Читать книгу Seewölfe Paket 28 - Roy Palmer, Burt Frederick - Страница 9

5.

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Sultan Quabus bin Said stand mit verschränkten Armen im Park und blickte zu den Männern. Mac und Philip trugen die schwere Kiste, der Kutscher schritt vor ihnen her. Der Seewolf, Hasard junior und Mustafa standen beim Sultan. Plymmie hatte sich auf die Hinterläufe gehockt und betrachtete neugierig den Kutscher.

„Du hast zwei Ärzte?“ fragte der Sultan den Seewolf. Wieder schien Argwohn in ihm aufzukeimen.

„Einen Feldscher und einen Helfer“, erwiderte Hasard.

„Ich weiß nicht, ob ich gestatten kann, daß gleich zwei Ungläubige die Gemächer betreten.“

„Es ist ein Verstoß gegen die Gesetze des Korans“, sagte Mustafa. „Aber ich glaube doch, der Prophet wird ein Auge zudrücken, Herr. Es geht um Nabilas Leben. Und die Europäer haben wirklich bessere Behandlungsmethoden als wir.“

„Ja“, sagte der Sultan leise. „Ja, das sehe ich ein.“ Er gab seinem Berater einen Wink. „Führe die Männer in das Arztgemach. Sie sollen alles tun, was in ihren Kräften steht.“

Mustafa bedeutete dem Kutscher und Mac Pellew, mit ihm zu gehen. Der Kutscher wechselte nur ein paar knappe Worte mit seinem Kapitän, dann folgte er dem hageren Araber. Ein Wächter begleitete die Männer, er schleppte mit Mac zusammen die Kiste. Philip junior gesellte sich zu seinem Vater und seinem Bruder.

„Gibt es Spuren von dem Mörder?“ fragte Philip junior.

„Bisher keine“, erwiderte der Seewolf. „Plymmie hat draußen gesucht. Inzwischen habe ich mit ihr auch den Stall abgeforscht. Nichts.“

„Wir sollten es noch einmal versuchen“, sagte Philip.

„Einverstanden“, pflichtete sein Bruder ihm bei. „Los, gehen wir.“

Die Zwillinge entfernten sich in Richtung der Stallungen und verschwanden in ihrem Inneren. Der Seewolf blieb bei Quabus bin Said. Sie konnten sich jetzt nicht mehr unterhalten. Mustafa fehlte. Der Sultan schien jedoch auch kein Bedürfnis mehr zu verspüren, zu reden.

Er stand mit abgewandtem Gesicht da. Seine Miene war verschlossen. Er konnte immer noch nicht fassen, was geschehen war. Sein Geist wollte die harten Tatsachen nicht akzeptieren.

Hasard ging zu den Zwillingen in die Stallungen. Plymmie roch am Boden und an den Mauern. Die Pferde wurden unruhig. Sie schnaubten und wieherten. Ein Hengst stieg mit den Vorderläufen auf. Philip junior hielt die Hündin etwas zurück.

„Wir schaffen es nicht, bis in die Boxen vorzudringen“, sagte Hasard junior.

„Das ist mir vorhin auch nicht ganz gelungen“, entgegnete sein Vater. „Am besten wäre, wenn die Pferde hinausgebracht würden.“

„Kann man das nicht veranlassen?“ fragte Philip junior. „Die Lösung des Rätsels ist bestimmt in einer der Pferdeboxen.“

„Ich glaube, wir müssen abwarten“, sagte der Seewolf. „Der Sultan ist vorerst nicht mehr ansprechbar.“

„Aber die Zeit begünstigt die Flucht des Mörders“, sagte Hasard junior. „Er kann Masquat verlassen. Niemand wird ihn jemals finden.“

„Du begehst einen Denkfehler“, erwiderte der Seewolf. „Der Mörder hat auch nach dem ersten Anschlag den Ort nicht verlassen. Er ist zurückgekehrt. Und er wird es wieder versuchen, in den Palast einzudringen und jemanden zu erstechen.“

„Das muß verhindert werden“, sagte Philip junior. „Wir müssen den Kerl erwischen, um jeden Preis. Können wir ihm nicht eine Falle stellen?“

„Wir werden uns einen Plan zurechtlegen“, sagte der Seewolf. Er hatte bereits einiges aufs Spiel gesetzt, als er den Unheimlichen auf eigene Faust verfolgt hatte. Und er würde noch mehr tun – um den Tod der Haremsdame Lamia und des Eunuchen aufzuklären und dem Sultan zu helfen.

Dieser Mann hatte es verdient, daß man ihn unterstützte. Nicht jeder arabische Fürst war so aufgeschlossen wie Quabus bin Said. Das hatten die Männer der „Santa Barbara“ erst im südlichen Jemen erfahren müssen, wo es erheblichen Ärger mit dem Sultan Mahmud Al-Amir und dessen Schergen gegeben hatte.

Bob Grey wäre es um ein Haar an den Kragen gegangen, erst in letzter Minute hatten die Mannen ihn, die hübsche Asha Sharam und die Zwillinge befreien können. Asha war an Bord eines Schiffes nach Portugal unterwegs. Bob Grey träumte davon, sie eines Tages wiederzusehen, denn er hatte sich unsterblich in sie verliebt.

Der Orient hatte seine Reize – und seine Schrecken. Sehr schnell konnte das Paradies zur Hölle werden. In Masquat ging ein Frauenmörder um. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß er den Harem des Sultans auch weiterhin terrorisieren würde – falls er nicht entlarvt wurde.

Während Hasard und seine Söhne versuchten, durch Plymmie auf eine brauchbare Fährte des Verbrechers zu stoßen, begaben sich der Kutscher und Mac Pellew im Geleit von Mustafa und der Palastwächter in den Behandlungsraum. Hier lag der tote Eunuch aufgebahrt.

Die verletzte Nabila krümmte sich stöhnend auf einer Liege, die sich fast unmittelbar neben der Bahre befand. Ein Mann im weißen Burnus redete leise auf die Frau ein. Seine Worte klangen wie Beschwörungsformeln.

Der Kutscher wandte sich betroffen an Mustafa. „Es geht nicht, daß die Frau im selben Raum mit dem Toten liegt. Lassen Sie die Leiche wegschaffen.“

„Ohne die Genehmigung des Leibarztes geht das nicht“, erwiderte Mustafa gedämpft. Er blickte bedeutungsvoll zu dem Burnusträger.

Der Kutscher trat auf den Leibarzt zu, gefolgt von Mustafa, Mac und den Wächtern. Mac plazierte die Kiste neben dem Lager der Verletzten.

„Fragen Sie den Mann, ob er die Frau untersucht hat“, forderte der Kutscher Mustafa auf.

Quabus bin Saids Berater richtete ein paar Worte an den Leibarzt. Dieser unterbrach seinen Sermon und blickte die Männer an, als habe er ihr Eintreten nicht bemerkt.

Er antwortete unwirsch und wollte sich wieder der Frau zuwenden, aber der Kutscher griff nach seinem Arm. Daraufhin stieß der Araber etwas aus, das wie ein Fluch klang.

„Sie ist schwer krank, sagt er“, erklärte Mustafa. „Es gibt keine Hilfe mehr für sie.“

„Das bezweifle ich“, widersprach der Kutscher.

„Soll ich das übersetzen?“

„Ja.

Mustafa tat seine Pflicht. Der Leibarzt stieß wütende, zischende Laute aus und richtete drohend und anklagend zugleich seinen Finger auf die Fremden, die er als Scharlatane und Giaurs, ungläubige Hunde, bezeichnete.

„Ich übernehme hier sofort die Leitung“, sagte der Kutscher. „Und ich trage die Verantwortung für das, was geschieht. Wenn der Mann es nicht einsehen oder gestatten will, muß man eben den Sultan rufen.“

Mac begann zu schwitzen.

„O Mann, das wird kritisch“, murmelte er.

Nabila wand sich auf ihrem Lager. Sie stieß klagende Laute aus und sagte etwas, das selbst Mustafa nur schwer zu verstehen schien.

„Sie sagt, sie stirbt“, erklärte er.

„Sag ihr, daß sie nicht sterben wird“, entgegnete der Kutscher. „Ich werde sie jetzt genau untersuchen. Dazu muß ich sie vollständig entkleiden. Dann versorge ich ihre Wunden, und wenn es erforderlich ist, operiere ich sie. Ich will, daß du ihr das auseinandersetzt.“

„Ja.“ Mustafa sprach auf die Verletzte ein. Nabilas Augen richteten sich auf den Kutscher. Zunächst war sie entsetzt. Sie wimmerte. Dann aber beruhigte sie sich zusehends. Sie nickte und murmelte etwas.

„Sie will, daß du ihr hilfst“, sagte Mustafa.

„Sehr gut.“ Der Kutscher öffnete seine Tasche. Er gab Mac ein Zeichen, und Mac – der immer noch schwitzte – hob den Deckel der Arzneikiste an. „Als erstes verabreiche ich ihr ein Mittel“, fuhr der Kutscher fort. „Gegen die Schmerzen. Danach wird sie sich etwas besser fühlen.“

Mustafa dolmetschte. Nabila seufzte und nickte wieder. Der Leibarzt zischte etwas, das sehr häßlich klang, und verließ entrüstet den Raum. Mustafa konnte ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. Er gab den Wächtern einen knappen Befehl, und zwei von ihnen trugen den Toten hinaus.

„Jetzt haben wir schon ein bißchen mehr Luft“, sagte der Kutscher. Er gab Nabila eine Essenz zu trinken und lächelte ihr dabei beruhigend zu. Sie lächelte gequält zurück und ließ sich auf das Lager zurücksinken.

Der Kutscher sah Mustafa an. „Kein Mensch darf diesen Raum betreten.“

Mustafa schickte zwei Wächter als Türhüter nach draußen.

„Kutscher, Himmelarsch“, sagte Mac. „Es ist toll, was für ein Vertrauen wir hier genießen. Aber ich mag nicht an das denken, was uns passiert, wenn alles schiefgeht.“

Der Kutscher antwortete nicht. Vorsichtig begann, er, die Frau zu entkleiden. An einer stark blutenden Messerwunde war der Stoff angeklebt. Es kostete den Kutscher Mühe, den Fetzen zu lösen. Nabila stöhnte auf und verdrehte die Augen. Dann gab sie keinen Laut mehr von sich.

„Allah“, hauchte Mustafa. „Heißt das, daß sie …“

„Sie ist ohnmächtig“, erwiderte der Kutscher. Rasch entkleidete er die Frau ganz. Er untersuchte sie sorgfältig und gab Mac ein Zeichen. Mac hantierte mit Geräten und Tinkturen und trat neben den Kutscher. Der Kutscher säuberte die Wunden der Frau.

„Vier Blessuren“, sagte er. „Eine davon tief im Unterleib. Ich werde sie operieren.“

„Ist es ein schwieriger Eingriff?“ fragte Mustafa.

„Mittelschwer.“

„Heiliger Nepomuk, steh uns bei“, sagte Mac mit einem Gesicht, als schwebe das Schwert des Henkers bereits über ihm.

„Kampfer“, sagte der Kutscher zu Mac. „Wir fangen sofort an. Es ist gut, daß sie noch ohnmächtig ist.“

„Bei allen Wassergeistern, ich will jeden Tag beten, wenn wir das hier überstehen“, brummelte Mac und besorgte den Kampfer.

„Was ist eigentlich los mit dir?“ fragte der Kutscher leise, während er ruhig und mit sicheren Bewegungen ans Werk ging. „Haben wir nicht schon die schlimmsten Amputationen hinter uns gebracht?“

„Immer nur bei Kerlen“, flüsterte Mac. „Ich kann keine Frau leiden sehen.“

„Wir sorgen dafür, daß sie nicht leidet“, sagte der Kutscher. „Zumindest senken wir die Schmerzen auf ein erträgliches Maß.“

„Ich habe in meinem Leben noch keine Frau behandelt“, sagte Mac mit belegter Stimme.

„Dann ist es heute eben das erste Mal“, sagte der Kutscher. Aufmunternd nickte er Mustafa zu. Der Berater des Sultans war sehr blaß geworden. Er mußte sich setzen.

Dem Seewolf gelang es, sich mit dem Stallmeister des Sultans zu verständigen. Der Stallmeister war ein dicker, gutmütig wirkender Mann mit einem mächtigen Schnauzbart. Als er begriff, was die drei „Englischmänner“ mit ihrem Hund vorhatten, klatschte er in die Hände und befahl seinen Burschen, die Boxen zu räumen.

Die Pferde – über ein Dutzend – wurden auf den Palasthof geführt. Hasard und seine Söhne hatten den Stall ganz für sich. Sie waren ungestört. Plymmie senkte ihre Nase auf den Boden und begann mit ihrer Arbeit. Sie nahm sich eine Box nach der anderen vor. Zwischendurch hielt ihr der Seewolf immer wieder den Fetzen Stoff vor die Schnauze, den er ergattert hatte.

In der fünften Box wurde die Hündin fündig. Sie stieß die Schnauze ins Stroh, verharrte und knurrte verhalten. Dann begann sie heftig mit den Vorderpfoten zu scharren.

„Da ist was“, sagte Philip junior. Sein Bruder holte eine Mistgabel und stocherte damit im Stroh herum. Philip mußte Plymmie zurückhalten. Sie gebärdete sich jetzt wie verrückt.

Hasard junior legte ein Stück des Stallbodens frei, und die drei blickten auf einen quadratischen Umriß, der sich schwach von den Steinen abzeichnete. Der Seewolf beugte sich darüber und entdeckte einen Eisenring. Er griff danach und zerrte daran – und eine Luke schwang auf.

„Da hätten wir wohl die Lösung des Rätsels“, sagte Philip junior. „Es gibt also doch einen unterirdischen Gang.“ Mit aller Kraft mußte er Plymmie stoppen. Sie wäre sonst in den dunklen Schacht gesprungen, der sich gähnend unter der Luke öffnete.

„Der Mörder beweist erstaunliches Geschick“, sagte der Seewolf. „Er kann die Luke blitzschnell öffnen und in dem Schacht verschwinden. Ehe ich wieder auf den Beinen war, hat er sich verdrückt, ohne eine Spur zu hinterlassen.“

„Ich verstehe nicht, wieso der Sultan nichts von der Falltür weiß“, sagte Hasard junior.

„Das erfahren wir gleich“, sagte sein Vater. Er ging in den Park und verständigte den Sultan. Quabus bin Said verstand zwar nicht, was er sagte, aber er entnahm den Gesten des Seewolfs, daß es sich um eine wichtige Entdeckung handelte. Sofort folgte er ihm in den Pferdestall und forderte seine Wächter durch einen Zuruf auf, mitzukommen.

Einer der Eunuchen verschwand im Palast, um Mustafa zu holen. Der Berater wurde jetzt wieder als Dolmetscher gebraucht.

Im Stall entfachte einer der Wächter eine Öllaterne. An einem Seil ließ er sie in den Schacht hinuntergleiten.

„Es ist ein alter Brunnen“, sagte Quabus bin Said, als Mustafa bei ihnen eintraf. „Als er damals versiegte, wurde er mit einer Luke verschlossen. Dann wurde an dieser Stelle ein neuer Pferdestall gebaut. Das war vor über zehn Jahren. Inzwischen gibt es einen neuen Brunnen, und dieser Stollen geriet völlig in Vergessenheit. Er ist in der Mitte aber auch eingestürzt. Man kann ihn nicht als Gang benutzen.“

„Davon möchte ich mich lieber selbst überzeugen“, entgegnete der Seewolf. Er beugte sich über die Öffnung und erkannte im Schein der Lampe, daß es nur etwa fünf, sechs Yards senkrecht in die Tiefe ging. Dann knickte der Stollen in Richtung Hafen ab und schien nunmehr waagerecht zu verlaufen.

Der Sultan spähte über Hasards Schulter nach unten. „Der Schacht wurde wegen der besonderen Beschaffenheit der Wasseradern so angelegt, daß er mit sanftem Gefälle nach Masquat führt.“

„Und hat er irgendwo einen Ausgang?“ fragte Hasard.

Der Sultan schüttelte den Kopf.

Hasard setzte sich auf den Boden und steckte die Beine in den Schacht. Vorsichtig ließ er sich ein Stück nach unten gleiten. Er fühlte einen Halt unter dem rechten Fuß – etwas war in die Wand eingelassen. Ein einfacher eiserner Stab, wie er kurz darauf registrierte. Es gab eine Reihe dieser Stäbe, die wie eine Leiter auf die Sohle des Schachtes führten.

Hasard kletterte nach unten. Er hielt inne und führte vor, wie der Mörder bei seiner Flucht die Luke von innen geschlossen haben mußte. Dann stieß er die Luke wieder auf und stieg ganz nach unten. Er nahm die Lampe und leuchtete in den Gang, der sich vor ihm öffnete.

Dann hob er den Kopf und rief: „Philip, Hasard! Kommt runter! Bringt Plymmie mit!“

„Aye, Sir“, erwiderten die Zwillinge.

Kurz darauf standen sie neben ihrem Vater. Plymmie strebte vorwärts, Sie schien die Witterung wieder aufgenommen zu haben. Über den Köpfen der Männer kletterten nun auch die Palastwächter an den primitiven Eisentritten nach unten.

Die drei von der „Santa Barbara“, setzten sich in Bewegung. Sie mußten die Köpfe ein wenig einziehen, weil der Schacht nicht sehr hoch war. Plymmie schnürte vor ihnen her. Ein Marsch ins Ungewisse begann.

„Als Plymmie vorhin draußen war, hat sie gespürt, daß hier unten der Stollen verläuft, durch den der Kerl geflohen ist“, sagte der Seewolf. „Sie hat wirklich eine gute Nase.“

„Ein toller Riecher“, bestätigte Hasard junior.

„Der Gang ist frei“, sagte sein Bruder. „Von Verschüttungen sehe ich nichts.“

„Abwarten“, brummte Hasard junior.

Der Seewolf schritt vorwärts und hielt die Lampe hoch. Der Schein erfüllte den Schacht. Hinter den dreien waren die Schritte und Rufe der Wächter zu vernehmen. Ein ganzes Dutzend war auf den Befehl des Sultans in den Stollen abgestiegen. Sie waren alle bis an die Zähne bewaffnet. Wenn der Trupp auf den Mörder stieß, war das Schicksal des Unheimlichen besiegelt.

Aber die Hoffnung war verfrüht. Immer weiter ging der Abstecher ins Dunkle. Plymmie lief schnell, aber hin und wieder verhielt sie und drehte sich zu ihren Leuten um.

„Hier ist frische Erde“, sagte Hasard. „Ich wette, der Mörder hat fleißig gegraben, um den Teil wieder freizulegen, der verstopft war.“

„Ein ziemliches Stück Arbeit“, sagte Philip junior.

„Und er muß von der Existenz des Schachtes gewußt haben“, meinte Hasard junior. „Er hat ihn nicht einfach per Zufall entdeckt. Vielleicht hat er früher zu den Dienstboten des Sultans gehört oder so.“

„Oder so“, wiederholte Philip junior. „Genausogut kann es ein Mann aus dem Ort sein, der seinerzeit beobachtete, wie der Brunnenschacht angelegt wurde. Oder es ist eine Frau.“

Der Seewolf entgegnete: „Das glaube ich inzwischen nicht mehr. Dem Lachen nach zu urteilen, das ich von ihm gehört habe, ist es ein Mann.“

„Oder eine Frau mit einer sehr tiefen Stimme“, meinte Hasard junior.

Sein Vater ging nicht mehr weiter darauf ein. Der Stollen fiel, wie Sultan Quabus bin Said gesagt hatte, zur See hin leicht ab. Plötzlich beschrieb er einen Knick nach links. Dann nahm das Gefälle zu. Schließlich waren platschende Geräusche zu vernehmen. Hasard hielt die Lampe wieder etwas höher. Er erkannte, daß die Hündin durch flaches Wasser lief.

Die Männer stapften durch das Wasser. Bald stand es knöchelhoch in dem Tunnel. Nach wie vor gab es keine Anzeichen dafür, daß der Stollen irgendwo endete. Dann aber, nach einer neuerlichen Biegung, dieses Mal nach rechts, sahen die Männer in der Ferne etwas Helles schimmern, das wie diffuses Licht wirkte.

Bald hatten sie den Ausgang erreicht. Er lag halb unter Wasser – direkt am Meer. Das Ufer war an dieser Stelle felsig und unzugänglich. Struppige Büsche verdeckten den Einlaß. Man sah ihn von außen nicht. Nur ein Eingeweihter konnte von der Existenz dieses Höhlenloches wissen.

„Unser Brunnen mündet also ins Meer“, sagte der Seewolf. „Und von hier aus kann man mühelos Masquat zu Fuß erreichen.“

Plymmie schwamm ein Stück ins Meer hinaus. Sie kehrte zum Ufer zurück, kletterte an Land und sprang auf den Felsen herum. Ihr Knurren und Kläffen klang ärgerlich. Sie hatte die Spur verloren.

Die Wächter trafen ein. Sie stiegen vom Höhlenloch in die Felsen. Einer von ihnen rutschte ab und klatschte schwer ins Wasser. Hasard half ihm wieder an Land. Er wetterte und begab sich zu seinen Kameraden. Aber so sehr die Araber auch suchten – von dem unheimlichen Mörder fanden auch sie keine Fährte mehr.

Hasard kletterte auf einen etwas höheren Felsen und blickte nach Masquat. Er konnte alles erkennen, auch die „Santa Barbara“, die im Hafen vor Anker lag. Es mochten etwa sieben-, achthundert Yards bis zur Stadt sein.

„Was tun wir, Dad?“ fragte Philip junior. „Gehen wir zum Hafen? Es könnte ja sein, daß Plymmie die Spur dort wieder aufnimmt.“

„Das bezweifle ich“, erwiderte der Seewolf. „Außerdem müssen wir damit rechnen, daß der Mörder uns beobachtet – falls er in Masquat ist. Vielleicht hockt er auch irgendwo zwischen den Felsen weiter oben und lacht sich ins Fäustchen.“

„Was unternehmen wir also?“ fragte nun auch Hasard junior. Die Wachtposten blickten den Seewolf ebenfalls teils erwartungsvoll, teils ratlos an.

„Ich gehe von der Annahme aus, daß der Mörder in Masquat ist und sich versteckt“, sagte Hasard. „Noch weiß er nicht, daß wir seinen Geheimgang gefunden haben. Das ist unser Trumpf. Wir stellen ihm eine Falle. Ich schätze, daß er nach Anbruch der Dunkelheit zurückkehren wird. Bevor wir aber etwas unternehmen, möchte ich mit dem Sultan sprechen. Ich will nichts ohne sein Einverständnis tun.“

Die Männer kehrten durch den Gang zum Palast zurück. Plymmie folgte ihnen. Hin und wieder blieb sie stehen und beschnupperte die Höhlenwände. Sie war unruhig. Es paßte ihr nicht, daß sie den Gesuchten nicht gefunden hatte. Nach und nach begriff aber auch sie, daß sich an den Gegebenheiten vorläufig nichts ändern ließ.

Seewölfe Paket 28

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