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DIE EIGENEN VIER RÄDER

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AUGEN AUF BEIM AUTOKAUF

Riqi wusste, das er dem ziemlich irritierten Peter nun eine Erklärung schuldig war: »Sei mir nicht böse, Peter, aber ich habe dich natürlich ein bisschen auf den Arm genommen.«

»Hab ich’s mir doch gedacht!«

»Sorry, aber die Verlockung war einfach zu groß. Also gut – schau’ mal in die Garage, dort steht Malcolms Ute. Es ist eine glänzende Schönheit. Mit V8-Motor. Der Schlüssel liegt im Tiefkühlfach des Kühlschranks.«

Mit dem Telefon in der Hand lief Peter in die Garage, und da er dieses Mal keinen Eimer suchte und sich seine Nervosität weitgehend gelegt hatte, war das Rätsel um Malcolms Ute auch schon auf den ersten Blick gelöst.

»Ich muss sagen, Riqi, du hast mich mit deiner Beschreibung dieser black beauty ganz ordentlich an der Nase herumgeführt: Ich musste ja annehmen, dass es sich um ein weibliches Wesen handelt.«

»Das hab’ ich schon gemerkt. Ich kann mir allerdings immer noch nicht zusammenreimen, warum du so auf die Damenwelt fixiert warst.«

»Ganz einfach: Ute ist ein typischer germanischer Frauenname. Kein Deutscher denkt dabei an ein Auto. Fahrzeuge dieser Art nennt man in Deutschland »Pickup«.«

»Diesen Begriff kennen wir auch, aber bei uns sagt jeder Ute. Das Ute von Holden ist eine echte Ikone.«

GUTE FAHRT

Holden ist eine australische Automarke (heute zu General Motors gehörend) mit Sitz in Melbourne. Die aktuellen Modellreihen bestehen u. a. aus dem Commodore und dem größeren Caprice. Beide werden als Limousine, Kombi und »Ute« Pickup angeboten, jeweils ausgerüstet mit großvolumigen V6- oder V8-Motoren. Frühere Fahrzeugtypen waren praktisch identisch mit Modellen von Opel bzw. Vauxhall und unterschieden sich lediglich im Firmenlogo. Autos der Marke Holden sind in Neuseeland äußerst beliebt.

»Übrigens: Holden hört sich im Deutschen auch gut an, Ute Holden würde glatt als Künstlername durchgehen.«

»Dein Humor gefällt mir. Aber zurück zum Thema – kommst du nun mit Malcolms Ute zu mir oder nicht?«

Peter besah sich den Holden prüfend von allen Seiten, während Riqi am anderen Ende der Leitung auf eine Antwort wartete. Schließlich traf er eine Entscheidung: »Sorry Riqi, aber ich glaube, ich muss passen!«

»Warum das denn?! Seid ihr Deutschen nicht die geborenen Autofahrer schlechthin? Schuhmacher, Vettel, Lauda. Und überhaupt – ihr habt doch das Auto erfunden, nicht wahr?«

»Nicki Lauda ist Österreicher.«

»Ah, okay, knapp daneben. Aber sag mal, so viel ich weiß, hattest du doch einen Audi in Frankfurt?«

»Ja, richtig. Und wenn du’s genau wissen willst: Ich hatte sie fast alle – die großen Marken der Autowelt. Aber ganz ehrlich – meiner Ansicht nach stehe ich hier vor einem ziemlich ungewöhnlichen Fahrzeug in perfektem Zustand und geschätzten 200 PS unter der Haube. Ausgerechnet damit soll ich mich auf meine erste Fahrt auf der falschen Straßenseite durch den wuseligen Verkehr von Auckland begeben? Malcolm would not feel happy about it – Malcom wäre darüber nicht erfreut. Nein danke, von dieser Ute lasse ich wohl besser die Finger ...«

Riqi war im Grunde genommen nicht überrascht: »Das kann ich natürlich verstehen. Also pass mal auf: Ich hole dich in zehn Minuten ab, wir holen uns fish ’n’ chips (Bratfisch und Pommes Frites) als take-away (zum Mitnehmen), halten für den lunch break am Strand und gehen anschließend wir für dich ein passendes Auto kaufen ...«

»Natürlich, und danach kaufen wir mir noch ein neues Haus – Malcoms ist ja nachweislich undicht ...«, scherzte Peter.

»Ich mein’s ernst. Wir kaufen dir was schönes Kleines zum TopKurs – du kannst es ja vor deiner Abreise wieder veräußern und wirst kaum Verlust machen, I promise.«

Peter kam ins Grübeln. »Ach, weißt du was – so machen wir das. Ich bin hier für das ungebremste Abenteuer, warum also nicht einfach mal spontan ein Auto kaufen – ich hab ja schließlich vor, eine ganze Weile in deinem Land zu bleiben. Mit ein bisschen Glück könnte sich die Ausgabe wirklich rechnen.«

»So mag ich meinen Peter. Halt dich bereit, ich bin gleich bei dir ...«

SELBSTFAHRER

Riqis Vorschlag, ein Auto zu kaufen, macht durchaus Sinn. Wer wie Peter vorhat, länger als nur wenige Wochen in Neuseeland zu bleiben, fährt im Vergleich zum Leihwagen mit dem Erwerb eines Gebrauchtwagens nicht nur billiger, sondern ist damit außerdem flexibler. Natürlich besteht auch an öffentlichen Transportmitteln kein Mangel – mit Bus, Bahn (je nach Region), Taxi und Fähre erreicht man mit etwas Geduld praktisch jeden beliebigen Punkt Neuseelands. Dennoch bietet der Individualverkehr klare Vorteile, wenn es darum geht, spontan zum nächsten Strand abzubiegen, sehenswerte Stellen, die meistens recht isoliert liegen, anzusteuern oder ganz allgemein quer durchs Kiwiland zu touren.

Erschwingliche Gebrauchtwagen aller Art werden von privaten Verkäufern und gewerblichen Händlern buchstäblich an jeder Ecke angeboten. Die Kaufabwicklung ist unkompliziert, Versicherungen sind günstig und der Wiederverkauf am Ende der Reise gelingt in den meisten Fällen problemlos.

Während sie am Beach von Takapuna saßen und ihre fish ’n’ chips verspeisten, erfuhr Peter von Riqi, dass er nach seiner Schulzeit eine Ausbildung als Automechaniker begonnen hatte. Obwohl Riqi bereits im Vorschulalter ein starkes musikalisches Interesse und Talent erkennen ließ und auch schon im Alter von sieben Jahren bei Familienfesten mit der Gitarre auftrat und sang, hatte sein Vater darauf gedrängt, dass Riqi einen soliden Beruf erlernen sollte. Ohne Widerrede den Anordnungen seines old man (alter Herr, Vater) folgend, entschied er sich für die Fahrzeugbranche, weil er sich, wie die meisten Jungen im Schulalter, auch für flotte Autos interessierte, allerdings mit großem Abstand zur Musik.

Riqi kannte ein paar Autohändler an der North Shore und sein Plan war, ein paar davon zusammen mit Peter abzuklappern. Unterwegs fiel Peter auf, dass es relativ oft Bereiche am Straßenrand gab, wo zwei, drei oder noch mehr Autos mit, meist handgemalten, »For Sale«-Schildern hinter der Scheibe standen. Er hätte sicher sehr schnell und spontan einen Wagen gefunden, denn außer japanischen und koreanischen Massenprodukten waren da und dort auch Fahrzeuge europäischer Hersteller zu sehr günstigen Preisen zu sehen. Riqi aber bremste Peter im wahrsten Sinne des Wortes herunter und war überzeugt, bei einem guten Händler die besseren Angebote zu finden.

Peter hatte vorab ein paar administrative Fragen: »Wie geht das eigentlich mit dem Besitzerwechsel, wenn ich mich für ein Auto entschieden habe? Kriege ich dann gleich den Fahrzeugbrief ausgehändigt, wenn ich bezahlt habe? Und habt ihr hier so etwas wie einen TÜV?«

BETTER SAFE THAN SORRY! – VORSICHT IST BESSER ALS NACHSICHT!

Der neuseeländische TÜV heißt WOF. Es ist die warrant of fitness, die Gewähr der Straßentauglichkeit. Für ältere Fahrzeuge bis Baujahr 1999 muss die Untersuchung zur WOF alle sechs Monate durchgeführt werden. Ab dem Baujahr 2000 gilt ein jährliches Intervall. Bei bestandener Überprüfung gibt es ein Prüfzertifikat und einen Aufkleber, auf dem das Datum der nächsten Untersuchung sichtbar ist. Der Aufkleber klebt innen an der Windschutzscheibe, oben in der Ecke auf der Beifahrerseite.

»Langsam, langsam, so weit sind wir doch noch gar nicht. Aber was meinst du mit Fahrzeugbrief? Das hört sich für mich seltsam an – bist du sicher, dass vehicle letter die richtige Übersetzung ist.«

»Sicher bin ich nicht wirklich – ich habe es auf die Schnelle wörtlich übertragen. In Deutschland gehört jedenfalls ein solcher Fahrzeugbrief zu jedem Auto – er ist ein Eigentumsnachweis. Das ist also das Dokument, in dem du als Besitzer eingetragen bist und in dem alle Vorbesitzer aufgelistet sind.«

»Okay, verstehe. Du meinst sicherlich das vehicle registration document. Das gibt es hier natürlich auch. Du bekommst es im Post Shop. Aber die Vorbesitzer stehen dort garantiert nicht drin. Wenn du wissen willst, aus der wievielten Hand ein Gebrauchtwagen stammt, dann musst du dich auf die Aussage des Verkäufers verlassen, sofern er es überhaupt weiß.«

Riqi zeigte mit der Hand schräg nach vorne. Dort, neben einer großen »Z«-Tankstelle, war ein Autohof zu erkennen; Strippen mit bunten Wimpeln markierten den gesamten Bereich des Händlers; es wirkte ein bisschen amerikanisch – wenigstens ein kleines bisschen.

TANKEN VON B BIS Z

Ein geschwungenes, gelb-orangefarbenes Z auf dunkelblauem Grund markiert die Tankstellen von Z Energy, vormals Shell. Shell veräußerte den neuseeländischen Unternehmensbereich Kraftstoffvertrieb im Jahr 2010. In der Folgezeit wurden alle Shell-Tankstellen einem sogenannten rebranding unterzogen und vom neuen Besitzer in Z umbenannt. Es gibt in Neuseeland außerdem Tankstellen von BP, Caltex, Challenge, Gull, Mobil und Pak’n Save.

Auf einer Stele waren drei ineinander verschlungene »A« zu sehen, sie standen für Auckland Affordable Autos – Peter fand das als Kreativer aus der Werbung sehr originell.

Nachdem sich Riqi und der Händler herzlich und ausführlich begrüßt hatten, kam der Autofachmann auf Peter zu und stellte sich als Mark vor; er war sehr groß, fast massig, hatte freundliche grüne Augen und war – so vermutete Peter – wie Riqi Maori. Der Autohändler sagte auf sympathische Art: »I’m Mark. Ich weiß, dass ich einen schlecht angesehenen Berufsstand repräsentiere. Umso mehr freue ich mich, dich als Freund von Riqi und als Interessenten meiner second hand cars begrüßen zu dürfen. Welcome to triple-A!«

DIE LISTE DER VERTRAUENSWÜRDIGSTEN BERUFE IN NEUSEELAND 2013 SIEHT SO AUS:

 Paramedics (Sanitäter)

 Firefighters (Feuerwehrleute)

 Rescue volunteers (Freiwillige Rettungskräfte)

 Nurses (Krankenschwestern)

 Pilots (Piloten)

 Doctors (Ärzte)

 Pharmacists (Apotheker)

 Veterinarians (Tierärzte)

 Police (Polizisten)

 Armed Forces Personnel (Armeeangehörige)

Die Schlusslichter sind:

 CEOs (Firmenbosse)

 Call centre staff (Telefonberater)

 Airport baggage handlers (Gepäckabfertiger)

 Journalists (Journalisten)

 Real estate agents (Immobilienmakler)

 Insurance salespeople (Versicherungsverkäufer)

 Politicians (Politiker)

 Sex workers (Prostituierte)

 Car salespeople (Autoverkäufer)

 Door-to-door salespeople (Drücker)

 Telemarketers (Telefonverkäufer)

Natürlich standen auf Marks Ausstellungsgelände Autos aller Fabrikate und Typen, die Peter Oblands Herz höher schlagen ließen, und wieder waren es die europäischen Modelle, von denen er sich besonders angezogen fühlte. Er und Riqi liefen durch die langen Reihen der Fahrzeuge bis sie – rein theoretisch zumindest – Peters Traumfahrzeug gefunden hatten: einen schicken Mini Cooper, rot mit weißem Dach. Zwei große, leuchtend gelbe Banner über der Windschutzscheibe nannten einige verlockende Kaufargumente: Baujahr, Hubraum, Getriebe – das hieß: sechs Jahre alt, 1.600 Kubikzentimeter, Automatik. Peter zeigte sich irritiert: »Keine Kilometerangabe, keine PS-Zahl, keine Verbrauchsangabe, keine Aufstellung der Vorbesitzer, kein Wartungsprotokoll, kein Schätzbericht, kein Unfallausschluss, keine Ausstattungsübersicht, keine Liste mit den Extras – Riqi, das ist schon arg dürftig, so sehr mich das Auto auch anspricht – da bin ich mehr Details gewohnt.«

Mark kam durch die langen Reihen der Fahrzeuge geeilt, blieb neben Peter, der gerade das Reifenprofil des Minis checkte, stehen und sagte: »Nur ein kleiner Tipp, den ich allen Kunden gebe, die neu im Lande sind: Falls du einen Wagen deutlich unter der 10.000 Dollar-Marke suchst, dann klammere besser mal die europäischen und amerikanischen Typen aus – du wirst dich sonst mit großer Wahrscheinlichkeit bald schon über die Kosten bei Wartung und Reparatur ärgern. Ich sage das übrigens nur, um meine persönliche Reputation hochzuhalten – gegen das miese Branchen-Ranking kann ich kaum etwas ausrichten.«

Und schon entschwand der Händler wieder, weil seine Sekretärin mit schriller Stimme und hoch in die Luft gehaltenem Telefon quer über den Autohof gerufen hatte.

Riqi sagte: »Jetzt weißt du, warum es gut ist, einen Autohändler des Vertrauens zu haben. Und jetzt schau mal auf den Preis des Mini!«

Auf der Windschutzscheibe des roten Mini klebten die Zahlen in weißen Buchstaben, die so groß waren, dass man sie eigentlich nicht übersehen konnte: »Oops – 12.000 Dollar! Das ist weit über meinem Budget. Fünftausend Dollar sind maximal drin. Lass’ uns nach einem asiatischen Fabrikat Ausschau halten.«

Schließlich fanden die beiden ein Auto, das gut in Peters, nunmehr von Vernunft geprägtes Auswahlschema passte. Der kleine kompakte hatchback (Hecktürmodell, Steilheck) war japanischen Ursprungs und hatte immerhin seine kirschrote Farbe als Gemeinsamkeit zum geplatzten Mini-Traum.

Riqi mobilisierte seine Qualitäten als ehemals werdendem Automechaniker, schaute ausgiebig unter die Motorhaube, rüttelte an allen Anschlüssen, die er erreichen konnte, und nickte zufrieden. Der kleine rote Toyota stand als Billigauto wirklich gut da.

Peter dankte Riqi für die überaus fachmännische Inspektion und ging mit ihm in das Containerbüro des Händlers. Mark sagte, dass er den Wagen – natürlich – besten Gewissens empfehlen könnte: »Du kannst so ein Auto auch sehr gut wieder verkaufen, wenn dein gap year (Urlaubsjahr, Sabbatjahr) zu Ende ist. Frag mich, wenn es soweit ist – vielleicht kaufe ich es sogar zurück.«

Schließlich gab er noch einen kleinen, aber erfreulichen Preisnachlass und gewährte außerdem eine halbjährige Garantie auf mechanische Schäden. Peter kaufte den Wagen und war ein bisschen stolz darauf.

Fettnäpfchenführer Neuseeland

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