Читать книгу Seewölfe Paket 28 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 17

3.

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Der Donner rollte durch die „Santa Barbara“. Erzeugt wurde er von den Fäusten Edwin Carberrys. Mit denen bearbeitete er das Schott von Old Donegals Kammer, das von innen abgeriegelt war. Allein diese Tatsache brachte den Profos noch mehr auf die Palme. Wo gab’s denn das, daß sich ein Arwenack auf dem eigenen Schiff einschloß?

„Mach auf, Donegal!“ brüllte Carberry. „Oder ich ramme das Schott ein!“

„Ist was?“ fragte Old Donegal von drinnen und ließ ein Gähnen ertönen. „Was soll der verdammte Krach? Hat dich was gebissen?“ Und dann ziemlich barsch: „Ich will jetzt schlafen, Profos! Troll dich! Ein alter Mann braucht seine Ruhe!“

Ein alter Mann! Dieser Hurensohn!

Carberry trat in dem Gang zurück, um sich mit dem ganzen Gewicht seines wuchtigen, harten Körpers gegen das Schott zu werfen.

Da erschien Philip Hasard Killigrew von achtern her, wo die Kapitänskammer lag.

„He-he, Ed!“ rief er. „Was soll der Krach? Ich dachte, das Schiff fällt auseinander.“

„Der – der Bastard hat abgeriegelt“, stieß der Profos keuchend hervor. „Läßt uns suchen, verdammt noch mal, und haut sich in die Koje, als ginge ihn das alles einen Scheiß an …“

„Nun mal langsam, Ed, immer der Reihe nach. Wieso hat er sich eingeschlossen?“

„Weil Smoky drin ist!“

„Wie bitte? Was soll denn Smoky in Old Donegals Kammer?“

Der Profos hätte sich am liebsten die Haare gerauft. „Das ist doch klar, Sir! Der will sich drücken, weil er die Wette verloren hat! Weil jetzt die Glatze fällig ist. Darum! Und der alte Knacker steckt mit ihm unter einer Decke!“

Hasard räusperte sich. „Das mit dem ‚alten Knacker‘ möchte ich überhört haben.“ Er klopfte ans Schott. „Donegal? Riegel bitte das Schott auf.“

„Kann man hier nicht mal seine Mittagsruhe halten?“ nörgelte Old Donegal. „Dauernd wird man gestört. Du hast gesagt, wir sollten uns einen ruhigen Tag machen. Das tue ich jetzt.“

Carberry kriegte schon wieder das Zittern – vor Wut, versteht sich.

Hasard sagte leise: „Woher weißt du, daß sich Smoky in der Kammer befindet?“

„Deine Söhne haben Plymmie schnüffeln lassen. Die Spur endet vor diesem Schott. Außerdem war es dem alten Kerl seltsam gleichgültig, als wir feststellten, daß Smoky beim Backen und Banken fehlte. Und statt dann mitzusuchen, erklärte er, er wolle jetzt pennen.“

„Verstehe.“ Hasard nickte und wandte sich wieder dem Schott zu. „Donegal! Ist Smoky in deiner Kammer?“

„Ich seh’ hier keinen Smoky“, maulte Old Donegal.

Hasards Stimme hatte bisher ruhig geklungen. Nun wurde sie scharf. „Donegal! Entweder öffnest du sofort, oder ich lasse von Old Shane das Schott aufbrechen. Jetzt ist Schluß mit dem Theater! Bei uns schließt sich niemand ein, es sei denn, er hat etwas zu verbergen.“

Old Donegal brabbelte etwas Unverständliches. Hasard und Carberry hörten die Koje knarren, dann tappten Schritte zum Schott. Die Riegel rasselten zurück. Old Donegal öffnete, trat zur Seite, schwenkte den rechten Arm und sagte fuchtig: „Bitte sehr, meine Kammer ist leer, wie zu sehen ist.“

„Ach ja?“ sagte Hasard und hielt Carberry zurück. Dabei flüsterte er ihm was ins Ohr.

Carberry nickte und verschwand. Hasard blickte Old Donegal mit undurchdringlichem Gesicht an und sagte nichts. Old Donegal schwieg ebenfalls und starrte zur Decke hoch, wo’s nichts zu sehen gab, es sei denn sauber gefugtes Holz. Die Stille war spürbar – sie knisterte sozusagen.

Dann wurde Old Donegal doch nervös.

„Was sollen diese Mätzchen?“ sagte er gereizt.

„Och, nichts weiter“, erwiderte Hasard gelassen.

„Dann kann ich mich ja wieder aufs Ohr legen“, erklärte Old Donegal, „wenn nichts weiter ist.“

„Bitte sehr.“

Old Donegal runzelte die Stirn, zuckte mit den Schultern, drehte sich um, ging zur Koje und legte sich lang. Die Arme verschränkte er unter dem Kopf. An seiner Miene konnte Hasard ablesen, daß er eingeschnappt war.

„Was man sich hier alles bieten lassen muß“, lästerte er.

„Das liegt immer an einem selbst“, sagte Hasard freundlich. „Wer etwas herausfordert, sollte sich nicht wundern, wenn darauf reagiert wird.“

„Ich habe nichts herausgefordert.“

Hasard zog die Augenbrauen hoch. „So? Darf man fragen, warum du dich eingeschlossen hast?“

„Weil ich meine Ruhe haben wollte.“

„Ah so. Mir neu, daß die Ruhe vollkommener wird, wenn man ein Schott abriegelt. Ist es dann stiller in der Kammer?“

Old Donegal sah noch eingeschnappter aus und zog es vor, die Frage zu überhören.

Der Dialog war auch beendet, denn im Gang erschienen die Zwillinge mit Plymmie, dahinter Carberry. Hasard nickte Philip zu, der Plymmie am Nackenfell festhielt. Philip ließ los, Plymmie schnüffelte über den Boden, tigerte in Old Donegals Kammer und ohne Verzug zu dem eingebauten Wandschrank, der für die sperrige Kleidung bestimmt war.

„Wuff!“ äußerte sie und kratzte mit der rechten Pfote an der Schapptür.

„Da scheint ’ne Ratte drin zu sein“, sagte Old Donegal gepreßt.

„Du solltest dich schämen, Smoky als Ratte zu bezeichnen, Donegal“, sagte Hasard kalt. „Smoky, komm raus, das Spielchen ist zu Ende.“

Die Tür wurde aufgedrückt, Smoky erschien, verschwitzt und mit Armesündermiene. Plymmie wedelte freudig mit dem Schwanz.

Hasard verschränkte die Arme vor der Brust und blickte Old Donegal an. Er sagte: „Da hast du dir ein ziemliches Ding geleistet, Mister O’Flynn. Aber um uns zu leimen, mußt du früher aufstehen. Das war doch wohl klar, daß man Smoky suchen würde, sobald sein Verschwinden bemerkt wurde. Du versteckst also Smoky in deiner Kammer und läßt unsere Männer suchen. Ich wußte von dieser Suche zunächst nichts – bis der Profos an dein Schott hämmerte. Aber eins kann ich dir versichern: Wenn auf unserem Schiff ein Mann der Crew spurlos verschwindet – so wie ein gewisser Mister O’Flynn vor einem Monat, nicht wahr? –, dann bin ich zutiefst betroffen, das geht mir unter die Haut, und dann setze ich alles in Bewegung, um den Mann zu finden. Und was hast du getan? Du hältst das für einen herrlichen Streich, Smoky zu verstecken, und hast auch noch die Stirn, mir zu erklären, was du dir hier alles bieten lassen müßtest. Das geht mir zu weit, Mister O’Flynn! Und wenn du kein alter Mann wärst, würde ich selbst das Amt des Profos’ übernehmen und dir das Fell gerben, bis du um Erbarmen winselst. Und ich würde mir überlegen, ob so ein Mann in meiner Crew noch Platz hat! Auf Kerle, die es offenbar witzig finden, eine makabre Situation zu provozieren, kann ich gern verzichten. Hast du mich verstanden?“

„Ja“, brummte Old Donegal. Er lag nicht mehr, sondern hatte sich hochgeschoben und lehnte mit dem Rücken an der Kopfwand der Koje. Die eingeschnappte Miene war verschwunden. Offenbar wurde ihm jetzt erst bewußt, daß er Mist gebaut hatte.

Hasard wandte sich zu Smoky um.

„Du hattest eine Wette verloren, Mister Smoky“, sagte er, „eine Wette, die von dir selbst vorgeschlagen worden war. Richtig?“

„Ja, Sir.“ Das klang ziemlich dünn.

„Wenn der Profos die Wette verloren hätte, was wäre dann gewesen? Hättest du darauf bestanden, daß er seine Wettschuld begleicht?“

„Ja, Sir, sonst wär’s ja keine Wette gewesen.“

Hasard zog scharf die Luft ein. Diese Kerle hatten manchmal eine merkwürdige Logik: Gewannen sie eine Wette, dann galt sie natürlich, verloren sie hingegen, dann drückten sie sich, ihre Wettschuld zu bezahlen.

„Kannst du mir mal verraten, warum du gekniffen hast?“

Smoky druckste herum. Schließlich quetschte er heraus: „Ich – ich wollte meine Manneskraft nicht verlieren!“

Schweigen.

Hasard schob den Kopf vor. „Wie war das?“

Smoky wiederholte seine sinnige Begründung und fügte hinzu: „Old Donegal hat zu mir gesagt, dann erginge es mir genauso wie Simson aus der Bibel, dem die Hure Delila heimlich die Haare abgeschnitten habe. Und das dürfe ich Gunnhild nicht zumuten.“

Hasard wußte nicht, ob er schreien, heulen oder lachen sollte. Langsam drehte er sich zu Old Donegal um, kopfschüttelnd, und sagte: „Du hast wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank, Mister O’Flynn!“

„So steht es in der Bibel“, sagte Old Donegal verbissen. „Im Buch der Richter, Kapitel sechzehn!“

„Ja“, bestätigte Smoky. „Er hat es mir vorgelesen.“

„Du meine Güte“, murmelte Hasard erschüttert. „Er hat es dir vorgelesen. Ist dir auch bekannt, daß Simson seine Kraft zurückerhielt, als ihm die Haare wieder nachgewachsen waren?“

„Aber vorher wurde er von den Philistern geblendet!“ zeterte Old Donegal.

Bei Hasard platzte der Kragen.

„Das gilt doch für Smoky nicht, du Idiot!“ brüllte er.

Old Donegal zuckte zusammen und zog den Kopf ein. Bei Smoky war es nicht anders. Carberry trat vorsichtigerweise einen Schritt zurück, um seinem Kapitän nicht im Wege zu stehen, wenn der den alten Zausel in die Mangel nehmen sollte. Die Zwillinge grinsten sich was, versteckt natürlich, aber dennoch begeistert, ihren „Dad“ mal derart in Fahrt zu sehen.

„Smoky ist kein Simson, verdammt noch mal!“ brüllte Hasard. „Und Gunnhild keine Hure Delila, du dreimal verdrehter Narrenhäusler!“

Old Donegal schrumpfte zusammen. Am liebsten hätte er sich die. Decke über den Kopf gezogen.

Hasard holte tief Luft – und sagte völlig ruhig, ohne sich umzudrehen: „Ed, hattest du damals deine Manneskraft verloren – in Wiborg, als dir Luke die Haare abschnitt?“

„Nicht die Bohne, Sir“, erwiderte Carberry fast entrüstet. „Ich hätte Bäume ausreißen können – und bei den Weiberchen hätte ich bestimmt nicht Händchen gehalten.“ Und etwas tückisch fügte er hinzu: „Ich hab’ mal gehört, daß glatzköpfige Kerle ganz besonders gute Liebhaber seien!“

Der gute, ehrliche, alte Carberry, der entwirrte diese verdwarste Situation! Der schaffte es auch noch, daß sich Smoky freiwillig ein Bein absägen ließ.

Denn: Smoky hatte die Ohren aufgestellt, und in seinen Augen funkelten Blitze.

„Mister Carberry“, sagte er etwas theatralisch, aber seiner Meinung nach war das jetzt der angemessene Ton, „schreite zur Tat und entferne die Haare von meinem Kopfe!“

„Dann hat Donegal hier deine Haare rumliegen“, sagte der Profos sachlich. „Ich schlage vor, daß ich auf der Kuhl zur Tat schreite und deine Haare vom Kopfe entferne. Ist das recht, Mister Smoky?“

„So sei es!“ tönte Smoky, reckte die Brust heraus und schritt aus Old Donegals Kammer. Er schritt! Als sei er laut Carberry Lord Smoky of Smokyschnarch, ein Mann mit Würde, viel Besitz und mindestens hundert Dienstboten, die ihm die Nase putzten oder das Bett anwärmten, so sie noch jungfräulich waren.

Old Donegal saß jetzt aufrecht in der Koje und hatte stiere Augen. Der Mund stand ihm auch offen. Ziemlich vernagelt sah er aus.

„Mach’s Maul zu“, empfahl Carberry, „studiere die Bibel oder schnarch einen weg, du – du Simson!“

Sie marschierten alle hinter Smoky her, und Old Donegal blieb sehr allein, vor allem, als Carberry das Schott zudonnerte. Es hörte sich an, als sei ein Pulverfaß explodiert. Die ganze Kammer wackelte, und aus den Ritzen der Kojenseitenwand purzelten ein paar Kakerlaken. Da war Old Donegal nicht mehr allein, aber als Gesellschafter waren die so unpassend wie ein Clown bei einer Trauerfeier, und darum fegte sie Old Donegal fluchend von der Koje, was sie zur Flucht in den nächsten Unterschlupf nutzten.

Carberrys Empfehlung, die Bibel zu studieren oder einen wegzuschnarchen, taugte auch nicht viel – von Müdigkeit keine Spur! –, außerdem war Old Donegal viel zu scharf darauf, den Akt der Smokyschur auf der Kuhl mitzuerleben.

Also stieg er aus der Koje und ging auf Kurs Achterdeck. Es war kein kluger Entschluß, aber doch sehr menschlich.

Die Bühne war gerichtet, die Kuhl Zentrum des Schauspiels. Akteure und Zuschauer waren versammelt. Einer hütete sich, Zeuge des Schauspiels zu sein: Gary Andrews. Sein Blickfeld lag auf einer anderen Ebene, die an Steuerbord von der Kimm begrenzt wurde, an Backbord von der Dünenlandschaft und den ihr vorgelagerten Inseln, dem Watt und den Prielen.

Nein, ein Gary Andrews ließ sich nicht ablenken wie ein Paddy Rogers. Er wußte auch nur zu gut, daß er zur Zeit das einzige Auge der „Santa Barbara“ war, von dem die Sicherheit des Schiffes und seiner Besatzung abhing.

Die See an Steuerbord war frei. Kein Segler zog an der Kimm seine Bahn – zur Straße von Hormus oder entgegengesetzt hinauf zum Schatt el Arab. Nichts, nur die in der Sonne flimmernde weite Fläche der See.

Auch über den Dünen an Land lag flimmernder Glast. Über dem Watt kreisten Möwen und andere Seevögel. Im Watt entdeckte Gary Stelzvögel, unter ihnen Ibisse. Die Inseln und Inselchen waren unbewohnt. Menschen waren jedenfalls nicht zu sehen. Wovon sollten die dort auch leben! Gary bezweifelte, daß es in dem wüstenartigen Land oder auf den Inseln Süßwasserquellen gab.

Gary Andrews ließ sich von der Ruhe ringsum nicht einlullen. Unablässig wanderten seine Augen über den Horizont ringsum, ab und an spähte er durch den Kieker. Einmal stoben hinter den Inseln die Seevögel hoch und kreischten, aber was sie erregte, lag nicht im Sichtbereich von Gary Andrews. Sie beruhigten sich auch wieder.

Indessen saß Smoky in der Mitte der Kuhl auf einer Kiste, entschlossen und bereit, seine Wettschuld einzulösen. Der fürsorgliche Mac Pellew hatte um Smokys Hals ein Handtuch drapiert und dazu erklärt, das sei wegen der abgeschnippelten Haare gut, die ja ziemlich lästig seien, wenn sie einem in den Kragen rutschten.

Das Thema wegen des „Bürzels“ war auch beendet. Carberry hatte Smoky fairerweise diese Möglichkeit unterbreitet, aber der hatte sehr energisch erklärt, davon hielte er gar nichts. Wennschon – dennschon.

Die Mannen hockten auf den Schanzkleidern beiderseits, auf den Niedergängen oder standen gar in den Wanten, um die Sache von oben besser betrachten zu können.

Carberry hatte auf einer anderen Kiste sein „Besteck“ aufgebaut, das heißt, er hatte es sich vom Kutscher ausleihen müssen: eine Schere, zwei Rasiermesser – die er selbst bei Kopfverletzungen benutzte, wenn Haare entfernt werden mußten –, einen Napf mit Schmierseife und einen Krug mit Süßwasser. Neben der Kiste standen zwei Pützen Salzwasser.

Das war alles, wie gesagt, bereits gerichtet, als Old Donegal die Bühne betrat. Hasards Wut war noch lange nicht verraucht – in diesem Falle nicht. Normalerweise war er auch nicht nachtragend, aber kaum sichtete er Old Donegal, da stieg ihm schon wieder die Galle hoch.

„Es erscheint Mister O’Flynn!“ verkündete er. „Ein Mister O’Flynn, der vor kurzem noch zu müde war, sich an der Suche nach unserem verschwundenen Decksältesten zu beteiligen! Brauchte er ja auch nicht, weil er besagten Decksältesten in seiner Kammer im Kleiderschapp versteckt hatte. Aber die Kameraden ließ er suchen. Vermutlich kicherte er bei dem Gedanken, daß sie sich dumm und dusselig suchen würden. Daß sich die Kameraden sorgen könnten, dieser Gedanke paßte nicht in seinen Holzkopf!“

Gemurmel klang auf. Der Tonlage nach war Entrüstung herauszuhören. Jedenfalls hielt kein Arwenack Old Donegals Streich für witzig oder besonders originell.

Old Donegal stand steif und stumm.

„Es kommt aber noch besser, Freunde!“ rief Hasard. „Dieser Mister O’Flynn hatte die krause Idee, dem Decksältesten eine Bibelgeschichte einzureden – jene Geschichte aus dem Buch der Richter, Kapitel sechzehn, die von Simson handelt, der durch eine List der Hure Delila seine Haare und damit auch seine übernatürlichen Kräfte verliert. Mister O’Flynn setzte unseren Decksältesten dem biblischen Simson gleich – er schwatzte ihm auf, er würde seine Manneskraft verlieren, wenn ihm der Profos die Haare abschneide! Leider glaubte der Dummkopf Smoky dem Waschweib O’Flynn und ließ sich im Kleiderschapp verstecken. Das also ist die Geschichte, die Geschichte zweier Narren, von denen der ältere allerdings der weitaus größere Narr ist, obwohl er eigentlich weise sein sollte. Da ist zum Beispiel zu fragen, wie lange der alte Narr den jüngeren im Kleiderschapp aufbewahren wollte, um ihm Simsons Schicksal zu ersparen? Wie wollte er ihn ernähren? Wie sollte nachts geschlafen werden? Wie würde sich der jüngere verhalten, wenn er Tage und Wochen in der Kammer eingesperrt ist? Nicht wahr, solche Fragen hätte sich der alte Narr doch stellen müssen? Oder nicht? Nein, wahrscheinlich hat er sich diese Fragen nicht gestellt. So weit kann er gar nicht denken – nicht mit seinem Mückengehirn!“

Das war hartes Geschütz, das härteste vermutlich, das Philip Hasard Killigrew gegenüber seinem Schwiegervater Donegal Daniel O’Flynn jemals aufgefahren hatte.

Aber Old Donegal nahm es hin, sogar gelassen und mit Würde.

Er sagte: „Bist du jetzt fertig, Kapitän Killigrew, Sir?“

„Ja.“

„Dann bitte ich die Crew um Entschuldigung“, sagte Old Donegal, „und gebe zu, einen kapitalen Bock geschossen zu haben.“ Er blickte Hasard an. „Können wir jetzt die verdammte Geschichte begraben?“

„In Ordnung“, sagte Hasard, ging auf den Alten zu und reichte ihm die Hand.

Da lösten sich endlich die starren Gesichter, und der Bordfrieden kehrte wieder ein.

Carberrys Organ ertönte mit der Lautstärke eines Marktschreiers: „Dieses war der erste Teil! Es folgt der zweite. Als Gewinner einer allgemein bekannten Wette frage ich den Verlierer – den hier anwesenden Mister Smoky –, ob ich Gnade vor Recht ergehen lassen soll, das heißt, daß ich ihn begnadigen werde, so er das wünscht! Wünscht er das?“

In angemessenem Ton erwiderte Smoky: „Ich danke dem sehr ehrenwerten Gewinner – dem hier anwesenden Mister Carberry – für den Gnadenerweis, bestehe aber darauf, daß er mir die Haare vom Kopfe entfernt, sintemalen ich die zwischen ihm und mir ausgetragene Wette verloren habe. Wettschulden sind Ehrenschulden und zu begleichen!“

„Hurra – hurra – hurra!“ donnerte die Crew.

„Dann geschehe es“, sagte Carberry grinsend und nahm die Schere zur Hand. „Ich bitte den hier anwesenden Mister Smoky um Entschuldigung, wenn es ziepen sollte.“

„Seemannsherz kennt keinen Schmerz, Mister Carberry“, sagte Smoky mit tapferer Miene.

„Das kann gar nicht ziepen“, erklärte der Kutscher unwirsch. „Nicht bei meinem Besteck, wie ich hinzufügen möchte. Schließlich bin ich kein Dorfbarbier, der seine Scheren und Messer zweckentfremdet benutzt.“

„Wie das?“ fragte Carberry.

„Als Geflügelschere oder Brot- und Käsemesser.“

„Ach so.“ Und damit schnippelte Carberry los. Mit der Linken nahm er immer ein Büschelchen von Smokys braunem Haar hoch, mit der Rechten, deren kleinen Finger er abspreizte, führte er die Schere an das Büschel und schnitt es ab.

„Das ist der Grobschnitt!“ erläuterte er. „Eine Verkürzung auf weniger als Fingerdicke, was den Feinschnitt dann erleichtert.“

„Hast du mal Barbier gelernt?“ fragte Niels Larsen grinsend.

„Das nicht, Mister Larsen“, sagte Carberry, „aber ich weiß, wie man dumme Frager über den Löffel barbiert.“

„Aha!“

„Nichts ‚aha‘! Bei deiner Mähne wäre auch mal ein Schnitt fällig. Da kann man ja bald Zöpfchen spleißen, kann man.“ Und der Profos schnippelte und schnippelte, unverdrossen, ohne sich ablenken zu lassen. Tatsächlich entwickelte er ein beachtliches Geschick – und das bei seinen Pranken, deren rechte Zeigefinger und Mittelfinger kaum durch die Griffösen der Schere paßten.

„Zieht’s, Mister Smoky?“ fragte er.

„Mitnichten, Mister Carberry“, erwiderte Smoky. „Ich muß dem Mister Larsen beipflichten. Du bist wirklich ein guter Barbier. Wir sollten wöchentlich eine Barbierstunde einrichten, um dem wuchernden Haarwuchs der Männer Einhalt zu gebieten. Da laufen einige herum, daß man schon wirklich nicht mehr weiß, ob das ein Männlein oder Weiblein ist. Stimmst du mir zu, Mister Carberry?“

„Du sagst es, Mister Smoky. Wenn die einen Busen hätten, könnte man wirklich meinen, man sei in einen Harem geraten.“

„Der Harem der Heiligen Barbara“, sagte Smoky kichernd.

So alberten sie herum, diese beiden Komiker, und die Arwenacks amüsierten sich köstlich – bis hin zum „Feinschnitt“, bei dem Smokys Haupt mit Schmierseife eingeseift wurde und Carberry, ohne zu zittern, die Stoppeln mit dem Rasiermesser entfernte. Smoky ging unverletzt aus der Prozedur hervor, kein Schnitt, kein Blut – was der Kutscher insgeheim befürchtet hatte.

Er rückte mit einer gutduftenden Salbe heraus, was anfangs von Smoky und Carberry mit Mißtrauen betrachtet wurde.

Aber der Kutscher erklärte: „Seine Kopfhaut muß gesalbt werden, Mister Carberry. Da die Haare entfernt wurden, entbehrt sie ihres Schutzes, dieses vor allem bei der starken Einwirkung der Sonnenstrahlen auf nackte menschliche Köpfe. Ich kann es nicht verantworten, daß Mister Smoky einen Sonnenstich bekommt.“

„Er könnte einen Hut aufsetzen“, sagte Carberry.

„Nichts da! Die Kopfhaut wird eingesalbt. Bist du hier der Feldscher oder ich?“

„Du.“

Also wurde Smoky auch gesalbt. Seine Glatze schimmerte hinterher wie eine Speckschwarte. Alle fanden, daß Smoky prächtig aussähe – was nicht der Fall war. Aber sie sagten es, damit er nicht dem Trübsinn verfiel. Tatsächlich sah er aus wie ein Arsch mit Ohren. Das sagte der kichernde Mac heimlich zum Kutscher, aber der milderte diese Formulierung dahin, daß er sagte: „Nein, nein, Mac, eher sieht das aus wie ein Kinderpopo.“

Na ja, wo lag da schon der Unterschied!

Seewölfe Paket 28

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