Читать книгу Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 34
9.
ОглавлениеHasard begegnete Old O’Flynn bei der Morgenwache auf dem Achterdeck der „Isabella“.
„Was ist denn los, Donegal?“ fragte er ihn. „Du hast doch gar keinen Dienst.“ Es war noch nicht hell geworden, doch der Alte schlich wie ein Spukwesen herum.
„Ich mach mir so meine Gedanken“, brummte Old O’Flynn. „Wegen Stenmark. Du weißt ja, manchmal habe ich Gesichte und Visionen und all dieses Zeug, von dem Big Old Shane und die meisten anderen nichts hören wollen.“
„Ja. Ich habe es auch nicht so gern, wenn du mit deiner Schwarzmalerei anfängst, Donegal.“
„Schon gut. Aber mit Stenmark stimmt was nicht. Der hat sich in Gefahr begeben, ich schwör’s dir. Ich will den Teufel dieses Mal nicht ans Schott malen, doch ihm ist was zugestoßen, das spüre ich in meinem Beinstumpf, verflucht noch mal.“
„Donegal“, sagte der Seewolf. „Stenmark hat Landurlaub, bis morgen früh noch. Er ist hier zu Hause und aufgebrochen, um seine Familie zu besuchen. Ich glaube, daß er damit ganz bestimmt allein fertig wird. Wieso sorgst du dich eigentlich so um ihn?“
„Hör mal“, entgegnete der Alte zornig. „Ich bin auch kein Unmensch und halte eine ganze Menge von Kameradschaft – wenn auch so mancher hier an Bord meint, ich sei ein mürrischer alter Meckerer. Wenn du’s genau wissen willst: mir sind die Männer ans Herz gewachsen, jeder von ihnen. Mir täte es ganz gewaltig leid, wenn Stenmark unsere Hilfe in diesem Moment brauchen könnte, während wir hier wie die Blödmänner rumstehen, verstehst du?“
Hasard lächelte. „Ja. Du hast dich ja deutlich genug ausgedrückt. Überhaupt ist es gut, solche netten Worte mal aus deinem Mund zu hören, Donegal.“
Kurze Zeit darauf lächelte er allerdings nicht mehr, denn im ersten schwachen Dämmerlicht des neuen Tages erschien ein Mann auf der Holzpier und wurde von Batuti aufgehalten, der an der Gangway Wache hielt.
„Ich möchte bitte mit Ihrem Kapitän sprechen“, sagte der Mann, doch die Angst, die er vor dem schwarzen Herkules verspürte, war seinen Zügen deutlich abzulesen.
„Ich verstehe kein Wort“, sagte der Gambia-Mann, dann drehte er sich zur Kuhl hin um und rief: „Deck! Hier will jemand was von uns, glaube ich, er scheint so ein alter Schwede zu sein.“
Blacky, der auf der Kuhl Wache hatte, trat näher, dann erschienen auch Hasard, Old O’Flynn und Nils Larsen. Nils begann zu übersetzen, was der fremde Mann vortrug.
„Ich bin der Besitzer des Mietstalls hier ganz in der Nähe“, erklärte er. „Örjan ist mein Name. Gestern nachmittag hat ein Mann bei mir ein Pferd ausgeliehen – einen Schimmel. Ich wollte fragen, ob dieser Mann von Bord Ihres Schiffes stammt.“ Er wies die Silbermünze vor, die Stenmark ihm gegeben hatte. „Ich dachte mir, dieses ausländische Geldstück könnte vielleicht von dem einzigen ausländischen Schiff stammen, das zur Zeit bei uns im Hafen liegt.“
„Wir sind Engländer beziehungsweise ein paar Holländer und Dänen, und das ist eine spanische Münze“, sagte Nils Larsen nicht sonderlich freundlich, denn er vermutete, daß Örjan sie aufgesucht hatte, um irgendwelche unsinnigen Forderungen zu stellen.
„Einen Augenblick“, sagte der Seewolf jedoch, nachdem Nils für ihn und die anderen gedolmetscht hatte. Er beschrieb Stenmark so genau wie möglich, dann fragte er: „War das der Mann, von dem Sie sprechen, Örjan?“
Örjan bestätigte dies und fügte hinzu: „Der Schimmel ist vor einer halben Stunde in meinen Stall zurückgekehrt – allein. Ich bin ja von diesem Stenmark im voraus bezahlt worden, trotzdem finde ich das Ganze reichlich seltsam. Ist Stenmark an Bord Ihres Schiffes zurückgekehrt?“
„Nein, das ist er nicht“, erwiderte Hasard. „Er kann das Pferd also nicht zu Ihnen geschickt haben, falls es das ist, was Sie meinen, Örjan.“
„Eben. Deshalb hielt ich es für meine Pflicht, Sie zu benachrichtigen. Der Schimmel erscheint mir sehr nervös. Er ist schweißbedeckt, was darauf schließen läßt, daß er im Galopp mindestens zehn Meilen weit gelaufen ist.“
„Kann ich ihn mir einmal ansehen?“ fragte Hasard.
„Selbstverständlich“, antwortete der hilfsbereite Schwede. „Sie brauchen mir nur zu folgen.“
Dan O’Flynn war inzwischen ebenfalls auf dem Hauptdeck erschienen, er blickte vom einen zum anderen und fragte: „Was ist denn los? Ist was nicht in Ordnung?“
„Sieht so aus“, entgegenete Hasard, dann warf er Dans Vater einen langen Blick zu. „Manchmal glaube ich doch, du kannst hinter die Kimm schauen, Donegal.“
„Das habe ich nie behauptet“, brummte der Alte. „Wie ist es, kann ich dich begleiten?“
„Nein. Du übernimmst für die Zeit meiner Abwesenheit mit Ben zusammen das Kommando über die ‚Isabella‘. Dan und Nils, ihr geht mit, wir statten Örjans Stall einen Besuch ab, und dann entscheiden wir, was zu tun ist.“
„Augenblick, Sir“, sagte Blacky. „Könnte das nicht ein Trick sein, um uns in eine Falle zu locken? Ich meine, wir haben doch schon die tollsten Sachen erlebt, und es wäre nicht ausgeschlossen, daß irgendeine Bande von Hafenratten uns ausplündern will.“
Örjan verstand natürlich kein Wort von dem, was sie sprachen, denn sie unterhielten sich auf englisch. Hasard, Nils und selbst Old O’Flynn, der sonst immer die größte Skepsis an den Tag legte, waren der Ansicht, daß Örjan es ehrlich meinte. Hasard, Dan und Nils wollten ihn begleiten und sich selbst ein Bild von der Angelegenheit verschaffen.
„Wenn wir in einer Stunde nicht zurück sind“, sagte Hasard zu Old O’Flynn, „kannst du von mir aus den Hafenmeister, den Stadtkommandanten und die gesamte Garde von Göteborg alarmieren, vorher aber nicht. Sollte ich Örjan als Boten schicken, hat das seine Richtigkeit, denn es könnte sein, daß wir sofort aufbrechen müssen, um Stenmark aus der Klemme zu helfen.“
„Und wie soll ich Örjan verstehen?“ fragte der Alte. „Ich kann keinen einzigen Brocken Schwedisch, bei allen Seejungfrauen! Da du Nils mitnimmst, haben wir hier auch keinen Dolmetscher mehr.“
„Ich könnte dir einen Zettel schreiben, den Örjan dir dann überbringt“, sagte der Seewolf ungeduldig. „Das Lesen hast du doch noch nicht verlernt, oder?“
„Nein“, erwiderte Old O’Flynn. „Und wenn ich deine Kritzelei nicht entziffern kann, habe ich ja immer noch die Zwillinge, nicht wahr? Die sind ja gewissermaßen in die Schule gegangen und haben einiges mehr auf dem Kasten.“
Hasard hörte schon gar nicht mehr darauf, er hatte sich Örjan angeschlossen und bedeutete Nils und Dan durch einen Wink, sich ebenfalls in Bewegung zu setzen.
Blacky und Batuti hätten auch gern zu diesem kleinen Landtrupp gehört, aber sie wagten lieber gar nicht erst, dem Seewolf einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Wenn Hasard eine so besorgte Miene zog wie jetzt, gab es mit ihm nicht viel zu debattieren. Er hatte Dan und Nils ausgesucht, und damit basta!
Bis zum Mietstall war es wirklich nicht weit, und so konnten Hasard und seine beiden Begleiter den Schimmel schon kurze Zeit später aus nächster Nähe untersuchen.
Spuren, die auf einen Kampf schließen ließen, fanden sie nicht, aber Hasard sagte: „Stenmark hätte das Pferd niemals ohne stichhaltigen Grund aufgegeben oder fortgeschickt, schon gar nicht in dem Schneegestöber von heute nacht. Es muß etwas passiert sein.“
Ohne länger zu zögern, gab er Örjan drei Silbermünzen und ließ sich drei Pferde aushändigen. Beim Aufzäumen und Satteln halfen die Männer der „Isabella“ mit, und Hasard ließ sich genau den Weg nach Kungelf beschreiben. Diesen Namen hatte Stenmark ihm genannt, bevor er aufgebrochen war, dort sollten die Stenmarks zu Hause sein.
Nils Larsen übersetzte wieder fleißig, was gesprochen wurde, und am Ende wußte Hasard Bescheid. Am Göta-Fluß entlang mußte er reiten, das war der schnellste Weg nach Kungelf. Rasch schrieb er noch eine Nachricht für Old O’Flynn und Ben Brighton auf, dann schwang er sich auch schon in den Sattel der braunen Stute, die er ausgewählt hatte.
Örjan winkte ihnen nach, nachdem auch Nils Larsen und Dan O’Flynn in die Sättel ihrer Tiere gestiegen waren. Die drei Männer brachen auf und verließen die Stadt, Örjan begab sich zurück zur „Isabella IX.“ und brachte die Botschaft, die Hasard ihm mit Kohle auf ein Stück Pergament geschrieben hatte.
Es schneite immer noch. Stenmark kauerte in der Höhle und lud zum letztenmal die Pistolen nach. Noch zwei Wölfe hatte er durch gezielte Schüsse erlegen können, die anderen hatte er mit brennenden Holzscheiten und mit seinem Cutlass verjagt. So war es ihm immer wieder gelungen, den Angriff des Rudels abzuwehren.
Auf Björnsons Unterstützung durfte er nicht mehr hoffen, der Mann lag zusammengekrümmt neben dem Feuer und kam nicht wieder zu sich. Stenmark war von den größten Sorgen um seinen gesundheitlichen Zustand bewegt, doch er hatte nach wie vor nicht die geringste Chance, den Landeshauptmann fortzuschaffen und nach Göteborg zu transportieren.
Die zweibeinigen Wölfe belagerten jetzt die Höhle. Sie hatten sich in der Dunkelheit angeschlichen und bereits mehrere Schüsse auf ihn abgegeben, wenn er sich gegen die Wölfe verteidigt hatte. Stenmark wußte, daß er die Nase nicht zu weit vorstrecken durfte – und daß sie ihn früher oder später holen und töten würden, wenn keine Hilfe eintraf.
Sie waren wieder zu viert, wie er sich hatte ausrechnen können. Sie waren die Männer aus dem Hohlweg, hatten sich von ihrer Niederlage erholt und in der Nacht wohl die Pistolenschüsse vernommen, die Björnson und Stenmark auf die Wölfe abgegeben hatten. Wie Stenmark vermutet hatte, war es für sie nicht weiter schwierig gewesen, ihre Opfer zu finden.
Diesmal würden sie als die Sieger aus dem Kampf hervorgehen. Stenmark gab sich keinen falschen Hoffnungen hin. Er war erschöpft und verbiestert, die Nacht war hart gewesen. Er hatte nur noch zwei Schüsse, der Feind aber verfügte sicherlich über ausreichend Munition für seine Musketen.
Stenmark blickte auf die Gestalt des Landeshauptmanns hinunter und dachte: Wir sind verraten und verkauft. Freund Stig, es muß schon ein Wunder geschehen, wenn wir das hier noch lebend überstehen sollen.
Das Feuer war ganz heruntergebrannt, der Rauch stieg aus der Glut auf, kräuselte sich der Höhlendecke entgegen und kroch schwerfällig ins Freie. Bald würde auch die Glut erlöschen, denn weitere Scheite konnte Stenmark nicht mehr hereinholen. Er brauchte nur einen Schritt ins Freie zu tun, dann stand er wie eine lebendige Zielscheibe auf dem Präsentierteller. Es war Selbstmord.
Draußen bewegte sich eine Gestalt, er konnte sie im zunehmenden Licht der Dämmerung genau sehen. Ein Schuß krachte, die Kugel pfiff auf den Eingang zu und krepierte als Querschläger an der linken Seite.
Stenmark riß eine seiner Pistolen hoch und drückte ab. Brüllend löste sich der Schuß. Aber auch er traf nicht, der Kerl im Freien lachte nur hämisch und war im nächsten Augenblick verschwunden.
Jetzt hatte Stenmark nur noch einen Schuß.
Er verfluchte sich selbst und bereute, daß er ohne Begleitung von der „Isabella“ aus aufgebrochen war. Ein verdammter Narr war er gewesen. Er hätte Olaf Sundbärg töten sollen. Auch der Kerl, den er ihm Hohlweg überwältigt hatte, hätte nicht mit dem Leben davonkommen dürfen. Was hatte er jetzt davon? Er zog den kürzeren, und die Kerle dachten nicht daran, ihn zu verschonen, weil er einen von ihnen fair behandelt hatte.
Aber er wollte sein Leben so teuer wie möglich verkaufen. Wenn sie die Höhle stürmten, nahm er mindestens noch zwei mit ihnen auf den Weg in die Hölle, das schwor er sich. Den einen würde er niederschießen, den anderen mit dem Schiffshauer töten.
Nur um Björnson tat es ihm leid. Er fühlte sich verantwortlich für dessen Schicksal. Björnson würde sterben, und so hatte Olaf Sundbärg auch das zweite Opfer, das er in seinem Haß und Wahn forderte.