Читать книгу Seewölfe Paket 28 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 7
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ОглавлениеPhilip Hasard Killigrew, der Seewolf, stand auf dem Achterdeck der „Santa Barbara“ und blickte zu den weißen, ineinander verschachtelten Häusern von Masquat. Ben Brighton, Big Old Shane, Ferris Tucker und Old O’Flynn leisteten ihm Gesellschaft. Dan O’Flynn war in den Großmars gestiegen und hielt Ausschau.
Auf der Kuhl und auf der Back war vollzählig die Crew versammelt. Alle richteten ihr Augenmerk auf die Kasbah, denn der Tumult war auch ihnen nicht entgangen. Zumindest hatten sie gehört, daß etwas vorgefallen war. Sehen konnten sie allerdings nichts.
Die „Santa Barbara“ ankerte auf der Reede von Masquat. Das Beiboot lag an einer Pier, eingekeilt zwischen bunten und abenteuerlich getakelten Araberschiffen. Carberry und der Landtrupp hatten mit der Jolle übergesetzt. Jetzt kehrten sie damit zum Schiff zurück.
„Sturm ist angesagt“, meldete Dan aus dem Großmars.
In der Tat: Der Profos und die sieben Mannen hatten finstere Mienen aufgesetzt. Arwenack kletterte gebückt in die Jolle und verdeckte sein trübsinniges Affengesicht mit den Händen. Nur Sir John hatte mal wieder einen großen Schnabel. Er zeterte und schimpfte herum. Als Carberry wütend nach ihm griff, hob er vom Dollbord des Bootes ab und flatterte zur „Santa Barbara“.
Hasard beobachtete, wie der Papagei in den Großwanten landete.
„Warzenschweine und Rübenärsche“, schimpfte Sir John.
Die Männer grinsten.
„Was ist denn los?“ fragte Gary Andrews den bunten Vogel.
„Hoch die Plünnen! Gei auf die Hose!“ wetterte Sir John, dann schwebte er zur Back.
„Verdruß gibt es“, sagte Batuti. „Ist doch klar. Wundert mich, daß unsere Leute nicht verfolgt werden.“
Hasard war ebenfalls erstaunt. Nach den Mienen der Landgänger zu urteilen, hatte es mächtigen Ärger gegeben. Um so verblüffender war es, daß keine säbelrasselnden Turbanträger am Kai erschienen und hinter dem Trupp herschrien.
Die Jolle traf ein. Carberry und die Mannen enterten auf. Arwenack verzog sich sofort in die Kombüse. Er suchte beim Kutscher und bei den Zwillingen Schutz und Beistand. Sein schlechtes Gewissen plagte ihn. Anders Sir John: der fluchte immer noch herum. Plymmie, die Wolfshündin, die auf der Back ein Nickerchen gehalten hatte, schaute fragend zu ihm auf.
Carberry enterte aufs Achterdeck und berichtete, was vorgefallen war. Die Männer lauschten.
Als der Profos geendet hatte, sagte Hasard: „Du bist sicher, daß der Schuß, der in dem Gewölbe fiel, draußen nicht gehört wurde?“
„Ganz sicher“, erwiderte Carberry grimmig. „Sonst hätten wir jetzt eine Horde von Kerlen am Hals.“
„Ja“, sagte der Seewolf. „Allerdings schätze ich, daß Moravia zu einem Gegenschlag ausholen wird. Die Schmach der Niederlage läßt er bestimmt nicht auf sich sitzen.“
„Soll er doch kommen“, sagte Ferris Tucker. „Wir bereiten ihm und seinen Hundesöhnen einen heißen Empfang.“
„Warum gehen wir nicht mit zwanzig Mann an Land und räumen bei den Portugiesen kräftig auf?“ erklärte Blacky. „Meiner Ansicht nach könnte ein weiterer Denkzettel nichts schaden. Danach lassen die Bastarde bestimmt die Finger von uns.“
„Oder wir hauen aus Masquat ab“, sagte Old O’Flynn. „Mir schwant, daß hier noch mehr böse Überraschungen auf uns warten. Ich halte zwar nichts davon, den Schwanz einzuziehen, aber was nützt es, wenn wir uns für nichts und wieder nichts mit diesen Kerlen herumschlagen? Es bringt uns nichts ein.“
„Das stimmt“, pflichtete Hasard ihm bei. „Aber eins wissen wir. In Masquat gibt es die Waren, die wir brauchen. Also werde ich einen Vorstoß auf dem diplomatischen Weg unternehmen.“
„Auf dem was?“ fragte Paddy Rogers.
„Ich erkläre es dir nachher“, entgegnete sein Freund Jack Finnegan – und wieder mal grinste die Crew.
„Ihr wißt doch, wie Arne das in Havanna macht“, sagte der Seewolf. „Er geht zum Gouverneur, übergibt ihm ein Geschenk und erreicht meistens das, was er bezweckt. Genauso will ich vorgehen. Ich statte dem Sultan einen Besuch ab und kläre ihn ein wenig über das auf, was in seinem Reich geschieht. Mal sehen, vielleicht fällt er ja aus allen Wolken.“
Natürlich hatte Mac dem Profos längst erzählt, was Osman ihm in der unterirdischen Lagerhalle verraten hatte. Carberry hatte es daraufhin in seinen Bericht eingeflochten. Nun wußte man Bescheid, was in Masquat gespielt wurde – die Portugiesen wollten auf raffinierte Weise das Ruder an sich reißen.
„Ganz allein willst du das tun?“ fragte Ben Brighton.
„Nein, ich nehme meine Söhne mit“, erklärte der Seewolf. „Vielleicht kommen wir mit ein bißchen Türkisch weiter, falls der Sultan uns nicht versteht.“
„Wir haben aber keine Ahnung, wo der Sultan wohnt“, gab der Profos zu bedenken.
Hasard deutete zu dem weißen Palast, der sich majestätisch auf den Hügeln über dem Hafen erhob. „Was hältst du von dem Prunkbau, Ed?“
„Eine Menge, aber ich traue dem Sultan nicht. Was ist, wenn der euch einfach verhaftet?“
„Wir nehmen Plymmie als Melderin mit“, erwiderte Hasard lächelnd.
Sultan Quabus bin Said blickte seinen Berater Mustafa an, als handle es sich um einen Fremden. Soeben war Mustafa eingetreten. Der Sultan schloß die Augen und öffnete sie wieder. Es schien, als sei er aus einem tiefen Schlaf erwacht.
„Es tut mir leid, dich stören zu müssen, o Herr“, sagte der hagere Mann.
„Du störst mich nie. Was gibt es?“
„Fremde begehren dich zu sprechen.“
„Ich will jetzt niemanden sehen.“
„Sie kommen von weit her. Sie sagen, es sei sehr wichtig, was sie dir zu berichten haben“, erklärte Mustafa. „Sie sind Engländer. Kapitän Philip Hasard Killigrew und seine beiden Söhne.“
„Du kannst sie also verstehen, nicht wahr?“ murmelte Quabus bin Said.
„Du weißt, daß ich Spanisch, Portugiesisch, Englisch und Französisch kann, Herr“, erwiderte Mustafa bescheiden.
Tatsächlich war er auch in diesem Punkt der wichtigste Mitarbeiter des Sultans. Nie gab es Schwierigkeiten, wenn der Sultan mit Europäern über Geschäfte verhandelte, denn Mustafa diente als Dolmetscher. Er hatte die besten Schulen besucht und war hochintelligent.
„Schick sie weg“, sagte der Sultan.
„Herr, verzeih“, sagte Mustafa. „Es scheint mir wirklich von Bedeutung zu sein, was sie auf dem Herzen haben. Es geht um Masquat, sagt der Kapitän. Er ist ein großer, aufrichtiger Mann.“
„Du hast einen guten Eindruck von ihm gewonnen?“
„Ja.“
Quabus bin Said konnte sich auf die Menschenkenntnis und den Instinkt seines Helfers voll verlassen. Deshalb fuhr er sich jetzt noch einmal mit der Hand übers Kinn und überlegte. Obwohl ihm nicht danach zumute war, mit anderen Menschen zu sprechen, entschloß er sich nun doch anders.
„Gut, führe sie herein“, sagte der Sultan.
Kurz darauf betraten Hasard und seine Söhne das Allerheiligste des Sultans. Plymmie hatte draußen bleiben müssen – vor dem Tor des Palastes. Der Seewolf und die Zwillinge konnten aber sicher sein, daß die Hündin auf der Hut war. Sollte irgend etwas Unvorhergesehenes geschehen, dann witterte sie es garantiert.
Zwei Wächter begleiteten Hasard, Philip junior und Hasard junior. Mustafa ging vor ihnen her und kündigte den Besuch der Fremden formell bei seinem Herrn an. Dann standen die drei von der „Santa Barbara“ vor Quabus bin Said.
Hasard taxierte den Mann, während Mustafa ihnen bedeutete, auf Kissen Platz zu nehmen. Irgendwie erschien es dem Seewolf so, als würde er sich mit dem Sultan gut verstehen. Allerdings hing das ganz davon ab, wie das Gespräch geführt wurde und verlief.
Hasard erhob sich und überreichte Mustafa das Geschenk, das er für den Sultan mitgebracht hatte – einen goldenen Ring mit einem funkelnden Smaragd. Mustafa gab den Ring an seinen Herrn weiter.
Quabus bin Said betrachtete den Edelstein. Seine Miene hellte sich ein wenig auf, dann wurde sie wieder ernst.
„Frage den Kapitän, warum er mich beschenkt“, sagte er zu Mustafa.
Mustafa übersetzte die Worte ins Englische.
Hasard antwortete: „Es ist ein Zeichen der Ehrerbietung und der Hochachtung. Wir ankern im Hafen von Masquat. Man hat mir berichtet, der Sultan sei ein guter Herrscher. Ich wollte ihn unbedingt kennenlernen.
Quabus bin Said musterte den Seewolf. Schließlich nickte er. „Es ist selten, daß Männer aus der fernen Alten Welt sich in orientalischer Höflichkeit üben. Du, Kapitän Killigrew, scheinst dich darauf zu verstehen. Welche Gegenleistung erwartest du?“
„Für ein Geschenk gibt es keine Gegenleistung“, erwiderte der Seewolf.
„Ich nehme den Ring an“, sagte der Sultan und händigte das Juwel Mustafa aus. Der Berater plazierte es auf einem kleinen roten Kissen. Quabus bin Said richtete seinen Blick wieder auf Hasard. „Leider kommt ihr in ein Trauerhaus“, fuhr er fort. „Heute nacht ist Lamia, eine meiner liebsten Frauen, gestorben.“
„Das tut mir aufrichtig leid, Hoheit“, sagte Hasard. „War sie krank?“
„Sie ist getötet worden.“
„Vom wem?“ wollte der Seewolf wissen.
Quabus bin Said hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Keiner von uns hat auch nur den geringsten Verdacht. Es ist eine fatale Lage. Ein Gespenst scheint sich eingeschlichen und Lamia erdolcht zu haben.“ Er stellte die Fingerkuppen pyramidenförmig zusammen, fast wie zum Gebet, dann fügte er hinzu: „Dieser Mord richtet sich gegen mich. Der Mörder weiß, wie sehr ich Lamia geliebt habe. Seine Klinge hat in Wirklichkeit mich getroffen.“
„Ist Lamia bestattet worden?“ erkundigte sich Hasard.
„Ja“, erwiderte der Herr von Masquat. „Warum fragst du?“
„Mein Arzt, der Kutscher, hätte sie untersuchen können.“
„Du weißt, daß wir euch Ungläubige nennen, und daß der Koran die Berührung von Haremsfrauen durch Unbefugte und Ungläubige verbietet“, entgegnete Quabus bin Said.
„Das ist mir bekannt“, sagte Hasard. „Aber mein Bordarzt könnte auf Spuren stoßen, die deinen Leuten verborgen geblieben sind.“
Fast sah es aus, als wolle der Sultan aufbrausen. Dann aber erwiderte er nur: „Das geht nun nicht mehr. Lamia liegt unter der Erde. Außerdem wäre ich dagegen gewesen.“
„Verzeih meinen Vorschlag, Hoheit“, sagte der Seewolf. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ich versuche nur, dir zu helfen. Hast du Feinde?“
„Jeder Mann hat Feinde.“
„Bestimmte Feinde?“
„Du sprichst wie ein Kadi“, sagte Quabus bin Said. „Das steht dir nicht zu.“
„Ein Kapitän nimmt an Bord seines Schiffes auch die Aufgaben eines Richters wahr“, hielt Hasard dem entgegen. „Wer haßt dich so sehr, daß er dir Leid zufügen will?“
„Vielleicht ist der Satan unter meinen eigenen Landsleuten zu suchen“, entgegnete der Sultan. „Sie sehen es nicht gern, daß ich die weißen Männer freundschaftlich empfange.“
„Du meinst die Portugiesen?“ fragte Hasard.
„Was weißt du über die Portugiesen?“
„Ich habe nur gehört, daß du mit ihnen auf gutem Fuße stehst. Ich habe mit meinen Männern den Markt besucht.“
„Du kennst unsere Sprache nicht“, sagte Quabus bin Said. Plötzlich schien ihn tiefes Mißtrauen befallen zu haben. „Wie kannst du so gut informiert sein?“
„Meine Männer haben mit Portugiesen gesprochen“, erklärte der Seewolf. „Sie wollten bei diesen Portugiesen Ware einkaufen, sind dann aber gewarnt worden, daß es sich um Diebesgut handle. Daraufhin versuchten meine Leute, sich zurückzuziehen, aber sie wurden von den Portugiesen beschimpft und angegriffen.“ Er schilderte, was sich weiter in dem Gewölbe zugetragen hatte. Den Vorfall mit Arwenack und Sir John verschwieg er lieber.
„Davon ist mir nichts bekannt“, sagte Quabus bin Said mit finsterer Miene. „Hat man dir davon berichtet, Mustafa?“
„Nein. Ich hätte es sonst an dich weitergegeben, Herr.“
„Was treiben diese Portugiesen?“ wollte der Sultan von Hasard wissen.
„Sie stehlen ihre Güter von deinen Landsleuten, Hoheit“, erwiderte der Seewolf. „Sie drangsalieren die arabischen Händler und entreißen ihnen den Markthandel durch ihre gewissenlosen Methoden. Bald werden die Araber ganz aus der Kasbah verschwunden sein. Das alles geschieht ohne dein Wissen, Sultan.“
Quabus bin Said begehrte auf: „Das ist eine Lüge!“
„Was ich sage, stimmt“, sagte der Seewolf unbeirrt. „Ich kann jedes Wort belegen und beschwören.“
„Wie heißen diese Portugiesen?“ fragte Mustafa den Seewolf.
„Ich kenne nur den Namen des Anführers der Bande“, erwiderte Hasard. „Silvestro Moravia. Ein großer Mann mit Vollbart.“
„Sein Name ist mir bekannt“, erklärte Mustafa. „Aber er hat immer vorgegeben, daß er in dem von ihm gepachteten Gewölbe nur seine eigenen Waren lagere, die er an Bord seines Schiffes mitgebracht habe. Das Schiff verkaufte er ein halbes Jahr nach seiner Ankunft in Masquat an einen Spanier, der seine Galeone in einem Sturm verloren hatte. Seitdem hat Moravia das Gewölbe. Hin und wieder verkauft er etwas von seinem Gut, um sich und seine Mannschaft zu ernähren.“
„Ein schönes Märchen“, sagte der Seewolf. „Was Moravia unter der Hand betreibt, erfährt kein Mensch.“
„Ich werde ihn mir kaufen!“ stieß Quabus bin Said empört aus. „Ihn und seine Schergen! Was fällt diesen Kerlen ein, unschuldige Männer auszurauben und zu mißhandeln? Was sind das für Machenschaften? Mustafa, warum ist im Palast nichts davon bekannt?“
„Das ist mir ein Rätsel, Herr.“
„Es scheint so manches zu geben, von dem ich nichts weiß“, sagte der Sultan. „Vielleicht habe ich mich blenden lassen, vielleicht hat man mir Sand in die Augen gestreut. Doch das wird sich ändern.“ Wütend hob er die rechte Faust. „Ich werde allen beweisen, daß ich noch lange kein alter, einfältiger Narr bin!“
„Hoheit“, sagte Hasard mit beschwichtigender Stimme. „Ich habe dich nicht aufgesucht, um deinen Gram zu verstärken und deine Wut zu schüren. Ich halte es lediglich für meine Pflicht, dich über das aufzuklären, was im Hafen von Masquat geschieht. Sollte ich einen Fehler begannen haben, so bitte ich dich, alles zu vergessen, was ich dir erzählt habe.“
Quabus bin Said sah Hasard forschend an.
„Ich bin dir dankbar, Kapitän Killigrew“, sagte er. „Es ist gut, daß du mir die Augen geöffnet hast. Vielleicht gerade noch rechtzeitig genug. In Masquat scheint es mehr als einen Verräter zu geben. Ich werde Lamias Mörder auch bei den Portugiesen suchen.“
„Natürlich will ich keinen falschen Verdacht äußern“, gab der Seewolf zu bedenken. „Der Mord hat mit dem, was im Hafen vor sich geht, sicherlich nichts zu tun.“
„Ich will hoffen, daß es so ist“, erwiderte der Sultan. „Auf jeden Fall werde ich eine Untersuchung der Angelegenheit einleiten.“
Hasard erhob sich. Seine Söhne folgten seinem Beispiel.
Hasard sagte: „Wir möchten uns jetzt von dir verabschieden, Hoheit. Falls du es wünschst, halten wir uns zu deiner Verfügung.“
„Ihr sollt meine Gäste sein“, sagte der Sultan. „Wir werden etwas essen und etwas trinken und uns noch weiter unterhalten. Ich möchte, daß wir Freunde werden, Kapitän Killigrew.“
Der Seewolf wollte darauf antworten, aber plötzlich trat etwas völlig Unerwartetes ein. Und wieder ging das Grauen im Palast des Sultans um.