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2.3.4 Jugend im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik
ОглавлениеVorbereitung auf jugendliche Kriegsbereitschaft
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen des „Wandervogels“ waren mit Kriegsspielen vielleicht nicht ertüchtigt, aber doch sozialisiert worden. In Schule und Elternhaus hatte man ihnen einen opferbereiten Patriotismus nahe gebracht, und schließlich fehlte es in der Rhetorik, in den Bildern und in der Vorstellungswelt der Jugendbewegung selbst nicht an romantischen Phantasien hinsichtlich einer großen, vielleicht gar romantischen Kriegsfahrt. (FIEDLER 1989) Das war der geistige Boden, aus dem zahlreiche kriegsbegeisterte junge Männer hervorgegangen waren. Männliche Jugendliche, Studenten, die sich berufen fühlten, für das Vaterland zu kämpfen und die sich 1914 freiwillig zum Einsatz meldeten, waren davon überzeugt, die Ideale der Jugendbewegung mit dem Erlebnis des Krieges verbinden und im Kampf konkretisieren zu können. Eine Illusion, deren Entzauberung die jüngeren Knaben und die Mädchen, die in der Heimat weiterhin ihren Alltag in der Jugendgruppe organisierten, durch die Feldpostbriefe der Kameraden vermittelt bekamen.
Bereits während des Krieges, der auch unter den Kriegsteilnehmern aus der Jugendbewegung viele Opfer forderte, verlor sich somit die romantische Sicht auf Krieg und Kampf. Trotzdem wurde der Roman von Walter Flex „Der Wanderer zwischen beiden Welten“ (1917), in dem das an die Front übertragene jugendbewegte Kameradschaftsideal im Zentrum stand, zu einem Kultbuch.
Bündische Jugend in der Weimarer Republik
Nach Kriegsende (1918) wandelte sich in der Weimarer Republik (bis 1933) die Struktur der Jugendbewegung grundlegend und daraus ging die so genannte „Bündische Jugend“ hervor. Neben den traditionellen Wandervogelgruppen existierten etliche deutsche Pfadfinderbünde und ein breites Spektrum weiterer Bünde, die sich als Lebens- und Arbeitsgemeinschaften von Gleichgesinnten verstanden. Auch politisch repräsentierte die Bündische Jugend die zersplitterte Parteienlandschaft der Weimarer Republik.
Die Bünde diskutierten kulturelle, soziale und politische Fragen, arbeiteten an verschiedenen Projekten und erprobten gesellschaftliche Alternativen. (MOGGE 1998) Aber gegen Ende der Weimarer Republik hatte die Mehrheit der Bünde identitätsstiftende Vorstellungen einer völkischen Gemeinschaft und eines Führertums entwickelt und daraus resultierte eine Gegnerschaft oder mindestens eine Distanz zur Demokratie. Diese politische Haltung machte schließlich den Übergang in die Hitlerjugend für viele leicht.
Der Historiograph Walter Laquer (1962) hatte die Jugendbewegung als „Mikrokosmos des Deutschland des zwanzigsten Jahrhunderts“ (Ebd., S. 7) bezeichnet. Welche qualitative Größenordnung die bürgerliche Jugendbewegung über die Jahre hatte, ist relativ schwer einzuschätzen, aber zahlenmäßig war sie im Verhältnis zu ihrem ideologischen und jugendbezogenen Einfluss eher gering. Zu diesem Einfluss zählten zum Beispiel der Ausbau des Jugendherbergswesens und der Jugendmusik, aber ebenso die Wirkungen auf die kirchliche Jugend und die Arbeiterjugend. (MOGGE 1998)