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Prologue – Bea

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Manche Situationen lösen Lawinen an Ereignissen aus und beeinflussen durch eine Kleinigkeit das gesamte restliche Leben. Das Gemeine daran ist, dass man es nicht weiß, wenn man sich gerade mitten in einem solchen Schlüsselmoment befindet. Alles wäre so viel leichter, wenn wir vorausahnen könnten, in welche Bahnen unser Leben steuert. Aber leider erkennen wir das erst im Nachhinein.

Wieso ich das Leben führe, das ich heute führe, verdanke ich nicht einer dieser Situationen. Es waren vielmehr dutzende, die mich immer wieder in diese Richtung gedrängt haben, fast, als hätte mich eine höhere Macht regelmäßig mit ihrem riesigen Zeigefinger dorthin geschubst. Jede gescheiterte Beziehung und jeder verlorene Job gehörten genauso dazu wie all die Ausreden und Lügen. Aber es war eine lachhaft banale Sache, die letztendlich die entscheidende Kehrtwende ausgelöst hatte. Wer konnte schon ahnen, dass sich alles verändern würde, bloß weil ich von einer schmerzhaften Blase am Fuß zu früh nach Hause getrieben worden war?

Dabei hatte dieser alles verändernde Tag absolut unspektakulär begonnen. Er war erst einmal wie jeder andere, es war ein Donnerstag, wenn ich mich recht erinnere. Ich war auf der Suche nach einem neuen Job, weil ich meinen vorherigen kurz vorher gekündigt hatte. Wieder einmal.

Nachdem ich rüde bei einer Beförderung übergangen worden war, dachte ich, meinen Chef und seine alberne Firma nicht nötig zu haben. Ohnehin war ich für die Sachbearbeiter-Stelle in der Buchhaltung überqualifiziert gewesen. Wie es aussah, hatten die New Yorker Firmen aber nicht gerade auf mich und mein abgebrochenes Betriebswirtschaft-Studium gewartet.

Die Hoffnung hatte ich jedoch noch nicht ganz aufgegeben, weshalb ich in meine schicken neuen Pumps schlüpfte und mir die Hacken auf der Suche nach einer passenden Stelle wund lief. Nach der dritten Abfuhr des immer gleichen Typs von arrogantem Personaler schwamm das Blut in meinem linken Schuh, und ich war derart frustriert, dass ich mein letztes Vorstellungsgespräch absagte und mit dem Taxi nach Hause fuhr. In Jacobs Wohnung, um genau zu sein. Aber wir waren verlobt, und somit wäre es bald auch offiziell mein Zuhause. So war zumindest der Plan.

Der Privataufzug brachte mich hinauf ins Penthouse, wo ich zuallererst meinen Fuß verarztete. Danach warf ich mich erschöpft auf die Couch und wäre vermutlich sofort eingeschlafen, wenn ich in diesem Moment nicht ein merkwürdiges Geräusch gehört hätte. Es war ein Quietschen, das aus den Tiefen des Appartements kam.

Alarmiert schoss ich hoch und schlich langsam nach hinten in Richtung Schlafzimmer. Ich überlegte, den Baseballschläger mitzunehmen, der in Jacobs Arbeitszimmer an der Wand lehnte, doch noch bevor ich das in die Tat umsetzen konnte, erkannte ich, dass es nicht nötig war, mich zu verteidigen. Denn je näher ich der Schlafzimmertür kam, desto eindeutiger und unverkennbarer wurden die Geräusche. Ich kannte das verzückte Quietschen genauso wie das dampflockartige Schnaufen.

»Oh Gott, Jacob!«, stöhnte eine Frau.

Merkwürdigerweise fühlte ich nichts, als ich meine Hand ans Holz legte und die Tür aufdrückte. Weder klopfte mein Herz schneller noch zitterten meine Finger; ich war völlig ruhig. Und nicht einmal überrascht. Natürlich war es nicht angenehm, meinen Verlobten in unserem gemeinsamen Bett hinter einer Latina knien und sie mit vollem Elan bearbeiten zu sehen, während die üppige Schwarzhaarige in mein Kopfkissen biss. Auch die verschwitzten und lustvoll verzerrten Gesichter waren ein Anblick, auf den ich gern verzichtet hätte. Aber es kam mir trotzdem so vor, als hätte unsere Beziehung die gesamte Zeit über insgeheim auf dieses Bild zugesteuert. Die Situation fühlte sich längst nicht so verletzend und demütigend an, wie sie sollte.

Ich schnaubte abfällig, und endlich wurde das Paar auf mich aufmerksam. Jacobs Gesichtsausdruck wechselte in Rekordtempo von verwirrt über schockiert bis hin zu verzweifelt. Während er aufsprang und sich die Bettdecke um die schlanken Hüften wickelte, verschränkte ich die Arme vor der Brust und fixierte ihn. Eine Weile lang starrten wir uns lediglich an.

»Bea«, hauchte er schließlich. »Es ist nicht …«

»Wie es aussieht?«, unterbrach ich ihn und lachte auf. »Ernsthaft? Du bist eines von diesen bemitleidenswerten Arschlöchern, die einen so lahmen Satz von sich geben, wenn sie mit einer anderen im Bett erwischt werden? Als Anwalt müsste dir aber eine kreativere Ausrede einfallen.«

Zumindest hatte er den Anstand, verlegen dreinzuschauen. Sein Betthäschen, das in der Zwischenzeit ihre Klamotten zusammengesucht hatte und vor ihren Körper presste, versuchte, an mir vorbei zu schlüpfen, doch ich fuhr herum, presste sie mit dem Unterarm an ihrer Kehle gegen die Wand und funkelte sie zornig an. Sie japste, und ich drückte fester zu; es war ein Instinkt. Ich wusste nicht, wieso er immer wieder durchbrach. Als ich ihren panischen Blick registrierte, zwang ich mich, von ihr abzulassen. Ich durfte die Kontrolle nicht verlieren. Nicht nachdem ich es geschafft hatte, diesen Teil von mir so lange zu unterdrücken. Einmal mehr fragte ich mich, wann ich es lange genug getan hätte, um den Zorn in mir endlich auszulöschen.

»Raus«, zischte ich sie an, und sie kam meiner Aufforderung sofort nach.

Ich blickte zu Jacob auf, sah ihm direkt in die weit aufgerissenen Augen und grinste. Seinem verstörten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, musste ich dabei ziemlich irre aussehen. Aber mir ging in diesem Moment schließlich auch auf, wie sehr ich mich getäuscht hatte: Jacob hatte es, wie so viele vor ihm, nicht geschafft, mich zu dem Menschen zu machen, der ich sein wollte. Und nun würde er eine Bea kennenlernen, die er in mir nie vermutet hätte.

Ich spürte Scham und Erleichterung zugleich. Okay, dieses eine Mal würde ich noch nachgeben. Er hatte es verdient, redete ich mir ein.

»Und jetzt zu dir«, sagte ich.

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