Читать книгу Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 22
8.
ОглавлениеDie „Isabella IX.“ war 550 Tonnen groß und zweiundvierzig Yards über Kiel sowie zweiundfünfzig Yards vom Bug bis zum Heck lang, den Bugspriet nicht mitgerechnet. Ihre Breite betrug zehn Yards. Sie war mit vierzehn 25-Pfündern und zwölf 17-Pfündern armiert, außerdem verfügte sie vorn und achtern noch zusätzlich über je zwei Drehbassen. Sie hatte überhohe Masten und war bis auf den Besan mit Rahsegeln getakelt. Am Bugspriet konnten zwei Blinde gesetzt werden. Ihre Konstruktionsweise war sehr fortschrittlich für das Ende des 16. Jahrhunderts. Sie hatte flachere Kastelle als die anderen Galeonen ihrer Zeit, und ihre Decks waren geräumiger.
Lüder Groot-Jehan und Karl Lütt-Jehan, die einen kundigen Blick für Schiffe hatten, erkannten all dies, als sie sich in ihren Booten der „Isabella“ näherten. Sie waren ihr jetzt zum Greifen nah.
Dieser Kahn, so befand Lüder im stillen, ist ein gefundenes Fressen für uns. Mag der Teufel wissen, was er geladen hat und woher er stammt – es ist bestimmt etwas Wertvolles.
Gold vielleicht, Silber oder Diamanten? „Isabella“ – Lüder konnte den Namen jetzt entziffern. Anscheinend handelte es sich um ein spanisches oder portugiesisches Schiff, das sich bis hier herauf verirrt hatte. Oder täuschte er sich? Hatte er eben, als so plötzlich die Anker ausgerauscht waren, nicht englische Wortfetzen vernommen?
Nun er konnte sich täuschen. Der Kapitän war offenbar ein kluger und vorsichtiger Mann, er hatte die Pfahlfalle noch rechtzeitig genug entdeckt. Das bewahrte ihn aber nicht vor dem Schicksal, das auch die Holländer von der „Eendracht“ getroffen hatte.
Schon gingen die Boote der Friesen längsseits, schon enterten die Jehans, die nun wieder ein Herz und eine Seele waren, und der Angriff begann.
Was immer diese „Isabella“ auch geladen haben mochte, Lüder und Karl sahen es bereits als ihr sicheres Eigentum an. Sie gaben ihren Männern ein Zeichen. Gode, Jan, Uwe, Willem, Onno, Heino, Pit, Friedhelm und Brüne warfen die Enterhaken.
Im selben Moment öffneten sich knarrend die Stückpforten der Galeone. Doch zu spät rannten die Seewölfe die Geschütze aus, schon hingen die Gestalten der Friesen wie Kletten an den Bordwänden. Sie kletterten an den Berghölzern hoch, erreichten die Rüsten, schoben sich über die Schanzkleider und sprangen auf die Decks.
„Die Waffen raus!“ schrie der Seewolf. „Ed – Musketenfeuer!“
„Aye, Sir!“ brüllte der Profos.
Dann gab er Gary Andrews, Sam Roskill, Luke Morgan, Jack Finnegan, Paddy Rogers, Jeff Bowie und Matt Davies ein Zeichen, und diese hoben ihre Musketen und Tromblons.
Lüder und Karl waren als erste Angreifer mitten auf der Kuhl der „Isabella“, sie warfen ihre Knüppel von sich und griffen sogleich zu den Handfeuerwaffen, als sie die Musketen und Tromblons auf sich gerichtet sahen.
Die komplette Friesenmeute schwang sich von beiden Seiten des Schiffes an Deck, ein paar Schreie wurden auf beiden Seiten ausgestoßen, dann brach die Hölle los. Lüder und Karl ließen sich fallen und feuerten ihre Pistolen ab, Gary, Sam und die anderen Seewölfe schossen zurück. Die Ladungen der Tromblons, die aus gehacktem Blei und Eisen bestanden, ließen gleich mehrere Friesen zusammenbrechen, zwei oder drei Musketenkugeln fanden gleichfalls ihr Ziel.
Doch die Zahl der Gegner war groß, immer mehr Kerle kletterten über die Schanzkleider. Hasard, Ben, Shane, Ferris, Old O’Flynn und Roger Brighton stürzten sich vom Quarterdeck aus in das wilde Handgemenge, das auf der Kuhl entbrannte. Nachdem die Feuerwaffen entleert waren, blitzten die Säbel, Degen und Schiffshauer auf, und ein helles Klirren erfüllte das ganze Schiff.
Die Ostfriesen hatten diesmal nicht das Überraschungsmoment auf ihrer Seite, sie hatten es verspielt, trotz ihres schnellen Einsatzes. Hasard und seine Männer indessen kannten sich auf ihrem eigenen Schiff besser aus als der Feind.
Hasard holte sich Lüder vor die Klinge, er hatte erkannt, daß dieser Mann einer der Anführer der Bande sein mußte. Lüder fluchte und trachtete danach, die Degenklinge des Seewolfs mit seinem Säbel zu zerschmettern, doch es wollte ihm nicht gelingen.
Ein wenig ließ Hasard den Friesen toben, dann vollführte er eine Finte, durchbrach die Deckung des anderen und trieb ihn mit zwei schnellen, pfeifenden Streichen zum Steuerbordniedergang des Quarterdecks. Lüder wich zurück und stolperte fast über die hölzernen Stufen. Die „Isabella“ hob sich unter dem Anrollen einer starken Woge, senkte sich dann aber gleich wieder – und Lüder Groot-Jehan drohte das Gleichgewicht zu verlieren.
Er taumelte den Niedergang hoch, war jetzt auf dem Quarterdeck und versuchte, einen Vorteil für sich zu gewinnen, war aber der sirrenden Klinge des Seewolfes dennoch ausgeliefert. Immer weiter mußte er zurückweichen, und schließlich prallte er mit dem Rücken gegen das Ruderhaus.
„Wer bist du?“ fuhr Hasard ihn an. „Führst du hier das Kommando? Wie viele Seeleute habt ihr Hundesöhne auf diese Weise schon getötet?“
„Ich versteh’ dich nicht“, keuchte Lüder.
„Warte mal, aus dir kriege ich noch alles raus, was ich wissen will!“ stieß der Seewolf grimmig hervor. Er wollte sich umdrehen und nach Nils Larsen rufen. Nils konnte Deutsch, er sollte ihm als Dolmetscher behilflich sein.
Doch Nils und Piet Straaten waren gerade mit Schwager Willem beschäftigt, der mit seinem gewaltigen Schiffshauer Amok zu laufen drohte. Überhaupt herrschte auf der Kuhl immer noch das wildeste Getümmel, ein in der Dunkelheit völlig unübersichtlicher Haufen Leiber schlug um sich wie verrückt.
Lüder duckte sich, stieß mit seinem Säbel nach Hasard und eilte nach Backbord hinüber. Hasard wich gedankenschnell aus und bewahrte sich um Haaresbreite vor einer lebensgefährlichen Verletzung. Er fuhr zu Lüder herum, sprang erneut auf ihn zu und deckte ihn mit einer Parade ein, bei der dem blonden Mann die Klinge nur so um die Ohren pfiff.
Lüder erkannte, daß er gegen diesen schwarzhaarigen Teufel nicht bestehen konnte. Er saß nun selbst in der Falle. Der Durchbruch zu seinen Kumpanen würde ihm nicht gelingen – ausgeschlossen. Schwager Willem, Karl oder sonstwer konnten ihm nicht zu Hilfe eilen, sie hatten selbst genug mit ihrer eigenen Verteidigung zu tun. Und hier, auf dem Quarterdeck der „Isabella“, trieben die Dinge unaufhaltsam ihrem bitteren Ende entgegen, denn im Fechten war Lüder dem Seewolf glatt unterlegen.
Hasard unternahm einen neuen Ausfall, und plötzlich wirbelte Lüders Säbel in hohem Bogen durch die Luft und landete im Wasser. Die „Isabella“ krängte nach Backbord, Lüder fühlte, wie ihm buchstäblich der Boden unter den Füßen wegrutschte, und dann ritzte die Degenklinge ein blutiges Muster auf seine rechte Wange.
„Streich die Flagge, Bastard!“ schrie der Seewolf. „Sag deinen Kerlen, sie sollen sich ergeben! Ich weiß, daß du mich verstehst! Oder soll ich dich noch ein bißchen kitzeln?“
„Nein!“ schrie Lüder, dann riß er die Beine hoch und ließ sich außenbords fallen. Er hatte nicht die Worte, wohl aber den Sinn dessen begriffen, was der schwarzhaarige Mann von ihm forderte. Kapitulation – Niederlage auf der ganzen Linie! Gefangenschaft, ein schnelles Bordgericht, dann das Urteil, das auf Tod durch Erhängen lautete – nein, so wollte ein Groot-Jehan nicht enden!
Er landete zwischen den Booten im Wasser und begann sofort zu schwimmen. Er hielt auf eine Jolle zu und brüllte: „Haut diese Hurensöhne zusammen! Zeigt es ihnen!“
„Jaaaa!“ schrie Karl Lütt-Jehan, der im harten Säbelgefecht mit Ben Brighton lag. „Nieder mit diesen Bastarden! Tod! Bringt sie um, werft sie in die See!“
Ben zog ihm die Klinge seines Cutlasses quer über die linke Schulter, und in diesem Augenblick ließ Karl entsetzt seine Waffe fallen. Ben rammte ihm die Faust unters Kinn. Karl sank zusammen.
Carberry hatte Pit nach Strich und Faden zusammengeschlagen, Nils Larsen und Piet Straaten waren mit Schwager Willem fertig, der nun auch seufzend alle viere von sich streckte.
„Anpacken!“ rief der Seewolf, der eben vom Quarterdeck zurückkehrte. „Ins Wasser mit den Kerlen!“
Heino, Friedhelm, Brüne, Gode, Jan und all die anderen Jehans lieferten zwar nach wie vor einen erbitterten Kampf, doch sie verloren jetzt rasch an Energie und Selbstsicherheit. Ihre Anführer waren außer Gefecht gesetzt, das hatten sie deutlich genug verfolgen können.
Onno Osten versuchte, über die Kuhl zu stürmen. Er wollte sich bis zur Waffenkammer und den Munitionsdepots vorarbeiten, vielleicht eine Lunte legen und einen Teil der Galeone in die Luft jagen – doch die Zwillinge machten ihm einen Strich durch die Rechnung.
Hasard junior stellte Onno ein Bein. Onno flog gegen das Kombüsenschott und stöhnte auf. Philipp junior trat ihm kräftig gegen das Hinterteil. Dann öffnete sich das Schott, und Mac Pellew, der sich hierher zurückgezogen hatte, um in aller Ruhe ein paar Tromblons aufzuladen, knallte Onno den Kolben einer Waffe an den Schädel.
Er wollte ihm auch noch den Rauchabzug auf den Rücken hauen, aber Hasard junior rief: „Danke, das genügt, Mister Pellew!“
Gode und Jan waren inzwischen auch auf die Planken gesunken, und nun waren die anderen dran. Lüder konnte von unten so laut und so viel brüllen, wie er wollte, die Situation ließ sich nicht mehr retten. Ein Friese nach dem anderen flog außenbords. Mit lauten Klatschern landeten die Kerle neben Lüder im Wasser. Er stöhnte erschüttert auf.
Onno Osten stürzte mitten in eine der Jollen, doch er brach sich weder das Genick noch sonst irgendeinen Knochen, er hatte geradezu unerhörtes Glück. Die Duchten aber zersplitterten unter dem Aufprall seines schweren Körpers wie dünnes Holz.
Die Friesen waren geschlagen. Wer nicht bewußtlos geschlagen war, der ergriff jetzt eilends die Flucht. Unter dem Fluchen und dem rauhen Lachen der Seewölfe sprangen die letzten Kerle vom Schanzkleid ins Wasser, dann waren sie alle verschwunden, und es trat Ruhe ein.
Old O’Flynn wollte ihnen ein paar Schüsse nachfeuern, doch Hasard hielt ihn zurück. Auch Al Conroy und Ferris Tucker standen schon an den Drehbassen, bereit, den Friesen den Rest zu geben, doch der Seewolf gebot auch ihnen durch eine Gebärde Einhalt.
„Das genügt, Männer“, sagte er. „Oder wollt ihr euch mit diesen Galgenstrikken auf eine Stufe stellen?“
„Sie hätten nichts anderes verdient!“ rief der alte O’Flynn. „Und du siehst jetzt hoffentlich ein, daß ich mit meinen Bedenken mal wieder recht hatte!“
„Natürlich, Donegal“, sagte der Seewolf. „Wir wollen aber keine weitere Munition vergeuden. Vorerst greifen die Kerle nicht wieder an, und wenn sie doch so dumm sind, begrüßen wir sie dieses Mal mit unseren Kanonen.“
„Klar“, sagte Ben. ‚Spätestens dann dürfte ihnen der Spaß an der Sache wohl vergehen. Ist jemand verletzt worden?“
„Es hat nur ein paar Kratzer und ein paar Beulen gegeben“, antwortete der Kutscher, der mit dem Verarzten der Männer begonnen hatte. „Nichts Ernstes, wirklich nicht.“
„Um so besser“, sagte der Seewolf. „Wir verschnaufen erst einmal und bleiben hier vor Anker liegen. Morgen früh entscheiden wir, was weiter geschehen soll.“
Lüder Groot-Jehan sprach kein einziges Wort, er war ein geschlagener Mann. Eine Niederlage wie diese hatte er noch nie erlebt. Wer waren diese Teufel an Bord der Galeone, die sich so ausgezeichnet zu verteidigen verstanden? Engländer, das hatte er aus ihrer Sprache nun doch herausgehört. Aber was für Leute? Doch keine harmlosen Kauffahrer – nicht bei dieser Kampferfahrung und nicht bei der Armierung, über die das Schiff verfügte!
Zornig kehrte er mit den Seinen an Land zurück. Noch begriff er nicht, daß die Seewölfe ihn eher rücksichtsvoll behandelt hatten. Sie hätten seine Spießgesellen und ihn durchaus töten können, aber davon hatten sie abgesehen, weil sie ihre Prinzipien hatten, die auf Fairneß und Anständigkeit beruhten.
Lüder kannte jedoch keine Prinzipien, das Wort war ihm fremd. Er dachte nur an eins: an Rache. Unter gemurmelten Flüchen stieg er aus seinem Boot, als sie das Ostufer von Norderney erreicht hatten, und er nahm kaum zur Kenntnis, daß Frieda mit besorgter Miene auf ihn zueilte.
„Was ist passiert?“ fragte sie bestürzt. „Haben sie euch die Hucke vollgehauen?“
„Das werden sie noch bereuen“, zischte Lüder. „Ich gebe nicht auf. Ich nicht! Das werden sie mir büßen!“
„Wo sind die Lütt-Jehans?“
„Zurück nach Baltrum gepullt. Ist mir doch egal, was die machen.“
Sie erkannte das blutige Mal auf seiner Wange und wollte sich um ihn bemühen, aber er schüttelte ihre Hand mit einer ruckartigen Bewegung seiner Schultern ab.
„Du bist doch verwundet!“ stieß sie hervor.
„Ist nur ein Kratzer.“
„So?“ Sie beruhigte sich zusehends und beobachtete ihn mit forschendem Blick. „Wie viele Männer befinden sich denn als Besatzung auf der Galeone?“
„Mindestens vierzig. Diese Schweine! Diese Dreckskerle!“
„Du willst sie wieder angreifen“, murmelte Frieda. „Das ist richtig, so lobe ich es mir. Wir geben uns nicht geschlagen. Aber weißt du was? Sie sind gerissen. Vielleicht ist ihr Schiff ein Kriegssegler. Vielleicht sind sie auch Korsaren.“
„Möglich könnte es sein“, brummte er. „Ich denke mir aber einen Plan aus, mit dem ich sie doch noch zu fassen kriege.“
„Laß mich mit dir zusammen überlegen“, sagte Frieda sanft. „Gemeinsam stellen wir schon etwas Vernünftiges auf die Beine. Es wäre doch gelacht, wenn wir uns von diesen Bastarden in die Knie zwingen lassen würden.“ Sie warf der „Isabella“ einen haßerfüllten Blick zu.