Читать книгу ... und dann für immer! - Rubinius Rabenrot - Страница 30
Samstag, 15.06., um 21:59 Uhr. Tanzsaal im Tanzclub
ОглавлениеJana trank von ihren Prosecco. Fred war noch immer mit Bianka auf dem Parkett und genoss es, dass die vielen Augen am Rande der Tanzfläche den Tanzkünsten des großen Tänzers bewundernd folgten.
Genau das mochte Jana an Fred nicht. Er war der Meinung, der Tänzer habe das Recht, im Mittelpunkt zu stehen und die Tanzpartnerin wäre nur als Dekoration, als Stütze gedacht, nur ein Instrument, um den Tanz mit einer Pirouette auszuschmücken, und der weibliche Körper sei allein dafür da, dem Tanz einen gewissen Sexappeal zu verleihen.
Gelangweilt sah sie quer durch den Tanzsaal. Plötzlich erstarrte ihr Blick. Zunächst schüttelte sie kurz den Kopf, und als das Bild immer noch nicht verschwunden war, schloss sie die Augen, um die gesichtete Fata Morgana zu verscheuchen. Vorsichtig rieb sie mit den Fingerspitzen über die Augenlider. Es konnte gar nicht sein, völlig unmöglich war es, was sie da sah.
Wieder öffnete sie die Augen und schaute durch die gedimmte Beleuchtung im Saal auf die gegenüberliegende Seite. Er war es! Sie sah ihn so klar und deutlich, wie man eine Person nur sehen konnte, in diesem schummrigen Licht des Tanzsaales und wenn man überhaupt bei Verstand war.
Janas Herz setzte für einen kurzen Moment aus. Wo war Kathi? Sie brauchte jemanden, an dem sie sich festhalten durfte, um nicht im nächsten Augenblick umzukippen.
Am gegenüberliegenden Tisch war Ralf Rössler aufgetaucht. Wahrscheinlich nur sein Geist oder Janas Traumbild. Die Begleiterin war die schönste Frau im gesamten Saal. Ihr blondes Haar glänzte wie schimmerndes Gold. Schlank und großgewachsen, eine Schönheit. Die feinen Gesichtszüge, alles an ihr war Selbstbewusstsein pur. Ihr Lächeln überstrahlte alles im Saal und degradierte die Saalbeleuchtung, zu einem funzeligen Abblendlicht. Das war also die Frau, die Ralf Rössler begleiten durfte. Jana empfand sich im Gegensatz zur schönen Blonden wie das sprichwörtliche potthässliche Entlein.
Ralf ging aufrecht am Rande des Tanzsaales zum Eingang. Was auch immer war, es drängte sie zu ihm hin. Sie musste mit ihm sprechen. Aber was sollte sie ihm sagen? Er hatte eine Freundin. Die verlockendste aller Frauen durfte ihn in diesen Tanzclub begleiten. Hierher, in ihren geliebten Club. Wie kam es, dass sie ihn bis heute hier nie gesehen hatte? Lief sie wirklich so uninteressiert, so blind durch die Welt?
„Jana, was ist? Du bist ja ganz blass“, hörte sie Kathi neben sich sagen.
Jana hob den Arm und zeigte mit der Hand auf die gegenüberliegende Seite des Tanzsaales auf einen Mann, der im Begriff war, den Saal zu verlassen.
„Das ist Ralf Rössler“, sagte sie mit erstickter Stimme.
Kathi schaute dem Mann hinterher. Er sah genau so aus, wie Jana es ihr geschildert hatte und er sah dem Mann ähnlich, den sie im Internet gesehen hatte. Wirklich ein Bild von einem Mann.
„Kathi, ich muss hier weg.“
„Bist irre, Jana? So nah am Glück und du haust ab?“ Ungläubig sah sie ihre Freundin an.
„Siehst du die Frau dort drüben?“
Kathi sah zum Tisch hin, den Jana meinte. Sie sah die Frau an und ihr verschlug es die Sprache. „Ja, superschön“, sagte sie nach einer Weile.
„Mit ihr ist er hier.“
„Oh“, war alles, was Kathi noch zu sagen hatte.
„Kathi, ich geh jetzt und motte mich für die Ewigkeit ein. Da bin ich wohl chancenlos.“
„Soll ich dich begleiten?“ Immer noch sah Kathi die Schönen an.
„Wie du möchtest.“
Im nächsten Moment kam Ralf Rössler in den Tanzsaal zurück mit einem Hefeweizen in der Hand. Wieder wurde ein langsamer Walzer gespielt. Alles drängte auf die Tanzfläche, so dass die Sicht auf das Liebespärchen beeinträchtig wurde. Die Paare auf dem Tanzparkett bewegten sich im Takt der Musik. Bei einigen Paaren sah es schon sehr gut aus, bei den anderen ebenso, wie man tanzt, wenn man mit dem Tanzen anfängt.
Ralf griff nach der Hand der blonden Schönheit. Einen Augenblick standen sie am Rand der Tanzfläche, direkt Jana gegenüber. Ein wunderschönes Paar. Beide hatten dieselbe Körpergröße. Vielleicht war sie gar ein bisschen größer als er. Sie hochelegant in ihrem roten Kleid und er, lässig in der gepflegten Jeans und dem azurfarbenen Shirt. Und dann begann das schönste Pärchen im Saal zu tanzen. Nein, sie tanzten nicht, sie schwebten auf dem Tanzparkett dahin, als gäbe es keine Schwerkraft und keinerlei Hindernisse. Als wären nur sie allein auf dem Parkett. Wie ein Prinzenpaar - sie verwandelten diese kleine Tanzwelt, in diesem kleinen Tanzclub, in die große Welt des Tanzes.
Ein Paar nach dem anderen hörte mit seinem stümperhaften Tanzversuchen auf und starrte bewundernd auf das durch den Saal schwebende Traumpaar.
Ralf Rössler, ein Tänzer, wie sie noch keinen vor ihm gesehen hatte. Jetzt war Jana nicht nur verliebt in Ralf! In diesem Augenblick begann sie auch noch, bewundernd zu ihm aufzuschauen. Was für ein Mann, dieser Ralf Rössler!
Sie musste hier raus. Das Traumpaar schwebte an ihr vorbei. Sie konnte den Duft wahrnehmen, den er verströmte. Derselbe Duft wie im Aufzug, als er vor ihr stand. Dieser Mann hatte sie angesehen und sie war für einen Augenblick in die dunklen Augen eingetaucht.
Bis zum Ende des langsamen Walzers tanzte nur noch Ralf Rössler und die Prinzessin in seinen Armen, und als die Musik verstummte, applaudierten und jauchzten die Umstehenden.
Der DJ nahm sein Mikrofon. „Darf ich vorstellen: Ralf Rössler und Lisa von Gräfing. Unsere talentiertesten Schüler. Leider viel zu selten zu Gast im Tanzclub.“
Und wieder gab es einen riesen Applaus und Bravos.
Jana nahm ihre Handtasche.
„Bleib doch.“ Kathi hielt sie am Arm fest.
„Mir ist so heiß. Ich muss hier raus“, sagte Jana und schnappte nach Luft.
„Wenn du jetzt gehst, dann wirst du nie erfahren, wie es weiter gegangen wäre.“
Aber Jana war schon auf dem Weg zum Ausgang.
Sie wollte nur noch nach Hause, sich ins Bett legen und sich mit den Tränen den Schmerz von der Seele waschen. Wenn sie jetzt nicht ging, würde sie gleich auf der Tanzfläche zusammenbrechen und mit all den Tränen den Tanzsaal überfluten.
Raus! Die Atemnot schien sie zu ersticken, aber die Stimmen in ihr schrien, sie solle bleiben. Die Angst vor dem Sterben drängte sie weiter, Schritt für Schritt immer weiter, dem Ausgang zu.