Читать книгу Seewölfe Paket 28 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 16

2.

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Das Gangspill stand unter Deck zwischen Fock- und Großmast. Die Ankertrosse verlief über eine Beting, wo sie belegt werden konnte, zur Backbordankerklüse, die sich zwischen Vorsteven und Galion befand. Das Spill wurde mit acht Spaken bestückt, an jeder Spake hatten drei Mann Platz – bequem, darum wurden die restlichen Mannen dazwischengeklemmt.

„Auf geht’s, ihr müden Traneulen!“ röhrte Carberry und stemmte sich mit seiner Spakencrew – Big Old Shane, Ferris Tucker und Batuti – gegen das Hartholz.

Müde Traneulen! Das ließen sich die Kerle kein zweites Mal sagen. Sie stemmten und drückten, daß ihnen die Augen aus den Höhlen quollen.

„Uuaahh!“ ächzte Carberry, und seine Stirnadern schwollen zu Würmern an.

Aber auch das war bei allen Arwenacks gleich, ebenso die roten Köpfe und die Verbissenheit, dem verdammten Kahn, der geruht hatte, sich festzusetzen, Manieren beizubringen.

„Trosse steht steif!“ schrie Mac Pellew, der sich als einziger auf der Back befand, um zu melden, was sich tat.

Dann barst am Gangspill etwas, und die Carberryspakencrew schoß, mit dem Kopf voran, ihren Vorderleuten ins Kreuz. Das waren Ben Brighton, Matt Davies, Stenmark und Paddy. Denen rutschten die Füße weg, und sie kippten rücklings auf die Carberrycrew.

Die Wuhling war perfekt.

Und die Carberrycrew hatte eine Spake abgebrochen.

„Trosse steht nicht mehr steif!“ schrie Mac Pellew.

Carberry schüttelte Paddy ab, der auf ihm herumstrampelte, sprang auf – und Matt Davies auf den Bauch – und brüllte: „Scheißspake, verdammte!“

„Du stehst auf meinem Bauch!“ brüllte Matt Davies wütend.

Und Mac Pellew, der nur die Hälfte verstand, schrie: „Jawohl, sie steht nicht mehr steif, auch nicht auf und nieder! Ihr müßt härter ranklotzen, Leute, sonst wird das nichts!“

Matt Davies bäumte sich auf und beförderte den Profos mit einem Ruck auf die Planken. Am liebsten hätte er ihm den Prothesenhaken in die Waden gehauen, konnte sich aber noch bremsen. Carberry stieß sich beim Aufprall das Kreuz und fluchte lästerlich.

„Ruhe, verdammt noch mal!“ donnerte Hasard.

Die gestürzten Mannen rappelten sich auf. Ferris Tucker zog den Spakenrest aus dem Loch in der Trommel und betrachtete ihn kopfschüttelnd. Carberry holte bereits eine neue Spake aus dem Rack an der Bordwand. Seine Miene war finster. Die von Ferris hingegen wirkte verkniffen.

„Was ist los, Ferris?“ fragte Hasard.

Ferris schaute auf. „In dem Ding sitzt der Holzwurm, Sir. Deswegen der Bruch.“

„Hoffentlich sitzt der nicht auch im Kiel!“ motzte Carberry. „Dann können wir uns gleich einsargen lassen.“

„Quatsch!“ sagte Ferris Tucker kurz und bündig. „Gib mir mal die neue Spake.“

Carberry reichte sie ihm. Der Schiffszimmermann prüfte sie von allen Seiten, von oben nach unten und von unten nach oben.

„Die ist in Ordnung“, sagte er.

„Schau die anderen auch nach, Ferris“, sagte Hasard, „bevor’s hier noch mehr Kleinholz gibt. Und später solltest du auch das Rack, Bordwand, Planken und Umgebung überprüfen.“

„Hätte er längst tun sollen“, nörgelte der Profos.

Hasard warf ihm einen scharfen Blick zu. „Sei friedlich, Ed. Du hast allen Grund dazu. Daß Smoky wild aufs Wetten ist, wissen wir alle. Aber du hast die Wette angenommen – was letztlich dazu geführt hat, daß wir aufgebrummt sind.“

„Da solltest du mir dankbar sein, Sir“, sagte der Profos unverfroren, „sonst hätten wir nie den Holzwurm entdeckt!“

„O Gott“, sagte Hasard. „Was ist denn das für eine Logik! Man setzt doch kein Schiff auf eine Untiefe, um den Holzwurm zu finden! Mir scheint, die Tierchen haben sich auch deines Kopfes angenommen, mein Guter!“ Er schaute zum Schiffszimmermann. „Wie ist das, Ferris, rückt man dem Holzwurm nicht mit Petroleum zu Leibe?“

„Genau das, Sir“, erwiderte Ferris Tucker grinsend. „Man kann auch kochendheiße, mit Kochsalz versetzte Seifensiederlauge nehmen. Oder Holzteer. Vielleicht waren es sogar Eds Tierchen, von denen die ‚Santa Barbara‘ befallen wurde! Erst haben sie seinen Holzkopf kreuz und quer durchlöchert, und dann mußten sie wegen Holzverknappung ausziehen. Das würde vieles erklären.“

Die Mannen feixten.

Carberry zog es vor, das Thema nicht weiterzuspinnen. Wenn er den Kapitän gegen sich hatte, bekam er sowieso kein Bein mehr an Deck.

„Pff!“ äußerte er verächtlich, entriß Ferris Tucker die neue Spake und rammte sie ins Spakenloch. „Was ist? Soll ich die Tante vielleicht allein vom Dreck ziehen, was, wie?“

„Wer frißt denn hier täglich pfannenweise Spiegeleier?“ fragte Matt Davies erbost. „Außerdem bist du mir mit deinen Themsekähnen auf dem Bauch herumgestiegen, wofür du dich zumindest entschuldigen könntest.“

„Ach, darum war das so weich“, lästerte der Profos. „Dachte schon, ich steh’ in einem Haufen …“

„Schluß jetzt!“ Hasard klatschte in die Hände. „Auf ein Neues, Freunde!“

Und wieder stemmten sich die Mannen gegen die Spaken, nachdem Ferris Tucker alle überprüft, jedoch keine weiteren Bohrlöcher entdeckt hatte.

„Trosse kommt steif!“ schrie Mac Pellew von der Back her.

Das war aber auch alles. Sie brachten die „Santa Barbara“ um kein Fitzelchen weiter. Die „Tante“ saß unverrückbar fest.

Hasard gab nicht so leicht auf, das war nicht seine Art. Aber jetzt sagte er: „Es hat keinen Zweck – zumindest zur Zeit nicht. Ich schätze, das Wasser läuft bereits ab. Da können wir uns krumm und dusselig schuften – es bringt nichts. Wir müssen den nächsten Hochwasserstand abwarten. Das wird morgen früh sein. Schätze, daß wir’s dann schaffen …“

„Trosse steht nicht mehr steif!“ schrie Mac Pellew. Er war so ein richtiger Nervtöter, der alte Griesgram.

„Den erwürge ich demnächst!“ knirschte Blacky.

„Aber erst nach dem Backen und Banken“, sagte Hasard heiter. „Regt euch nicht auf, Kerls, und macht euch einen ruhigen Tag. Wir haben keine Eile und sind nicht zum erstenmal aufgebrummt. Ed, bitte den Ausguck im Mars besetzen lassen. Ferris, vielleicht sollten wir Balken bereitlegen, um die ‚Santa Barbara‘ zu verpallen und somit auf ebenem Kiel zu halten. Was meinst du?“

„Daran dachte ich auch schon“, erwiderte Ferris Tucker. „Ja, es ist besser, wir stützen das Schiff ab. Das geht klar, Sir, ich kümmere mich darum.

„Trosse hängt immer noch durch!“ schrie Mac Pellew.

„Vielleicht verklart ihm mal einer, daß wir erst morgen früh wieder ans Spill gehen“, sagte Hasard und grinste.

„Das würde ich nicht tun, Sir“, sagte Carberry.

„Und warum nicht?“

„Ich möchte mal wissen, wann er merkt, daß wir unseren Versuch aufgegeben haben“, erwiderte der Profos listig.

„Du bist immer scharf darauf, andere zu ärgern, was, Ed?“

„Spaß muß sein, Sir. Spaß ist das Salz in der öden Suppe des Bordallerleis“, erklärte der Profos.

„Aha. Den Spruch muß ich mir merken. Aber der Spaß geht auf Kosten eines einzelnen. Findest du das richtig?“

„Jeder ist mal dran, Sir“, versicherte der Profos.

„Na gut. Sag mir, wann du an der Reihe bist, damit ich recht herzlich lachen kann.“

„Aye, Sir, werde daran denken.“

Grinsend stiegen die Mannen wieder an Deck und verteilten sich. Der Kutscher begab sich kopfschüttelnd in die Kombüse. Was der Profos so Spaß nannte! Mitunter waren das seltsame Späße. Er begann, den Zackenbarsch auszunehmen und zu portionieren.

Auf der Back schrie Mac Pellew, den Blick nach voraus gerichtet, wo die Ankertrosse ins Wasser verlief: „Trosse hängt noch durch!“

Carberry und ein paar andere stiegen leise auf die Back und lehnten sich an die Balustrade zur Kuhl. Sie grinsten bis zu den Ohren über den guten Mac. Immerhin nahm er seine Aufgabe sehr ernst und ließ keinen Blick von der Trosse.

In den Hauptmars enterte Gary Andrews auf und übernahm die Ausguckwache.

Sir John segelte vom Besan zur Fockrah und plierte zu Mac hinunter, den Kopf schiefhaltend. Offenbar interessierte ihn der Vorgang. Aber das hing wohl damit zusammen, daß auch sein Herr und Meister – der Profos – so heiter gestimmt auf den Rücken des Kombüsenmannes starrte.

Der schrie: „Keine Veränderung! Trosse hängt weiter durch!“

„Hängt weiter durch, hängt weiter durch!“ plärrte Sir John.

„Halt’s Maul, du karierte Filzlaus!“ sagte Mac verdrossen.

Sir John flötete schrill, ließ ein „Liebling!“ folgen und schnalzte dann. Er verfügte über seltsame Stimmlaute, denn jetzt gurrte er und kommentierte: „Süüßer!“

„Was hat dich denn gebissen?“ Mac Pellew drehte sich um – und entdeckte die feixenden Kerle an der Balustrade. „Was soll das denn?“ fuhr er sie an. „Habt ihr nichts zu tun? Werdet ihr am Spill nicht gebraucht? Die Trosse hängt immer noch durch, Himmelarsch!“

„Ja, noch bis morgen früh, Mackilein“, sagte der Profos mit infamer Freundlichkeit.

„Wieso?“ Mac wirkte irritiert.

„Ach ja, wir haben schon seit ’ner Weile aufgehört, weißt du?“ sagte der Profos. „Weil jetzt ablaufendes Wasser ist. Hast du das noch nicht bemerkt?“

„Und ich Blödmann paß auf die Trosse auf!“ sagte Mac Pellew erbittert.

„Blödmann stimmt“, sagte der Profos. „Aber wir wollten dich nicht stören, weil du immer so schön ausgesungen hast, was die Trosse tut. Du kannst natürlich weiter aussingen, daß die Trosse durchhängt, aber das wird sich bis morgen früh nicht ändern, und inzwischen ist das auch allgemein bekannt, ehrlich! Vielleicht könntest du jetzt besser dem Kutscher zur Hand gehen. Ich glaube, der zerschnippelt schon den Barsch. Wir haben ja bald Backen und Banken.“

Der Barsch! Mac bekam glitzernde Augen.

„Smoky hat die Wette verloren!“ stieß er hervor. „Auch Philip hatte einen Barsch am Blinkerhaken!“

Das hatte der Profos doch glatt vergessen. Er drehte sich um und blickte über die Kuhl. Na, wo steckte der Kerl denn? Er war nirgends zu sehen. Vielleicht hatte er sich unter Deck verzogen. Aber das würde ihm auch nichts nutzen.

„Wann säbelst du ihm die Haare ab?“ fragte Mac Pellew sensationslüstern.

Der Profos wandte sich wieder um. „Nach dem Backen und Banken. Wir haben ja genug Zeit. Da geb’ ich ’ne Vorstellung auf der Kuhl, so daß alle gut zusehen können, wie ich ihn barbiere.“ Und der Profos grinste faunisch. Es sah genauso fürchterlich aus wie das Grinsen von Mac Pellew.

„Vielleicht solltest du ringsum alles kahl scheren“, schlug Mac vor, „und nur in der Mitte ein Büschel stehenlassen – wie ’ne Schilfinsel.“ Mac kicherte.

Carberry hielt das auch für eine gute Idee, aber Al Conroy, der sich mit auf der Back befand, schüttelte den Kopf.

„Das wäre nicht fair, Ed“, sagte er. „Ihr habt darum gewettet, daß der Sieger dem Verlierer ’ne Glatze schneidet. Wenn du in der Mitte was stehenläßt, dann ist das Wettbetrug.“

„Na, hör mal!“ entrüstete sich der Profos. „Er kann doch froh sein, wenn ich ihm in der Mitte einen Bürzel stehenlasse. Dann ist sein Kürbis nicht ganz so blank.“

„Da wird Smoky anderer Ansicht sein“, erklärte Al Conroy. „Die Wette gilt so, wie sie vereinbart wurde. Ich würde auch lieber mit ’ner Glatze rumlaufen als mit ’nem Bürzel. Wie sieht das denn aus! Unmöglich!“

„Dann muß er sich eben ’n Hut aufsetzen“, sagte Mac giftig. „Ed hat damals auf der Ostsee ’ne Pelzmütze getragen. Weißt du, was du bist, Mister Conroy? Ein Spielverderber bist du!“

„Zisch ab, Mac“, sagte Al Conroy gemütlich. „Der Kutscher hat schon zweimal nach dir gerufen.“

„Hab’ ich nicht gehört.“

„Aber ich!“

Mac verzog sich maulend.

Es gab an diesem Mittag erlesene Barschfilets in einer scharfen Currysauce, dazu gedünstete Bataten und Tomaten aus der Proviantschenkung des Sultans von Masquat. Der Kutscher und Mac Pellew hatten wieder mal gezaubert und in die vollen gegriffen. In dieser Hinsicht waren die Arwenacks anderen Crews um mehrere Schiffslängen voraus, aber die hatten ja auch keinen Kutscher samt seinem getreuen Gehilfen Mac.

Dabei sah man den beiden mageren Kerlen äußerlich überhaupt nicht an, daß sie hervorragende Köche waren – unterstellte man, daß gute Köche vom vielen Probieren und Naschen auch dick sein müßten. Den Kutscher hätte man für einen Gelehrten halten können und Mac für einen Schneider.

„Was geht’s uns wieder gut“, tönte der Profos zufrieden, beklopfte seinen Bauch und blickte in die Runde, die auf der Kuhl im Schneidersitz versammelt und kräftig am Schaufeln war. Wohlwollend betrachtete er Paddy Rogers und fragte: „Wirst du auch satt, mein Junge?“

„Mhm!“ äußerte Paddy mit vollem Mund und verzückten Augen.

„Dann ist ja alles in Ordnung“, meinte der Profos, stutzte darauf, schaute wieder in die Runde, schüttelte den Kopf und fragte: „Wo steckt denn unser liebes Smokylein, Leute?“

Die Köpfe hoben sich, allgemeines Herumblicken, wo denn das „liebe Smokylein“ sein könne, und gleichfalls großes Staunen.

Carberry runzelte die Stirn.

Old Donegal sagte so nebenbei: „Sicher hat er sich in die Koje gehauen.“

„In die Koje? Wenn Backen und Banken ist?“ fragte der Profos grollend. „Was sind denn das für neuartige Manieren eines Decksältesten! Da soll doch gleich das Kielschwein quieken! Bill, bist du fertig mit Stauen?“

„Bin ich“, erwiderte Bill. „Ich soll ihn holen, wie?“

„Kluges Kerlchen“, sagte der Profos.

Old Donegal wurde rappelig. „Bestimmst du hier, was einer in seiner Freiwache zu tun hat? Sind das die neuartigen Manieren eines Profos’? Wenn Smoky schlafen will, dann ist das seine Sache. Und wenn er essen will, genauso. Was er mit seiner Freiwache anfängt, geht dich einen feuchten Staub an, Mister Carberry!“

„Wer Backen und Banken verpennt“, donnerte Carberry, „der kriegt erst am Abend wieder was zu futtern! Hier sitzen alle anderen Freiwächter – wie sich das gehört und an Bord Brauch ist. Nur der Mister Smoky scheint das nicht nötig zu haben. Und was ist mit seiner Portion? Soll die ihm vielleicht an der Koje serviert oder heute abend extra aufgewärmt werden?“ Der Profos geriet noch mehr in Braß. „Da rackern sich der Kutscher und Mac ab, für uns alle eine Gaumenfreude zu bereiten – für uns alle, betone ich –, aber Seine Lordschaft geruhen, sich in die Koje zu hauen und zu schnarchen! Ist das hier ein Schiff mit der Gemeinschaft der Arwenacks, oder befinden wir uns auf dem Lustschloß von Lord Smoky of Smokyschnarch?“

„Vielleicht schnarcht er gar nicht“, sagte Old Donegal etwas spitzfindig. „Und seine Portion könnte bestimmt Paddy noch verstauen. Nicht, Paddy?“

Paddy bestätigte strahlend, daß er noch Platz in seinem Bauch habe.

Wenn Old Donegal dachte, den Profos von dem Thema Smoky abzubringen, dann lag er auf dem falschen Kurs. Dies um so mehr, weil Carberry ja beabsichtigte, auf der Kuhl nach dem Backen und Banken, „’ne Vorstellung“ zu geben, wie er verkündet hatte.

„Bill, hol den Kerl!“ befahl der Profos unnachgiebig. „Sag ihm, jetzt sei Backen und Banken, aber keine Schnarchstunde.“

„Und wenn er nicht will?“ fragte Bill.

„Der hat zu wollen“, knurrte der Profos, „sonst wird er von mir geschlachtet!“

„Ha-ha!“ sagte Old Donegal höhnisch. „Bist wohl heute mächtig stark, was, Mister Carberry? Erst ’ne Spake abbrechen und dann noch den Decksältesten schlachten!“

„Paß auf, daß ich dich nicht aus Versehen verschlucke, Mister O’Flynn“, sagte Carberry.

Sie waren heute einander mal wieder herzlich zugetan, der Profos und der alte Zausel. Sir John erkannte das auch und schmetterte von der Großrah: „Gib Küßchen, kille-kille!“

Bill verschwand grinsend im Vordeck.

„Die Sprüche von deinem Geier werden auch immer dämlicher“, lästerte Old Donegal, „aber braucht einen ja nicht zu wundern – wie der Herr, so sein Vogel!“

Sir John lauschte, brachte ein Gelächter zustande und verkündete: „Hepp-hepp-alter-Knacker-Kacker!“

„Damit meint er dich, Mister O’Flynn“, sagte Carberry spitz, „und er hat das trefflich ausgedrückt.“

Old Donegal schlug sofort zurück. „Er hat uns verwechselt, dieser schielende Marabu!“

Carberry wurde einer Antwort enthoben. Bill kehrte ziemlich eilig zurück.

„Smoky ist nicht in seiner Koje“, meldete er.

„Nicht in seiner Koje?“ fragte der Profos verdutzt. „Ja, wo denn dann?“ Er rappelte sich auf und blickte auf Old Donegal hinunter. „Hast du nicht gesagt, er habe sich in seine Koje gehauen?“

„Ich habe nur eine Vermutung ausgesprochen, Mister Carberry“, erwiderte Old Donegal von oben herab. „Falls dir der Unterschied zwischen einer Vermutung und einer Behauptung nicht bekannt ist, erkläre ich dir das gern.“

Carberry wurde wild. „Du hast wortwörtlich gesagt: ‚Sicher hat er sich in die Koje gehauen!‘ Das ist keine Vermutung, sondern eine Behauptung! Willst du das leugnen?“

„Das war eine Feststellung – eine Feststellung, die eine Vermutung ausdrückt. Oder eine mögliche Erklärung, gewissermaßen eine Hypothese, eine Annahme, so könnte es sein. Könnte! Nicht: so ist es! Ich habe nichts behauptet, sondern …“

„Du Arsch mit Zöpfen!“ brüllte Carberry und war drauf und dran, dem Alten an die Gurgel zu gehen. „Du mieser Taschenspieler! Du windiger Wortverdreher …“

Ferris Tucker zog Carberry am Hemd zurück und sagte: „Reg dich ab, Ed. Wenn einer spinnt, mußt du ihn spinnen lassen. Der Satz, ‚Sicher hat er sich in die Koje gehauen‘, enthält auch nach meiner Auffassung eher eine Behauptung als eine Vermutung, alles andere ist Quasselkram. Viel wichtiger ist die Frage, wo Smoky abgeblieben sein könnte, wenn er nicht in der Koje steckt. Hier an Oberdeck befindet er sich auch nicht. Wo dann?“

„Vielleicht hockt er auf der Galion und legt ’n Ei“, sagte Luke Morgan.

„Schau nach, Luke“, befahl Ferris Tucker.

Luke stieg auf die Back, erkundete die Galion, kehrte zurück und schüttelte den Kopf.

„Kein Smoky“, erklärte er.

Die Mannen blickten sich irritiert an. Der einzige, der sich desinteressiert zeigte, war Old Donegal.

Er gähnte und sagte: „Ich mach’ ein Nickerchen. Falls mich jemand sucht – ich bin in meiner Koje.“ Er betonte das „ich“, warf Carberry einen schiefen Blick zu, rappelte sich auf und verzog sich ins Achterdeck, wo er seine Kammer hatte.

Ferris Tucker starrte hinter ihm her und kratzte sich nachdenklich am Kinn. Carberry scheuchte indessen bereits die Mannen hoch, um nach Smoky suchen zu lassen. Mac Pellew unkte, Smoky plansche bestimmt unten in der Bilge herum, um sich dem Kahlschnitt zu entziehen. Aber Carberry war zur Zeit sauer und hatte für Macs Art von Humor nicht viel übrig. Tatsächlich sorgte er sich, mußte sich jedoch sagen, daß nichts passiert sein konnte – etwa so eine üble Geschichte wie jene im letzten Monat, als Old Donegal im Sturm abgekantet war, ohne daß jemand an Bord etwas davon bemerkt hatte.

Nein, das schied hier aus. Beim Versuch, die „Santa Barbara“ mit dem Gangspill von der Untiefe zu ziehen, war Smoky noch unter den Mannen gewesen, das konnte er, Carberry, selbst bezeugen. Erst nach diesem vergeblichen Manöver war Smoky nicht mehr gesehen worden.

Wäre er über Bord gesprungen, hätte Gary Andrews Alarm geschlagen. Ein idiotischer Gedanke! Warum sollte Smoky über Bord springen? Doch nicht wegen dieser Lappalie, daß ihm eine Glatze bevorstand!

„Mein Gott, die wachsen doch wieder nach, die Haare“, murmelte Carberry vor sich hin.

„Wie?“ Ferris Tucker drehte sich zu ihm um.

„Ach – nichts. Wenn Smoky abgängig ist, müssen wir Hasard wahrschauen, Ferris. Oder tun wir das besser gleich?“

„Erst mal abwarten, wo er steckt“, sagte Ferris Tucker. „Von Bord ist er keinesfalls.“

„Das meine ich auch“, sagte Carberry. „Aber merkwürdig ist das schon.“

„Was ist merkwürdig?“

„Das einer verschwindet, und keiner hat was gesehen.“

„Wir waren eben alle beschäftigt“, meinte Ferris Tucker.

„Glaubst du, daß er sich versteckt hat, um sich vor dem Haareschneiden zu drücken?“ fragte Carberry.

Ferris Tucker grinste. „Das wird’s wohl sein, Ed.“

„Verdammt noch mal“, knurrte der Profos, „dieser wettsüchtige Kerl hat die Wette angeregt, nicht ich! Er hätte ja auch um ’ne Perle wetten können. Oder darum, daß der Verlierer ein Faß Rum stiften muß. Was weiß ich! Jetzt hat er verloren und kneift. Das finde ich echt beschissen.

„Finde ich auch“, sagte Ferris Tucker. „Es ist eine Ehrensache, daß man für eine verlorene Wette einsteht.“

So palaverten sie hin und her, und allmählich versammelten sich die Mannen wieder auf der Kuhl. Smoky war nicht entdeckt worden, auch nicht unter den Bodenbrettern, die über der Bilge lagen, und schon gar nicht in irgendeiner Last oder gar in einem leeren Faß.

Carberrys Gesicht wurde immer länger.

„Das gibt’s doch gar nicht“, sagte er fassungslos. „Der kann sich doch nicht in Luft auflösen.“

Zuletzt erschienen die Zwillinge. Zwischen sich hatten sie Plymmie.

„Habt ihr was gefunden?“ fragte Carberry erregt.

„Eine Spur“, erwiderte Hasard junior vorsichtig. „Nur eine Spur, Mister Carberry, Sir.“

„Und?“ Carberry stemmte die Fäuste in die Hüften.

Ferris Tucker grinste breit. „Laß mich mal raten, ihr beiden! Endet die Spur vielleicht irgendwo an einer bestimmten Stelle?“

„So ist es, Sir“, sagte Philip.

Ferris Tucker grinste noch breiter. „Dann laßt mich mal weiter raten. Sie endet vorm Schott von Old Donegals Kammer, eh?“

Carberry fuhr zu ihm herum. „Wie bitte?“

Hasard junior sagte: „Stimmt, Mister Tucker, Sir. Sie endet vor dem Schott von Mister O’Flynns Kammer!“

„Da soll mich doch der Teufel …“ Carberry verstummte und fuhr Ferris Tucker an: „Woher weißt du das?“

„War eine Vermutung, Ed“, sagte Ferris, immer noch grinsend. „Keine Behauptung! Hast du nicht gemerkt, wie versessen Old Donegal darauf war, dich von Smoky abzubringen?“

Carberry klatschte sich die flache Hand vor die Stirn. „Richtig! Warum hast du das nicht gleich gesagt?“

„Wollte mal abwarten, wie sich das so entwickelt“, erwiderte Ferris Tucker. „War ja erst nur ein Verdacht. Aber als Old Donegal plötzlich davon sprach, er wolle ein Nickerchen machen, hat’s bei mir geklingelt. Wenn ein Mann fehlt, haut man sich nicht zum Nickerchen in die Koje, sondern sucht mit!“

„Dem werde ich …“ Und damit stampfte Carberry los.

Seewölfe Paket 28

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