Читать книгу Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter - Sandra Schütze - Страница 22

1.6.1 Malnutrition Protein- und Kalorienmangelernährung

Оглавление

Malnutrition äußert sich im höheren Lebensalter meist als Protein- und Kalorienmangelernährung. Sie betrifft 20–30% aller älteren Menschen, insbesondere institutionalisierte und hospitalisierte Personen (El Chakhtoura et al. 2017). Bei etwa einem Viertel aller Krankenhauspatienten und bei mehr als der Hälfte der geriatrischen Krankenhauspatienten liegt eine Mangelernährung vor, ein Risiko für eine Mangelernährung besteht noch deutlich häufiger (Kaiser et al. 2010).

Die Ursachen der Malnutrition sind multifaktoriell: sozioökonomisch, psychologisch (Depression, Isolation) und biologisch/medizinisch. Verändertes Geschmacks- und Durstempfinden, verzögerte Magenentleerung, Bewegungsmangel, Appetitlosigkeit (u. a. durch Änderungen der Spiegel von Appetit-regulierenden Peptiden und Hormonen), schlechter Zahnstatus, schlecht sitzende Zahnprothesen, Medikamente und Schluckstörungen (Dysphagie, Kap. 1.6.4) sind wesentliche Faktoren, die zur Mangelernährung beitragen. Auch eine ungünstige Zusammensetzung der Nahrung, ein schlechter Zugang zum Essen, funktionelle Defizite, die die Essenszubereitung und Nahrungsaufnahme erschweren, sowie Essen ohne Gesellschaft anderer Menschen tragen zur Malnutrition bei älteren Menschen bei. Erhöhte Spiegel proinflammatorischer Zytokine bei älteren Personen (Inflamm-Aging, Kap. 1.1.3) führen zu einer vermehrt katabolen Stoffwechsellage, die durch einen hohen Energieverbrauch bei akuten und chronischen Erkrankungen noch vestärkt wird (El Chakhtoura et al. 2017). Insbesondere inflammatorische Prozesse im Rahmen schwerer akuter Infektionskrankheiten können zur Malnutrition beitragen. Die Erkankungs-assoziierte Inflammation ist ein ätiologisches Kriterium der GLIM (Global Leadership Initiative on Malnutrition)-Kriterien ( Kap. 4.2.1) zur Diagnose der Malnutrition (Cederholm et al. 2019).

Malnutrition trägt zur Dysregulation des Immunsystems bei älteren Menschen bei und führt zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen (El Chakhtoura et al. 2017). Infolge von Proteinmangel kommt es beispielsweise zur Reduktion von zirkulierendem IgA und zur Reduktion zirkulierender T-Zellen (Pasini et al. 2018). Veminderte Zytokinproduktion, verminderte Phagozytose und verminderte Aktivität von NK-Zellen sind mit Malnutrition assoziiert (Aiello et al. 2019). Ein schlechter Ernährungsstatus geht mit dem vermehrten Auftreten von Harnwegsinfektionen bei Pflegeheimbewohnern einher und ist ein wesentlicher Risikofaktor für Wundinfektionen ( Kap. 11.4) und andere nosokomiale Infektionen (Thibault et al. 2015). Bei Vorliegen einer Malnutrition ist das Risiko für schwere bzw. tödliche Verläufe von Infektionskrankheiten, u. a. COVID-19 ( Kap. 8.3), erhöht (Recinella et al. 2020).

Auch bei adipösen Personen und Kalorienüberernährung kann ein Proteinmangel vorliegen. Adipositas geht mit einem erhöhten inflammatorischen Status resultierend aus der Infiltration des Fettgewebes durch Makrophagen mit erhöhter Produktion von proinflammatorischen Zytokinen (z. B. IL-6, TNF-alpha) einher (El Chakhtoura et al. 2017), trägt damit zur »Metaflammation« und zum Inflamm-Aging ( Kap. 1.1.3) bei und kann möglicherweise Alterungsprozesse beschleunigen.

Malnutrition ist eng verknüpft mit den geriatrischen Syndromen Sarkopenie ( Kap. 1.6.2), Frailty und Immobilität ( Kap. 1.6.5), die wiederum mit einer erhöhten Infektionsanfälligkeit und einem schwereren Verlauf von Infektionskrankheiten einhergehen.

Infektionskrankheiten im höheren Lebensalter

Подняться наверх