Читать книгу Escape Plan - How far would you go to survive - S. L. March - Страница 16

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Myra

Myra konnte es gar nicht schnell genug gehen. Am liebsten wäre sie schon in Boston. Sie musste Toby finden. Nichts anderes hatte gerade Vorrang. Und dann wartete sie darauf, dass die Kassiererin endlich die Papierrolle gewechselt hatte. Wieso passierte das immer an der Kasse, an der sie stand?

„Ist das eigentlich ein Scherz?“, fragte Myra Steven.

„Nein, ist es nicht.“ Steven lachte, gab der Kassiererin das Geld und schnappte sich die Weinflasche.

„Deine Bekannte verlangt eine Weinflasche als Besitz von dir zurück? Bitte entschuldige, aber ich bin leicht irritiert.“

Erneut lachte er rau. Das Geräusch ließ ihr ein wohliges Kribbeln über den Rücken fahren. So ein Gefühl hatte sie noch nie bei jemandem verspürt. Es war merkwürdig, aber auch schön.

„Das ist nicht bloß irgendeine Weinflasche. Das ist ein Château Siaurac von 1988. Ein trockener, vollmundiger Rotwein aus der Toskana.“

„Du hast für diese Flasche gerade über hundert Dollar hingelegt. Bist du verrückt?“ Er gab so einen hohen Betrag aus, um ihr zu helfen? Außerdem war es für sie unvorstellbar, für eine Flasche Wein so viel Geld auszugeben. Vor allem weil es knapp war bei ihr. Jeden Monat.

Wieder das raue Lachen.

Gänsehaut.

„Vielleicht ein wenig.“ Er zwinkerte und starrte auf das Etikett der Flasche. „Bei meinem letzten Besuch habe ich leider eine davon, wie soll ich sagen, fallen gelassen.“

„Fallen gelassen?“ Myra blieb vor der Kundentoilette stehen.

„Vielleicht nicht fallen gelassen, sondern eher mit Absicht zerschmettert. Ich war deprimiert, weil –“ Steven stoppte und sah sie direkt an, „unwichtig. Ich hatte die Flasche in der Hand und habe sie gegen ein Fenster geschmissen.“

„Dann kann ich verstehen, warum du dich nicht bei ihr blicken lassen willst. Dir ist es peinlich.“

„Nein“, sagte er leise und drehte die Flasche hin und her. „Das hat einen anderen Grund.“

Lange musterte sie ihn. Der ernste Gesichtsausdruck wirkte, als würde er grübeln.

„Welchen du mir wohl nicht verrätst?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Wieso war sie nur so neugierig? Es interessierte sie doch sonst nicht, was andere taten. Warum war es bei Steven anders?

Er presste die Lippen aufeinander. Schwieg.

„Schon okay, du musst es nicht erzählen.“ Sie zwinkerte ihm zu und wollte die Kundentoilette betreten, als Steven sie am Handgelenk festhielt. Der kräftige Griff ließ ihren Puls in die Höhe schießen. Sie sah über die Schulter in Stevens ruhiges Gesicht.

„Danke für dein Verständnis“, sagte er.

„Ich verstehe das. Jeder hat so seine Geheimnisse“, wisperte sie.

„Du hast Geheimnisse?“

Die Mundwinkel leicht nach oben gezogen, starrte sie auf seine Lippen. Zu gern wollte sie wissen, wie sie sich anfühlten. Sie wandte sich ihm zu, stand so dicht vor ihm, dass sein Atem ihre Stirn streifte. Es kribbelte. Von Kopf bis Fuß. Langsam näherte sie sich seinem Ohr.

„Wenn ich dir die verraten würde“, hauchte sie, „müsste ich dich leider töten.“

Plötzlich wurde sie an der Hüfte gepackt und von Steven gegen die Wand gedrückt. Sie erschrak. Ihr stockte der Atem. Nur die Weinflasche trennte sie voneinander. Sie drückte gegen ihren Bauch.

„Ich würde es riskieren“, raunte er. Seine Lippen streiften ihre Wange und ließen ein brennendes Gefühl zurück. Ihr Blick wanderte zu dem dunklen Shirt, unter dem sich Stevens Muskeln abzeichneten. Wie sie sich wohl anfühlten? Sie kostete den Moment voll aus und legte die Hände auf seine Brust. Sie war warm und hart. Sie spürte seinen Herzschlag. Mit den Fingerspitzen streifte sie über sein Schlüsselbein zu den Schultern. Seine freie Hand streifte sachte ihren Arm.

„Du bist also einer von der gefährlichen Sorte.“ Sie griff den Kragen seines Shirts und zog Steven näher zu sich. Die Flasche drückte sich tiefer in ihren Bauch.

„Nicht jede kann damit umgehen.“

Nun war sein Gesicht direkt vor ihrem. Ihre Nasenspitzen berührten sich. Sie sah ihm direkt in die Augen. Die Iriden wurden dunkler. Lodernd. Der Atem, den er ausstieß, war heiß. Seine Hand wanderte zur Wand neben ihr, wo er sich abstützte. Er beugte sich weiter vor. Sie berührte seinen Hals. Die wild hämmernde Brust. Wie sie sich wohl ohne den lästigen Stoff anfühlen würde?

„Ich schon“, sagte sie und schob ihre Hand ein Stück unter seinen Kragen. Die Haut war so warm. Er fühlte sich gut an.

Steven wich zurück. Nicht einen, gleich zwei Schritte.

Irritiert blickte sie ihn an. Er wirkte erschrocken. Eine unfassbare Kälte ließ sie frösteln. Der wunderschöne Moment war verflogen.

„Ich …“, murmelte Steven, „warte draußen auf dich.“

Etwas zog in ihrer Brust, als er das Kaufhaus verließ. Ein merkwürdiges Gefühl zog in ihrer Magengegend. Warum war er so abrupt zurückgewichen?

Sie stieß die Tür zu den Toilettenkabinen auf und warf einen bedauernden Blick zurück in die Richtung, in die er verschwunden war. Ihr Herz machte einen Satz, als sie ihn dabei ertappte, wie er zu ihr zurücksah. Automatisch musste sie lächeln, ehe sie den Blick abwendete und die Toilette aufsuchte. Als sie fertig war, spülte sie ab und zog den Slip hoch. Eine glühende Hitze schoss ihr entgegen. Ihre Gedanken schweiften zurück an den reizvollen Moment, als sie den Ansatz seines Schlüsselbeins gespürt hatte. Seine nackte Haut. Heiß. Fest.

Myra schloss die Augen. Ihre Hand wanderte zu ihrer gereizten Perle. Sie zuckte bei der sachten Berührung. Es pochte. Sie war feucht. Noch nie hatte ein Mann so eine erregende Kraft auf sie ausgeübt. Sie seufzte tief und zog die Hose hoch.

Rasch trat sie aus der Kabine und wusch sich die Hände. Ein Blick in den Spiegel verriet, dass ihre Wangen rosig waren. Wegen Steven? Wie konnte es sein, dass ein Mann ihren Körper so in der Hand hatte? Dass er so heftig auf ihn reagierte?

Sie sah zu dem Veilchen, das sich allmählich verfärbte. Das Kühlen hatte die Schwellung ein wenig gemildert, aber es tat immer noch verdammt weh. Es war eine rührende Geste von Steven gewesen. Bei dem ganzen hormonellen Chaos durfte sie nicht aus den Augen lassen, wofür sie sich mit einem Fremden ins Auto gesetzt hatte und bis nach Boston fuhr: Das Bild von Toby hatte sich in ihr Hirn gebrannt. Es zog in ihrer Brust. Wie konnte sie sich nur an einen Kerl ranschmeißen, wenn ihr Sohn in Lebensgefahr schwebte? Kein Typ hatte bislang etwas anderes als Sex von ihr gewollt. Wieso sollte es bei Steven anders sein? Sie sollte sich besser zügeln, wenn sie sich nicht die Finger verbrennen wollte. Aber wieso hatte sie dann so ein mulmiges Gefühl, wenn sie daran dachte, dass sie sich nun mehrere Stunden neben Steven ins Auto setzte? Verdammt, worüber dachte sie überhaupt nach? Das schlechte Gewissen überkam sie. Ihr Sohn war in Gefahr und sie hatte nichts Besseres zu tun, als sich an ihren Nachbarn zu schmeißen. Tief seufzte sie.

Draußen vor dem Eingang des Einkaufszentrums wartete Steven und fummelte am Etikett der Flasche. War er nervös?

„Genug Zeit verplempert.“ Mit einer Kopfbewegung deutete sie Richtung Parkplatz und ging voraus. „Wir hätten schon längst in East Hartford sein können.“

„Hey, halt. Warte mal.“ Er streckte eine Hand nach ihr aus. „Das, was da gerade vorgefallen ist, das hat nichts mit dir zu tun.“

„Schon okay.“ Sie rang sich zu einem Lächeln durch. „Ich bin es gewohnt, von Männern abgewiesen zu werden.“

„Du und abgewiesen?“, fragte er. „Du doch nicht. Ich bin derjenige, der abgewiesen wird. Wieso sollte ausgerechnet eine Frau wie du abgewiesen werden?“

„Ich bin lieber Single. Männer machen einen großen Bogen vor Verpflichtungen. Ich bin eine alleinerziehende Mutter, die Tag für Tag schuftet, um ihrem Kind ein besseres Leben zu bieten. Deswegen habe ich auch keine Zeit für so einen sinnlosen Quatsch wie Dates.“

„Nein, aber das da gerade war kein Date. Wenn du ein Date mit mir hättest, würdest du es wissen.“

„Aber klar doch“, winkte sie ab und ging Richtung Auto, welches sie weiter entfernt vom Parkplatz abgestellt hatten. Er folgte ihr. „Zunächst würde ich dich abholen. In alter Gentlemen Manier natürlich mit einem Blumenstrauß. Dann würde ich mit dir essen gehen. Egal wohin. Es kann ein schickes Restaurant sein oder der Schnellimbiss von nebenan. Worauf du Lust hast.“

Der Gedanke hinterließ ein angenehmes Gefühl. „Würde es Wein geben?“

„Was immer du möchtest. Einen 1988er Château oder einen aus dem Tetrapak.“ Er zwinkerte ihr zu.

Kurz vor dem Fahrzeug kramte sie den Autoschlüssel aus der Tasche.

„Was ist mit Musik?“ Es war eine nette Vorstellung, einen Abend lang an der Seite dieses Mannes auszukosten. Ein normales Leben zu genießen.

„Wir könnten Tanzen gehen. In eine Bar oder eine Disco. Oder ich spiele ein paar Songs auf dem Handy ab …“ Steven griff nach ihrem Handgelenk und zog sie in seine Arme. „Wir könnten im Stadtpark oder am Straßenrand tanzen, vollkommen egal wo.“

Überrascht von seiner Aktion starrte sie ihn an. Ein seltsames Gefühl der Geborgenheit durchfuhr sie. Ein Hauch von Wärme. Der Duft seines Sandelholzparfums.

„Würdest du mich auch nach Hause begleiten?“, fragte sie und versank in seinen Augen.

„Eher ungern“, flüsterte er. „Das würde bedeuten, der Abend wäre vorbei und ich müsste mich verabschieden.“

„Aber ist das bei Dates nicht der wichtigste Moment? Der, von dem aus man den Rest des Abends bewertet?“

„Das liegt im Auge des Betrachters. Ich würde deine Zustimmung zu einem Treffen schon als Erfolg sehen.“

Hitzewellen durchfuhren sie. Verdammt, sie war Anfang dreißig. Weshalb gingen ihre Hormone so mit ihr durch?

Myra räusperte sich und löste sich aus der wohligen Umarmung. „Ich denke nicht, dass das eine gute Idee wäre. Außerdem sind wir nicht zum Spaß unterwegs, sondern um meinen Sohn zu finden. Richtig?“

Steven wurde ernst. „Sicher.“

Sie ging zum Wagen. Per Knopfdruck entriegelte sie die Türen. Ihr Blick streifte den Kofferraum, der einen Spalt breit geöffnet war. „Hast du den Kofferraum vorhin nicht geschlossen, als du deine Jacke rausgeholt hast?“

„Kann schon sein.“ Er kratzte sich am Kopf, ging zur Beifahrerseite und öffnete die Tür. „Bitte entschuldige.“

Sie schloss den Kofferraum. „Schon okay. Die alte Rostlaube würde eh niemand stehlen. Der Kombi fällt jetzt schon auseinander. Joe hatte ihn notdürftig zusammengeflickt. Ich müsste wahrscheinlich noch Geld drauflegen, damit er verschrottet werden würde.“

Myra wollte gerade einsteigen, als sie einen Blick zu Steven warf, der neben der Beifahrerseite stand und auf einen Zettel in seiner Hand starrte. Wo hatte er den her?

„Was ist das?“, fragte sie neugierig.

Steven sah sie ernst an. Er war blass um die Nase geworden. „Wir müssen den Wagen loswerden.“

Escape Plan - How far would you go to survive

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