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Kommen und gehen

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In der Straße war es ruhig, keiner beachtete den Mann im Fiesta, dem der Fotoapparat am Gesicht zu kleben schien. Ein nettes Spielzeug, so eine Digitalkamera. Und ich hatte endlich ausreichend Zeit, mich mit der verwirrenden Vielzahl von Funktionen dieses Wundergeräts zu beschäftigen.

Es betraten das Haus: eine alte Frau (erschöpft) mit drei Supermarkttüten; ein mittelalter Mann (erwartungsvoll lächelnd), adrett gekleidet, mit Aktentasche; zwei Jugendliche (finster) mit Baggy-Pants; eine alte Frau (zerknittert) mit Handtasche; ein älterer Mann (geschäftsmäßig) in Anzug und Krawatte; eine junge Frau (verbissen) mit Kopftuch; eine mittelalte Frau (blicklos) mit Kopftuch und bodenlangem Mantel.

Es verließen das Haus: eine junge Frau (fröhlich) mit Kinderwagen (still); ein alter Mann (am Stock); eine junge Frau (genervt) mit Kinderwagen (schreiend); ein mittelalter Mann (selig lächelnd), adrett gekleidet und mit Aktentasche; eine ältere Frau (verkniffen) in Kittelschurz und Hausschlappen; ein junger Mann (verschlafen) mit zotteligen langen Haaren; ein älterer Mann (geschäftsmäßig) in Anzug und Krawatte.

Stand irgend jemand davon in Verbindung mit Madame?

Zwischendurch schaute ich immer wieder auf die Fenster. Und siehe da, Hartnäckigkeit zahlt sich aus: eine Bewegung, mehr ein Schatten, ich hielt darauf, zoomte heran, und Madame blickte mir direkt in die Linse. Eine ganze Weile stand sie da, als posiere sie für mich. Hatte sie mich entdeckt?

Zweiter Stock, linke Wohnung.

Und schließlich, um exakt 14:17 Uhr, kam Madame aus der Tür. Ohne Dessoustüte. Eineinhalb Stunden hatte sie in dem Haus verbracht. Womit? Mit wem? Warum?

Ohne Eile und ohne sich umzusehen schlenderte sie zu ihrem Flitzer, und ich musste blitzschnell eine Entscheidung treffen: Ihr weiter folgen? Oder hier bleiben und den Eingang beobachten? Wenn sie sich tatsächlich mit ihrem Liebhaber getroffen hatte, musste der irgendwann aus dem Haus kommen. Von den männlichen Wesen, die bisher das Haus verlassen hatten, mochte ich keinen mit der eleganten Susanne Eulert in Verbindung bringen.

Ich folgte der puren Logik und fuhr ihr nach. Wenn es diesen Liebhaber gab, war dies bestimmt nicht das letzte Treffen gewesen.

Vielleicht war es ein Fehler. Jedenfalls war es öde. Madame strebte schnurstracks nach Hause, ließ sich nicht mehr blicken, empfing auch keinen Besuch, und ich saß mal wieder im Auto, hungernd, müde und frierend. Ob ich mal klingeln sollte bei ihr? Keine gute Idee, wenigstens im Moment nicht. Ich brauchte noch ein paar mehr Fragen, die ich ihr stellen konnte. Der Nachmittag zerfloss, und ich zog Bilanz. Was hatte mir die ganze Aktion nun gebracht?

Ich hatte die Lebensumstände meines Zielobjektes erkundet. Der Unternehmer Helmut Eulert bewohnte ein repräsentatives, bestimmt sauteures Anwesen in offensichtlich bester Wohnlage. War das eine Überraschung?

Ich hatte herausgefunden, dass Madame eine Zweitwohnung hatte oder zumindest den Schlüssel zu einer Wohnung, die jemand anders gehörte. Wozu sie diente, konnte ich mir ausmalen. Ganz bestimmt nicht, um dort in Ruhe ein Mittagessen zu kochen. Das warf zwar ein interessantes Licht auf diese Frau, aber ihr Liebesleben konnte mir egal sein. Es war ja nicht ihr Mann, der mich beauftragt hatte, seine Frau zu beschatten. Mysteriös. Musste Madame nicht damit rechnen, dass ich mich auch über sie kundig machte und dabei auf ihr kleines Geheimnis stoßen würde? Immerhin, sie hatte mich neugierig gemacht.

Schließlich gab ich auf. Ich hatte noch etwas Besseres zu tun heute Abend, und die Vorfreude darauf verdrängte allmählich meine schlechte Laune, als ich auf der Remstal-Schnellstraße in die Dämmerung hinein Richtung Schwäbisch Gmünd brauste. Ich musste mich beeilen, wenn ich meine Verabredung einhalten wollte.

Alle Müdigkeit, aller Frust waren weggeblasen. Zwei Wochen hatte ich auf diesen Moment gewartet. Ich war aufgeregt wie beim ersten Date. Schmetterlinge im Bauch.

Fisch oder stirb

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