Читать книгу Escape Plan - How far would you go to survive - S. L. March - Страница 9

Оглавление

Steven

Police Department, Hartford

Im Verhörraum des Polizeireviers sackte Steven auf dem Stuhl zusammen. Rings um ihn herum nichts als triste, graue Wände. Von der Decke hing eine Lampe. Seine Jacke hatte er an der Garderobe im Empfangsbereich abnehmen müssen. Sein Handy lag auf dem Tisch. Direkt vor der Nase des Beamten.

„Wie oft soll ich es denn noch sagen? Ich habe nichts getan. Ich habe Lärm gehört, bin runter in die zweite Etage, habe an der Tür geklopft und dann hat mich dieser Kerl angegriffen“, erklärte Steven zum gefühlt zehnten Mal.

„Und Sie sind nicht handgreiflich geworden?“ Der Polizeibeamte, der ihm gegenübersaß, musterte ihn aufmerksam. Ein Namensschild verriet, dass er es mit Detective Danny Bolten zu tun hatte. Er wirkte müde. Wohlmöglich lag es an den Augenringen. Oder aber daran, dass er mitten in der Nacht Vernehmungen durchführen musste.

„Ich habe mich bloß gewehrt, als ich den Jungen zurückholen wollte“, antwortete Steven ruhig.

„Können Sie mir den Kerl beschreiben, der sie angegriffen hat?“

„Es ging so verdammt schnell.“

„Denken Sie nach.“

Steven grübelte. „Dunkelhaarig. Trug ´nen schwarzen Anzug. Glatte Lederschuhe.“

„Und weiter?“ Der Beamte schaute von seinem Notizblock auf.

„Nichts weiter.“

„Was ist mit dem anderen Typen, der Sie niedergeschlagen hat? Können Sie ihn mir beschreiben?“

„Ich habe ihn nicht gesehen.“

„Ganz sicher?“

Steven nickte. „Es ging einfach alles zu schnell.“

Es klopfte. Ein weiterer Beamter namens Flavius Hendriksen blieb im Türrahmen stehen und blickte von Steven zu seinem Kollegen. „Das Opfer sprach von zwei Männern im Anzug, von denen sie überfallen wurde. Sie weiß nicht, ob sich ein dritter im Flur aufhielt. Die Zeugin, eine aufmerksame Nachbarin, hat ihn aber nach dem Jungen brüllen hören und mit den Männern zusammen gesehen.“

„Sie haben also nichts mit dessen Entführung zu tun?“, fragte Danny Steven.

„Ich wollte dem Kerl den Jungen entreißen, aber dann wurde ich von dem anderen angegriffen. Ich habe wirklich nichts mit der Entführung zu tun“, beteuerte Steven.

„Danke dir, Flavius.“ Der Polizist nickte. Die Tür wurde geschlossen. Sie waren wieder zu zweit.

„Woher haben Sie den Kratzer auf der Stirn?“

Steven erzählte, wie Toby ihn erwischt hatte.

„Haben Sie Zeugen, die das bestätigen können?“

„Nein“, brummte Steven. „Ich war allein.“

„In was für einem Verhältnis stehen Sie zu der Frau, bei der Sie geklopft haben?“

„Sie ist meine Nachbarin. Ich habe sie erst am gestrigen Abend in einer Bar kennengelernt.“

„Und die aufmerksame Nachbarin, die die Polizei gerufen hat?“

„Ich bin erst vor zwei Wochen in das Haus gezogen. Ich kenne sie nicht.“

„Wieso sind ausgerechnet Sie zur Tür gegangen und haben angeklopft?“

Weil diese Frau vermutliche hilfreiche Informationen zum Aufenthalt seines Erzfeindes haben könnte, dachte er und antwortete stattdessen: „Ich habe mir Sorgen gemacht. Ich wollte bloß helfen.“

Danny musterte ihn aufmerksam.

„Ich habe mir Ihre Strafakte angesehen. Ganz schöne Scheiße, die Sie da verbockt haben.“ Der Polizist klopfte auf eine gelbe Akte neben sich. „Wundert mich, dass man Sie überhaupt auf Bewährung rausgelassen hat.“

„Gute Führung.“

„Darf ich Sie an die richterliche Verfügung erinnern?“

„Nicht nötig.“ Die Erinnerung schwirrte täglich durch seinen Kopf.

„Haben Sie sonst irgendwelche anderen sozialen Kontakte, die Sie pflegen?“

„Nein.“

„Keine Freunde? Familie?“

Steven schüttelte den Kopf. „Ich wüsste auch nicht, was das mit dem gerichtlichen Beschluss zu tun hat. Das hat Sie nicht zu interessieren, mit wem ich verkehre.“

„Zumindest weiß ich, mit wem Sie nun öfters verkehren werden.“

Steven hatte eine üble Vorahnung. Bitte nicht. Bitte, bitte nicht!

„Mit Ihrem Bewährungshelfer.“ Der Polizist schlug die Akte auf und warf einen knappen Blick darauf, ehe er sie Steven vor die Nase schob. „In diesem Beschluss wurde festgelegt, dass Sie sich alle drei Tage bei Ihrem Bewährungshelfer zu melden haben. Bei dem Verdacht oder auch nur dem kleinsten Hauch einer Straftat müssen Sie sich täglich bei ihm melden.“

Fuck! Steven ballte die Hand zur Faust. „Aber ich habe nichts verbrochen. Die haben mich zusammengeschlagen!“

Der Polizist stand auf. „Solange diese Entführungsnummer nicht geklärt ist, werden Sie sich bis auf Weiteres täglich bei Ihrem Bewährungshelfer einfinden.“

„Och, ich bitte Sie!“ Steven verzog den Mund.

„So will es der Beschluss.“ Der Beamte ging um den Tisch. „Außerdem dürfen Sie, laut Beschluss, den Staat Hartford wegen Fluchtgefahr vorerst nicht verlassen. Alternativ könnte ich einen Antrag stellen, der Sie die nächsten 48 Stunden in U-Haft versetzt, bis das Ganze geklärt ist. Wäre Ihnen das lieber?“

„Nein“, brummte Steven.

„Also?“ Sein Gegenüber verschränkte die Arme vor der Brust.

Hart stieß er den Atem aus. „Ich werde mich ab sofort täglich bei meinem Therapeuten melden.“

„Thera –“ Der Polizist stoppte, grinste. „Wir werden die Zeugin nochmals befragen. Sollte sich rausstellen, dass Sie doch etwas damit zu tun haben, landen Sie schneller wieder im Bau, als Ihnen lieb ist.“

Steven blickte auf und trotzte dem warnenden Blick des Mannes. „Botschaft angekommen. Darf ich jetzt gehen?“

Der Beamte schob ihm sein Handy samt einer Visitenkarte zu. „Sollte Ihnen noch etwas einfallen oder wenn Sie ein Geständnis abgeben wollen, rufen Sie mich bitte an.“

Steven steckte beides ein, erhob sich und trat in den Empfangsbereich, den müden Beamten im Schlepptau. Im selben Moment stand ein Mitvierziger am Garderobenständer und hing eine Jacke auf. Gut gekleidet, das Haar zurück gegelt. Am liebsten hätte Steven die Augen verdreht, als er seinen Bewährungshelfer Richard Timber erkannte. Aber er war es auch gewesen, der ihn zuvor angerufen und gewarnt hatte. „Richard? Was tust du denn hier?“

Richard zuckte zusammen und wandte sich um. Er strich sich den Pullover glatt und reichte dem Polizisten die Hand. „Mister Bolten? Ich bin Richard Timber, Stevens Bewährungshelfer.“

„Danke, dass Sie nach meinem Anruf so schnell kommen konnten, Mister Timber. Ich habe Ihrem Schützling bereits gesagt, dass er sich vorerst täglich bei Ihnen melden muss.“

Richard nickte. „Danke. Ich werde meinen Schützling nach draußen begleiten.“

Steven seufzte. Der Polizist verabschiedete sich.

Erst nachdem er außer Hörweite war, bekam Steven Richards volle Aufregung entgegengeschleudert. „Was hast du getan?“

„Das könnte ich dich fragen. Woher wusstest du überhaupt, dass ich die Polizei angerufen habe?“ Steven war verärgert. Nicht nur, dass er sich jetzt täglich bei diesem Kerl melden musste und in seiner Freiheit noch weiter eingeschränkt wurde. Nein, er musste davon ausgehen, dass er unter Beobachtung stand.

Richard wischte sich Schweißperlen von der Stirn. „Das ist Teil des Programms.“

„Was für ein Programm?“

Richard zückte einen Pager aus der Hosentasche, auf dem die Nummer des Notrufs stand.

„Ein Pager?“ Steven fuhr sich durchs Haar und fluchte innerlich. „Ihr überwacht meine Anrufe?“

Richard packte Stevens Oberarm und zog ihn näher zu sich, dabei wisperte er: „Der Pager ist mit deinem Handy verbunden. Das ist topsecret. Das muss unter uns bleiben.“

Wie Steven das hasste, so bestimmend angefasst zu werden. Zornig funkelte er Richard an.

„Wieso hast du mich dann vorgewarnt, wenn es so topsecret ist?“

Richard erstarrte. „Weil ich dich für einen guten Kerl halte.“

„Hast du befürchtet, ich würde mich der Polizei widersetzen und es würde auf dich ein schlechtes Licht werfen?“ Er hätte eh keinen Widerstand geleistet.

Richard schwieg. Volltreffer. Steven war bestürzt und riss sich los. „Wer hat dieses Überwachungsprogramm ins Leben gerufen?“

„Das ist streng geheim.“

Steven ballte die Hände zu Fäusten. „Du solltest gehen. Ich finde den Weg nach draußen selbst.“

Sein Gegenüber nahm die Jacke, die über seiner hing, verabschiedete sich und ging.

Steven griff sich seine Jacke, zog sie über und wartete ein paar Minuten. Gerade, als er auch gehen wollte, rief jemand laut: „Hey!“

Myra

Myra sah den Mann aus dem Gents Club von weitem. Bei ihrem Ruf wandte er sich um. Er fuhr sich durch das dunkelbraune, kurze Haar. Je näher sie ihm kam, desto eindringlicher wirkte der besorgte Blick mit dem er sie betrachtete. Der Mann war mindestens einen Kopf größer als sie, das hatte sie an der Theke schon festgestellt. Ein Kratzer zog sich über seine Stirn. Den hatte er am Vorabend noch nicht gehabt. Ob er sich die Verletzung zugezogen hatte, weil er ihr zur Hilfe geeilt war?

„Geht’s dir gut?“, riss er sie aus den Gedanken.

„Haben diese Kerle dir das angetan?“, fragte sie und deutete auf die Wunde an seiner Stirn.

„Es …“, sagte er leicht weggetreten, „ist nur ein Kratzer.“

Myra zog einen halben Becher Wasser aus einem Wasserspender, tränkte ein Taschentuch darin und tupfte das eingetrocknete Blut von seiner Wunde.

Sein Atem stockte. Aus großen Augen sah er sie an. Seine Iriden dunkel. Fast schwarz. Es war, als würden die Geräusche um sie herum verstummen. Da waren nur sie beide. Und der tiefe, eindringliche Blick eines Augenpaares mit höllisch langen Wimpern. Ein Blick, so faszinierend mysteriös und einprägsam, dass er sich tief in ihr Herz verankerte.

Nachdem sie das Blut von der Wunde getupft hatte, schmiss sie das Taschentuch samt Becher in einen Mülleimer. Als sie sich wieder ihrem Nachbar zuwandte, merkte sie, dass er sie immer noch anstarrte.

„Hör mal, ich wollte mich entschuldigen, dass ich dich im Hausflur so angeschnauzt habe“, sagte Myra. „Das war nicht fair von mir.“ Sie schob die Hände in die Hosentaschen. Weshalb machte seine Anwesenheit sie so nervös?

„Schon verziehen.“ Er lächelte.

„Und danke, dass du da warst, um die Polizei zu rufen. Ich war so durch den Wind.“ Automatisch griff sie nach dem goldenen Vogelanhänger an ihrer Kette. Das machte sie immer. Ein kleiner Tick von ihr, wenn sie aufgewühlt war und runterkommen wollte.

„Gerne. Was haben die Beamten gesagt?“ Nun schob er die Hände in die Hosentaschen, sodass die Schultern den Stoff des Pullovers über der Brust weiter strafften.

„Das übliche. Sie werden alles in ihrer Macht stehende tun, um Toby wiederzufinden, können aber nichts versprechen und so weiter.“ Sie winkte ab und trat an ihm vorbei nach draußen. Der Nachbar folgte ihr.

„Klingt, als wärst du nicht sehr überzeugt davon, dass die Polizei deinen Sohn wieder findet.“

„Wie sag ich es am besten?“ Myra blieb stehen, rieb sich die Stirn, ehe sie ihn ansah. „Ich weiß, dass sie es nicht schaffen werden, ihn zu finden. Erinnerst du dich an die vielen Entführungen vor zwei Jahren aus Blue Hills in Connecticut?“

„Ja.“ Er klang plötzlich heiser.

Weshalb wirkte er so nachdenklich?

„Bis heute ist keines der Kinder wieder aufgetaucht. Ich habe der Polizei alles verraten, habe ihnen Beschreibungen der Männer gegeben und ich wette mit dir, dass sie es nicht schaffen werden, meinen Sohn zurückzubringen. Ich will nicht so wie eine dieser Mütter enden, die jahrelang neben dem Telefon sitzen und auf eine Neuigkeit der Polizei warten.“

„Das kann ich nachvollziehen, aber wieso gibst du denen nicht erst mal eine Chance, statt von vornherein so pessimistisch zu urteilen?“

„Ich bin nicht pessimistisch. Ich werde nur nicht rumsitzen und warten.“

„Die Polizei wird ihn dir schon zurückbringen. Vertraue Ihnen.“

„Ts“, entfuhr es ihr. „Vertrauen. Das ist heutzutage bloß ein dummes Wort und wird von niemanden mehr ernstgenommen. Ich werde nicht solange warten, bis er wieder in meiner Obhut ist. Ich werde Toby selbst finden.“

„Dann lass mich dir helfen.“

Sie wusste nicht mehr, wie es sich anfühlte, von jemandem gestützt zu werden. Dass sich jemand um ihre Belangen bemühte. Sie war so irritiert von dem Angebot, dass sie ihren Blick nicht von ihm nehmen konnte. Dabei stach ihr seine Wunde erneut ins Auge. Wieso hatte er eigentlich plötzlich vor ihrer Tür gestanden? Mitten in der Nacht? Warum ausgerechnet er und kein anderer Nachbar? Sicherlich war er aus dem Schlaf gerissen worden, immerhin waren die Typen in ihrer Wohnung nicht gerade leise gewesen. Also steckte er bereits mitten drin, obwohl sie es nicht wollte.

„Wieso willst du mir helfen?“, fragte sie.

„Na, dein Macker scheint nicht der Zuverlässigste zu sein. Wenn ich mich recht erinnere, bist du allein gewesen, als du verprügelt wurdest und man dir deinen Sohn genommen hat.“

„Der Drecksack war nicht mein Macker. Ich bin alleinerziehend.“

„Bitte entschuldige, das wusste ich nicht.“

„Weichst du meiner Frage aus?“

„Ich will bloß nett sein. Das ist alles“, antwortete er.

„Nett?“ Skeptisch hob sie eine Braue.

„Oder hast du sonst jemanden, den du um Hilfe bitten kannst?“

„Leider nicht“, flüsterte sie abwesend, öffnete den Reißverschluss ihrer Tasche, wühlte darin herum und zog ihr Smartphone hervor.

„Du musst doch jemanden haben. Familie? Freunde?“

Sie wich einige Schritte und tippte auf das Display. „Danke für dein nettes Angebot. Aber halte dich lieber raus aus meinen Angelegenheiten. Du hast mir schon genug geholfen.“

Er blieb zurück. „Okay. Du hast –“

„Bitte“, forderte sie ausdrücklich und hielt das Smartphone ans Ohr. „Halte dich da raus!“

Escape Plan - How far would you go to survive

Подняться наверх