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An diesem Abend waren sie beide zusammen zu Hause. Beatrix und ihr alter Freund Dr. Gerhard Aufpaß. Gerhard saß auf der linken Seite des Sofas, sie auf der rechten. Das machten sie immer so.

„Heute ist mir danach, mir das Gehirn rauszublasen“, sagte Gerhard.

Damit meinte er, dass er fernsehen wollte. Beatrix stand auf, um sich einen Schluck Zirbenschnaps zu holen.

Es war kurz vor neun Uhr. Gerhard zappte herum, während sie die Trailer verschiedener altbekannter Krimiserien an sich vorbeiziehen ließen.

„Das muss doch irgendwo … ah da.“

Hat er jetzt wirklich was Bestimmtes gesucht? dachte Beatrix, als sie sich wieder aufs Sofa sinken ließ.

Ein altmodischer Schriftzug verschwand auf dem Bildschirm, und sie sahen einen Mann, der stetigen Schrittes eine nächtliche Straße entlang lief. Die Kamera zoomte heran und zeigte ein entschlossenes männliches Gesicht aus der Nähe. Dann wanderte sie weiter, bis sie an einem schweren schwarzen Gegenstand in der Hand des Mannes hängen blieb. Eine Schusswaffe.

„Willst du dir das jetzt ernsthaft anschauen? Das ist ja schlechter, als wenn der Hanatschek das Drehbuch geschrieben hätte.“

Der Kollege Hanatschek war vor vielen Jahren aus dem Dienst ausgeschieden und wahrscheinlich eh schon nicht mehr unter den Lebenden. Nur der Ruhm seiner sagenhaft schlechten Ermittlungsberichte war noch von ihm im Amt verblieben.

„Ja, ich weiß, es ist absolut lächerlich. Aber das soll so eine neue Show sein. Ich glaub, es wird lustig.“

„Na wenn du meinst.“

Sie verfolgten, wie der böse harte Mann bei einem Imbissstand ankam und zu schießen begann. Mündungsfeuer und spritzendes Blut. Das Opfer fiel gurgelnd auf den Grill, während der böse Rächer in der Dunkelheit verschwand.

„Vielleicht gibt’s auch noch Explosionen“, meinte Beatrix und lehnte sich entspannt zurück. Die nächste Szene zeigte eine ältliche Blondine mit Lippenstift, die in die U-Bahn einstieg. Beatrix nippte an ihrem Schnaps. Gerhard lehnte den Oberschenkel an ihre Füße. Fast hätte sie einschlafen können. Die U-Bahn fuhr an und verließ die Station. Plötzlich kam sie zum Stillstand, und von ferne hörte man einen Knall.

„Ich hab dir doch gesagt, dass es Explosionen geben wird“, sagte Beatrix.

Eine halbe Stunde später beobachteten sie gerade, wie der böse harte Mann, der nun schon drei Menschen auf dem Gewissen hatte, über eine Brüstung fiel, als der Bildschirm schwarz wurde. Gerhard lächelte wissend. Beatrix war es eigentlich ganz egal, sie war sowieso müde. Die Dunkelheit und Stille dauerten an. Gerade als Gerhard sich anschickte aufzustehen, um doch nachzusehen, ob der Fernseher noch funktionierte, flimmerte das Bild auf. Ein Mann im Anzug tauchte auf.

„Guten Abend, meine Damen und Herren! Na, wollen Sie wissen, wie's weitergeht? Meine Damen und Herren, ich darf Sie heute ganz herzlich begrüßen bei Circenses, unserem neuen Format im Abendprogramm. Haben Sie sich auch schon öfters geärgert, weil es im Fernsehen nicht so weitergegangen ist, wie Sie sich vorgestellt haben? Haben Sie schon immer gemeint, dass Sie der viel bessere Mentalist wären? Dann haben wir heute etwas Neues für Sie. Bei uns bleiben Sie nicht bloßer Zuschauer, bei uns entscheiden Sie, wie es weitergehen soll. Wird Harry Wendelin bei diesem Sturz zu Schaden kommen? Oder kann er sich doch noch retten? Stimmen Sie jetzt ab. Wir werden jetzt gleich die Leitungen für Sie öffnen, und nur Sie entscheiden, wie es nächste Woche bei Circenses weitergeht. Wir starten jetzt gleich die Publikumsentscheidung, welche von diesen beiden Varianten in der nächsten Woche laufen wird. Die Siegervariante zeigen wir Ihnen nächsten Dienstag im Abendprogramm. Aber entscheiden Sie gut. Nur eine Variante führt dazu, dass unsere Miniserie weitergeht, die andere Variante führt zur Lösung des Falls, womit die Geschichte schon zu Ende wäre.“

„Das meint's doch nicht ernst“, sagte Gerhard.

Der Moderator plapperte weiter, während am unteren Bildrand zwei Telefonnummern eingeblendet wurden. Nur fünfzig Cent pro Anruf.

„Ist doch eine Augenauswischerei. Wer soll da schon anrufen“, sagte Beatrix. „Aber lustig war es eh wirklich.“

Gerhard kam mit einer Schüssel Knabberzeug aus der Küche zurück. „Also, was glaubst du, was wird passieren?“

„Geh, nicht schon wieder arbeiten... Ich geh lieber schlafen.“

„Okay. Ich bleib noch ein bissel. Machst du uns das Bett schon warm?“

Beatrix putzte sich die Zähne und machte das Bett warm. Von draußen hörte sie noch gedämpft den Fernseher. Aber bevor Gerhard kam, war sie schon längst eingeschlafen.

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