Читать книгу Escape Plan - How far would you go to survive - S. L. March - Страница 12
ОглавлениеMyra
Myra fror. Es war früh, als sie auf einer Bank in dem alten Diner Platz nahm. Es roch nach frisch gebrühtem Kaffee und viele Trucker stopften Toast mit Bohnen und Speck in sich hinein. Steven hatte den Wagen in der Nähe des Eingangs geparkt. Nur für alle Fälle, hatte er behauptet. Ihre Smartwatch vibrierte. Sie schaute auf das Display. Sechs Uhr. Zeit, um Toby zu wecken und für die Schule fertig zu machen. Ihr Magen zog sich zusammen.
Sie drückte einen Knopf. Die Vibration verstummte. Wohin hatten diese Drecksäcke Toby verschleppt? Hoffentlich ging es ihm gut. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, wie viel Angst er haben musste.
Eine ältere, stabil gebaute Frau mit kraus gelockten Haaren und einer weißen Schürze stellte zwei Porzellanbecher auf den Tisch und goss Kaffee ein. Auf der Suche nach Wärme griff Myra nach dem Becher. Sie war definitiv zu dünn eingepackt für eine nächtliche Spazierfahrt. Nach einer Weile bemerkte sie, dass Steven sie anstarrte.
„Ist was?“, fragte sie, während Steven den Kopf schüttelte und den Kaffee trank.
Er schien zu zögern.
„Doch“, sagte er schließlich und stellte den Becher ab. „Wie kannst du dich kopfüber in Gefahr stürzen wollen? Ich meine, was will Daniel überhaupt von dir? Wieso wurde ausgerechnet dein Sohn entführt? Weshalb hat man dich windelweich geprügelt? Verdammt, man hat dir sogar den Gar ausmachen wollen. Und du bist so verrückt und willst ihm hinterherjagen –“ Er stoppte. „Verflucht, ich kenne nicht mal deinen Namen.“
„Was? Mir den Gar ausmachen?“ Myra wurde heiß.
„Bitte entschuldige meinen Wutausbruch. Das war nicht fair. Ich hätte –“, begann er und fuhr sich durchs Haar.
„Nein“, redete sie dazwischen. „Ist schon in Ordnung. Wenn Daniel mir den Gar ausmachen wollen würde, wäre ich nie zur Werkstatt gegangen. Vielleicht würde Joe dann noch leben. Ich habe sein Leben auf dem Gewissen. An meinen Händen klebt Blut. Blut, das ich nicht sehe, aber es ist da. Bloß weil ich an mich gedacht habe und Toby so schnell wie möglich wiederfinden wollte.“
Sie schlug die Hände vors Gesicht.
„Wenn du jemandem die Schuld geben willst, dann gib sie mir“, wisperte er.
Sie ließ die zitternden Hände langsam sinken.
„Ich musste schnell handeln, als ich den Laserpointer auf deinem Rücken gesehen habe. Ich habe mich auf dich gestürzt und dabei nicht darauf geachtet, wer sonst getroffen werden könnte“, fuhr er fort.
Lange sahen sie sich in die Augen. Sie wusste nicht, warum er ihr, einer fremden Frau, die Schuld nehmen wollte. Warum ausgerechnet für sie?
„Danke“, raunte sie und brachte ein Lächeln zustande. Dabei streckte sie ihm die Hand hin. „Myra. Ich heiße Myra Banks.“
Seine Mundwinkel hoben sich. Sorgsam nahm er ihre Hand in seine, hob sie an und hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken. „Steven Dupre.“
Als die Anspannung von ihr abfiel, begann das Veilchen um ihr Auge zu pochen. Mist, sie musste sicherlich ziemlich mitgenommen aussehen. Sie räusperte sich und erhob sich. „Entschuldige bitte. Ich gehe mich kurz frisch machen.“
„Beeil dich“, sagte er ernst.
„Meinst du nicht, dass das ein bisschen zu viel Fürsorge ist?“ Skeptisch hob sie eine Braue.
„Wir können kein Risiko eingehen. Daniel oder seine Gefolgsleute könnten bemerkt haben, dass wir ihnen hinterhergefahren sind und könnten uns gefolgt sein“, flüsterte er. „Wir sollten nicht lang allein bleiben. Das verstehst du doch, oder?“
„Du tust gerade so, als wären wir Schwerverbrecher, die auf der Flucht sind. Hast du dir selbst schon mal zugehört?“
Gerade als sie an Steven vorbeigehen wollte, packte er ihren Arm und stand auf. Mit zusammen gezogenen Augenbrauen funkelte er sie an.
„Au!“, entfuhr es ihr.
„Entschuldige.“ Er lockerte den Griff. „Ich glaube, dir ist der Ernst der Lage nicht bewusst.“ Unauffällig schweiften seine Blicke durch das Diner. „Daniel wollte dich töten. Und wenn er mitbekommt, dass du noch am Leben bist, wird man Jagd auf dich machen. Er wird nicht eher ruhen, bis –“ Er stockte.
„Bis was?“
„Beeil dich bloß“, brummte Steven.
Er ließ von ihr ab und setzte sich zurück auf die Bank. Myra ging in die Richtung der Toiletten und dachte über Stevens Worte nach. War sie wirklich in Gefahr?
Sie stieß die alte, klapprige Tür zur Damentoilette auf. Als sie in den Spiegel blickte, erschrak sie vor sich selbst. Das dämmrige Licht ließ ihr Gesicht blass erscheinen. Die leichten Augenränder wirkten dunkler, als sie wirklich waren. Die Schwellung um ihr linkes Auge war nicht gewichen und schmerzte höllisch. Kein Wunder, dass Steven sie vorhin so schweigsam angestarrt hatte. Sie ließ Wasser in die Handflächen fließen und wusch sich das Gesicht. Scheiße, war das Wasser eisig. Sie drehte den Wasserhahn ab und trocknete es mit einem Papiertuch.
Wie hatte ihr Leben innerhalb weniger Stunden so aus den Fugen geraten können? Sie hatte sich doch geschworen, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Dafür war sie extra nach Hartford gezogen. Damit sie mit ihrem Sohn in Frieden leben konnte. Allein. Ohne Unterstützung. Keine helfende Familie. Um lieber in Hartford zu arbeiten. Für ein mickriges Einkommen, von dem sie jeden Monat überlegte, das Geld dreimal umzudrehen, ehe sie es ausgab.
Die Tür schwang auf.
Schreckhaft wirbelte sie herum. Vor ihr stand ein unbekannter Mann. Die Haltung angespannt. Der Blick eindringlich kühl.
„Sie haben sich in der Tür geirrt, Schätzchen“, meinte Myra.
„Nein, hier bin ich richtig.“ Der fremde Mann ließ die Tür ins Schloss fallen und versperrte den Ausgang mit seinem massiven Körper.
Plötzlich schrillten in ihr die Alarmglocken und ihr war klar: Das war kein Versehen. Sie saß in der Falle.
Steven
Steven wusste es.
Der korpulente Typ war geradewegs in Richtung der Toiletten marschiert. Dorthin, wo Myra soeben verschwunden war. Es bestätigte seine Paranoia unter Beobachtung zu stehen. Er hatte es befürchtet, seit sie das Diner betreten hatten. Steven kramte einen Geldschein hervor, schmiss ihn auf den Tisch und hastete an den voll besetzten Tischen vorbei. Er musste sicher sein, dass dieser Mistkerl keine Dummheiten anstellte. Wieso war er nicht aufmerksamer gewesen?
Myra
„Wissen Sie eigentlich, mit was für einem Kerl Sie sich da abgeben?“, fragte der Fremde.
Wer war dieser Kerl? Und woher kannte er Steven? Verflucht, ihr Herz raste bis zum Anschlag. Die Furcht stand ihr sicherlich ins Gesicht geschrieben.
Der Riegel wurde an der Tür vorgeschoben. Ernsthaft? Er schloss sie beide in diesem schäbigen Klo ein?
„Wer sind Sie?“, fragte Myra, während sie hoffte, dass der Fremde nicht erkannte, wie sehr sie die Finger ins Porzellan des Waschbeckens krallte.
„Uninteressant. Ich fragte, ob Ihnen klar ist, mit welchem Kerl Sie da unterwegs sind?“ Langsam bewegte er sich auf sie zu. Myra bewegte sich in entgegengesetzter Richtung von ihm weg. Der Typ jagte ihr Angst ein. Ein Klopfen.
„Hilfe“, schrie Myra.
Jemand rüttelte von außen an der Tür.
„Myra? Ist alles in Ordnung bei dir?“ Es war Steven.
Der Fremde stürzte zu Myra, zog sie an sich und presste ihr eine Hand auf den Mund. Sein Blick war ernst. „Hören Sie Lady, ich will Ihnen bloß helfen und ich rate Ihnen, halten Sie sich von diesem Kerl fern!“
In ihrem Hirn ratterte es. Was sollte diese Warnung?
„Myra“, rief Steven.
Die Tür bebte.
„Hören Sie nicht auf den Kerl“, sagte der Fremde. „Er ist gefährlich. Sie sollten verschwinden. Ohne ihn. Und zwar schnell.“ Er ließ die Hand sinken.
Steven sollte gefährlich sein? Myra boxte ihm gegen das Nasenbein und verschaffte sich mit einem Stoß Abstand zu ihm. Er schrie auf, taumelte zurück.
Unterdessen wurde die Holztür eingetreten und Steven stolperte hinein. Der Fremde richtete sich auf und hielt sich die blutende Nase. Sie hatte ihn ordentlich erwischt.
Die Blicke von Steven und dem Kerl trafen sich.
„Baker“, knurrte Steven. „Lass sie in Ruhe.“
Myra stürmte aus der Damentoilette und blieb bei Steven stehen, der sie schützend hinter sich schob.
„Komm Myra, lass uns gehen“, sagte Steven.
Ein letztes Mal sah sie zu dem verrückten Typen, der ihr nachrief. „Denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe, Myra!“