Читать книгу Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 42
6.
ОглавлениеDer Nebel hatte sich längst verzogen, und fast hatte es den Anschein, als wolle sich jetzt, in dieser frühen Morgenstunde des 9. Februar 1593, ein erster schüchterner Sonnenstrahl durch die Wolkendecke wagen.
Es war acht Uhr, und die Schiffsglocke der „Isabella“ glaste gerade, als Big Old Shane und seine Männer mit kräftigen Schulterhieben an Bord empfangen wurden. Irgendwie mußte jeder seine Erleichterung über die Rückkehr der Kameraden zum Ausdruck bringen.
Auch dem Seewolf, der vom Quarterdeck zur Kuhl abgeentert war, fiel ein tonnenschwerer Stein vom Herzen, als er die Männer erblickte.
„Ihr seht nicht gerade aus, als hättet ihr eine ruhige Nacht gehabt“, stellte er mit einem Lächeln fest.
„Haben wir auch nicht“, erwiderte Old Shane. Dann gab er einen kurzen Bericht, ohne jedoch etwas Wesentliches auszulassen.
„Es ist kein einziger Schuß gefallen“, hob Old Shane hervor. „Wenn man mal von dem Zorn absieht, der mich drüben an der Küste packte, dann mußten wir uns nur unserer Haut erwehren.“
Der Seewolf billigte das Verhalten Shanes, denn auch er war davon überzeugt, daß die Schweden beim Kappen der Ankertrosse die Hände im Spiel hatten. Wäre die Rechnung der Schnapphähne aufgegangen, dann hätte das böse für die „Isabella“ und ihre Crew enden können.
Der Kutscher kümmerte sich sofort um das leibliche Wohl der Jollenbesatzung. Paddy kriegte eine übelriechende, schwarze Salbe auf die Beule, Jack einen Verband um den Oberschenkel, und der alte Mac war in erster Linie an trockener Kleidung interessiert – und natürlich noch mehr an dem deftigen Frühstück, das der Kutscher wenig später mit Hilfe der Zwillinge auftischte.
Die Jolle hatte man gleich außenbords belassen, weil sie nach dem morgendlichen Backen und Banken von einer anderen Crew unter dem Kommando Edwin Carberrys übernommen werden sollte, um mit einem Draggen an der früheren Ankerstelle nach dem Backbord-Buganker zu fischen.
Natürlich waren auch Philip und Hasard junior dabei. Der Seewolf hatte wohl oder übel zu seinen Worten, die er in der vergangenen Nacht geäußert hatte, stehen müssen. Die beiden Schlitzohren hatten sich nur zu genau gemerkt, was er gesagt hatte.
Nachdem das Suchen nach dem verlorengegangenen Anker begonnen hatte, ging auch die „Isabella“ ankerauf, um ihren Standort in die unmittelbare Nähe der ersten Ankerstelle zu verlegen.
Das „Fischen“ nahm fast eine ganze Stunde in Anspruch, dann aber verkündete eine saftige Bemerkung Edwin Carberrys, daß man fündig geworden war.
Tatsächlich hatte der Draggen, ein kleiner, vierarmiger Bootsanker, der auch als Suchanker eingesetzt werden konnte, gefaßt.
„Heiliges Kielschwein!“ schnaufte der Profos. „Das hat ja eine ganze Weile gedauert. Da kriegt man beim Fischen schneller einen triefäugigen Hering am Schwanz zu packen als einen Anker.“
„Kein Wunder, Mister Carberry, Sir“, ließ sich Philip junior vernehmen. „Einen Hering kann man mit einem Köder an den Haken locken, aber so ein Anker läßt sich von uns nicht ködern.“
Carberry warf dem Bengel einen verdutzten Blick zu. Dann verzog er das narbige Gesicht zu einem breiten Grinsen.
„Da hast du recht“, knurrte er. „Vielleicht erfindet mal irgendein schlauer Kopf einen Köder für verlorengegangene Anker, wie?“
Nun aber gab es für die „Ankerfischer“ alle Hände voll zu tun. Die Draggentrosse wurde zur „Isabella“ verfahren und dort um das Spill gelegt. Dann begann man mit dem Hieven.
Und da Edwin Carberry alle am „Fischen“ beteiligten „Rübenschweine“ und „Lahmärsche“ stets auf Vordermann hielt, klappte die Sache. Der Anker befand sich nach kurzer Zeit wieder auf der Galeone.
Jetzt wurde auch die Jolle wieder an Bord genommen. Gleich darauf ging die „Isabella“ abermals ankerauf, um Kurs auf den Öresund zu nehmen.
Das Wetter hatte sich in den letzten Stunden total verändert. Es war kalt und etwas sonnig, nichts erinnerte mehr an die dichten Nebelschwaden der vergangenen Nacht. Es herrschte klare Sicht, und der Wind wehte wieder aus Süden, so daß die „Isabella“ auf ihrem Weg in den Öresund kreuzen mußte.
Nach ungefähr zwei Stunden tauchte Steuerbord voraus die dänische Hafenstadt Helsingör auf.
Hasard, der sich neben Ben Brighton auf dem Achterdeck aufhielt, drehte an der Optik seines Spektivs.
„Jetzt brauchen wir uns wenigstens nicht mehr wegen des Sundzolls aufzuhalten“, sagte er. „Sonst hätten wir Helsingör anlaufen müssen.“
Ben Brighton nickte. „Da haben uns die Dänen direkt einen Gefallen getan, indem sie noch gestern abend abkassiert haben.“
Dieser Meinung war auch der Seewolf. Aber er sollte schon recht bald erfahren, daß meistens nichts so glatt verlief, wie man sich das wünschte oder vorstellte.
„Was soll das?“ fragte er plötzlich verwundert und schraubte wiederum am Kieker herum.
„Meinst du die Schaluppe?“ fragte Ben.
„Die meine ich“, erwiderte Hasard. „Der Segler schießt direkt aus dem Hafen und hält genau auf uns zu.“
„Merkwürdig“, meinte Ben Brighton. „Haben die gestern vielleicht was vergessen? Oder spielen sie jetzt plötzlich Händler, die uns Proviant verkaufen wollen?“
Hasard zuckte mit den Schultern.
„Es ist nicht die Schaluppe der Zollbehörde“, stellte er dann fest. „Das Schiff ist mir unbekannt. Vielleicht fallen die auch noch ab und gehen auf einen anderen Kurs.“
Aber diese Vermutung des Seewolfs bestätigte sich nicht. Der Segler hielt nach wie vor auf die „Isabella“ zu. Erst in einer Entfernung von weniger als einer halben Kabellänge ging die Schaluppe plötzlich auf Parallelkurs.
Der Seewolf schickte Philip junior, der zusammen mit seinem Bruder seit einer Stunde die Planken des Achterdecks schrubbte, nach Nils Larsen, weil er das Gefühl hatte, daß er bald einen Dolmetscher brauchen würde.
Nils Larsen erschien sofort.
„Ja, das sind Soldaten des dänischen Königs“, bestätigte er sofort. Und mit einem Seitenblick auf Edwin Carberry, der gerade mit Sir John auf der Schulter zum Achterdeck aufenterte, fügte er hinzu: „Vielleicht wollen die jetzt die Maulsteuer kassieren. Soll ich dir beim Heranschleppen der Goldstücke zur Hand gehen, Mister Carberry? Du kannst diese Menge unmöglich allein bewältigen.“
Ed musterte den blonden Dänen mit drohender Miene. „Du hast wohl lange keinen Belegnagel mehr im Kreuz gehabt, was, wie?“
Der Ara-Papagei, der sich wohlig in der Morgensonne räkelte, leistete seinem Herrn und Meister sofort Schützenhilfe.
„Aufbrassen, du Hering!“ krächzte er mit einem schiefen Blick auf Nils Larsen. „Hopp, hopp, hurtig, hurtig!“
Carberry nickte zustimmend und fuhr seinem Schützling mit einer Pranke liebkosend über das bunte Gefieder.
Dann wandte er sich ebenfalls der dänischen Schaluppe zu.
Ein Uniformierter, der auf dem Achterdeck stand, preite die Seewölfe an. Seine Stimme klang barsch und äußerst unfreundlich.
Die Seewölfe sollten auch gleich erfahren, warum.
Als Nils Larsen übersetzte, klappten ihnen beinahe die Kinnladen nach unten.
„Der Lieutenant fordert uns auf, sofort zu ankern oder den Hafen anzulaufen“, sagte Nils Larsen etwas verdattert.
„Und warum, wenn man fragen darf?“ Hasards Gesicht wirkte plötzlich ernst und verschlossen.
„Zwecks Entrichtung des Sundzolls!“ stieß Nils Larsen hervor.
Jetzt waren die Arwenacks samt und sonders verblüfft.
Hasard erlangte als erster die Fassung zurück, fischte seinen Revers aus der Tasche und hielt ihn deutlich sichtbar hoch.
„Erkläre dem Lieutenant das Mißverständnis“, befahl er Nils Larsen. „Er kann jederzeit an Bord kommen und sich die Zahlungsbestätigung ansehen. Und sag ihm auch, daß wir immerhin achtzig Silbertaler berappt haben und gar nicht daran denken, den Zoll zweimal zu zahlen.“
Nils Larsen dolmetschte, während der Seewolf die „Isabella“ stur weitersegeln ließ. Er dachte gar nicht daran, die Aufforderung des Lieutenants zu befolgen.
Doch der schien mit der Antwort Nils Larsens ganz und gar nicht zufrieden zu sein. Und da man auf der „Isabella“ noch immer keine Anstalten zeigte, seiner Aufforderung zu gehorchen, ließ er drei Böller lösen.
Das wiederum hatte – wie die Seewölfe mit Verwunderung feststellten – zur Folge, daß voraus bei der Insel Ven einiges passierte.
Acht schwer armierte Schaluppen verließen die Piers und schoben sich in den Sund. Wie sich bald zeigte, verfolgten sie eine ganz bestimmte Strategie. Vier von ihnen versperrten das Backbordfahrwasser, und die vier anderen riegelten das Steuerbordfahrwasser ab.
Zum selben Zeitpunkt meldete Bill aus dem Mars, daß drei weitere Schaluppen Helsingör verlassen hätten und nun – zusammen mit der ersten Schaluppe – von achtern auf segelten.
Die eisblauen Augen des Seewolfs funkelten plötzlich wütend.
„Das alles sieht ganz nach mächtigem Ärger aus“, sagte er mit fester Stimme. „Aber wenn die Schlitzohren sich einbilden, daß wir uns so mir nichts dir nichts verschaukeln lassen, dann täuschen sie sich.“
„Was willst du tun?“ fragte Ben. „Sollen wir uns mit ihnen anlegen?“
„Dazu hätte ich jetzt Lust“, erwiderte Hasard. „Aber das können wir bei dieser Übermacht natürlich nicht riskieren. Außerdem müssen wir die königliche Order berücksichtigen, die uns ebenfalls die Hände bindet. Trotzdem denke ich nicht daran, den Zoll noch mal zu zahlen. Das Vernünftigste ist wohl, wenn wir vor Anker gehen und den Beutelschneidern die Meinung geigen. Schließlich habe ich ja den Revers. Und den müssen sie wohl oder übel anerkennen.“
In Carberrys Gesicht zog ein Gewitter auf.
„Hab ich’s nicht gleich gesagt, daß die nordischen Lockenköpfchen hinter dem Geld her sind wie der Teufel hinter den armen Seelen, was, wie? Räudige Kakerlaken sind das, jawohl, Halsabschneider und uniformierte Bilgengespenster! Man sollte ihnen samt und sonders mit der Neunschwänzigen das Tanzen beibringen, diesen plattnasigen Gewitterziegen!“
„Bastarde, Hornochsen, Affenärsche!“ ergänzte Sir John mit einem lauten Krächzen. Und wieder einmal wunderte sich niemand mehr an Bord, woher der bunte Papagei seinen deftigen Wortschatz hatte.
Das Gesicht des Seewolfs wirkte eisig.
„Ed und Sir John haben völlig recht“, sagte er, „manchmal müßte man wirklich mit der Neunschwänzigen dreinschlagen.“ Dann gab er den Befehl zum Ankerwerfen.