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1.4 Erkrankungen und Multimorbidität

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Die Prävalenz chronischer und degenerativer Erkankungen nimmt mit dem Alter zu. Bei vielen älteren Menschen treten mehrere vor allem internistische, neurologische und muskuloskelettale Erkrankungen gemeinsam auf. In Deutschland werden 62% der ≥ 65-Jährigen wegen drei oder mehr chronischen Erkrankungen behandelt (van den Bussche und Scherer 2011). Über 30% der Menschen ≥ 70 Jahre haben mindestens fünf chronische Erkrankungen. Die geriatrietypische Multimorbidität ist ein Kennzeichen des geriatrischen Patienten. Häufig gibt es Unklarheiten bei der Definition des Begriffs der Multimorbidität und bei seiner Abgrenzung zu häufig coexistierenden bzw. miteinander assoziierten chronischen Erkrankungen und zu geriatrischen Syndromen. Hier existieren wechselseitige Interaktionen, eine scharfe Trennung ist oft nicht möglich. Dieser Thematik widmet sich ausführlich der Band »Umgang mit Multimorbidität und Multimedikation« dieser Reihe (Burkhard 2019).

Jede einzelne chronische Erkrankung für sich kann Auswirkungen auf die Infektionsanfälligkeit und den Verlauf von Infektionskrankheiten haben. Autoimmunerkrankungen, hämatoonkologische Erkrankungen und dialysepflichtige Niereninsuffizienz gehen wie auch bei jüngeren Menschen mit einem generell erhöhten Risiko für Infektionen einher.

Diabetes mellitus mit seinen Komplikationen hat Langzeitauswirkungen auf das Immunsystem und einen direkten Einfluss auf die Wundheilung und geht mit einem erhöhten Risiko für infizierte Hautulcera, diabetische Fußinfektionen, Erysipele, Infektionen des Weichteilgewebes und Osteomyelitiden einher (Yoshikawa et al. 2017; Pitocco et al. 2019; Kap. 11). Chronische bzw. häufige Hyperglykämien begünstigen u. a. über die Aktivierung von NF-kB einen chronisch inflammatorischen Prozess. Perioperative Infektionen treten bei erhöhten Blutzuckerwerten häufiger auf, Glukosurien begünstigen das Auftreten von Harnwegsinfekten (Kheir et al. 2018; Kap. 9).

Neurodegenerative Erkrankungen, insbesondere Parkinson-Syndrome und Demenzerkrankungen, sind mit einem vermehrten Auftreten von Schluckstörungen assoziiert (Dysphagie; Kap. 1.6.4), die wiederum zu einem erhöhten Risiko für Aspirationspneumonien führen ( Kap. 8.1).

Auch viele akute Erkrankungen, die bei älteren Menschen häufiger auftreten als bei jüngeren Menschen, gehen mit einem erhöhten Risiko für Infektionskrankheiten einher. Bespielsweise erkranken 10–25% der Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall an einer Pneumonie ( Kap. 8.1). Risikofaktoren sind hierbei hohes Lebensalter, schwere neurologische Defizite und vor allem das Vorhandensein einer Schluckstörung (Dysphagie, Kap. 1.6.4). Neben Pneumonien treten aber auch Harnwegsinfekte und Infektionkrankeiten anderer Organsysteme im Rahmen akuter Schlaganfälle gehäuft auf (Gesamtinzidenz 30 %) (Shi et al. 2018). Eine wesentliche Ursache hierfür ist die Schlaganfall-induzierte Immunsuppression, die Gegenstand intensiver aktueller klinischer und experimenteller Forschung ist (Vermeij et al. 2018).

Bei eingeschränkter pulmonaler Durchblutung und/oder Belüftung, z. B. im Rahmen von Lungenembolien, bei kardialer Dekompensation mit pulmonaler Stauung oder bei Lungenödemen, ist das Risiko für Pneumonien deutlich erhöht ( Kap. 8.1).

Nach Traumata und Frakturen und Verletzungen der Haut kann es vermehrt zu Haut- und Weichteilinfektionen kommen ( Kap. 11).

Delire, d. h. akute Verschlechterungen cerebraler Funktionen, treten bei älteren Menschen deutlich häufiger auf als bei jüngeren Menschen ( Kap. 2.3). Patienten mit Delir haben ein erhöhtes Risiko für Infektionskrankheiten, insbesondere für Pneumonien ( Kap. 8.1) und Harnwegsinfekte ( Kap. 9).

In Tabelle 1.3 werden häufige chronische und akute Erkrankungen älterer Menschen aufgeführt, die mit einem gehäuften Auftreten von Infektionskrankheiten assoziiert sind.

Generell gehen chronische Erkrankungen und Akuterkrankungen im höheren Lebensalter mit vermehrten Kontakten zum Gesundheitssystem, Hospitalisierungen und invasiven diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen einher, die unabhängig von der Erkrankung Risikofaktoren für das Auftreten von Infektionskrankheiten sind ( Kap. 1.7). Auch Immobilität bzw. verminderte Mobilität im Rahmen von akuten oder chronischen Erkrankungen ist ein wesentlicher unabhängiger Risikofaktor für Infektionskrankheiten ( Kap. 1.6.5).

Tab. 1.3: Häufige chronische und akute Erkrankungen im höheren Lebensalter und ihre Assoziiation mit Infektionskrankheiten


Erkrankungen (Auswahl)Gehäuft auftretende Infektionskrankeiten (Auswahl)

Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter

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