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Im Tal der Erinnerungen

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Viele Wege führen von Schwäbisch Hall nach Esslingen. Ich nahm die Schlängelstraße durch den Schwäbischen Wald.

Mein Auto war denkbar schlecht geeignet für eine Beschattung, und deshalb hatte ich es gegen Sonjas Wagen getauscht, was nicht ohne nervige Diskussionen gegangen war.

»Du bist wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Welt, der nicht wild darauf ist, Porsche zu fahren«, sagte ich. »Ich habe eine Idee. Fahr nach Aalen, mach einen gemütlichen Shoppingbummel mit Nele ...«

»Shopping! In Aalen!«

»… und tausch meinen Porsche gegen ihren Wagen. Nele weiß mein Prachtstück wenigstens zu würdigen.«

»Geht’s noch aufwendiger? Warum machst du das nicht selber?«

»Nele kommt erst heute morgen von einem Termin zurück. Zu spät für mich.«

»Nein! Mein Auto kriegst du nicht! Schaff dir einen Zweitwagen an! Obwohl ... Da könnte ich mit Nele deine Geburtstagsfeier besprechen.«

»Es gibt keine Feier!«

»Du hast da gar nichts mitzureden. Hier sind meine Schlüssel.«

Sonjas gemütlicher alter Golf war der Schrottprämie zum Opfer gefallen und gegen einen Fiesta eingewechselt worden. Sie nannten es Auto, ich bezeichnete es als Blechbüchse auf Rädern. Wie sollte man damit die Kurven genussvoll ausfahren?

Mein Navi, nagelneu mit 3D-Darstellung und allerlei sonstigem Schnickschnack, aber mit der gleichen, wenn nicht gar derselben Stimme wie bei meinem alten Gerät, das ich kürzlich entsorgt hatte, führte mich zielsicher übers Remstal ins Neckartal.

Erinnerungen kamen auf. Die Nacht in Schnait, die romantisch gedacht gewesen war und in der mich urplötzlich eine so heftige Erkältung überfiel, dass ich zu nichts zu gebrauchen war. In Stetten im »Ochsen« hatten wir mal ein halbgares Kalbsbries gegessen, als das Halbgare gerade Mode war. Glücklicherweise war es zeitgeistgemäß nur eine winzige Portion gewesen. In den Streuobstwiesen über Strümpfelbach hatten wir einen Riesenkrach, wegen einer Nichtigkeit. Keine Ahnung mehr, worum es da ging. Es ging ja immer nur um Nichtigkeiten.

Wann war ich zum letzten Mal in Esslingen gewesen? Ewig her. Roswitha und ich hatten ein neues Restaurant ausprobiert, über das man redete. Wir selber redeten nicht viel an diesem Abend, es gab nicht mehr viel zu sagen, außer dem einen, was keiner von uns laut auszusprechen wagte.

Das war das letzte Mal gewesen, dass wir zusammen ausgingen. Am Essen konnte es nicht gelegen haben. Von da an ging es nur noch bergab. Bis zur Einsicht, dass Roswitha und ich uns besser trennten. Mein erstes Auto, mein erster Job, meine erste Scheidung. So hatte ich mir das vorgestellt, genau so.

Ich war mithin nicht in heiterster Stimmung, wenn ich an Esslingen dachte. Gerechterweise muss man sagen, dass die alte Reichsstadt am Neckar für meine Gedanken nichts konnte. Doch deinen Erinnerungen entkommst du nicht, sie lugen hinter allen Ecken hervor und grinsen dich hämisch an. Die Vergangenheit, lärmten die Erinnyen, du musst dich ihr stellen, mach nicht die gleichen Fehler immer wieder. Alles ist in Ordnung, säuselten die Sirenen, du hast Nele, es ist gut so, wie es ist, es gibt keinen Grund, etwas zu ändern.

Ob es wenigstens das Lokal noch gab? Mit Nele würde ich ganz bestimmt nicht hingehen.

Fisch oder stirb

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