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Chapter Six – Only Half

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Bea kuschelte sich an Charlies Schulter und streichelte vorsichtig die Tätowierung auf seiner Brust. Sie hatte sich allmählich an den Dämon gewöhnt und auch daran, sich Charlies Herz mit dieser Fratze zu teilen. Das Tattoo und wofür es stand, gehörte ebenso wie sie zu dem Mann, den sie liebte. Sein Herz schlug für sie beide. Auch wenn es ihr anders lieber wäre …

Er drehte sich auf die Seite, wodurch die Bettdecke wegrutschte und den Blick auf seinen nackten Oberkörper bis zur Hüfte freigab. Bea wollte sich längst eine zweite Decke zulegen, aber ihr altes Teenagerbett war ohnehin zu winzig. Sie befürchtete, neben Charlie und zwei Decken selbst keinen Platz mehr darin zu finden. Außerdem verzichtete sie doch nicht freiwillig auf diesen Anblick.

Langsam streckte sie die Finger nach der kleinen Tätowierung an seinem Hüftknochen aus. Während sie sanft über die Lilie strich, spürte sie plötzlich seine warme Hand auf ihrer Taille.

»Guten Morgen«, sagte sie leise.

Er öffnete die Augen und blinzelte sie verschlafen an, ehe er näher an sie heranrückte und einen Kuss auf ihre Stirn drückte. »Guten Morgen. Wie spät ist es?«

»Kurz vor sieben. Der Wecker klingelt gleich.«

Er zog sie an sich und vergrub das Gesicht in ihrem Haar. »Wieso bist du schon wach?«

»Weißt du, was ich mich frage?« Es kitzelte, als er in ihre Halsbeuge brummte, und sie musste unwillkürlich kichern. »Wieso hast du dir eine Blume auf die Hüfte tätowieren lassen? Ich meine, das ist sehr süß, aber … Süßes erwartet man nicht unbedingt auf deiner Haut.«

Sie spürte sein Lächeln an ihrem Hals. »Ich gebe dir einen Rat fürs Leben: Trenn dich niemals von einer Tätowiererin am Tag einer Clubparty, für die sie engagiert ist und penn dann besoffen ein.«

Bea lachte auf. »Nein, wie gemein. Und warum eine Lilie?«

»Sie heißt Lilly«, murmelte er.

»Na, da kannst du ja froh sein, dass sie nicht Bunny oder Rainbow heißt.« Charlie knuffte sie in die Seite, und Bea kicherte. Dann fuhr sie vorsichtig über die Kreise auf seinem Rippenbogen. »Und was ist mit denen hier? Was bedeuten sie?«

»Jeder Kreis steht für etwas, das ich überlebt habe. Etwas, über das ich hinweggekommen und stärker daraus hervorgegangen bin.« Er seufzte, dann nahm er ihre Hand und küsste behutsam ihre Fingerknöchel, ehe er ihren Zeigefinger auf einen dicken Kreis mit ungleichmäßigem Muster legte und die Linie nachfuhr. »Siehst du den hier? Den muss ich mir entfernen lassen.«

»Wieso?« Sie schmolz beinahe in seinen Armen, so zärtlich war der Ausdruck in seinen silbergrauen Augen.

»Wie es aussieht, bin ich nie über sie hinweggekommen, die eine und einzige Frau, die ich je geliebt habe.«

Unwillkürlich flatterte Beas Herz, und eine angenehme Wärme prickelte durch ihren Körper. »Das haben wir wohl gemeinsam.«

Er legte die Hand an ihre Wange und küsste sie sanft auf die Lippen. Bea liebte es, wenn seine Bartstoppeln sie kitzelten und sie spürte, wie stark das Herz in seiner Brust schlug. Wenn sie zusammen waren, in ihrem Bett, schien alles andere unbedeutend. Aber leider konnten sie nicht für immer hier liegen.

Ihre Liebkosungen versprachen gerade, intensiver zu werden, da raunte Charlie: »Verdammt, ich habe keine Zeit mehr.« Seufzend löste er sich von ihr, schwang sich aus dem Bett und begann, sich anzuziehen. »Ich muss um zehn in Barstow sein.«

Bea setzte sich auf und musterte ihn skeptisch. »Wieso?

Ein Gähnen unterdrückend zog er das Shirt über den Kopf und rubbelte über seine kurzen, blonden Haare. »Ich treffe mich mit meinem Lieferanten.«

»Deinem Lieferanten für was?«

Er hielt inne, schaute auf sie herab und hob einen Mundwinkel. »Schnaps.«

»Aha.«

Sie zweifelte an ihm, und er wusste das. Sie konnte nicht anders, was mitunter daran lag, dass Charlie manchmal derart einsilbig wurde, dass sie sich die Haare raufen wollte.

Seit einigen Tagen trafen sie sich in Beas Elternhaus, schliefen im selben Bett, konnten die Finger kaum voneinander lassen, aber was außerhalb dieses Zimmers war, lag in tiefen Schatten. Natürlich fand ihre Beziehung nicht im Heimlichen statt, sie gingen miteinander aus und machten Ausfahrten – sie blieben dabei jedoch immer zu zweit. Bea wusste so gut wie nichts über Charlies Alltag. Er erzählte ihr nicht freiwillig davon, und sie fragte nur insoweit nach, wie sie glaubte, es ertragen zu können. Einerseits wollte sie alles über ihn erfahren, andererseits ängstigte sie sich davor.

Die Offenheit, das Vertrauen und die Zuversicht vom Lake Mohave war nach und nach davongetrieben. Bea wusste, dass dies ein unmöglicher Zustand war, aber sie schob die Gedanken hartnäckig beiseite. Momentan funktionierte es. Und die Zeit, die sie in seinen Armen verbrachte, entschädigte sie für alle Zweifel.

»Sehen wir uns heute Abend?« Sie stieg ebenfalls aus dem Bett und schlüpfte in den Morgenmantel, der neben dem Bett auf dem Fußboden lag. »Kommst du zu mir, wenn du fertig bist?«

»Wir planen eine Party.« Charlie streckte die Arme aus, wodurch sie automatisch zu ihm ging. »Begleite mich doch einfach ins Clubhaus.«

Sie fuhr mit den Händen unter seine Kutte und verschränkte die Finger hinter seinem Rücken. War es wirklich so schwer zu verstehen, dass sie nicht an einen Ort gehen wollte, an dem beim letzten Mal eine Pistole auf ihr Gesicht gerichtet worden war? Anscheinend sprach ihr Gesichtsausdruck Bände, denn Charlie seufzte tief.

»Du musst nicht dort übernachten, komm einfach auf einen Drink vorbei. Einen alkoholfreien, wenn du willst. Wir haben ein sauberes Sofa, Stühle, Barhocker, eine von Lenny handgefertigte Theke, auf die er echt stolz ist … Das ist wie ein gemütliches, großes Wohnzimmer.«

»Weißt du, ich … Heute ist es eher schlecht. Mom hat den Müllschlucker verstopft, und wenn ich jemals wieder in der Garage parken will, muss ich endlich das Chaos da drin aufräumen.« Sie lächelte ihn aufmunternd an. »Wie wäre es, du kommst nach der Partyplanung vorbei und hilfst mir ein bisschen?«

»Die Party ist wichtig für den Club – und für mich. Es wäre gut, wenn du am Samstag hinkommst.«

Bea spürte, wie sich die Härchen an ihren Armen aufstellten. Sie wollte diese Leute nicht kennenlernen; bei dem Gedanken sträubte sich alles in ihr. »Okay«, sagte sie trotzdem, weil ihr auf die Schnelle keine Ausrede einfiel.

Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, ahnte er, dass sie noch irgendeinen Vorwand finden würde, um abzusagen.

»Ich bin vorher noch ein paar Tage unterwegs«, informierte er sie unvermittelt.

»Was? Wo?«

»San Diego. Wir fahren morgen früh.«

Bea fröstelte. Sie zog den Morgenmantel enger um sich und schaute argwöhnisch zu ihm auf. »Was ist in San Diego?«

»Wir müssen etwas mit dem dortigen Chapter besprechen. Clubangelegenheiten. Spätestens Freitag sind wir zurück.«

»Clubangelegenheiten«, wiederholte sie. Wie sie dieses Wort hasste. Es war lediglich ein Synonym für: Das geht dich nichts an. Sie wusste nie, ob sie sich mehr oder weniger Sorgen machen müsste, wenn sie nachhakte und eine seiner vagen Antworten erhielt.

»Da ist nichts weiter dabei«, beantwortete er ihre Gedanken, küsste sie flüchtig auf die Lippen und marschierte zur Tür. »Bis heute Abend.«

»Bis dann.«

Bea setzte sich aufs Bett und beobachtete, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Im gleichen Moment klingelte der Wecker. Sie langte danach, schaltete ihn ab und rieb sich über die Augen. Sie wusste, sie war wach, aber es fühlte sich nicht danach an. Seit dem Tag am See kam es ihr vor, als wandelte sie wie im Traum durch ihr Leben, als schaute sie sich aus der Ferne zu und konnte sich nicht steuern.

Es gab Momente – immer dann, wenn er nicht bei ihr war – da fragte sie sich, was zur Hölle sie eigentlich hier machte. Aber wenn er vor ihr stand und sie in seine Augen schaute, ergab alles einen Sinn. Es war verrückt. An seiner Seite fühlte sie sich stark, als könnte ihr die Welt nichts anhaben. Und doch wehrte sie sich so sehr, in seine Welt einzutreten, vermied sogar seine Wohnung über dem Courtroom. Sie verweigerte alles, was ihn umgab.

Es war, als stritten sich zwei Beas erbittert in ihrem Inneren – die eine wollte mit Leib und Seele die seine sein, und die andere hatte Angst, dann völlig die Kontrolle zu verlieren.

Aber es ging nicht nur um ihre eigene Entwicklung, darum, ob sie einen Schritt zurückmachte, wenn sie sich vollends auf ihn und diese Stadt einlassen würde. Sie müsste sich ganz neu auf das Leben einstellen, neue Pläne und Ziele entwickeln. Dann war da noch ihre Mutter, die bestimmt nicht begeistert wäre, wenn sie bliebe. Würde sich das Verhältnis mit ihr noch weiter verschlechtern? Und – wovor sie sich vielleicht am meisten fürchtete – müsste ihre Liebe zu Charlie immerzu mit dem Club konkurrieren? Würde sie vielleicht mit der Zeit schmerzlich herausfinden, dass ihm seine Ersatzfamilie wichtiger war als sie?

Bea schüttelte den Kopf, verscheuchte die Gedanken und ging ins Badezimmer. Nachdem sie sich gewaschen und Make-up aufgelegt hatte, zog sie eine Jeans und ein Tanktop über, dann schlüpfte sie in die Lederjacke, die Charlie ihr geschenkt hatte. Jedes Mal, wenn sie die schwarze Jacke ansah, erinnerte sie sich an das Lächeln, mit dem er ihr das Kleidungsstück überreicht hatte.

»Jetzt passen wir zusammen, wenn du hinter mir auf der Harley sitzt. Und du siehst fast so cool aus wie ich«, hatte er mit einem Zwinkern gesagt.

Bea war derart gerührt gewesen, dass ihr nicht einmal eine freche Erwiderung eingefallen war. Sie hatte einfach nur die Arme um seinen Hals geschlungen und ihm mit einem innigen Kuss gedankt.

Vorsichtig fuhr sie mit den Fingern über das Leder. Es war weich, angenehm auf der Haut und passte wie angegossen. Außerdem fand sie, dass sie ihr gut stand – da hatte Charlie ein gutes Auge bewiesen. Und seit sie ihren Look verändert hatte, hielt sie niemand mehr für eine Bundesagentin.

Nachdem sie sich noch einmal vor dem Spiegel gedreht hatte, ging sie nach unten, packte einen Muffin aus der Küche ein und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Im Autoradio lief gerade Steppenwolf, weshalb sie automatisch lauter drehte und mit summte.

Als sie auf der Hauptstraße entlangfuhr, kamen ihr zwei schwarze Harleys entgegen. Die Männer trugen dunkle Sonnenbrillen und Lederkutten und hoben jeder zwei Finger vom Lenker, als sie an ihr vorbeibrausten. Bea winkte aus dem offenen Autofenster hinterher. Das konnte sie schon sehr gut, im Vorbeifahren zurückgrüßen. Und diese freundliche Kommunikation aus der Ferne reichte ihr auch völlig aus. Näher musste sie an Charlies Freunde nicht rankommen.

Obwohl es nicht nur seine Freunde waren, mit denen ihr das passierte. Immer öfter grüßten sie auch wildfremde Menschen auf der Straße und wünschten ihr einen schönen Tag. Anscheinend hatte sich ihre ›Verbindung zum MC‹ inzwischen herumgesprochen, und Charlie schien recht zu behalten: Es bedeutete etwas, in dieser Stadt, zu den Advocates zu gehören. Bea konnte nicht leugnen, dass sie durch ihren Status als feste Freundin des VP respektvoller behandelt wurde – und dass sie das genoss.

Sie stellte den Pick-up auf dem Parkplatz des Rathauses ab und spazierte ins Gebäude. Bevor sie sich in ihre Arbeitsschublade verkriechen würde, machte sie einen Abstecher zum Aufenthaltsraum, um sich einen Becher Kaffee zu holen.

»Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.« Sie hörte Peters’ Stimme, bevor sie durch die Tür trat. »Wir müssen sehr vorsichtig damit umgehen. Vor allem, was Informationen betrifft, die nach außen gelangen könnten.«

»Guten Morgen«, sagte Bea laut, als sie in den Raum kam.

Wie sie angenommen hatte, verstummte das Gespräch sofort. Peters hatte mit der Sanchez also mal wieder über Bea gesprochen. Sie gab vor, nichts bemerkt zu haben und holte sich in aller Seelenruhe einen Kaffeebecher aus dem Schrank.

Das war die andere Seite der Medaille, wie Charlie es einmal so treffend ausgedrückt hatte. Sie wurde zwar respektvoller behandelt, aber von mancher Seite gleichzeitig mit mehr Misstrauen. Wobei … ihre Vorgesetzten konnten sie schon zuvor nicht ausstehen, demnach hatte sich, bis auf den Umstand, dass Kotzbrocken Peters seine Arbeit jetzt einem anderen armen Schwein aufbrummte und sie dafür immer mit einem zusammengekniffenen Auge beäugte, nicht wirklich etwas geändert. Die Sanchez allerdings machte ein Gesicht wie eine enttäuschte Großmutter, sobald sie Bea sah.

»Miss Kramer.« Die Chefin nickte ihr zu, ehe sie den Raum verließ.

Bea ging zur Kaffeemaschine, füllte ihren Becher mit Kaffee und rührte Milch und Zucker hinein. Dabei lehnte sie sich an die Arbeitsplatte und musterte Peters, der noch immer am anderen Ende des Raumes stand und sie anstarrte.

»Schöne Jacke«, sagte er.

»Danke. War ein Geschenk von meinem Freund«, antwortete sie.

Sie wusste nicht genau, warum sie ihm das auf die Nase band, aber er schien ohnehin nicht überrascht. Eher nervös. Sein Blick huschte von ihrem Gesicht zum Kaffeebecher in ihren Händen und wieder zurück. Er schien ihre Anwesenheit als äußerst unangenehm zu empfinden.

»Wir haben ein Problem. Mit der Firewall«, sagte er unvermittelt. »Irgendein Virus ist ins System eingedrungen. Die EDV-Abteilung wird nachher jemanden bei Ihnen vorbeischicken.«

Bea runzelte die Stirn. »Okay.«

»Schönen Tag, Miss Kramer.« Damit schnappte er sich seinen Kaffeebecher und eilte aus dem Raum.

Es war offensichtlich, dass er ihr nicht traute. Aber das machte nichts. Sie traute ihm genauso wenig.

Schulterzuckend verließ Bea den Aufenthaltsraum, begab sich an ihren Schreibtisch und machte ihre Arbeit.

*

Es war ein ruhiger Tag. Bis auf den gelangweilten EDV-Angestellten, der sie für eine halbe Stunde zum Kaffeetrinken schickte, damit er ungestört an ihrem PC arbeiten konnte, wollte heute niemand etwas von Bea. Das Telefon klingelte nicht, und Maya wurde ständig ins Archiv gerufen, sodass ihr üblicher Tratsch leider ebenfalls ausfallen musste. Dafür hatte Bea am Abend einen ordentlichen Stapel Arbeit erledigt: ihre eigene Arbeit, wohlgemerkt und nicht das, was irgendwelche Idioten ihr zusätzlich aufbrummten. Vermutlich zum ersten Mal in diesem beschissenen Job hatte sie das Gefühl, etwas Sinnvolles geschafft zu haben.

Nach der Arbeit ging sie wie so oft mit Maya und Daniel ins Diner ’round the Corner, ein Lokal, in dem es derart nach Bratenfett, Sirup und starken Reinigungsmitteln stank, dass es einem beinahe die Nasenschleimhäute verätzte. Aber die Burger waren erste Klasse. Wie immer bestellte sich Bea einen Cheeseburger mit Pommes und eine Cola.

»War bei euch auch einer von der EDV?«, fragte Bea, nachdem die Kellnerin die Bestellungen an ihrem Tisch aufgenommen hatte und hinter der Theke verschwunden war.

Maya und Daniel wechselten einen irritierten Blick.

»Nein, wieso?«, hakten sie unisono nach.

»Kotzbrocken Peters meinte, ein Virus sei ins System eingedrungen, und kurz darauf hat mich einer der Nerds aus der EDV-Abteilung zum Kaffeetrinken geschickt.«

Maya stupste sie grinsend mit dem Ellbogen an. »Der Virus bist dann wohl du.«

»Was soll ich denn bitte für Informationen weitergeben?« Bea schüttelte schnaubend den Kopf. »Haben die Angst, ich könnte dem MC erzählen, wenn der Peters einen neuen Drucker bei der Orga beantragt?«

»Ich denke, es geht eher um die personenbezogenen Daten, die du von deinem Rechner aus abrufen kannst«, meinte Daniel. »Wahrscheinlich haben sie dir ein paar Zugriffsrechte entzogen.«

»Diese Arschlöcher können doch nicht einfach davon ausgehen, dass ich nicht vertrauenswürdig bin, nur weil mein Freund eine Kutte trägt.«

Daniel zuckte lediglich mit den Schultern, dann nahm er der Kellnerin, die mit den Getränken an ihren Tisch trat, sein Bier ab.

»Danke«, murmelte Bea, als sie ihre Cola entgegennahm. Nachdenklich zog sie am Strohhalm, und eine Gänsehaut überkam sie, als das eiskalte Getränk den Weg in ihren Magen fand.

»Es ist noch nicht lange her, da hast auch du jeden Kuttenträger für kriminell gehalten«, erinnerte sie Maya.

Das stimmte. Und Bea war sich nicht einmal sicher, ob sie nicht immer noch so dachte. Anscheinend verurteilten Menschen sehr schnell und merkten erst, wie falsch das war, wenn die Vorurteile sie selbst trafen. Ob sie den Advocates vielleicht unrecht tat, so wie ihre Chefs und Kollegen ihr?

»Und was soll ich jetzt machen?«, fragte sie.

Maya zuckte unbekümmert mit den Schultern. »Was interessiert dich, was ein paar poplige Beamte von dir denken? Du hast die Advocates hinter dir.«

»Außerdem lässt du dir nichts zu Schulden kommen«, meinte Daniel, obwohl Bea nicht genau sagen konnte, ob das eine Feststellung oder eine Frage gewesen war.

»Sehr richtig«, antwortete sie deshalb. »Wahrscheinlich hat dieses Arschloch Peters die ganze Sache ins Rollen gebracht. Er traut sich nicht mehr, auf mir rumzuhacken und ist deswegen stinkwütend. Aber wenn er meint, er müsste einen persönlichen Kleinkrieg gegen mich starten, weil er sich jetzt nicht mehr traut, seine Arbeit auf mich abzuwälzen, soll er nur. Wir werden schon sehen, wer als Sieger daraus hervorgehen wird.«

Wie diabolisch sie grinste, bemerkte sie erst an Mayas und Daniels skeptischen Mienen. Aber sie konnte nichts dagegen tun. Die Vorstellung, wie ihr verhasster Kollege, der sie von an Anfang getriezt hatte, einmal kleinlaut vor ihr stehen würde, wie er es vor Charlie getan hatte, war zu schön. Eine Genugtuung, von der sie bisher gar nicht geahnt hatte, wie sehr sie sich danach sehnte.

»Jetzt schaut mich nicht so an«, sagte sie und bedachte ihre Kollegen abwechselnd mit einem tadelnden Blick. »Habt ihr euch etwa noch nie vorgestellt, wie der Peters einmal so richtig eins auf die Nase kriegt?« So etwas sagte man eben mal dahin. Oder nicht?

»Da hast du gar nicht unrecht«, erwiderte Maya mit zuckenden Mundwinkeln, und Daniel grinste verschlagen. »Ich bin wirklich froh, dass du dich von diesem Idioten nicht mehr rumschubsen lässt.«

»Da hätten wir eure Burger.« Die Kellnerin kam lächelnd an den Tisch und stellte die drei Teller ab.

Bea biss in den saftigen Cheeseburger und hätte beinahe vor Verzückung aufgestöhnt. Eine Weile lang konzentrierten sie sich einträchtig auf ihr Essen, bis Maya das Gespräch wieder auf ihr Lieblingsthema lenkte.

»Du hast uns noch gar nicht erzählt, wie die so sind«, nuschelte sie mit halbvollem Mund. »Ich bin zwar ab und zu im Courtroom, aber ich traue mich normalerweise nicht so nah an sie heran. Bis auf das eine Mal im Kiosk, da stand einer von denen hinter mir an der Kasse.« Sie schnurrte wohlig und blinzelte an die Decke. »Was für ein Mann. Groß, schwarze Haare, grüne Augen und einen Spitzbart am Kinn. Er hat mich angelächelt, und ich wäre schier in Ohnmacht gefallen.«

Bea kicherte. »Du meinst bestimmt den Iren. Pat.«

»Ire ist er also auch noch …« Sie fächelte sich mit der Serviette Luft zu.

Kurz schielte Bea zu Daniel hinüber, der scheinbar seelenruhig seinen Burger aß und dabei stur auf seinen Teller blickte. Dass ihm Mayas Begeisterung nicht sonderlich gefiel, erkannte man lediglich daran, wie er die Finger im Brötchen versenkte und den Kiefer beim Kauen anspannte. Wie seltsam, dass der sonst so aufmerksamen Maya das nicht auffiel.

»Es gibt aber genauso gruselige Typen bei denen«, sagte Bea und dachte sofort an Smitty, den Glatzkopf, der mit der Pistole vor ihrem Gesicht herumgewedelt hatte. »Ich habe es nicht eilig, sie kennenzulernen.«

Maya legte ihren Burger auf den Teller, wischte sich die Hände an der Serviette ab und lehnte sich mit verschränkten Armen auf der Sitzbank zurück. Fragend blinzelte sie Bea an.

»Das heißt, du gehst nicht mit in den Courtroom oder ins Clubhaus? Du kennst die anderen gar nicht?«

»Nein.«

Lachend schüttelte Maya den Kopf und winkte ab. »Dann sag das dem Peters. Es braucht sich keiner Sorgen zu machen; du gehörst anscheinend doch nicht zu den Advocates

Nun legte auch Bea die Reste ihres Burgers ab und musterte ihre Kollegin finster. »Das habe ich auch nie behauptet. Ich gehöre zu Charlie.«

Maya nickte mit gerunzelter Stirn, dann ging sie in ein Kopfschütteln über. »Sorry, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll.«

»Wie meinst du das?«

»Der Club ist sein Leben, seine Welt. Er kann sich nicht zweiteilen, um nebenher eine Beziehung mit dir zu führen, fernab von seiner selbstgewählten Familie. Ich weiß nicht, wie du richtig zu ihm gehören kannst, wenn du kein Teil seiner Welt sein willst.«

Bea warf Daniel einen hilfesuchenden Blick zu, aber er nickte.

»Entweder du gehörst ganz dazu oder gar nicht«, sagte er auf seine übliche trockene Art. »Schätze, es gibt kein Zwischending für Rockerbräute.«

»Hm«, sagte Bea, nahm ihren Burger wieder auf und biss hinein, um nicht weiter darüber reden zu müssen.

Es gab viele Leute, die mit der Familie und den Freunden ihres Partners nichts zu schaffen hatten. Musste man wegen des Menschen, den man liebte, denn gleich seine gesamte Umwelt adoptieren?

Bea wusste, dass sie diese und andere Fragen bereits viel zu lange viel zu weit weggeschoben hatte. Sie musste sich endlich entscheiden, ob sie ihrer Beziehung genug traute oder ihren Plan durchzog, woanders neu anzufangen. In den nächsten Tagen, wenn Charlie in San Diego war, hatte sie ausreichend Zeit, um darüber nachzudenken. Ohne, dass er sie ablenkte.

»Habt ihr ein paar Serientipps für mich?«, fragte Bea, um das Thema zu wechseln. »Ich werde die nächsten Abende zu Hause auf dem Sofa verbringen.«

Maya und Daniel waren zwei absolute Serienjunkies, und sofort brach eine rege Diskussion über die aktuellen Topserien zwischen ihnen aus. Bea versuchte, dem Gespräch zu folgen, aber ihre Gedanken hingen nach wie vor bei Charlie.

*

Nach dem Essen ließ Bea ihre Freunde im Diner zurück und ging zu dem kleinen Supermarkt auf der anderen Straßenseite. Zuhause ging allmählich der Vorrat an Junk Food zur Neige, und das bedeutete, Rosemary würde sich bald wieder ausschließlich von Whisky und Zigaretten ernähren. Kaum zu glauben, aber sie war noch unausstehlicher, wenn sie auf nüchternen Magen trank. Das wollte Bea auf jeden Fall vermeiden.

Sie nahm einen Korb am Eingang und schlenderte durch die Gänge bis zu den Süßigkeiten, wo sie reichlich Marshmallows, Jelly Beans und Twinkies aus dem Regal nahm. Bea war, was Naschereien betraf, eher unamerikanisch. Manchmal aß sie ein Sorbet, ab und zu ein Stück Schokolade, aber ansonsten konnte sie dem nicht viel abgewinnen. Außer natürlich, es handelte sich um Peanut Butter Cups. Wenn sie nur daran dachte, lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Ja, für Reese’s würde sie töten, so viel war sicher. Und da sie ab morgen ein paar Abende solo vor dem Fernseher verbringen würde, wären die Schokotiegel mit Erdnussbutterfüllung genau das Richtige, um sich zu trösten.

Fieberhaft suchte sie das Regal nach ihrer Lieblingsnascherei ab. Da waren sie! Eine letzte Packung lag einsam im Regal und schrie geradezu ihren Namen. Da war allerdings auch eine Hand, die sich in diese Richtung ausstreckte. Instinktiv machte Bea einen großen Schritt und schnappte sich die Packung, bevor der andere Kunde es tat.

»Hey!«, beschwerte sich die Frau.

Bea lächelte sie liebenswürdig an und zuckte mit einer Schulter. Pech gehabt. Daraufhin drehte sie sich um und ging in den nächsten Gang zu den Knabbereien.

Sie griff gerade nach einer Tüte Cheetos, da würde sie rüde von der Seite angerempelt.

»Autsch, was …?«

Ein Einkaufswagen hatte sie gestreift. Bea spürte einen dumpfen Schmerz an der Hüfte und am Knöchel, wo sie das Rad erwischt hatte. Instinktiv griff sie nach dem Wagen und schubste ihn mit voller Wucht zurück. Der Haltegriff traf die Frau in den Magen, was das Grinsen von ihrem Gesicht wischte und sie schmerzerfüllt keuchen ließ.

Bea erkannte die Latina, der sie die Reese’s vor der Nase weggeschnappt hatte, und wahrscheinlich spürte sie die Wut in ihren Fingern kribbeln, weil die Frau eine gewaltige Ähnlichkeit mit Jacobs Betthäschen hatte. »Was hast du denn für ein Problem?«, fauchte sie. »Willst du dich wegen ein paar Süßigkeiten mit mir prügeln?«

Bea merkte erst, dass sie erneut nach dem Wagen gegriffen hatte, als jemand ihr Handgelenk festhielt.

»Gibt es ein Problem?« Die samtene, weibliche Stimme hinter ihr war so ruhig, wie sie es sonst nur von Charlie kannte. Der Tonfall veranlasste Bea sofort, den Wagen loszulassen.

Die Augen der Latina wurden groß. »Tut mir leid, war keine Absicht.«

»Wer’s glaubt«, murmelte Bea.

Wortlos schnappte die Latina sich ihren Wagen und ging schnell weiter.

»Wir sind wohl ein wenig jähzornig, was?«, fragte die Unbekannte hinter ihr.

»Eigentlich nicht. Mehr.«

Bea drehte sich um und musterte die Frau. Sie war eine exotische Schönheit, offenbar mit hawaiianischen Wurzeln. Ihr seidiges Haar war rabenschwarz, genau wie ihre Iris und der Eyeliner, den sie großzügig benutzt hatte. Ihre dunkel geschminkten Augen waren geradezu hypnotisch, und ihr Blick ruhte wissend auf Bea. Die Frau trug eine enge Lederhose sowie ein blutrotes Top, dessen tiefer Ausschnitt den Blick auf einen Teil der Tätowierung an ihrer linken Brust freigab. Es waren filigran geschwungene Buchstaben, von denen Bea ein ›F‹ und ein ›r‹ erkennen konnte.

»Du bist Bea«, sagte die Frau, in einem Tonfall, der mehr Befehl war als Feststellung oder Frage.

Bea runzelte die Stirn und ließ den Blick erneut über die Unbekannte schweifen. Sie war ungefähr vierzig, demnach konnte sie weder mit ihr auf der High School gewesen noch eine Freundin ihrer Mutter sein. »Kennen wir uns?«

»Bedauerlicherweise nicht.« Wieso klang das wie ein Vorwurf? Sie verlagerte ihren Einkaufskorb auf die linke Seite und reichte Bea die rechte Hand. »Ich bin Misha. Syds Frau.«

»Ah.« Syd Bellamy war der President der Advocates und Misha daher so etwas wie die Königin von Wolfville. Was auch erklärte, wieso sich die Latina eben so schnell davongemacht hatte. »Freut mich. Ich kenne noch nicht viele Freunde von Char… Blaze.«

»Ist mir nicht entgangen.«

Bea nickte ihren vorwurfsvollen Blick ab, verstaute die Tüte Cheetos in ihrem Einkaufskorb und gab vor, den verschnupften Unterton nicht gehört zu haben. Diese Frau hatte eine so düstere Ausstrahlung, dass es ihr die Nackenhaare aufstellte.

»Gut, also …« Bea deutete grob in Richtung Ausgang. »Ich habe alles. Ich geh dann mal zur Kasse.«

Misha musterte schmunzelnd das Junk Food, ehe sie nach vorn deutete. »Nach dir, Süße.«

Es war komisch, mit dieser Frau im Rücken an die Kasse zu gehen. Bea konnte ihren prüfenden Blick förmlich spüren. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken, legte ihren Einkauf aufs Band und schaute zu, wie die gelangweilte Kassiererin das die Sachen über den Scanner zog und der noch gelangweiltere Angestellte am anderen Ende alles in eine braune Papiertüte packte.

»34,70«, sagte sie schließlich und schaute ihr kaugummikauend ins Gesicht.

Bea zog das Portemonnaie aus ihrer Handtasche und stellte beim Öffnen fest, dass sie kein Bargeld mehr besaß. Mist. Sie hatte den letzten Schein für den Burger hingeblättert. Nun musste sie etwas tun, das sie eigentlich vermeiden wollte. Langsam zog sie die Kreditkarte hervor und reichte sie seufzend der Kassiererin.

Diese musterte die schwarze Visa mit einem müden Blick, ehe sie sie durch das Kartenlesegerät zog. Es piepte leise. Die Kassiererin runzelte die Stirn, zog die Karte noch einmal durch, bis es wieder piepte, und gab sie Bea daraufhin zurück.

»Die geht nich’«, meinte sie. »Haben Sie noch ’ne andere?«

»Das kann nicht sein. Versuchen Sie es nochmal.«

Sie wollte ihr die Kreditkarte wieder in die Hand drücken, aber die Kassiererin schüttelte den Kopf. »Die is’ gesperrt. Da kann ich nichts machen.«

Hitze schoss durch Beas Körper. Sie hatte sich erst hier in Wolfville wieder ein eigenes Konto einrichten lassen, das jedoch blöderweise noch leer war, weil ihr erster Gehaltsscheck erst Ende des Monats fällig war. In New York hatte sie sich ein Konto mit Jacob geteilt. Er hatte das für sinnvoller gehalten, weil sie ohnehin bald heiraten und alles miteinander teilen wollten. Und Bea hatte bei dem Chaos der vergangenen Tage nicht mehr daran gedacht, ihre Notreserve auf ihr eigenes Konto zu überweisen. Mist! Es waren noch mindestens tausend Dollar von ihr auf dem gemeinsamen Konto gewesen. Die hatte ihr Ex sich jetzt offenbar als Anzahlung für ihre Schulden unter den Nagel gerissen.

»Dieses beschissene Arschloch«, platzte es aus ihr heraus, bevor sie es verhindern konnte.

Die Kassiererin stupste sie am Arm an. »Wollen Sie anschreiben, Miss Kramer? Is’ kein Problem.«

Bea blinzelte die Frau fragend an. Woher kannte sie ihren Namen?

»Ich übernehme das«, mischte sich Misha ein und deutete auf ihren eigenen Einkauf. »Lass meine Sachen drüberlaufen, Schätzchen, ich zahle alles zusammen.«

»Das ist wirklich nicht …«, setzte Bea an.

»Mach mal Platz, Süße.«

Misha scheuchte sie mit einer Handbewegung davon, und Bea konnte nur noch dem Supermarktangestellten die Papiertüte abnehmen und am Ausgang auf die Rockerkönigin warten.

Wenn das nicht peinlich war. Bisher hatte sie ihre finanziellen Schwierigkeiten gut verstecken können, aber das war jetzt offenbar vorbei. Es waren noch einige Tage bis zum ersten Scheck, und ihr Bargeldvorrat ging langsam zur Neige. Wenn sie sich recht erinnerte, lagen noch etwa fünfzig Dollar in ihrer Nachttisch-Schublade – wenn ihre Mutter das Geld noch nicht gefunden und versoffen hatte.

»Danke«, murmelte sie, als Misha auf sie zukam.

»Ein Dank ist nicht nötig. In der Familie helfen wir uns gegenseitig.« Sie legte eine Hand an Beas Rücken und schob sie aus dem Laden. »Gehen wir.«

Misha begleitete sie auf die andere Straßenseite, wo der Pick-up noch immer vor dem Diner parkte. Nachdem sie die Lebensmittel auf den Beifahrersitz gestellt hatte, drehte sie sich zu der Frau um, und eine Weile lang beäugten sie sich gegenseitig prüfend.

»Du kommst zu Syds Party am Samstag«, sagte Misha unvermittelt. Wieder ein Befehl, keine Frage.

»Die Party ist für Syd? Was ist der Anlass?«

»Er wird aus der Haft entlassen.«

»Schön«, sagte Bea nickend, weil sie schlichtweg nicht wusste, wie man auf solche Nachrichten reagierte. »Wieso war er überhaupt drin?«

»Eine simple Verwechslung. Er ist unschuldig.« Misha zuckte mit den Schultern, konnte sich das Grinsen aber offenbar nicht verkneifen. »Deshalb wird er entlassen.«

»Aha.« Bea ging um die Motorhaube zur Fahrerseite und wollte die Tür öffnen, aber Misha war ihr gefolgt und drückte sie wieder zu.

»Du traust uns nicht«, sagte sie.

»Was? Nein, ich …«

»Hör auf, Theater zu spielen, Süße, du hast kein Talent.«

Seufzend verschränkte Bea die Arme vor der Brust und lehnte sich an den Pick-up. Es hatte keinen Sinn, diese Frau anzulügen. Sie schien mit ihren schwarzen Augen direkt in die Köpfe der Leute blicken zu können.

»Ich habe keine Ahnung, was ich denken soll«, räumte Bea schließlich ein. »Charlie ist immer so wortkarg, wenn es um den Club geht.«

»Das wundert dich?« Als Bea sie fragend anblinzelte, fuhr Misha fort: »Er weiß um dein Misstrauen. Ich meine, ich kenne dich seit zwei Sekunden und spüre es. Solange du deine Vorurteile nicht ablegst, wird er dir nichts erzählen.«

Bea nickte. Das klang einleuchtend.

»Ich gebe dir einen Rat.« Mishas strenger Blick ließ sie frösteln. »Wenn du diesen Mann liebst, dann musst du auch lernen, den Club zu lieben. Wir sind die Familie, die er sich ausgesucht hat, und entweder du bist ein Teil davon oder nicht. Du kannst nicht halb drin, halb draußen sein. So funktioniert das für keinen von euch. Und für keinen von uns.«

Nachdenklich kaute Bea auf ihrer Unterlippe und wandte den Blick von Misha ab. Anscheinend konnte sie das Thema nicht länger beiseiteschieben.

»Aber was, wenn ich nicht ertragen kann, was er mir erzählt?«, sprach sie ihre Ängste zu ihrer eigenen Überraschung aus.

Misha legte eine Hand auf ihre Schulter, und zum ersten Mal stahl sich ein zärtlicher Ausdruck in ihre Augen. »Wenn du jemanden aufrichtig liebst, kannst du jede Wahrheit verkraften.«

Wenn jemand wusste, wovon er redete, dann wohl Misha.

Bea nickte. »Ich werde am Samstag da sein.«

»Braves Mädchen.« Endlich lächelte die Frau einmal. »Bring einen Kuchen mit.«

Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte zum Parkplatz vor dem Supermarkt. Bea schüttelte verwundert den Kopf, als sie in den Wagen stieg, konnte sich ein Schmunzeln allerdings nicht verkneifen.

Misha war ein Mensch, den man einfach respektieren musste. Sie wirkte bedrohlich, aber man spürte sofort den Grund dafür: Eine grenzenlose Loyalität zu ihrer Familie. Sie war wie eine Löwin und beschützte die, die sie liebte. Das kam Bea sehr bekannt vor.

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