Читать книгу Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 11
7.
ОглавлениеThorfin Njals Stunde war da, als es aufklarte und hell wurde.
Schon als die Musketenschüsse erklangen, da hatte ihn der erste Lachanfall ereilt, denn die Trottel auf den englischen Schiffen konnten doch nicht im Ernst annehmen, sie würden treffen.
Jetzt war er an der Flotte vorbei und wurde von der immer schneller segelnden „Isabella“ überholt, auf der die Seewölfe ebenfalls in schadenfrohes Gelächter ausbrachen, als sie das Wuhling bei dem ehrenwerten Marquess sahen.
Aus dem ganzen Haufen hatte es lediglich die kleinste Galeone geschafft, sich freizusegeln, und sie segelte jetzt frech und auffordernd in ihrem Kielwasser.
Thorfin hockte in seinem „Sesselchen“ auf dem Achterdeck, einer Art hölzerner Riesenthron, in dem drei normale Kerle Platz gehabt hätten, und beobachtete aus wachen Augen alles, was sich so tat.
Er hatte jedem an Bord befohlen, sich so dämlich wie nur möglich zu benehmen, bis er den Befehl widerrief, und so handelten die Kerle auch mit einem wahren Feuereifer. Der Stör zum Beispiel, fand Thorfin, der spielte seine Rolle als schlechter Seemann perfekt. Er tat nicht nur so dämlich, er sah auch so dämlich aus, denn sein ohnehin viel zu langes Gesicht, das ihm den Namen Stör eingebracht hatte, wirkte jetzt noch viel länger.
Der Bootsmann Juan steuerte einen haarsträubenden Kurs, vor dem es jeden ehrlichen Seemann gegraust hätte, und dazu waren bei diesem Wind auch noch die Segel falsch gesetzt, aber doch so, daß Thorfin kein Risiko einging und es gerade noch verantworten konnte.
Die zweite Galeone kam klar, wie der Wikinger bemerkte. Sie schor aus dem Verband und versuchte, aufzusegeln.
„Was ist, wenn sie auf uns das Feuer eröffnen?“ erkundigte sich der Boston-Mann. „Sie haben sich ja immerhin auch nicht gescheut, uns mit Musketen zu beharken.“
„Wenn sie das wagen“, erklärte Thorfin gemütlich, „dann brenne ich diesen Torfkähnen eins auf den Pelz, und wir hauen endgültig ab nach Norden. Ich habe denen schließlich nichts getan, und ein Angegriffener hat das Recht, sich zu verteidigen. Was heißt hier Recht? Er hat die verdammte Pflicht, sich zu wehren.“
„Aber es ist immerhin ein königliches Geschwader“, gab der Boston-Mann zu bedenken.
„Für mich gibt’s keinen König“, erklärte der Riese stur. „Ich bin mein eigener König, und mir hat niemand was zu befehlen. Wenn wir auch nur einen Böller abkriegen, dann antworten wir mit einer ganzen Breitseite, und ich lasse diesen aufgeblasenen Frosch in die Luft fliegen, dieses brustsaugende Muttersöhnchen, dieses windelweiche.“
Er drehte sich und sah den Bootsmann an.
„Juan!“ brüllte er mit seiner Donnerstimme. „Du segelst immer genau nach meinem Daumen. Auf alles andere brauchst du nicht zu achten. Wenn der nach Backbord zeigt, dann legst du das Ruder nach Backbord, oder umgekehrt.“
„Alles klar“, sagte der Bootsmann grinsend, denn sie alle empfanden eine direkt niederträchtige Schadenfreude und wollten es dem brustsaugenden Muttersöhnchen einmal zeigen, wie Thorfin sagte.
Die kleinste Galeone war schnell und wendig, obwohl sie etwas plump wirkte. Aber sie holte langsam auf. Dem Wikinger entging auch das nicht, und er hielt den Daumen nach Steuerbord, weil das Schiffchen da aufzusegeln begann.
„Eiliger Drache über den Wassern“ ging aus dem Kurs und gierte weiter dem Land zu. Das aufsegelnde Schiff war gezwungen, ebenfalls auszuweichen, wenn es in den riesigen Segler nicht hineinlaufen wollte. An dem würde es sich alle Planken knacken, das war sicher. Der Schwarze Segler hingegen war aus einer Art Eisenholz gebaut, hart und unverwüstlich, und er vertrug eine ganze Menge. Bei einer Kollision wurde nur ein ganz unbeträchtlicher Schaden entstehen.
Achteraus nahmen die Kerle ein Segel weg, es blieb ihnen nichts anderes übrig. Thorfin drehte sich um und linste grinsend durch den Kieker, damit ihm ja auch nichts entging.
„Was schreit der Kerl da achteraus?“ fragte er.
„Wir seien verfluchte Ratten und Nachttopfsegler!“ rief Juan.
„Da hat er recht“, sagte Thorfin trocken. „Genauso sieht es auch aus.“
Sein riesiger Daumen bewegte sich zur anderen Seite, und so gierten sie den vor Wut berstenden Engländern immer wieder vor dem Bug hin und her, bis das Gebrüll achteraus lauter und wilder wurde.
Thorfin hörte andächtig zu, wie sie ihn verfluchten, beschimpften und dauernd brüllten, daß nicht mal ein Torfschipper seinen Kahn so lausig segeln würde.
Hin und wieder ertönte Thorfins wildes Gelächter und das der anderen Wikinger, die sich an dem Schauspiel ergötzten. Dann richtete er den Blick wieder auf die „Isabella“ und sah ihr bewundernd nach. Keiner der Engländer würde sie einholen, sie schafften nicht einmal die halbe Geschwindigkeit, aber Thorfin wollte ihnen noch ein wenig im Weg sein und so lange herumkrebsen, bis sie sich grün und blau über ihn ärgerten.
Einer nach dem anderen hatte sich jetzt freigesegelt und nahm die sinnlose Verfolgung auf. Und weil der Wikinger schlecht und falsch besegelt war, rückte die Meute langsam, aber unaufhaltsam näher heran.
Immer wieder gierte das Schiff hin und her. Thorfin lachte sich über die Ausweichmanöver der anderen krank, stand schließlich auf und stellte sich ganz achtern aufs Deck. Von dort sah er grimmig dem im Kielwasser herumgurkenden Geschwader zu.
„Könnt ihr nicht aufpassen, ihr Idioten!“ schrie er mit Donnerstimme. „Ihr beschädigt mir ja mein schönes Schiff.“
Auf der einen Galeone waren die Leute direkt verblüfft. Die meisten der Männer hatten den Wikinger noch nie gesehen, und als sie jetzt den behelmten Schädel und den wilden, rötlichgrauen Bart sahen und diese gewaltige Stimme vernahmen, da zuckten sie unwillkürlich zurück.
„He, du Helmträger!“ brüllte einer. „Du fährst wohl das erste Mal zur See, was? Trimm mal deine Segel richtig und bring uns mit deinen gewagten Manövern nicht in Gefahr. Wenn du schon so langsam segelst, dann laß uns in dem engen Fahrwasser wenigstens vorbei!“
Thorfin stützte seine mächtigen Arme auf.
„Ich kann segeln, wie ich will, verdammt! Und bei diesem Wetter, da segelt man eben mit Bramsegeln, ihr Tranköppe!“
„Ihr seid ja alle besoffen!“ rief ein anderer.
„Gut, gut, wie ihr wollt!“ schrie der Wikinger zurück. „Dann weichen wir eben aus!“
Als der Daumen sich ganz nach auswärts spreizte, da legte der Bootsmann Hartruder, und „Eiliger Drache“ schwang herum. Er schwang nur viel zu hart herum, und weil niemand die Segel nachtrimmte – sie standen alle da und glotzten die Galeonen an – krängte das Schiff leicht über.
Die Gesichter von Thorfins Männern schienen entsetzt und verwundert, aber das war nur gespieltes Entsetzen.
Auf den Galeonen der Engländer hingegen war das Entsetzen absolut echt. Schreie von mehreren Männern erklangen gleichzeitig. Entsetzte Gesichter blickten zum Achterkastell des Schwarzen Schiffes, und üble Flüche erklangen.
Jean Ribault schüttelte nur den Kopf, als er das Unheil herannahen sah. Nichts und niemand bewahrte die achteraus segelnde Galeone noch vor dem Rammstoß.
„Verflucht, lauf doch nicht in mein Schiff hinein!“ rief der Wikinger in höchster Not. Danach verzog er sich hinter das Schanzkleid und wollte sich krank lachen.
Gleich darauf krachte es hart. Der Bugspriet der Galeone bohrte sich scheinbar wie ein gewaltiger Degen in die Bordwand des Schwarzen Seglers, als wollte er darin verschwinden und ein riesiges Loch hinterlassen.
Doch kaum berührte der Bugspriet das schwere und eisenharte Holz, da knirschte es und er verschob sich, wie von gewaltiger Hand achtlos zur Seite gedrückt. Die Bugsprietzurring flog auseinander, die Blinde knickte weg, und das alles hob sich mitsamt der Beting und dem großen Fangnetz bis zur Back hinauf. Zurück blieb ein wüster Trümmerhaufen. Und zu hören war das Schreien der Soldaten und Seeleute, die den Wikinger in allen Tonarten beschimpften und verfluchten.
Der Nordmann jammerte jedoch nicht minder, obwohl sein Schiff nicht die geringste Beschädigung aufwies. Er stand da oben wie ein racheschnaubender Gott und beleidigte nun seinerseits die Soldaten und Seeleute auf die allerübelste Weise und unterstellte ihnen, sie hätten das absichtlich getan, und man würde es ja am besten daran sehen, daß sie es von der anderen Seite ebenfalls versuchten, denn da würde es gleich wieder krachen.
Da krachte es auch gleich noch einmal, obwohl alle Hands eifrig zupackten, um ihr Schiff freizusegeln.
Diesmal war es die kleine Galeone, die durch das erneute Ausweichmanöver an das Heck des Schwarzen Seglers geriet.
Thorfin schrie erneut wie ein Wilder, riß seinen Helm vom Schädel, schmetterte ihn voller Zorn auf die Planken und hob ihn dann wieder auf, um ihn sich überzustülpen.
„Das werdet ihr mir büßen!“ brüllte er. „Das ist Absicht, dafür gibt es keine Entschuldigung, ihr Halunken! Ich werde euch um ein neues Schiff verklagen.“
Jetzt drohten auch noch die beiden gerammten Galeonen, aneinanderzugeraten, doch das konnte gerade noch verhindert werden.
Achteraus des Schwarzen Seglers sah es wie auf einem Hühnerhof aus. Da scharrte und krebste alles durcheinander, da war ein Geschrei, daß man sein eigenes Wort nicht mehr verstand, und da flogen auch schon die ersten Trümmer in die See, die sich vom Bugspriet lösten.
Fäuste wurden geschwungen und gedroht, man würde den Kerlen gleich eins verpassen, und sie sollten endlich einmal ihre Segel richtig setzen, um überhaupt manövrieren zu können.
Thorfin scherte das alles nicht. Er hatte aus dem stolzen Geschwader des Marquess innerhalb kurzer Zeit einen regelrechten Saustall gemacht, auf dem alles drunter und drüber ging.
Der Marquess, der wieder auf dem Achterdeck erschienen war, wurde leichenblaß, als er das sah. Sein Erster Offizier dagegen blickte sehr nachdenklich auf das Schwarze Schiff und wollte nicht glauben, daß es eine Mannschaft gab, die von der Seefahrt rein gar nichts verstand.
„Ein Wahnsinniger“; stammelte der Marquess entgeistert. „So was darf doch gar nicht zur See fahren. Wir werden ihn zum Stoppen auffordern, damit er in den Hafen zurückläuft und den Schaden ersetzt. Sind die Kanonen geladen?“
„Feuerbereit, Marquess.“
„Dann lassen Sie diesem Verrückten einen Schuß vor den Bug setzen.“
„Darf ich bemerken, Sir, daß wir mit ihm nicht einmal auf gleicher Höhe sind? Wir würden nur unsere eigenen Schiffe treffen.“
„Ach, ja, richtig, ich bin ganz durcheinander über diese Unverfrorenheit. Dann laufen wir Backbord an ihm vorbei.“
Das versuchten sie zwar schon die ganze Zeit, doch die Wuhling vor ihnen, Marquess Henry hatte sich natürlich wieder als letzter freigesegelt, war noch zu groß. Sie würden bestenfalls in diesen ungeordneten und wie wild herumkrebsenden Haufen hineinrennen.
Dem Marquess kam jedoch zu Hilfe, daß der Wikinger wieder zu gieren begann, nach Steuerbord diesmal, und so konnten sie auf der anderen Seite endlich vorbei. Doch von da an hatte der Marquess das Interesse an dem Schwarzen Schiff verloren. Er sah, daß die „Isabella“ einen langen Schlag nach Südost segelte und erblickte die erste Chance, doch noch eine Breitseite abfeuern zu können.
Diesmal gab er seine Befehle ganz gewitzt und von der Gier getrieben, diesem Seewolf endgültig eins auszuwischen. Die Leichenblässe in seinem Gesicht wandelte sich langsam in hektische Röte. Jetzt hat der Bastard auch einen Fehler begangen, dachte er, denn nun konnte er ihm zwar nicht mehr den Weg verlegen, ihn aber doch noch so eben vor die Rohre kriegen.
In fast spitzen Winkel segelten sie scheinbar aufeinander zu, doch das sah nur so aus, denn der „Staatsfeind“ ließ augenblicklich anbrassen und ging auf Steuerbordbug.
„Feuer!“ befahl der Marquess daher militärisch knapp. „Danach sofort wieder alle Geschütze laden.“
An Deck brüllten die Rohre auf und zuckten wild und feurig zurück, nachdem sie ihr Maul voller Eisen ausgespien hatten.
„Etwa achtzig Yards zu kurz“, schätzte der Erste, als die Wassersäulen wie staubige Fontänen aus der See stiegen.
Als die Rohre wieder nachgeladen waren, gab es einige Verwirrung bei dem kleinen Geschwader, denn offensichtlich hatte einer der Tölpel auf dem Schwarzen Schiff ebenfalls an einer Kanone herumgefummelt. Mit donnerndem Getöse löste sich ein Schuß, und ein riesiges Ding klatschte so dicht vor eins der Schiffe, daß die aufbrechende Wassersäule das Deck mit einem Schauer von Gischt überschüttete.
Der Donner war kaum verhallt, da gab es eine neue Überraschung. Diesmal duckten sich fast alle, denn keiner konnte sich das seltsame Heulen und Pfeifen erklären, das in der Luft lag.
Da stieg etwas mit nervtötendem Kreischen, Jaulen und Heulen in den Himmel, flitzte da so irrsinnig schnell herum, daß man es gar nicht richtig sah und nur hin und wieder Funken erkennen konnte, die vom Himmel fielen.
Der Marquess ging augenblicklich in Deckung, denn es hörte sich so an, als würde der Himmel über ihnen nach unten stürzen.
Das Heulen erreichte einen mißtönenden Höhepunkt. Dann folgte aus großer Höhe her ein Knall wie das Brüllen einer Breitseite.
Und dann ging tatsächlich die Welt unter, oder der Himmel stürzte ein, wie es alle befürchteten. Farbige Sterne zerplatzten, grüne und rote, blaue und golden schimmernde. In einer mächtigen Wolke verteilten sie sich und flitzten dann unter weiterem explosionsartigem Geknatter nach allen Seiten.
„Das ist das Ende“, sagte jemand laut, „möge der Herr unseren armen Seelen gnädig sein.“
Ein paar Männer sanken betend auf die Planken. Der Marquess hatte das Gefühl, als würde durch seine Adern nicht mehr blaues Blut, sondern nur noch heißes trockenes Pulver rieseln.
Das war wirklich das Ende, dachte er noch, jetzt fiel ihnen allen wahrhaftig der Himmel auf den Kopf. Als er dann einmal hochblickte, war alles ruhig und friedlich, keine Sonne war herabgefallen, und kein Himmel war eingestürzt. Niemand fand eine Erklärung dafür, bis auf den Zweiten Offizier, Mister Hall.
„Es gibt nur eine Erklärung“, sagte er ernst und blaß. „Dieses Schwarze Schiff steht mit dem Teufel im Bunde. Es kann nicht anders sein. Dort scheint Old Nick persönlich an Bord zu sein.“
Ja, das glaubten jetzt die meisten, daß hier Old Nick, wie der Teufel auf den englischen Schiffen genannt wurde, seine Hand im Spiel hatte, denn kein normaler Mensch konnte diesen Höllenausbruch an schrecklichen Farben und entsetzlichem Geheul in den Himmel zaubern.
„Wir lassen besser die Finger von diesem Schiff“, sagte der Marquess ziemlich kleinlaut, weil er immer noch erbärmliche Angst empfand.
Sogar der aufgeschlossene Erste Offizier, der sich das Phänomen ebenfalls nicht erklären konnte, nickte zustimmend.
„Ja“, sagte er nachdenklich, „etwas stimmt mit diesem Schiff nicht. Es wird falsch gesegelt, läuft ständig aus dem Kurs und wird bei einer Kollision nicht einmal beschädigt. Das geht wirklich nicht mit rechten Dingen zu.“
Jeder sah das Schiff nun mit ganz anderen Blicken als vorher. Schon allein die behelmte und in Felle gekleidete Gestalt war verdächtig, dann die schwarzen Segel, und eins davon trug noch einen bläulichen Drachen. Das war auch so eine Verbindung, die auf den Satan deutete. Dann diese grinsenden dämlichen Kerle, die da an Deck herumstanden. Vermutlich Tote, in die Old Nick vorübergehend Leben eingehaucht hatte. Deshalb waren sie auch gar nicht in der Lage, das Schiff richtig zu segeln.
Der Marquess ließ vom Kurs gehen und abschwenken. Sollte der schwarze Kasten wieder in die Hölle fahren, dorthin, woher er kam, sie wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Sie sahen nur noch, wie er schwerfällig und finster ins Meer hinausglitt und Kurs auf den Kanal nahm. Aber er lief weiter südlich ab, während die „Isabella“ auf östlichem Kurs bei beständig wehendem Wind aus Nord segelte.
Ziemlich schwerfällig kämpfte sich das Geschwader seinen Weg durch das Wasser und nahm die Verfolgung auf, die genauso unsinnig war wie die abgefeuerte Breitseite.