Читать книгу Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 18

4.

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Zur selben Stunde kämpfte sich unweit der Ostfriesischen Inseln eine holländische Galeone durch den Sturm. Ihr Name lautete „Eendracht“, ihr Heimathafen war Den Haag. Vor vier Tagen noch hatte sie in Hamburg gelegen und Ladung an Bord genommen, jetzt befand sie sich auf der Rückreise. Doch die Fahrt stand unter einem schlechten Stern. Immer weiter drückte der fauchende und heulende Nordwind das Schiff nach Legerwall.

Kapitän Winschoten tat alles, um den Kurs zu halten. Er stand selbst auf dem von Brechern überrollten Achterdeck und bediente den Kolderstock. Doch die schwere See, der Sturm und der Nebel, der sich herabgesenkt hatte, waren einmütig gegen ihn. Statt nach Westen zu laufen, geriet die „Eendracht“ immer weiter nach Südwesten, schließlich nach Süden, und bald war sie nicht mehr weit von Norderney und Baltrum entfernt.

„Wir schaffen es nicht!“ schrie Winschoten im Tosen der Urgewalten seinem Bootsmann van de Pool zu. „Wir laufen gleich irgendwo auf, wenn nicht ein Wunder geschieht!“

„Können wir nicht eine der Inseln ansteuern?“ brüllte van de Pool zurück.

„Ja! Aber wo sollen wir in diesem Teufelswetter verholen? Man kann kaum die Hand vor Augen sehen!“

„Wir müssen nach einer Bucht Ausschau halten!“ schrie der Bootsmann. „Mit etwas Glück gelingt es uns, irgendwo vor Anker zu gehen!“

Das Glück hat uns verlassen, dachte Winschoten, wir sind dazu verdammt, ihn abzureiten und finden keinen Zufluchtsort, an dem wir sein Abklingen abwarten können. Zur Hölle mit der Seefahrt!

Wieder lief ein Brecher gegen die „Eendracht“ an und übergoß ihre Decks mit Salzwasser, Schaum und Gischt. Die Männer schrien, klammerten sich an den Haltetauen fest und schickten Stoßgebete zum Himmel. Schwer krängte das Schiff nach Backbord. Fast schien es, als müsse es nun querschlagen und würde sich nie wieder aufrichten. Der Wind peitschte auf die Galeone ein, zerrte und rüttelte an ihrer Takelage, die Masten und Rahen knarrten und knackten.

Doch noch einmal erhob sich die „Eendracht“ und setzte ihre Irrfahrt stampfend und schlingernd fort. Das Rollen wurde aber immer schlimmer, nichts schien das Schiff und die Mannschaft vor einem furchtbaren Ende bewahren zu können.

Und doch trat das Wunder ein, Winschoten glaubte seinen Augen kaum trauen zu dürfen: Lichter glommen in Nebel und Dunkelheit auf, ein rötlicher Schimmer schien im Süden über den Inseln aufzusteigen. Jemand hatte Erbarmen mit den der See Ausgelieferten, jemand half und wies ihnen den Weg.

Neue Hoffnung erfüllte Winschoten. Er brachte die Galeone direkt vor den Sturmwind und steuerte die kursangebenden Feuer an. Mit immer schnellerer Fahrt eilte die „Eendracht“ dahin. Sie schien selbst etwas von der Rettung zu verspüren, die dort, keine fünf Meilen mehr entfernt, auf sie wartete.

„Durchhalten, Männer!“ feuerte van de Pool die Mannschaft an. „Wir haben es gleich geschafft!“

Winschoten spähte mit verbissener Miene voraus und war jetzt sicher, daß die Leuchtfeuer die Einfahrt einer Bucht oder Passage kennzeichneten. Hätte er in diesem Moment die Gestalten erkannt, die an den Ufern der Inseln auf und ab eilten und ununterbrochen neue Scheite nachlegten, um die Flammen zu unterhalten, hätte er die grinsenden Gesichter, die Schadenfreude in den Mienen der Groot-Jehans und der Lütt-Jehans sehen können –, er hätte schleunigst beigedreht und wäre lieber mit seiner Galeone im Sturm gekentert, statt in die für ihn und andere Unglückliche errichtete Falle zu laufen.

Noch konnten die Jehans die „Eendracht“ nicht sichten, denn längst war die Hecklaterne des Schiffes in Wind und Gischt erloschen, und die Dunkelheit und der Nebel ließen es nicht zu, auch nur schemenhaft die Konturen des Schiffes zu erkennen. Doch die Friesen waren sicher, daß früher oder später ein Opfer erscheinen und auf der Barriere hängenbleiben würde – zu gut waren die Voraussetzungen, zu günstig der Wind, zu groß die Wahrscheinlichkeit, daß in dieser Nacht Kauffahrer und kleine Küstensegler unterwegs waren, um ihre Fracht so schnell wie möglich an den Ort ihrer Bestimmung zu bringen.

„Willem!“ brüllte Lüder Groot-Jehan seinem Schwager im Toben des Sturmes zu. „Bring die Laternen, wir wollen sie jetzt anzünden!“ Er stand nur wenige Schritte von der Brandung entfernt am Hang des Deiches und blickte nach Baltrum hinüber, wo die Lütt-Jehans inzwischen ein paar Lampen entfacht hatten und sie hin und her schwenkten.

Willem erschien mit den Laternen, und gemeinsam setzten sie sie an den lodernden Feuern in Betrieb. Gode, Jan, Uwe, Onno und alle anderen Männer des Dorfes schleppten wieder Holz herbei, damit die Feuer ja nicht erloschen. Zwischendurch wurden Flaschen mit Korn herumgereicht. Die Männer tranken, um sich warmzuhalten, denn die Hitze der Flammen schien sich in der grimmigen Kälte zu verlieren.

Plötzlich wurde von Baltrum ein Lichtsignal gegeben, das nur den Groot-Jehans gelten konnte. Lüder konnte nicht verfolgen, wie Karl, Heino, Pit, Friedhelm, Brüne und deren Helfer drüben aufgeregt zusammenliefen und gestikulierten, aber er begriff, daß sie etwas erspäht hatten.

Und tatsächlich: Wenige Augenblicke später erblickten auch Lüder und seine Kumpane die Umrisse der Galeone, die aus den milchigen Schleiern auftauchten. Einem verirrten, hilflosen Riesentier gleich segelte das Schiff mitten in die Passage hinein, ohne daß die Besatzung auch nur etwas von der Pfahlbarriere ahnte.

Winschoten hielt den Kolderstock mit aller Kraft fest. Es war, als würde das Holz jeden Moment zerbrechen, die Wasser drückten mit Macht gegen das Ruder. Ein tiefes Stöhnen schien sich dem Schiffsrumpf zu entringen, und wieder rollte die „Eendracht“ so ungestüm, daß zwei Mann der Besatzung um ein Haar ihren Halt an den Tauen verloren und von der Kuhl gerissen wurden.

Doch sie schrien nicht mehr in panischer Angst, denn sie hofften immer noch darauf, daß gleich alles vergessen sein würde. Die Feuer waren nah, Winschoten und van de Pool waren nunmehr fest überzeugt, die Einfahrt einer schützenden Bucht vor sich zu haben. Sie warteten darauf, in ruhigeres Wasser zu geraten, doch jählings war das Kratzen, Bohren und Schrammen da, das ihre Zuversicht mit einem Schlag wieder zerstörte.

Etwas schien unter dem Kiel der „Eendracht“ zu zerbersten, dann lief das Schiff mit einem donnernden Lauf auf. Die dicken Pfähle bohrten sich tief in den Rumpf, die schnelle Fahrt der Galeone wurde abrupt gestoppt.

Die Männer brüllten auf, stürzten auf die Planken, verloren ihren Halt, überrollten sich, rutschten gegen das Schanzkleid und prallten gegen die Querwand des Vorkastells. Zwei Männer trugen Verletzungen davon, ein dritter ging außenbords und wurde nicht wiedergesehen.

Die „Eendracht“ saß fest. Ihre Sturmsegel schlugen wie verrückt, das Knattern peitschte auf die Gestalten der entnervten Männer nieder. Aber noch begriffen sie nicht, wie ihnen geschah, noch sahen sie nicht die kleinen Boote, die sich von Norderney und Baltrum aus in Bewegung gesetzt hatten.

Nußschalen gleich tanzten die Boote auf den Wogen, es glich einem Wunder, daß sie nicht sofort kenterten. Doch sie bewiesen eine erstaunliche Stabilität in den kochenden Fluten und näherten sich unaufhaltsam der Galeone.

Winschoten hatte den Kolderstock losgelassen, sprang auf die Kuhl hinunter und stürzte ans Schanzkleid. Er hatte gesehen, wie der eine Decksmann außenbords gegangen war, und wollte etwas zu seiner Rettung unternehmen. Aber der Mann war spurlos verschwunden. Winschoten sah plötzlich die von eisernen Spitzen gekrönten Balken, die überall aus den Wellen aufragten – und da durchfuhr ihn wie ein Stich die Erkenntnis, daß sie in eine Falle geraten waren.

Piraten, dachte er entsetzt, Strandwölfe und Küstenhaie! Er fuhr zu van de Pool herum und schrie: „Die Waffen verteilen, van de Pool! Man hat uns hereingelegt! Wir sitzen in einer Falle!“

Doch die Boote der Friesen waren heran und gingen längsseits. Wie ein Spuk tauchten sie auf und entluden ihre Insassen, die katzengewandt an Bord der Galeone enterten.

Winschoten hatte zwei der Angreifer plötzlich direkt vor sich, große Männer mit hellblonden Haaren, die Leinenhemden, Leinenhosen und Stiefel trugen und ihn höhnisch anlachten.

Er zog seine Pistole, spannte den Hahn und drückte auf den einen Kerl ab, doch die Waffe versagte ihren Dienst. Die Ladung war naß geworden. Winschoten schleuderte sie von sich und zückte seinen kurzen Degen, aber jetzt war der eine Mann – Lüder Groot-Jehan – bereits über ihm und drosch mit einem Knüppel auf ihn ein.

Winschoten sank auf die Planken. Lüder riß sein Messer aus dem Gurt, bückte sich und stach zu. Van de Pool wollte seinem Kapitän zu Hilfe eilen, doch er wurde von Onno Osten niedergeworfen. Gode, Jan, Uwe Willem, Karl, Heino, Pit, Friedhelm, Brüne und all die anderen stürmten die Decks und hieben mit Knüppeln, Säbeln und Messern zu. Es knallten auch ein paar Schüsse. Ein heftiger Kampf entbrannte, doch die Gegenwehr war nur kurz, die Friesen hatten das Überraschungsmoment auf ihrer Seite.

Gnadenlos und ohne jeden Kompromiß setzten die Jehans die Holländer außer Gefecht. Sie kannten kein Erbarmen. Als sich an Bord der Galeone nichts mehr regte, gaben Lüder und Karl ihren Kumpanen ein Zeichen, und nun wurden die Besatzungsmitglieder, der Kapitän und der Bootsmann gepackt und ins Meer geworfen.

Lüder und Karl blickten sich an, dann stiegen sie in die Schiffsräume hinunter, die sich allmählich mit Wasser füllten. Sie erreichten die Laderäume, brachen einzelne Kisten und Fässer der Fracht auf und nickten sich grimmig zu. Bier und Pökelfleisch, Sauerkraut und Speckseiten befanden sich darin, aber auch Werkzeuge und ein paar Waffen. Es war eine gemischte Ladung. Winschoten hatte sie auf eigene Rechnung in Hamburg gekauft und wollte sie in seiner Heimat verkaufen.

Lüder und Karl waren mit ihrem Fund zufrieden, es gab nichts, das sie nicht gebrauchen konnten. Sie kosteten von dem Bier und befanden, daß es stark war und würzig schmeckte.

„Gut so!“ rief Lüder seinem mutmaßlichen Halbbruder zu. „Wenn die Ebbe einsetzt, fangen wir mit dem Löschen an!“

„Wie üblich, nicht wahr?“ sagte Karl grinsend. „Und den Kahn wrakken wir natürlich ab, bis nichts mehr von ihm übrigbleibt.“

„Ja. Es wird gerecht geteilt.“

„Das ist doch selbstverständlich.“

Lüder trat dicht vor Karl hin und fragte: „Wer hat Klusmeier umgebracht?“

„Ich nicht“, erwiderte der andere. „Aber wollen wir das nicht später klären? Wir halten uns doch an unsere Vereinbarung, oder?“

„Ja.“ Aber wir rechnen noch ab, dachte Lüder.

Die Nacht ging schnell vorbei, die Ebbe legte das Watt frei, und bald herrschte in den Prielen ein reger Bootsverkehr. Alle Inselbewohner, auch die Frauen und Mädchen, halfen beim Abwracken der „Eendracht“ mit.

Nicht nur die Beute aus den Laderäumen wurde übernommen, auch das Holz war auf, beiden Inseln knapp. Alles wurde unter der strengen Oberaufsicht von Eberhard und Frieda gerecht halbiert und mal nach Norderney, mal nach Baltrum transportiert. Es gab auch jetzt keinen Streit, der Burgfrieden dauerte an.

Jeder fragte sich, welches Schiff wohl als nächstes der Friesenfalle zum Opfer fallen würde. Keiner rechnete damit, daß es noch eine böse Überraschung geben würde. Die Jehans feierten ihren guten Fang mit Bier und Korn und tranken, bis sie fast nicht mehr auf ihren Beinen stehen konnten.

Seewölfe Paket 16

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