Читать книгу Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 12
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ОглавлениеSchon als die Fontänen aus der See stiegen, gab es an Bord der „Isabella“ wieder lautes Gelächter über den verzweifelten Marquess, der sich zwar redlich mühte, aber nichts auf die Beine brachte.
Dann hatte der Wikinger einen der harmlosen Brandsätze abgefeuert, die außer lautem Krach und Getöse nichts anrichteten, und das hatte die Kerle nun doch vor Angst fast in die Knie gezwungen.
„Der lernt es nie mehr in seinem Leben“, sagte Hasard abfällig. „Wir werden ihn weit in die Nordsee lokken und ihm immer so viel Spielraum geben, daß er die Hoffnung nicht ganz aufgibt. Ich bin gespannt, was für eine Entschuldigung der Allerwerteste dann später bereit hat, wenn er ohne Pulver und Kugeln zurückkehrt.“
„Er wird sich eine gute Ausrede einfallen lassen müssen“, meinte Ben. „Aber jetzt soll ihn der Teufel holen. Was können wir dafür, wenn wir unser Schiff erproben, und uns folgt ständig eine Horde wilder und brüllender Affen.“
„Recht hast du, Ben. Willst du das Ruder übernehmen? Wir gehen mal ganz hart an den Wind.“
Die „Isabella“ wurde belastet, schon jetzt ziemlich stark, als sie bei ruppiger See und steifen Wind aus Nord mit Backbordhalsen über Steuerbordbug segelte. Auch die ersten Spritzer ergossen sich an Deck, und über die Galion stäubte es, als der Bug die Wellen zerhackte und wie riesige Schleier aufriß.
Einige hatten jetzt das Ruder schon mal für ein paar Minuten in der Hand gehabt, denn jeder wollte wissen, wie die neue Lady sich so benahm. Ob sie ruppig und bockig war, ob sie zornig oder fuchsteufelswild dahinjagte, oder ob sie fromm und friedlich durch die See glitt.
Sie lief wie geschmiert – wie „in Butter“, wie Pete Ballie sagte, und sie war wesentlich durchdachter konstruiert als die alte „Isabella“.
Ben knüppelte sie beängstigend hart an den Wind und stellte fest, daß sie da sehr gute und vorzügliche. Eigenschaften entwickelte. Sie konnte sehr hoch am Wind gesegelt werden.
„Wir gehen auf den anderen Bug“, entschied der Seewolf nach einer Weile. „Alle Mann klar bei Halsen!“
Ben Brighton und Shane blickten Hasard verblüfft an.
„Halsen? Dann laufen wir ja genau in das Geschwader hinein.“
„Natürlich, der gute Marquess hat sich schon viel zu weit von uns entfernt oder wir von ihm, egal wie man das sieht. Wir behalten aber die Luvposition, und zwar in einem Abstand von mindestens vierhundert Yards, also gute zwei Kabellängen, denn seine Kanonen schaffen bestensfalls dreihundert Yards.“
„Das wird ein Spaß“, sagte Shane. „Wir segeln ihm entgegen, und dann kehren wir wieder zurück?“
„Dann folgt die nächste Halse auf den alten Kurs, wieder auf der Luvposition und wieder in der gleichen Entfernung. Er wird Schreikrämpfe kriegen, wenn er das sieht.“
„Das hört sich sehr gut an“, sagte Dan O’Flynn. „Wir gehen allerdings ein Risiko ein, Sir. Nur mal angenommen – und bei einem Neubau kann immer mal etwas schiefgehen, weil er noch nicht erprobt worden ist –, aber nehmen wir mal an, uns bricht die Ruderkette oder einer der Bolzen. Dann sehen wir ganz schön dumm aus, und die Krämpfe, die der Marquess kriegt, werden Freudenoder Lachkrämpfe sein.“
„Hm, kein schlechter Einwand. Was meint Mister Ramsgate?“
„Ich muß Mister O’Flynn recht geben“, erwiderte der Baumeister. „Nichts ist perfekt auf dieser Welt, und es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, daß etwas passieren kann.“
Hasard sah nachdenklich von einem zum anderen. In seinem Gesicht stand ein verstecktes Lächeln, er wollte wieder mal etwas herausfordern.
„Stimmen wir doch ab, wie wir es immer getan haben“, sagte er. „Wer ist dagegen, daß wir es tun?“
Keine einzige Hand rührte sich, alle starrten nur zum Achterdeck und grinsten erwartungsvoll.
„Dan O’Flynn?“ fragte Hasard.
„Ich hatte nur einen Vorschlag eingebracht, Sir, gewissermaßen einen Hinweis, aber ich habe nichts davon gesagt, daß ich dagegen bin.“
„Dann halsen wir. Profos, klar bei Manöver.“
„Aye, aye, Sir!“ brüllte Ed.
Dann brüllte er noch weiter, weil es ihm einfach Spaß bereitete, seine Freude in die Welt zu brüllen, und er tat das sehr lange und sehr ausgiebig und mit einer gewissen Andacht.
Die Halse wurde vorbildlich, als die „Isabella“ ihr Heck durch den Wind drehte und auf den neuen Kurs ging, der sie um hundertachtzig Grad wieder zurückführte. Dann segelte sie über Backbordbug dem Geschwader des Marquess entgegen.
Hasard sah, daß Thorfin in gut einer Meile Abstand ebenfalls wieder mit richtig gesetzten Segeln lief. Ob er sich darüber im klaren war, was der Seewolf beabsichtigte, wußte niemand. Er blieb jedoch auf dem alten Kurs, folglich hatte er das Manöver durchschaut.
Durch das Spektiv sah Hasard, daß auf den Schiffen des Geschwaders nun Verwirrung herrschte. Der Verband war leicht auseinandergezogen und mußte sich am langsamsten Schiff orientieren.
„Sie signalisieren etwas“, meinte Hasard. „Der Allerwerteste hat zwei weiße Lappen aufziehen lassen, aber das kann alles Mögliche bedeuten. Ich weiß nicht, was sie abgesprochen haben.“
„Feuer frei für alle Schiffe vielleicht“, meinte Dan.
„Möglich, werden wir ja sehen.“
Der Gefechtsrudergänger Pete Ballie übernahm jetzt wieder. Er stand am Ruder und kniff die Augen schmal. Himmel, ist das ein Schiff, dachte er begeistert. Er hätte tagelang hier am Ruder stehen können, ohne abgelöst zu werden, und er kostete das Gefühl aus, wie die „Isabella“ wie ein edles arabisches Pferd leichtfüßig und schnell durch die ruppige See stob.
„Guten Abstand halten, Pete“, erinnerte Hasard den Rudergänger noch einmal. „Falls einer aus dem Verband ausschert, gehst du augenblicklich auf Nordwestkurs.“
„Aye, aye, Sir“, sagte Pete grinsend und erwartungsvoll.
Hasard griff erneut zum Spektiv. Der heransegelnde Verband, der sich jetzt schnell näherte, war feuerbereit. Auf einer der spanischen Beutegaleonen gingen jetzt noch die Stückpforten hoch, und kleine Geschütze wurden ausgerannt.
„Was hier abläuft, ist ein Witz“, meinte Ben. „Da jagt so ein verbohrter Trottel mit einem ganzen Geschwader ein englisches Schiff, als ob es nichts anderes zu tun gäbe. Und dann bläst der Kerl sich auf mit seinem königlichen Geheimauftrag, unternimmt aber nichts anderes, als uns Tag und Nacht zu jagen. Unsere neue Lady muß ihn ja mächtig jukken.“
„Die hat ihm ins Auge gestochen“, sagte Hasard. „Aber stell dir diesen Schnösel nur auf unserem Achterdeck vor, wie er einen falschen Befehl nach dem anderen gibt. Das wäre doch ein Jammer, das würde ihm die Lady nie verzeihen.“
„Ganz sicher nicht.“
Die Entfernung schrumpfte weiter zusammen. Neben den Geschützen lauerten die Soldaten auf ihren Befehl zum Feuern. Eine der Galeonen schor ein wenig aus und ging höher an den Wind.
Hasard blieb auf dem Kurs. Für die kleine Galeone war es schlecht, ihr Ziel zu erfassen, denn dazu war die See zu ruppig, und sie legte sich immer wieder hart über.
„Es würde mir Freude bereiten“, meinte Dan, „diesen eingebildeten Kerlen einen eisernen Gruß hinüberzuwinken. Einen der Fünfundzwanzig-Pfünder, der gerade mal so den Mast aus den Planken rupft. Aber das ist wohl nicht drin, Sir?“
„Nein, wir begnügen uns damit, die Kerle ein wenig zum Narren zu halten, das erzeugt beim Marquess sicher den gleichen Effekt und wird ihn in noch größere Wut versetzen.“
Jetzt waren sie fast auf gleicher Höhe mit dem Schiff des Marquess. Die Entfernung betrug geschätzt gut zwei Kabellängen auf der Luvposition, die Hasard nach Möglichkeit immer beibehielt, um dem Gegner überlegen zu sein.
Drüben blitzte es auf, genau wie Hasard das erwartete. Aus der zweiten Stückpforte zuckte ein orangefarbener Blitz, dann aus der dritten und vierten.
Mit den gleichen Verzögerungen gingen die Eisenkugeln auf die Reise. Die erste kleine Fontäne stieg geschätzt sechzig Yards vor ihnen aus der See. Die Dünung riß sie auseinander und verschluckte sie.
Die zweite lag weiter zurück, die dritte wieder auf der gleichen Höhe wie die erste, nur die letzte Fontäne entstand in einer Entfernung von knapp vierzig Yards.
„Sehr gut“, höhnte Carberry von der Kuhl aus und winkte dem Marquess einen freundlichen Gruß mit beiden Händen zu. „Wenn du Rübenschwein so dein Pulver verschießt, wirst du bald mit leeren Händen nach Plymouth zurückkehren.“
„Er kann tatsächlich nicht weiter feuern“, sagte Ferris Tucker. „Er hat so hart unterlegt, daß er die Möwen aus den Wolken schießt: Na, Hauptsache, er: ärgert sich kräftig.“
Das tat der Marquess mit Sicherheit. Er schien sich grün und blau zu ärgern, aber er mußte seine Wut loswerden, und das konnte er wohl nur, wenn er aus allen Rohren feuerte, in der falschen Hoffnung, vielleicht doch noch einen Treffer zu erzielen.
Die Begegnung mit der zweiten Galeone erfolgte. Hasard griff wieder nach dem Spektiv und blickte hindurch.
Diesmal blitzte es dreimal auf, dreimal gleichzeitig. Mehr hatte das Schiffchen auf einer Seite nicht zu bieten. Drei lumpige Stücke mit vermutlich je sechs Pfund.
Drei Fontänen entstanden wieder im Wasser. Kleine, mickrige Dinger, die nur ein wenig das Wasser ankratzten, Nadeln, die in die See pieksten.
Die dritte Breitseite. Hasard lachte nur.
„Die weißen Streifen bedeuten wirklich die Feuereröffnung“, sagte er, immer noch lachend. „Ich möchte wissen, was die einzelnen Kapitäne wohl über ihren Marquess denken. Jeder normale Mensch muß ihn doch für einen Trottel halten.“
„Auch sein Logbuch dürfte interessant sein“, meinte Dan. „Wer weiß, was er da wohl reinschreibt. Er muß das doch begründen.“
Sie schenkten dem Feuer schon gar keine Beachtung mehr und blickten nur einmal kurz auf, als wieder Donner über die See rollte und lange Flammenzungen aus der Bordwand der letzten Galeone zuckten.
Die Wirkung war wieder gleich null. Viel zu kurz lagen die Schüsse.
Shane zeigte mit dem Daumen höhnisch hinter dem weitersegelnden Geschwader her.
„Nicht mehr lange, und die werden Krach mit den Fischern kriegen. Die knallen ja noch die letzten Seehechte und Heringe ab.“
„Bleiben wir auf Kurs, Sir?“ erkundigte sich Pete Ballie.
„Ein paar Meilen noch, der Marquess braucht schließlich Zeit zum Nachladen, und wir wollen ihm die Freude ja nicht verderben.“
Auf dem Kurs wurde noch etwa zwei Meilen weitergesegelt, bis das Geschwader achteraus wieder kleiner wurde. Durch den Kieker sah Hasard, daß jetzt grüne Signalwimpel im Topp flatterten.
Marquess Henry of Battingham ließ ebenfalls halsen, und so wie er das auszudrücken pflegte, würde er jetzt wohl sagen: „Wir drehen um!“
Die Schande, so hereingelegt und genarrt worden zu sein, schien ihm doch mächtig in den Knochen zu stecken. So begann er ein umständliches Manöver, das ihm gar nichts einbrachte, es sei denn, er wollte wieder nach Plymouth zurückkehren und gab die Verfolgung auf, weil er doch noch einsichtig wurde.
„Und so was vertritt England nun zur See“, meinte Ben kopfschüttelnd, als der Gänsetrott achteraus sich im Krebsgang durch die See bewegte und die Halse einleitete.
„Sicher nimmt er an“, sagte Shane, „daß wir jetzt nach Plymouth zurücksegeln. Dann wird er unten den Hafen sperren und glaubt uns in der Falle.“
„Dann muß er nicht nur ein Blödmann, sondern ein ausgesprochener Idiot sein, Shane. Für so absolut dumm halte ich ihn eigentlich nicht. Er will uns nur hinterher, um zu zeigen, daß er keinesfalls gewillt ist, aufzugeben.“
„Das ist auch möglich. Vielleicht glaubt er, viele Hunde seien des Hasen Tod, und einmal begehen auch wir einen Fehler.“
„Da wird er noch verdammt lange warten müssen.“
Durch die eingeleitete Halse blieb der Verband noch weiter zurück, weil er viel Zeit verlor. Da ertönte aus dem Großmars Philips Stimme, der als Ausguck aufgeentert war.
„Deck!“ meldete er laut. „Ein Strich Steuerbord voraus ein Dreimaster.“
Vater Hasard zeigte verstanden und suchte nach dem Dreimaster, den Dan jetzt auch mit bloßen Augen erkannte. Aber von der Kimm her wurde es wieder trübe und dunkel. Von Nord zog erneut ein Schneeschauer heran, der die Kimm verdüsterte. Das Schneegestöber würde sie in spätestens einer Viertelstunde erreichen.
Kaum gesichtet, entschwand der Dreimaster auf Gegenkurs auch schon wieder ihren Blicken.
„Sollen wir zur Sicherheit ein paar Kanonen ausrennen, Sir?“ fragte der Waffenmeister Al Conroy vom Quarterdeck herauf. Den guten Al Conroy juckte es schon lange, eins dieser kräftigen und mattschimmernden Geschütze auszurennen. Nicht nur ausrennen, er hätte auch zu gern einmal damit ein bißchen geballert, um zu sehen, ob sie auch gut schossen.
Leider nahm der Seewolf ihm diese Hoffnung.
„Notfalls weichen wir aus, Al“, sagte er. „Wir besetzen für den Fall der Fälle nur die Drehbassen.“
„Schade“, sagte Al bedauernd. „Über die Eigenschaften dieser Kanonen wissen wir noch so gut wie nichts, Sir.“
Der „Sir“ grinste und hob die breiten Schultern.
„Ich bin sicher, daß wir das noch herausfinden, Al. Demnächst werden wir mal ein Probeschießen veranstalten. Zufrieden?“
„Zufrieden, Sir.“
Böartig fiel nun der Wind ein. Die ersten Schneeflocken trieben über die See, und der Wind peitschte sie vor sich her, schliff sie zu scharfen Nadeln und jagte sie den Männern in die Gesichter.
Eine dichte Wolke hüllte die „Isabella“ ein. Minutenlang war die Sicht so schlecht, daß man vom Achterdeck aus kaum noch die Back erkennen konnte.
„Zwei Strich Backbord, Pete!“ befahl der Seewolf, denn der Dreimaster voraus lag fast auf ihrem Kurs, und sie konnten sich gegenseitig nicht sehen. Ein Ramming auf der Jungfernfahrt war das letzte, was sie noch brauchen konnten.
„Neuer Kurs liegt an“, sagte Pete ruhig.
Dan O’Flynn starrte in das Schneetreiben voraus. Ben hielt einen Kieker vor dem Auge. Im Großmars versuchte Philip, etwas zu erkennen, und der Ausguck im Fockmast mühte sich ebenfalls verzweifelt ab.
An der vorderen Beting standen Smoky und Sam Roskill und versuchten, ebenfalls etwas zu erkennen.
Eine Weile raste es in dichten Schauern auf die „Isabella“ zu. Kompakt wie dicker Nebel hüllte der Schnee sie ein und nahm den Männern die Sicht.
Dann begann es überraschend schnell aufzuklaren. Die Schneewolke verschwand achteraus so schnell, wie sie erschienen war.
Der Dreimaster war jetzt gut zu erkennen. Dan O’Flynn war wieder einmal der erste, der fassungslos den Kopf schüttelte und das Schiff auf Anhieb erkannte. Er erkannte es nur einen Bruchteil früher als die anderen Männer.
„Das ist die gute alte ‚Hornet‘“, sagte er verblüfft.
„Kein Zweifel, tatsächlich“, murmelte Hasard. Allgemeines Staunen herrschte jetzt, Verblüffung malte sich in den Gesichtern.
Die „Hornet“ pflügte durch die See mit hochgezogenen Stückpforten und ausgerannten Kanone. Das gab es doch gar nicht.
„Näher ran, das muß ich mir ansehen“, sagte Hasard kopfschüttelnd. „Wer hat die denn bemannt? Sollen die Kerle sich etwa befreit und das Schiff in Fahrt gebracht haben? Ein Unding!“
Ja, das war es wirklich. Niemand konnte sich vorstellen, daß die seemännisch unerfahrenen Soldaten die „Hornet“ in Fahrt gebracht hatten.
Im Spektiv ließen sich Gesichter unterscheiden.
„Da sind andere an Bord“, sagte der Seewolf nach kurzer Überlegung. „Wahrscheinlich hat der gute Marquess ein Boot mit Leuten abgestellt, die etwas von der Seefahrt verstehen. Die haben zusammen mit den Soldaten tatsächlich geschafft, das Schiff zu besegeln.“
„Ein Boot krebste weit von uns entfernt durch die Nacht“, entsann sich Dan O’Flynn, „das weiß ich noch. Aber es war dunkel, und wir haben ihm weiter keine Beachtung geschenkt. So und nicht anders muß es gewesen sein. Ich frage mich allerdings, warum die Kerle die Kanonen ausgerannt haben. An Bord befindet sich keine einzige Kugel oder besser gesagt, es befand sich keine in den Magazinen.“
„Pulver war auch nicht mehr an Bord“, warf Shane ein, „das weiß ich ebenfalls ganz genau.“
„Also bluffen die Kerle nur“, sagte Hasard. „Daß sie mit dem Schiff klarkommen, verstehe ich ja noch. Aber daß sie in der kurzen Zeit Pulver und Kugeln beschafft haben, das halte ich für ausgeschlossen.“
„Es ist trotzdem ein Risiko, noch dichter aufzusegeln, Sir“, warnte der immer etwas vorsichtige Ben Brighton. „Hin und wieder geschieht auch mal ein Wunder, selbst wenn man nicht daran glaubt.“
„Das ist ein Bluff“, beharrte der Seewolf. „Sie haben uns erkannt und im Schutz des Schneetreibens nichts weiter getan, als die Kanonen auszurennen. Da ist keine Kugel, und da ist auch kein Pulver in den Stücken. Dafür verwette ich meinen Kopf.“
Sein Lächeln wurde hart, als auf der „Hornet“ ein paar Seesoldaten am Schanzkleid Aufstellung nahmen und ihre Musketen ausrichteten.
Auch der lädierte Hauptmann war zu erkennen.
„Schießt einer mit Musketen, wenn er geladene Kanonen an Bord hat?“ fragte Hasard spöttisch. „Die Kerle müssen doch wissen, daß wir uns auf dem Schiff genauestens auskennen. Al!“ rief er dann.
„Aye, Sir?“ fragte der Stückmeister erwartungsvoll.
„Jage den Kerlen eins mit der Drehbasse durch das Großsegel, aber beschädige das Schiff nicht. Es darf kein Kleinholz geben.“
„Ich werde mein Bestes tun, Sir.“
Auf der „Hornet“ knatterten die ersten Musketenschüsse. Sie waren wohl mehr zur Abschreckung gedacht, damit die „Isabella“ nicht weiter aufsegelte, denn in Wirklichkeit hatten die Kerle die Hosen voll, weil sie der „Isabella“ absolut nichts entgegensetzen konnten. Dieser Trottel von Marquess hatte wohl einfach den Befehl gegeben, auf Teufelkommraus hinter dem Geschwader herzusegeln, und so gurkten sie jetzt unsicher über das Meer und bis auf ihre Musketen unbewaffnet.
„Wir könnten sie im Handstreich nehmen und entern“, meinte Hasard. „Doch was haben wir davon? Nichts, absolut nichts, außer, daß wir unsere Mannschaft auseinandereißen.“
Einen Augenblick spielte er tatsächlich mit diesem Gedanken, doch dann verwarf er ihn wieder. Er brachte nichts ein, gar nichts. Sollten die Kerle sehen, wie sie klarkamen. Der Marquess mußte das später sowieso höheren Ortes verantworten.
„Ziel erfaßt, Sir“, meldete Al und schwenkte die achtere Drehbasse noch ein wenig. Sie war mit Kettenkugeln geladen.
„Dann Feuer frei!“
Das schwenkbare Geschütz brüllte auf und entlud sich donnernd. Eine Doppelkugel, die durch eine Kette miteinander verbunden war, ging auf die Reise und eierte pfeifend durch die Luft. Im nächsten Augenblick fegte sie durch das Großsegel, durchschlug es und riß einen Fetzen heraus, den der Wind gierig aufriß. Mit deutlich hörbarem Ratschen zerfetzte das schwere Segel in Streifen, riß aus dem Liek und begann zu flattern.
Die Kerle, die ihre Musketen nachluden, warfen sich hinter dem Schanzkleid in Deckung, in der Erwartung, daß nun ein Eisenhagel über sie niedergehen würde.
Hasard legte die Hände trichterförmig an den Mund. Ob sie ihn verstanden, wußte er nicht.
„Warum feuert ihr nicht mit den Geschützen?“ brüllte er hinüber. „Stopft den Hauptmann in das Rohr und blast ihn herüber.“
„Klar!“ brüllte Carberry mit. „Ihr habt doch genug Knallköpfe an Bord, ihr lausigen Kanalratten!“
Die Begegnung war vorbei, ohne daß ein weiterer Schuß fiel. Auf der „Hornet“ herrschte lähmendes Schweigen. Niemand gab Antwort.
„Arme Hunde“, sagte Ben, „Proviant und Wasser haben sie ebenfalls nicht an Bord. Die werden sich innerhalb der nächsten Tage noch die Achtersteven abfrieren.“
Durch das fehlende Großsegel wurde die „Hornet“ langsamer, aber sie blieb auf ihrem Kurs.
Der Seewolf rieb sich die Hände.
„Jetzt werden wir Onkel Henry noch ein wenig nerven“, entschied er. „Wir gehen auf den alten Kurs zurück.“
Die nächste Halse begann, und als sie achtern rund waren, segelten sie auf dem alten Kurs zurück.
Die Situation reizte sie zum Lachen. „Onkel Henry“, wie Hasard den Marquess nannte, quälte sich mit seinem Geschwader mühsam durch die See und segelte ihnen entgegen, während die „Hornet“ nun vor ihnen lag.
„Die kneifen aus“, sagte Dan, „jetzt scheinen sie tatsächlich zu glauben, wir würden sie entern.“
Tatsächlich lief die „Hornet“ augenblicklich vom Kurs, drehte hart nach Steuerbord, bis sie den Wind von achtern hatte und auf Südkurs davonsegelte, als wären alle Höllenhunde hinter ihr her.
„Wir locken Onkel Henry die nächste Breitseite aus den Rohren“, sagte Hasard. „Dasselbe Manöver wie gehabt, Pete.“
Pete konnte nur mühsam sein „Aye, aye“, hervorbringen, denn er schüttelte sich vor Lachen, weil „Onkel Henry“ immer wieder auf das nette Spiel einging.
Er mußte die Unsinnigkeit längst eingesehen haben, doch als unnachgiebiger Starrkopf ließ er auch diesmal wieder feuern, als die „Isabella“ auf der Luvposition vorbeisegelte.
Die erste Breitseite entlud sich wirkungslos. Donner hallte über die See, Blitze zuckten auf, und Rauchwolken wurden vom Wind in alle Richtungen zerblasen. Die Fontänen aus Wasser rauschten kraftlos in sich zusammen.
Onkel Henry verschoß auch diesmal mit derselben Wirkungslosigkeit sein Pulver, doch sein Zorn war unermeßlich, so an der Nase herumgeführt zu werden. Er gab nicht auf, er blieb mit zäher Verbissenheit dabei und ließ sich immer wieder von den Seewölfen locken, denen das Spiel kolossalen Spaß bereitete.
Die jagten einmal die „Hornet“, immer weiter nach Süden, warteten, bis der Verband wieder halste und lockten ihn weiter in die Nordsee hinein.
Die Soldaten des Marquess wurden fast wahnsinnig, als sich dieses höllische Spiel wiederholte, und sie wurden auch bei Nacht von den Seewölfen genervt, die Laternen an Deck brachten, um „Onkel Henry“ ein besseres Ziel zu bieten.
Fünf Tage lang ging das so hin und her, mit schöner Regelmäßigkeit. Dann verloren sie den Verband eines Nachts aus den Augen und fanden ihn auch nicht mehr wieder.
„Vielleicht ist er endgültig zurückgesegelt“, meinte Dan. „Die einen werden keinen Proviant haben und die anderen kein Pulver mehr. So können sie sich prächtig ergänzen. Was tun wir jetzt?“
Das hatte sich Hasard auch schon überlegt.
„Ich denke, wir bleiben noch zwei, drei Tage auf See. Mister Ramsgate hat noch ein paar Verbesserungen notiert, Kleinigkeiten zwar nur, aber wir werden sie ändern.“
„Kehren wir nach Plymouth zurück?“ fragte der Schiffsbaumeister. „Oder wollen Sie einen anderen Hafen anlaufen, Sir?“
Ein wenig beklommen war allen zumute, wenn sie an die Rückkehr dachten, denn niemand wußte genau, was sie dort erwartete. Es konnte ein höllisches Konzert geben, das lag ganz genau daran, was Doc Freemont in London erreicht hatte.
„Wir kehren zurück“, sagte der Seewolf entschieden. „Aber wir segeln nicht direkt in den Hafen, wir werden nachts dort erscheinen und ein wenig herumhorchen. Je nach Lage fällt dann die Entscheidung.“
Die Jungfernfahrt war zur vollen Zufriedenheit aller verlaufen. Die „Isabella“ hatte sich glänzend bewährt.
Sie segelten durch den Kanal zurück.