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4.

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Am Abend dieses ereignisreichen Tages saß die „Santa Barbara“ hoch und trocken. Ferris Tucker hatte sie mit Pallhölzern an Backbord und Steuerbord abgestützt, so daß sie auf ebenem Kiel lag.

Eins wurde nunmehr sichtbar. Die Galeone ruhte nahezu mit ihrer gesamten Kiellänge auf einem Sandhügel. Es gab im weiteren Umkreis noch mehr von diesen tückischen Untiefen, aber diese dünenartige Erhebung war die höchste – leider. Und ausgerechnet diese hatte sich im Kurs der „Santa Barbara“ befunden. Mac Pellew hätte sie gemeldet, wäre er nicht abgelenkt gewesen. „Hätte“ und „wäre“ – diese verfluchten Möglichkeitsformen!

Carberry ernannte die Düne zur „Paddy-Rogers-Schlafinsel“, und da kriegte der gute Paddy wieder seine roten Ohren und schämte sich ob seines Versagers.

Hoch und trocken wurde noch eine zweite Tatsache sichtbar, die Ferris Tucker erbleichen ließ. Aber die Mienen der anderen hätte man auch nicht als fröhlich bezeichnen können.

Hasard und Ferris waren an Jakobsleitern abgeentert und somit die ersten, die die Bescherung sahen.

„Ach du dicke Scheiße“, sagte Ferris Tucker fassungslos.

Der Unterwasserbauch der „Santa Barbara“ war gepanzert. Von oben hatte man das nicht sehen können, aber jetzt von unten konnte man die ganze Pracht der Muscheln, Seepocken und Algen bewundern. Aber Hasard und Ferris hätten lieber glatte Planken bewundert. Für die Schönheiten dieser Unterwasserwelt hatten sie zur Zeit nichts übrig, was man ihnen nicht verdenken konnte.

Immer mehr Arwenacks enterten ab, um ihr Schiffchen auch mal von unten zu besichtigen, wozu man ja selten Gelegenheit hatte. Ihre Mienen wurden lang und länger.

„Ich hab’s geahnt“, sagte Pete Ballie dumpf, Pete, der Gefechtsrudergänger mit den ankerklüsengroßen Pranken, die dennoch sensibel genug waren, das Ruder mit Fingerspitzengefühl zu handhaben. Keiner der Arwenacks, die alle gute Rudergänger waren, konnte ihm das Wasser reichen. „Die Tante segelte sich in letzter Zeit wie ein Waschtrog“, fügte er hinzu.

„Und warum hast du das nicht gesagt?“ fuhr ihn Carberry an.

„Mann! Wo hätten wir sie denn aufslippen sollen?“ entgegnete Pete bissig. „Auf See vielleicht? Oder auf ’ner Korallenbank?“

Paddy Rogers hatte einen seiner sehr seltenen Gedankenblitze, die ihn allenfalls zweimal im Jahr heimsuchten.

„Wenn ich die Sandbank gesichtet hätte“, sagte er mit gefurchter Denkerstirn, „dann wüßte jetzt niemand, daß die ‚Santa Barbara‘ mit Muscheln bewachsen ist, nicht?“ Er blickte den Profos mit seinen freundlichen Augen an. „Ist doch logisch, nicht?“ „Logisch“ war für ihn ein ganz besonderes Wort, das er sich gemerkt hatte. Und er war sehr stolz, daß er es jetzt einmal anbringen konnte.

Carberry hatte für derlei Gedankenakrobatik kein Verständnis.

„Na und?“ polterte er. „Sollen wir dir jetzt ’nen Lorbeerkranz aufsetzen und ’nen Orden umhängen, was, wie?“

„Das ist nicht nötig“, sagte Paddy treuherzig, „mir genügt schon, wenn ihr mir nicht mehr böse seid.“

Carberry strich die Flagge. Gegen so viel naive Schlichtheit kam er nicht mehr an. Außerdem standen die Dinge kopf. Da pennte einer als Ausguck – oder paßte nicht auf, weil er abgelenkt war –, das Schiff brummte auf, und hinterher mußte man diesem Stoffel noch dankbar sein, daß man aufgebrummt war, weil man sonst den verdammten Bewuchs nicht entdeckt hätte. Das war vielleicht eine Logik!

Philip Hasard Killigrew nahm es längst von der heiteren Seite.

„Paddy hat recht, Ed“, sagte er, „so blödsinnig das auch klingen mag. Allerdings ist der Fall in der Abfolge der Geschehnisse einmalig und kaum wiederholbar. Auch ist er keine Rechtfertigung dafür, daß Paddy als Ausguck nicht aufgepaßt hat. Ist das klar, Paddy?“

„Aye, Sir. Aber du kannst mir glauben, daß ich mich nicht rechtfertigen wollte. Ich wollte nur höflich darauf hinweisen, daß wir uns glücklich schätzen können, den Muschelbewuchs rechtzeitig entdeckt zu haben.“ Und ganz schlicht fügte Paddy hinzu: „Wenn wir ihn abklopfen, dann wird viel Gewicht weggenommen, und wir können die ‚Santa Barbara‘ leicht von den Sandbänken ziehen, nicht?“

Hasard starrte seinen Paddy Rogers anerkennend an. Manchmal dachte der überhaupt nicht, aber wenn er dachte, dann kam auch was raus.

„Ein sehr guter Gedanke, Paddy“, sagte er, „völlig richtig und logisch. Wenn man den Bewuchs abklopft, wird die ‚Santa Barbara‘ erheblich leichter, und wir haben weniger Mühe.“

Paddy strahlte. „Wenn mir Mister Tucker Hammer und Meißel gibt, fange ich gleich an, Sir. Das muß ich nämlich, weil ja in ein paar Stunden das Wasser wieder auflaufen tut, nicht? Und da muß ich mich beeilen, weil man nicht mehr abklopfen kann, wenn man bis zum Hals im Wasser steht, nicht?“

Paddy entwickelte sich zum Wunderknaben. Die Arwenacks besichtigten ihn, als sähen sie diesen Paddy zum ersten Male. Der wurde schon wieder verlegen. Er mochte es nicht, wenn ihn alle anstarrten.

„Hab’ ich was Falsches gesagt?“ fragte er betreten.

„Aber nein, Paddylein“, beruhigte ihn der Profos. „Uns fällt nur auf, daß du heute so – so stürmisch bist, verstehst du? So ein richtiger Flitzeblitzumdieeckesausewind.“ Er fuhr herum und raunzte die Mannen an: „Grinst nicht so pinselig, ihr Kuhhirten! Habt ihr nicht gehört, was Paddy gesagt hat? Tempo – Tempo! Bevor das Wasser wieder aufläuft, möchte ich hier einen Muschelberg sehen! Auf geht’s, Männer der ‚Heiligen Barbara‘! Hopp-hopp! Klopf-klopf, bis die Hämmer und Meißel qualmen!“

So begann’s denn. Mit allen zur Verfügung stehenden Werkzeugen – einschließlich Entermessern und Schiffshauern – rückten die Arwenacks dem Muschelpanzer zu Leibe und klopften, hämmerten, kratzten und schabten.

Der schlimmste Bewuchs hatte sich ausgerechnet am Kiel festgesetzt, an den man schlecht herangelangte. Aber da arbeiteten sie zum Teil im Liegen oder wühlten sich in den Sand, der beim Tiefergraben zur Pampe wurde. Es kümmerte sie nicht. Sie mußten ganz unten anfangen, denn wenn das Wasser wieder auflief und stieg, gelangte man an Kiel und die untersten Planken nicht mehr heran. Das hatte der Langsamdenker Paddy völlig richtig erkannt.

Natürlich konnte man das nächste Niedrigwasser abwarten, wenn man es jetzt nicht schaffte – und ganz danach sah es aus. Ein anderer Nachteil war die Dunkelheit, doch da behalfen sie sich mit Laternen und Bordlampen, die seitlich über Bord gehängt wurden und die Szenerie einigermaßen beleuchteten.

Sicher, bei Tage – wäre dann Niedrigwasser gewesen – hätten sie beim „Abspecken“ der „Santa Barbara“ mehr gesehen und schneller oder zügiger arbeiten können. Dafür jedoch hätten sie in der prallen Sonne gestanden und noch mehr Schweiß vergossen. So hatte jedes Ding zwei Seiten, und in diesem Fall war die Nachtkühle direkt angenehm.

Mac Pellew und der Kutscher waren von der Arbeit freigestellt, hatten allerdings für das Wohlbefinden der Mannen zu sorgen. Der Kutscher hatte ein Getränk bereitet, das aus ausgepreßtem Apfelsinensaft, Trinkwasser und Rum bestand. Es schmeckte köstlich und erfrischte.

Selbstverständlich war der Ausguck im Hauptmars besetzt. Jack Finnegan war eingeteilt. Schlag Mitternacht würde ihn Stenmark ablösen. Philip Hasard Killigrew arbeitete Schulter an Schulter mit seinen Mannen, ebenso die beiden Alten – Old Donegal und Will Thorne, der Segelmacher. Keiner drückte sich.

Wieder einmal stellte sich heraus, was für ein umsichtiger, aber auch fleißiger Mann Will Thorne war, der still und unauffällig seiner Arbeit an Bord nachging. Sie bestand nicht nur darin, daß er Flicken auf gerissenes oder beschädigtes Segeltuch setzte, Lieken nähte oder sogar Hemden und Hosen für die Mannen schneiderte.

Bevor die Arwenacks, bewaffnet mit ihrem jeweiligen Werkzeug, den Muschelpanzer angingen, hatte er sich bei Hasard gemeldet.

„Sir“, hatte er in seiner bescheidenen Art gesagt, „mir ist da etwas eingefallen, was uns vielleicht nutzen könnte.“

„Ja, Will?“ fragte Hasard aufmerksam. Der alte Will Thorne war für Überraschungen gut. Zum ersten Male war das geschehen, als er plötzlich mit er Flagge für den Bund der Korsaren herausgerückt war – dem schwarzen Tuch mit den beiden gekreuzten silbernen Säbeln.

„Nun, vielleicht lachst du mich aus“, sagte Will Thorne, „aber ich habe mal ein paar Tage lang auf der Reise nach China aus Segeltuchresten Handschuhe genäht, Fäustlinge, aber mit Fingern für Daumen und Zeigefinger-Mittelfinger, so daß man diese drei Finger gut einsetzen kann. Weil die Muscheln ja ziemlich scharf sind, dachte ich jetzt, es wäre vielleicht nützlich, wenn sich jeder von uns Handschuhe bei der Arbeit anziehen würde.“

„Genial!“ sagte Hasard begeistert. „Eine prächtige Idee, Will, gratuliere!“ Er lächelte. „Hast du gewußt, daß wir mal in eine solche Situation geraten würden?“

„Das nicht, Sir“, erwiderte Will Thorne, „aber wenn wir Kap Horn gerundet hätten, wären wir da unten vielleicht in die Kälte geraten, und da wollte ich rechtzeitig etwas Vorsorgen. Du weißt ja – an vereisten Tauen oder Segeln zu zerren, ist kein reines Vergnügen. Da hält derbes Segeltuch als Schutz für die Hände doch eine Menge ab – wie auch jetzt bei den Muscheln, die üble Schnitte verursachen können.“

„Kutscher!“ rief Hasard zum Schanzkleid hoch. „Bitte einen doppelten Rum für Mister Thorne!“

„Aye, Sir, kann er sich in der Kombüse abholen!“

„Danke, Sir“, sagte Will Thorne, „aber das muß mit dem Rum nicht sein.“

„Doch, das ist ein Befehl.“

Will Thorne lächelte. „Da muß ich ja wohl gehorchen, Sir. Nochmals herzlichen Dank.“

„Wir haben dir zu danken, Will.“

„Segelmacher müßte man sein“, hatte Carberry tiefsinnig gemurmelt.

„Ed, du kommst doch nun wirklich nicht zu kurz, was das betrifft“, hatte Hasard erwidert. „Vielleicht erinnerst du dich mal daran, daß du, der Kutscher, Mac Pellew und ich die ersten waren, die zusammen in der Kombüse der ‚Marygold‘ einen schottischen Whisky köpften, den Kapitän Drake mir spendiert hatte, weil ich den Kutscher aus dem Wasser geholt hatte, nachdem er über Bord gegangen war. Weißt du noch?“

„Ja, ja, natürlich!“ rief der Profos. „Und ob ich mich erinnere! Mann – das ist jetzt über zwanzig Jahre her.“

„Ende Oktober sechsundsiebzig war das“, sagte Hasard. „Die Zeit vergeht, und wir werden auch nicht jünger. Aber weil du dich eben beklagtest: Die ziemlich vielen Schlucke vom Schottischen damals, die bist du Will Thorne voraus, Ed, nicht wahr? Und auch die nicht mehr zählbaren, die dazwischenliegen – bis hin zu deiner letzten Schlucktour in Tamarida auf Sokotra, bei der du voll aufgebraßt hattest und mit den Fächern der Ladys zurückkehrtest, bei denen ihr zur sogenannten Kurzweil eingekehrt wart. Richtig?“

„Hm, stimmt“, brummelte der Profos, ermannte sich und setzte hinzu: „Wenn dem so ist, daß ich Will zwei Schlucke voraus bin, dann gönne ich ihm den Doppelten von ganzem Herzen, Sir. Ich bin ja kein Unmensch. Aber wenn er die zwei Schlucke aufgeholt hat, steht die Partie gleich. Stimmst du mir zu?“

„Mal sehen“, sagte Hasard vage und etwas unkonzentriert. Er hatte plötzlich das unbestimmte Gefühl einer drohenden Gefahr.

Es ging auf Mitternacht zu. Das Wasser lief bereits auf, und die Mannen standen bis zu den Waden im Wasser, das an ihnen vorbeigurgelte und den bisher abgeklopften Muschelbruch mitschwemmte. Zumindest den Kielbewuchs hatten sie entfernen können. Aber das war noch nicht einmal ein Viertel der gesamten Arbeit. Da stand ihnen noch einiges bevor, und der Wechsel der Gezeiten bestimmte den Ablauf dieser Irrsinnsschufterei.

Sie waren bisher so verfahren, daß derjenige, der Hunger hatte, aufenterte und bei der Kombüse längsseits ging, um einen vorbereiteten Happen zu essen. Gerade waren Hasard, Al Conroy und Stenmark an Deck gestiegen – Stenmark, weil er ja die Wache im Ausguck um vierundzwanzig Uhr zu übernehmen hatte. Da wollte er sich vorher stärken. Vier Stunden Wache nach der Rackerei an den Muscheln, das war kein Pappenstiel, vor allem bei dieser Wache von null bis vier Uhr, die man allgemein auch die Friedhofswache nannte.

Hasard und Al Conroy waren einfach hungrig, Hasard aber noch dazu unruhig.

Erstaunt verneinte Al Conroy, als Hasard ihn fragte, ob die Drehbassen schußbereit wären.

„Wieso das, Sir?“ fragte er. „Hier am Ar… – äh, Arm der Welt?“

„Weiß ich auch nicht, Al“, sagte Hasard. „Aber mach sie schußfertig, auch wenn es nur deswegen ist, daß ich mich dann wohler fühle. Entschuldige bitte.“

„Geht schon klar, Sir“, sagte Al Conroy und zog ab, um sich um die Drehbassen zu kümmern. Jetzt löst der Kapitän den alten Donegal als Hinter-die-Kimm-Späher ab, dachte er ein bißchen belustigt.

Hasard steuerte die Kombüse an, wo Stenmark bereits versorgt wurde.

„Darf’s auch ein Spiegelei auf Speck sein, Sir?“ fragte Mac Pellew. „Für Sten brate ich schon eins.“

„Sehr gut, Mac, da sage ich nicht nein“, erwiderte Hasard und schaute zu, wie Mac das Ei anschlug, geschickt auseinanderbrach und in die große Pfanne gab, in der bereits Speckwürfel brutzelten. Es duftete verführerisch.

Der Kutscher reichte Stenmark und Hasard je eine Muck mit seinem Spezialgetränk.

„Zum Wohl, Gentlemen“, sagte er lächelnd. „Ihr werdet durstig sein.“

„Sind wir“, sagte Stenmark. Er hatte genau wie Hasard die Handschuhe aus Segeltuch unter den linken Arm geklemmt und trank mit der Rechten. Die Mucks waren sofort leer, und der Kutscher schenkte nach.

Mac würfelte inzwischen schon wieder Speck und paßte gleichzeitig auf die Spiegeleier auf. Auf der heißen Herdplatte röstete er Fladenbrot, das sehr gut zu den Spiegeleiern paßte. Nebenbei berichtete er, daß der Profos bereits vier Spiegeleier verdrückt habe – lediglich geschlagen von Paddy Rogers, der es bisher auf sechs gebracht hätte.

„Der Profos und Paddy sind die größten Fresser an Bord“, erläuterte er kopfschüttelnd. „Wo das bloß hinführen soll!“

„Reichen denn die Eier?“ fragte Hasard.

„Doch, doch“, versicherte Mac. „Unsere lieben Hühnerchen sind ja fleißig.“ Er begutachtete die Spiegeleier in der Pfanne, nickte und sagte: „Sind fertig. Wünschen die Gentlemen etwas Gewürz dazu?“

Hasard verneinte, Stenmark bevorzugte Pfeffer auf dem Gelben vom Ei. Der Kutscher besorgte das. Mac bugsierte die Spiegeleier von der Pfanne auf zwei Zinnteller, fügte das Fladenbrot dazu und rüstete Stenmark und Hasard mit je einer Gabel aus. Sie speisten auf der Kuhl.

Al Conroy meldete die Drehbassen schußklar und verschwand in der Kombüse, um sich gleichfalls bedienen zu lassen.

Zwischen ein paar Bissen fragte Stenmark: „Warum hat Al die Drehbassen schußfertig gemacht, Sir? Rechnest du mit irgendeinem Angriff?“

„Das sagte ich schon Al“, erwiderte Hasard. „Wenn ich das wüßte! Aber irgend etwas braut sich zusammen.“

Stenmark grinste. „Bei Old Donegal aber noch nicht.“

„Ich geb’ ja zu, daß ich mich täuschen kann“, sagte Hasard. Er hatte schneller als Stenmark gegessen und wischte den Zinnteller bereits mit den Resten seines Fladenbrotes sauber.

Er stand von der Taurolle auf, als ein Zischlaut aus dem Hauptmars von Jack Finnegan ertönte.

Hasard schaute hoch.

„Sir!“ rief Jack Finnegan gedämpft. „Von der Landseite nähern sich Gestalten durchs Watt! Durch die Priele werden außerdem Boote gestakt!“

Hasard war mit einem Satz am Schanzkleid der Backbordseite und rief nach unten: „Sofort alle aufentern und Lampen aus!“

Das gleiche rief er an Steuerbord nach unten.

Die Mannen reagierten sofort. Stenmark fegte schon in die Kombüse, alarmierte Al Conroy und holte Kohlebecken. Die Männer enterten schnell wie Affen auf.

Hasard nahm eine der Bordlampen, holte weit aus und schleuderte sie nach Backbord querab. Sie torkelte in einem großen Bogen durch die Luft, senkte sich, beleuchtete für einen kurzen Moment Gestalten, die wie erstarrt standen, klatschte aufs Wasser und zerbarst in einem Feuerblitz.

Über das Watt an Backbord der „Santa Barbara“ gellten Wutschreie, die Gestalten setzten sich in Bewegung und stürmten, durchs Wasser springend und watend, auf die Galeone los. Sie schwenkten Handwaffen – offenbar Krummsäbel und Messer. Aber dann zischten auch Pfeile auf die „Santa Barbara“ zu. Die Kerle in den Booten stakten wie verrückt und waren schneller als die Wattläufer.

„An Steuerbord aufentern!“ brüllte Hasard, denn dort waren die Arwenacks vorm Pfeilbeschuß sicher. „Beeilung, Männer!“

Jack Finnegan feuerte vom Hauptmars aus eine Muskete ab. Ein Bogenschütze in einem der Boote wurde zurückgestoßen und riß drei Kerle mit sich. Das Boot schlug quer und bot seine Backbordseite dar.

Da krachte auch schon der erste Schuß aus einer Drehbasse auf dem Backbordschanzkleid der „Santa Barbara“. Stenmark und Al Conroy bedienten sie. Die gehackte Ladung hieb in das Boot und fetzte es auseinander. Die Kerle stürzten ins Prielwasser. Die anderen brüllten wie die Irren. Wut und Enttäuschung waren herauszuhören.

Der Überraschungseffekt war zum Teufel. Sie hatten gemeint, leichtes Spiel zu haben – nämlich sich unbemerkt im Schutz der Dunkelheit nähern und über die an der Galeone arbeitenden Männer herfallen zu können. Denn wer sieht schon einen Feind, den die Nacht tarnt, während das Opfer blind ist, weil es sich im Licht der Lampen befindet!

Richtig! Das galt für die Männer, die unten an der Backbordseite der Galeone arbeiteten, aber nicht für Jack Finnegan oben im Hauptmars – er hatte aufgepaßt und die Schlappe seines Freundes Paddy ausgewetzt. Rechtzeitig genug, daß sie aufentern konnten – bis auf einen!

Carberry führte seinen eigenen Krieg. Er hatte an Backbord gearbeitet, und als Hasards Alarm erfolgte, hatte er auf seiner Höhe, nämlich querab des Achterschiffs, ein Boot entdeckt, das sich bereits bis auf etwa vierzig Yards der Galeone genähert hatte.

Da war er in den Priel getaucht – mit genauer Peilung des Bootes, bevor er unter Wasser verschwand. Tief war’s nicht, er konnte sich vom Grund auch mit den Füßen abstoßen. Den Hammer hatte er mit. Der steckte im Gürtel, ebenso der Meißel. Sonst hatte er keinerlei Waffen bei sich.

Als der Schatten über ihn wegglitt, duckte er sich, fuhr dann aber wieder hoch. Er befand sich am Heck des Bootes. Das hatte er mehr geahnt als gesehen.

Sich mit der Linken am Dollbord festhaltend, langte er mit der Rechten zu, griff sich den Kerl an der Pinne, schwenkte ihn hoch und außenbords und versenkte ihn. Der Kerl schien wie erstarrt zu sein. Die anderen im Boot auch. Fünf waren es noch.

Carberry verspürte viel Grund unter den Füßen – da war wohl wieder mal ein Sandbuckel –, richtete sich auf, grinste die Kerle an – und stemmte mit einem Ruck das Heck des Bootes hoch, duckte sich blitzschnell, drückte im Aufrichten nach und kippte das Boot samt der fünf Kerle in seiner ganzen Länge über den Bug hin um.

Ein Kraftakt! Aber der Profos verschlang ja auch so viele Spiegeleier.

Das Boot lag kieloben auf dem Wasser, darunter die Kerle. Carberry holte seinen Hammer aus dem Gurt und drosch zwei wüste Löcher in den Rumpf. Als einer der Kerle seinen Kopf durch ein Loch steckte, verpaßte ihm Carberry den Profoshammer, nämlich die Faust aufs Haupt.

Das war der Moment, in dem Hasard den bereits vermißten Profos entdeckte.

„Ed!“ brüllte er. „Laß den Quatsch! Komm sofort zurück! Das ist ein Befehl, verdammt noch mal!“

„Aye, Sir“, murmelte der Profos, hämmerte noch ein Loch in das Boot, schaute sich um, entdeckte ein zweites Boot, das in schneller Fahrt auf ihn zugestakt wurde – und verzog sich schleunigst unter Wasser, nachdem er mächtig Luft gepumpt hatte.

Später erklärte er treuherzig, er habe sich in der Richtung geirrt. Jedenfalls schwamm er unter Wasser dem anderen Boot entgegen und ging es von vorn an, wo ein Kerl über den Vorsteven hing und ins Wasser stierte, offenbar, um Peilung von dem Christenhund aufzunehmen. Das Wasser im Priel war ja wirklich noch nicht tief. Carberry hatte immer noch Grundberührung.

Er tauchte vor dem Kerl auf, griff ihm ins Haar, sagte etwas Freundliches, riß ihn von Bord und versenkte auch diesen Mann. Dieses Boot kippte er übers Heck um, indem er den Bug anlüftete, so daß alle Mann nach achtern purzelten und dort versammelt waren, als das Boot auf sie stürzte.

„Ed!“ brüllte Hasard außer sich.

Carberry zog den Kopf ein. Den Ton kannte er. Schade, er hätte diesem Kahn auch gern noch ein paar Löcher verpaßt, aber wenn der Kapitän derartig brüllte, dann wurde es Zeit, die Ohren anzulegen – dies im wahrsten Sinne des Wortes, denn ein Pfeil zischte an Carberrys rechtem Ohr vorbei, hautnah, er meinte, sogar das gefiederte Schaftende am Ohrrand gespürt zu haben.

Wer hatte geschossen?

Aha! Der Kaftanmann im Bug des dritten Bootes, das herangestakt wurde. Dieser Hundesohn! Mit einem fürchterlichen Schwung schleuderte Carberry den Hammer dem Kerl entgegen – gerade als der mit Pfeil und Bogen wieder auf ihn anlegte. Mit dem Schuß wurde es nichts. Der Hammer traf voll und fegte den Kerl rückwärts in die Plicht.

Carberry schwenkte herum, sprang etwas hoch, knickte ab und glitt wie ein Aal ins Wasser. Weg war er. Und so hörte er auch nicht mehr, daß der Kapitän gedroht hatte, ihm ein paar Zähne einzuschlagen.

Seewölfe Paket 28

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