Kutscher sehr, hatte er doch seinen Kopf verwettet, daß alles klargehen und er wieder hinausgelangen würde.

Der Prior brachte ihn hinaus und wurde selbst von zwei sehr nervösen Gardisten begleitet.

So gelangten sie unbehelligt bis vor das Tor.

„Geh jetzt ins Kloster, Bruder Flavius“, sagte der Prior. „In einer halben Stunde werde ich da sein. Und beruhige dich, der Herr hat dich trotzdem beschirmt.“

„Danke, ehrwürdiger Vater. Das ist nun innerhalb kurzer Zeit schon das zweite Mal, daß ich überfallen wurde. O tempora, o mores!“

Der Kutscher schlug den Weg zum Kloster ein. Er sah, daß rund um die Festung überall Gardisten ausschwärmten, und schluckte heftig.

Einige von ihnen marschierten zum Hafen, aber zum Glück nahmen sie sich nicht den Fischerhafen vor. Vermutlich glaubten sie, daß sich der Gefangene auf einem der großen Schiffe versteckt hätte.

Den Rat des Priors konnte der Kutscher leider nicht befolgen. Er hatte schließlich nicht vor, sich weitere Schwierigkeiten einzuhandeln. Und er wollte auch kein Mönch werden.

So umging er das Kloster in einem weiten Bogen, während ein paar Gardisten in der Festung zusammen mit dem Prior nach dem „entführten“ Bruder Pancrazius suchten.

Er grinste, der Kutscher. Er grinste vergnügt bis an die Ohren und schlich zum Hafen hinunter.

Etwas später war er bei der Jolle.

Hasard und Don Juan atmeten erleichtert auf.

„Ein paar verdammt sture Böcke“, schimpfte der Kutscher. „Die wollten mich erst nicht hinauslassen, aber ein paar Worte des Priors haben sehr geholfen. Nach dir suchen sie übrigens, Bruder Pancrazius, weil du offenbar entführt wurdest!“

„Mann, bist du ein Kerl“, sagte Hasard lachend. „Juan bewundert dich vorbehaltlos.“

„Wenn wir nicht schleunigst verschwinden, gibt’s überhaupt nichts mehr zu bewundern“, sagte der Kutscher trocken. „Es wimmelt nur so von Gardisten, die ganz Cádiz durchkämmen werden. Setz die Segel, Bruder, damit wir entfleuchen können.“

Juan schlug dem Kutscher dankbar und erleichtert auf die nicht sehr breiten Schultern.

Sie setzten in aller Eile das Segel und verließen den Hafen.

Bevor sie an der Landzunge vorbeisegelten, wurden sie noch einmal von einem Gardisten angepreit.

Aber die drei Kerle waren auf allen Ohren taub und fuhren offenbar zum Fischen hinaus. Der Gardist tippte sich an die Stirn und wandte sich wieder ab.

Als der Hafen hinter ihnen lag, brachen sie in ein befreiendes Gelächter aus. Die offene See lag vor ihnen, die Freiheit winkte wieder.

Drei Stunden später sichteten sie die Schebecke und hielten auf sie zu.

Dann gab es ein freudiges Wiedersehen und natürlich eine Menge zu erzählen.

Don Juan war wieder an Bord, und nur das zählte für die Arwenacks. Die Reise ging weiter …

ENDE

Seewölfe Paket 30

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