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Chapter Nine – Lost

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»Ich hol mir ein Bier, willst du auch noch was?«, fragte Emma, als sie sich von der Couch erhob.

Bea schüttelte lächelnd den Kopf und zog die Beine an, damit die Blondine an ihr vorbeikam. Daraufhin kuschelte sie sich enger an Charlie, der, locker einen Arm um ihre Schultern gelegt, neben ihr saß und sich mit Syd unterhielt.

Wie schnell doch die Zeit verflog, wenn man glücklich war, wunderte sich Bea. Und wie unfassbar lang der beschwerliche Weg bis zum Hier und Jetzt gewesen war. Aber nun teilten Charlie und sie endlich ihr Leben miteinander, ohne dass der eine den anderen aus seiner Welt aussperrte. Die Sache mit den Verrätern war geklärt, das hatten die Jungs beteuert; Kotzbrocken Peters benahm sich neuerdings wie ein normaler Mensch; und Maya sah Daniel endlich so an, wie er es verdient hatte. Alles in allem lief es verdammt gut in Beas Welt.

Als sie den Blick durchs Clubhaus schweifen ließ, sah sie Pat mit seinem dicken Verband um den Kopf am Tresen sitzen und in einem Kaffeebecher rühren. Er sagte etwas zu Emma und grinste, woraufhin sie glockenhell lachte. Daneben stand Lenny und erzählte Scar vermutlich von dem besonders stabilen Kolben, den er in seine Harley eingebaut hatte. Mit dieser Story ging er den ganzen Abend schon durch den Raum und machte jedes Mal die gleichen rudernden Handbewegungen. Am Billardtisch standen Bennie und Moses, und daneben saß Don auf einem Stuhl und schimpfte darüber, wie dilettantisch die beiden ihre Queues hielten. Von überall her dröhnte raues Lachen, und die unbeschwerte Stimmung war beinahe greifbar.

Der Moment war perfekt – Bea würde nichts daran ändern wollen. Und endlich einmal hatte sie das Gefühl, einen Platz für sich gefunden zu haben. Einen Ort, an dem sie – sie selbst – akzeptiert wurde.

»Alles klar?«, riss Charlie sie aus den Gedanken.

Sie lächelte. »Glasklar.«

Bea nahm ihm die Zigarette aus dem Mundwinkel, zog daran und drückte sie daraufhin im Aschenbecher aus. Erst dann küsste sie ihn sanft auf die Lippen, was ihm ein leises Knurren entlockte.

»Was hältst du von einer Ausfahrt am Samstag? Wir könnten nochmal zum See fahren«, raunte er dunkel und verheißungsvoll.

Bea dachte an das letzte Mal, als sie mit ihm dort gewesen war, und ihr gesamter Körper prickelte bei der Erinnerung. Sie legte eine Hand auf sein Knie und fuhr mit den Fingern langsam seinen Schenkel hinauf. »Bis Samstag ist es noch recht lange hin, findest du nicht?«

Ein bedrohliches Grollen drang tief aus seiner Brust. »Wenn du damit nicht gleich aufhörst, werfe ich dich über die Schulter und schleife dich nach hinten ins Gästezimmer.«

Sie konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. »Keine leeren Versprechungen, Hanson.«

Er vergrub eine Hand in ihrem Haar und zog ihr Gesicht so nah zu sich heran, dass sie nur noch seine silbergrauen Augen sah. »Du bringst mich noch um.«

»Aber es wird ein schöner, langsamer Tod werden, das verspreche ich dir. Ich lasse mir ein ganzes Leben lang Zeit mit der Folter.«

»Hab ich ein Glück«, murmelte er und presste seine Lippen hungrig auf ihre.

Bea fragte sich unwillkürlich, ob sie sich irgendwann an seine Nähe gewöhnte und ihr Herz einmal keine Purzelbäume mehr schlagen würde, wenn sie sich küssten. Hoffentlich kam dieser Tag niemals.

In dem Moment, in dem Smitty aus einem der hinteren Zimmer in den Hauptraum stürmte, schrillten Beas innere Alarmglocken. Mit einem Keuchen riss sie sich von Charlie los.

Es war nun einmal so eine Sache mit perfekten Momenten – sie hielten nicht an. Niemals. Und je höher man flog, desto schmerzhafter war der Aufprall.

»Wir bekommen Besuch«, rief Smitty in den Raum, und plötzlich brach die Hölle los.

Die Vordertür wurde aufgeworfen, laute Stimmen drangen in den Raum, schwere Stiefel stampften über den Fußboden. Männer in dunklen Uniformen mit schusssicheren Westen und Gewehren im Anschlag verteilten sich zwischen den Bikern.

Bea war wie versteinert. Sie konnte die Szene lediglich mit offenem Mund betrachten. Es war so unwirklich, als sehe sie gerade einen verdammt realen Kinofilm.

Jemand zog an ihrem Arm. Charlie. Er kniete neben dem Sofa und bedeutete ihr, zu ihm auf den Boden zu kommen.

»Alle auf den Boden!«, hörte sie daraufhin gleich mehrere Stimmen. »Auf den Boden! Hände über den Kopf!«

Bea plumpste regelrecht vom Sofa. Ihre Knie waren butterweich, und ihr gesamter Körper zitterte, sodass sie sich kaum bewegen konnte. Umständlich legte sie sich neben Charlie auf den Bauch und schaute sich um. Die Prospects sahen ein wenig verwirrt aus, die Member eher gelangweilt. Smitty lachte sogar leise. War das etwa normal für sie? Kannten sie es, angebrüllt, mit Gewehren bedroht und auf den Boden verwiesen zu werden?

Beas Blick blieb an Charlie hängen. Er schien völlig ruhig, während sie Mühe hatte, ihre zitternden Hände am Hinterkopf zu behalten.

»Es wird alles gut«, sagte er leise.

Bea hätte am liebsten geschnaubt oder gelacht, sie wusste es selbst nicht genau. Aber es kam ohnehin kein Ton über ihre Lippen. Ihr Herz pochte so heftig, dass ihr übel wurde.

Allmählich ebbte das Gebrüll ab, und schließlich war nur noch ein Paar Stiefel zu hören, das den Raum abschritt. Die anderen Polizisten standen im Clubhaus verteilt und richteten ihre Waffen auf die am Boden Liegenden.

Ich bin hier falsch, hätte Bea am liebsten gerufen. Das muss ein Missverständnis sein. Ich darf nicht hier liegen, ich habe nichts getan.

Irgendwo an der Theke blieben die Stiefel stehen. Für eine Sekunde war es derart still, dass sie nur noch ihr eigenes Herz hören konnte. Dann erklang eine angenehm weiche Männerstimme, die für diese Situation völlig unpassend erschien.

»Lenard Shoemaker«, sagte die Stimme, »Ich verhafte Sie wegen Mordes an Jared Jenkins. Stehen Sie auf.«

Bea keuchte. Jared Jenkins. JJ. Lenny sollte ihn ermordet haben? Hatten sie ihre Streitigkeiten etwa auf diese blutige Weise geklärt?

Sie schaute hinüber zu dem Dicken mit den Ringellöckchen, dem gemütlichen Lenny, der sich nun schwerfällig erhob, ohne Widerworte die Handschellen anlegen und seine Rechte verlesen ließ.

Keiner protestierte. Keiner sagte etwas, als er abgeführt wurde. Außer Syd.

»Ich rufe Steele an.«

War das der Anwalt des Clubs? Mit großen Augen schaute Bea dabei zu, wie Lenny von zwei Polizisten nach draußen geführt wurde. Das musste ein Traum sein. Wieso wachte sie nicht auf? Und warum bewegten sich die anderen Uniformierten nicht? Sie waren noch da, die Waffen nach wie vor im Anschlag. Und das Paar Stiefel drehte erneut eine Runde.

»Stehen Sie auf«, sagte die angenehme Stimme plötzlich.

Bea wusste nicht, mit wem er redete. Sie starrte auf die Stiefelspitzen und runzelte die Stirn. Wieso stand er direkt vor ihr?

»Beatrice Kramer«, sie wurde am Arm hochgezogen und fand sich vor einem älteren Polizisten mit Schnurrbart wieder, »ich verhafte Sie wegen Beihilfe …«

Mehr bekam sie nicht mit. Die Welt schien sich mit einem Mal furchtbar schnell zu drehen, und ihre Knie knickten ein. Glücklicherweise hielt der Polizist ihren Arm so fest umklammert, dass sie nicht wegsacken konnte.

Bea hörte ihn wie durch Watte. Er sagte irgendetwas davon, dass sie schweigen könnte, und er erwähnte einen Anwalt. Charlie war inzwischen ebenfalls aufgestanden und redete auf den Polizisten ein. Bea bekam nur Bruchstücke mit.

»… können Sie nicht ernst meinen … Sie weiß einen Scheiß … doch lächerlich …«

Beihilfe zum Mord. Das war ein Verbrechen nach Bundesrecht, ging Bea durch den Kopf. An etwas anderes konnte sie momentan nicht denken. Sie schaute sich um, panisch nach Hilfe suchend, dabei blieb ihr Blick einen Moment lang an Mishas Gesicht hängen. Was bedeutete dieser kritische Ausdruck, mit dem sie Bea beobachtete?

Plötzlich rüttelte der Polizist an ihrem Arm. »Haben Sie ihre Rechte verstanden?«

»Ja«, sagte sie automatisch.

»Das klärt sich schnell, Bea.« Charlies Stimme klang wütend und flehentlich zugleich. »Sag nichts, hörst du. Ich schicke dir unseren Anwalt. Ich regle das.«

»Du hast schon genug getan!«, brüllte sie ihn – für sich selbst völlig überraschend – an. Eine unbändige Wut sprudelte mit einem Mal glühend heiß durch ihren Körper, und sie zitterte so stark, dass ihre Zähne klapperten. »Ich wusste es. Ich wusste, dass es so enden würde!«

Sie spürte Tränen in ihren Augen brennen, als ihr Handschellen angelegt wurden. Zwei Polizisten nahmen sie an jeweils einem Arm und führten sie nach draußen.

»Siehst du das?« Sie funkelte ihn über die Schulter hinweg an, ihre Stimme nicht viel mehr als ein Flüstern. »Du hast das aus mir gemacht.«

Charlie sagte irgendetwas, aber sie hörte nicht hin. Erst jetzt ging ihr die volle Tragweite dessen auf, was sie getan hatte: Sie war in das Büro ihrer Chefin eingebrochen, hatte vertrauliche Daten entwendet, einen Vorgesetzten bedroht und einen Mord ermöglicht. Und das alles für ihn.

Wären ihre Hände nicht gefesselt gewesen, sie hätte sich losgerissen und ihm eine verpasst. Stattdessen musste sie sich zu dem Polizeiwagen führen und auf die Rückbank schubsen lassen. Sie schaute aus dem Autofenster und sah Charlie, der ihr nach draußen gefolgt war. Und da war es wieder, das Gesicht des Jungen von damals, mit dem gequälten Blick, dem hoffnungslosen Ausdruck.

Bea wandte sich ab und schaute nach vorn. Sie wollte ihn nicht mehr ansehen. Nie mehr.

Er war das Chaos, sie das Böse – und zusammen waren sie eine Katastrophe. Das hatte sie immer gewusst.

Der Wagen fuhr los, Charlies verschwommene Silhouette verschwand aus ihrem Augenwinkel und ihr dunkles Herz zersprang in tausend Scherben.

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