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1.2 Organspezifische Alterungsprozesse

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Unabhängig von bestehenden Erkrankungen treten mit zunehmendem Lebensalter strukturelle, anatomische und funktionelle Veränderungen in fast allen Organsystemen auf. Ursächlich hierfür sind u. a. die Akkumulation von molekularen und zellulären Schädigungen und hormonelle Einflüsse. Hierbei ist, wie generell in der Geriatrie, die Abgrenzung von altersbedingten physiologischen Prozessen zu alterskorrellierten pathologischen Krankheitsprozessen schwierig und nicht klar zu treffen.

Hinsichtlich der Infektionsanfälligkeit sind Störungen der Barrierefunktionen, die auch als Teil des innaten Immunsystems betrachtet werden können ( Kap. 1.1.1), von besonderer Bedeutung. Zu den mechanischen und biochemischen Barrieren des menschlichen Körpers gehören die Haut und die Schleimhäute der Atemwege, des Gastrointestinaltrakts und des Urogenitaltrakts mit ihrer mikrobiellen Flora ( Kap. 1.3) und ihren Sekreten (z. B. Schweiß, Schleim, Speichel), die eine Bindefunktion und Abtransportfunktion haben und zum Teil antimikrobielle Enzyme beinhalten (El Chakhtoura et al. 2017).

Mit zunehmendem Alter nehmen die Integrität, die Dicke, die Hydratation und die Durchblutung der Haut ab und damit auch ihre Fähigkeit, als wirksame Barriere gegen eindringende Erreger zu fungieren (Muprhee et al. 2017). Im Rahmen der verminderten Durchblutung ist auch der Transport von Immunzellen in die Dermis vermindert. Die Abnahme des Kollagens in der Dermis führt u. a. zu einer verlangsamten Wundheilung. Die genannten Faktoren begünstigen die Entstehung von Haut- und Weichgewebsinfekten bei Personen im höheren Lebensalter ( Kap. 11).

Die Schleimhäute des Gastrointestinaltrakts sind der primäre Ort der Interaktion des Organismus mit Nahrungsbestandteilen und Mikroben. Altersassoziierte Veränderungen betreffen hier physikalische (z. B. Epithelzellen, Mucus), immunologische (z. B. sezernierte Immunglobuline, assoziierte Immunzellen), biochemische (z. B. antimikrobielle Peptide) und mikrobielle Komponenten (Mikrobiom, Kap. 1.3) (Sovran et al. 2019). Die Speichelproduktion und die Konzentration antimikrobieller Proteine im Speichel nehmen mit zunehmendem Lebensalter ab. Es kommt zu einer Atrophie der gastralen Mukosa und einer Abnahme des Säuregehalts des Magens. Die intestinale Motilität ist im höheren Lebensalter vermindert, u. a. durch Abnahme der nervalen Innervation, die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut nimmt zu. Ältere Menschen sind infolge der beschriebenen Veränderungen im Bereich des Gastrointestinaltrakts anfälliger für gastrointestinale Infektionen als jüngere Menschen ( Kap. 10).

Altersassoziierte Veränderungen der Muskulatur und der Sensorik beeinflussen verschiedene Organsysteme. Beispielsweise zeigen ältere und insbesondere hochaltrige Menschen häufig eine verminderte Kraft der Atemmuskulatur, einen verlangsamten Schluckakt und einen reduzierten Hustenreflex, was mit einer erhöhten Gefährdung der Atemwege durch Pathogene einhergeht ( Kap. 1.6.4). Zudem sind die mukoziliäre Clearance und die Konzentrationen von Immunglobulinen im Atemwegssekret bei älteren Menschen vermindert. Diese Faktoren führen zu einem vermehrten Auftreten von Pneumonien und anderen respiratorischen Infektionen im höheren Lebensalter ( Kap. 8).

Im Bereich des Urogenitalsystems kommt es mit zunehmendem Lebensalter oft zu mechanischen Veränderungen, die zu einer reduzierten Blasenkapazität, einer verminderten Urinflußrate und einem erhöhten Restharnvolumen führen (z. B. Prostataveränderungen beim Mann, Blasenprolaps bei der Frau). Hormonelle Einflüsse, wie z. B. sinkende Östrogenspiegel bei postmenopausalen Frauen, führen zu einer Abnahme der Durchblutung und Barrierefunktion der Urogenitalschleimhaut. Bei älteren Frauen kommt es zur Atrophie der vaginalen Schleimhaut und zu einem Anstieg des vaginalen pH-Werts. Hierdurch kann eine Fehlbesiedelung mit Enterobacteriaceae und Anaerobiern auftreten, die mit dem vermehrten Auftreten von Harnwegsinfektionen assoziiert ist (Ternes und Wagenlehner 2020).

Altersassoziierte Veränderungen des Urothels begünstigen zudem die Adhärenz von Bakterien (El Chakhtoura et al. 2017). Ältere Menschen sind infolge dieser Veränderungen anfälliger für Harnwegsinfektionen ( Kap. 9).

Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter

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