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Die Lady ist ein Vamp

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Es begann an einem Dienstag Ende März kurz nach zwei Uhr. Die ersten lauen Lüftchen ließen den Frühling erahnen und hatten die Schneeberge weggeschmolzen, die uns den ganzen Winter begleitet hatten.

Ich saß in meinem Büro und war angenehm gesättigt und leicht schläfrig nach einem ausgedehnten Lunch in Rebers »Pflug«, zu dem ich einen Kunden eingeladen hatte. Der Aufwand war nötig gewesen, weil der Kunde sich etwas geziert hatte. Komischerweise gibt es immer noch Menschen, die standhaft glauben, ein Versicherungsvertreter wolle ihnen nur überflüssige Policen aufquatschen.

Nach einem Damhirschrücken mit Gänseleber und Holunderjus und einer Flasche Burgunder unterschrieb er endlich. Die Rechnung ging natürlich auf mich, doch angesichts der Provision, die ich mir eben verdient hatte, konnte ich das schon verkraften.

Ich hatte also eigentlich keinen Grund, unzufrieden zu sein. Und trotzdem saß ich in meinem Büro, hatte die Füße auf den Schreibtisch gelegt und langweilte mich.

Sicher, wenn ich auf meinen Schreibtisch schaute, was ich im Moment zu vermeiden suchte, hätte der Eindruck entstehen können, dass es genügend zu tun gab. Doch nicht jeder ist für Schreibkram geeignet. Ich war es definitiv nicht. Sonja schon.

Nachdem dieser Punkt geklärt war, lehnte ich mich befriedigt zurück und langweilte mich weiter.

Sonja, meine Geschäftspartnerin, hatte mit langer Verzögerung Feng Shui für sich entdeckt und unser Büro neu eingerichtet. Feng Shui war ziemlich blöd. Es zwang mich, zur Türe zu starren, was ausnehmend trist war. Viel lieber hätte ich zum Fenster hinausgeschaut, in den frühlingsblauen Himmel und auf die kleinen Wölkchen, die vorbeizogen. Das war wenigstens ein inspirierender Anblick und vermittelte die Illusion von gutem Wetter.

Ich hätte meinen Stuhl ja auch herumdrehen können. Aber worauf sollte ich dann meine Füße legen? Das war ein Punkt, den die Feng-Shui-Experten noch mal diskutieren mussten. Bis dahin starrte ich unverdrossen die Türe an und verlor mich in meinen Gedanken.

Jetzt, dachte ich, müsste die Tür aufgehen und eine berückend schöne Frau hereinkommen.

Und was sage ich? Die Tür ging auf, und eine berückend schöne Frau kam herein.

Schnell nahm ich die Füße vom Schreibtisch und setzte mich ordentlich hin.

Das blassblaue Kostüm mit dem sehr kurzen Rock war so eindeutig Chanel, dass sogar ich das erkannte, und der leise Duft, der von ihr ausging, war dann wohl No. 5. Ich dachte natürlich sofort an Marilyn Monroe, an wen auch sonst, aber im Vergleich zu der Dame in Blassblau war die gute Marilyn ein rechter Pummel gewesen. Perfekt ausgemergelt war die Dame, könnte man sagen, dabei machte sie nicht den Eindruck, als sei sie der knochige Typ. Aber Fettabsaugen war ja ein Routineeingriff heutzutage.

Berückend schön, in der Tat. Wenn man auf ältere Semester stand. Die Dame verstand es blendend zu kaschieren, dass sie die Vierzig überschritten hatte. Ein ebenmäßiges Gesicht, von einem kunstvoll modellierten Blondschopf umrahmt, gerade Nase, volle Lippen. Und reichlicher Gebrauch von Make-up. Bei genauerem Hinsehen würde man sicher ein paar Narben hinterm Ohr finden. Wenigsten konnte sie noch lächeln, was für mäßigen Botox-Einsatz sprach.

Vielleicht bin ich gehässig. Aber mit allem jenseits der, sagen wir mal, neununddreißig hatte ich derzeit meine Probleme.

Ich tippte auf eine Lebensversicherung für ihren überzüchteten Rassehund.

»Sind Sie der Privatdetektiv?«, hauchte sie mit sanfter Stimme. »Unten am Haus ist jedenfalls ein Schild.«

Ich konnte mir den dummen Spruch nicht verkneifen: »Sehen Sie außer mir noch jemanden?«

Sie lachte. Sympathisch, diese Frau. Es war diese Art keckerndes Lachen, die man lange üben muss, damit es seine erotisierende Wirkung entfaltet.

Es kommt nicht eben häufig vor, dass mich ein Klient in meiner Eigenschaft als Privatdetektiv aufsucht. Normalerweise stolpere ich eher zufällig über Leichen und muss dann sehen, wie ich damit zurecht komme.

Das war so ein Fall.

Genauer gesagt war es der erste Fall. Mein erster richtiger Klient! Und dann noch eine Klientin! Und eine, die man nicht von der Bettkante schubsen würde! In Asien spricht man dem ersten Kunden des Tages eine große Bedeutung zu. So ein bisschen Aberglauben war vielleicht nicht schlecht. Was immer diese Frau von mir wollte, sie würde es bekommen. Alles.

Ich deutete auf den Besuchersessel, ein ältliches Ding aus rotem Leder, das ich vor langer Zeit bestens erhalten aus dem Sperrmüll gezogen hatte. Aus einem Grund, den ich nicht verstanden hatte, harmonierte er nicht mit Feng Shui, aber in diesem Punkt hatte ich mich durchgesetzt. Der Sessel blieb, basta! Man saß gut in dem alten Möbel, wenn auch manche Frauen ihre Probleme damit hatten, weil die Sitzfläche nach hinten leicht abfiel. Vor allem Frauen mit kurzem Rock.

Diese Frau meisterte das Problem souverän. Sie hatte auch die passenden Beine dazu.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte ich ganz professionell.

»Ich möchte, dass Sie meinen Mann beschatten.«

»Ich mache keine Ehegeschichten«, erklärte ich bestimmt.

»Wieso Ehegeschichte?«

»Wenn eine Frau ihren Mann beschatten lässt, steckt eine andere Frau dahinter.«

»Mein Mann hat keine Freundin, ganz sicher nicht. Ich glaube, mein Mann wird erpresst.«

»Und warum?«

»Das sollen Sie herausfinden.«

»Warum fragen Sie ihn nicht einfach?«

»Das habe ich schon getan.«

»Wohl mit keinem durchschlagenden Erfolg.«

»Woher wollen Sie das wissen?«

»Sonst säßen Sie nicht hier.«

Von mir aus konnte sie gerne noch eine Weile so sitzen bleiben. Sie saß nämlich keineswegs so sittsam da, wie es sich für eine Dame der besseren Gesellschaft geziemt, sondern gab den Blick frei auf viel ansehnliche Oberschenkel. Wenn ich das richtig beobachtet hatte, dann hatte sie nicht, wie das die meisten Frauen automatisch tun, den Rock nach unten gestrichen, als sie sich auf dem Sessel niederließ, sondern ein wenig hochgezogen.

Mein Blick wanderte nach oben. Was ihr knappes Jäckchen zum Schwellen brachte, war ein Wunderwerk der Natur oder höhere Chirurgenkunst. Jedenfalls zeigte die Dame reichlich von dem, was sie hatte. Ältere Frauen haben auch ihre Reize, musste ich eingestehen.

»Sie haben recht«, räumte sie ein. »Er hat gesagt, dass ich mir das einbilde. Aber ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Als Ehefrau hat man ein Gespür dafür. Ich mache mir Sorgen.«

Sie schaute mich mit kummervoller Miene an, wühlte in ihrer Handtasche und kramte ein weißes Taschentuch hervor, mit dem sie vorsichtig ihre Augen betupfte. Vorsichtig genug, damit die Schminke nicht verrutschte.

»Entschuldigung«, sagte sie, »ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.«

Ein weiterer Griff in das Monstrum von Tasche, das unübersehbar von Dolce & Gabbana stammte, förderte eine Visitenkarte zutage. Susanne Eulert stand darauf. Und eine Adresse.

»Esslingen?«, rief ich entgeistert. »Was soll ich denn in diesem Kaff? Da kenne ich doch niemanden!«

»Eben drum«, lächelte sie. »Deshalb kennt auch Sie niemand.«

»Wie kommen Sie gerade auf mich?«

»Eine Freundin hat mich auf Sie aufmerksam gemacht. Sybille Schneider.«

»Sagt mir nichts.«

»Ich glaube, sie ist eine Bekannte Ihrer Sekretärin.«

»Sekretärin! Lassen Sie das nicht Sonja hören! Sie ist meine Partnerin.«

»Ich sollte eigentlich Grüße ausrichten, aber Ihre ... Partnerin scheint nicht da zu sein. Ihre ... Partnerin hat Sybille viel von Ihnen erzählt. Sie scheinen mir der richtige Mann für diese Sache zu sein. Sie machen das professionell und vor allem diskret. Also? Nehmen Sie den Auftrag an?«

»Dazu muss ich erst mehr wissen. Wer ist Ihr Mann?«

»Mein Mann ist Helmut Eulert, er hat die Firma Eula gegründet.«

»Muss ich die kennen?«

»Die Eula ist Weltmarktführer im Bereich Pumpentechnologie. In Ihrer Waschmaschine, in Ihrer Kaffeemaschine, in Ihrem Auto sind garantiert Teile von uns.«

»Aha, das nächste Mal werde ich darauf achten. Erzählen Sie von Ihrem Mann.«

»Ich glaube, um meinen Mann verstehen zu können, muss man wissen, woher er kommt.«

Fisch oder stirb

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