Читать книгу Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts - Sandy Palmer - Страница 100
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Deutlich geringere Begeisterung zeigte Erika, als ich, natürlich viel zu spät fürs Mittagessen, heimkam. Und an Begeisterung mangelte es ihr nicht nur wegen meiner Verspätung, sondern vor allem, weil sich ihre Eltern über den „ungebührlichen Lärm mitten in der Nacht“ beschwert hätten.
„Welchen Lärm?“, erwiderte ich verwundert. „Ich war doch eh so leise. Ich hab dich nicht einmal aufgeweckt, als ich ins Schlafzimmer übersiedelte, oder?“
„Das nicht. Aber sie haben von einem grauenhaften Geheul gesprochen, das sie aus dem Schlaf geschreckt hat.“
„Grauenhaftes Geheul? Also, ich hab nichts dergleichen gehört. Und ausgestoßen schon gar nicht.“
„Es soll auch ein weibliches Geheul gewesen sein. Und angehört hat es sich angeblich wie Lustschreie.“
„Ach so, ja, klar. Die Ingrid. Tja, was soll man machen?“
„Aha. Und wie willst du ihnen das erklären?“
„Den Alten? Gar nicht. Was geht die das an?“
„Na, da kennst du sie aber schlecht.“
Und damit endete dieser seltsame Dialog. Aber Erika war von Stund an sauer auf Ingrid und sogar auf mich, wenn sie mich bei ihr vermutete. Noch saurer waren „die Alten“. Sie glaubten mich zur Rede stellen zu müssen und behaupteten allen Ernstes, ich hätte wohl mit unserer Besucherin vom Vorabend ihr Töchterlein betrogen. Und da ich nicht mehr ganz so schüchtern und unterwürfig war wie zu Beginn meiner Bekanntschaft mit Erika, artete meine entrüstete Zurückweisung ihres Verdachts blitzartig in den schönsten Krach aus, den man sich nur vorstellen kann.
Verschärft wurde diese Krise durch den Umstand, dass „die Alten“ und wir, Erika und ich, denselben Telefonanschluss, dieselbe Telefonnummer besaßen. Nun schien sich Ingrid wirklich bis über die Ohren verliebt zu haben. Und daher wartete sie nicht geduldig, bis ich wie der Märchenprinz vor ihr erschien, sondern liebte es, meine Stimme am Telefon zu hören und mich dabei zu animieren, sie zu besuchen und meiner Liebe zu würdigen oder mich irgendwo in der Stadt mit ihr zu treffen, damit sie mich wenigstens sehen könne. Nun geschah es aber immer wieder, dass ihr Telefonanruf nicht auf unserem Apparat landete, sondern auf dem der Alten, und sie sie bitten musste, sie mit mir zu verbinden. Und da hätten sie ja wahrhaftig ein Brett vorm Kopf haben müssen, hätten sie sich nicht in ihrem Verdacht bestätigt gesehen. Richtig wild wurde es aber erst, als ihnen offensichtlich zugetragen wurde, man habe uns „wie ein Liebespaar“ Händchen haltend umherspazieren gesehen. Ja, da war in unserem schmucken Häuschen die Hölle los. Und danach war ich so geladen, dass ich der Erika, ohne lang zu überlegen, erklärte, ich hätte die Nase gestrichen voll, und wir würden ausziehen, natürlich mit der leisen Angst im Hinterkopf, dass sie antworten würde: „Zieh du nur aus, wenn du meinst. Aber ich bleibe hier. Ich muss ja später einmal die Alten pflegen.“ (Tatsächlich war das deren ausdrücklicher Wunsch.)
Aber nein, zu meiner Überraschung und zugleich zu meiner grenzenloser Erleichterung antwortete Erika ganz ruhig: „Okay. Wir ziehen aus.“ Und das, obwohl sie wegen meiner Affäre mit Erika noch immer mehr als sauer war und mich seit jener sagenhaften Liebesnacht, frei nach Aristophanes' Lysistrate, mit Ehestreik bestrafte. Na gut, vielleicht war ihr rechtzeitig eingefallen, wohin ich wohl übersiedeln würde, sollte sie nicht mit mir gehen wollen.