Читать книгу Sommer Roman-Paket Unterhaltungsromane und Erzählungen: In Paris und andernorts - Sandy Palmer - Страница 97
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Ich verstumme, blicke gewohnheitsmäßig auf die Uhr, sehe, dass es höchste Zeit ist, ins Hotel zurückzueilen, um das Abendessen nicht zu versäumen und Yvonne nicht hungern zu lassen, und blicke Irmi bedauernd an.
Sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln. „Liebster Benedikt, wir sind wirklich zwei verwandte Seelen. Oder vielleicht beschäftigen wir uns einfach nur mit demselben Fachgebiet. Jedenfalls sieht man, wie spannend, wie aktuell die Altertumswissenschaft ist. Ich bin nämlich zum selben Resultat gekommen, leider viel zu spät. Vielleicht wäre doch noch was aus uns geworden, hätte ich diese Dinge schon entdeckt, solange du noch in München warst, trotz dem Widerstand meiner Mutter. Aber so bin ich ja unter dem Druck von zweierlei Zwängen gestanden, den Zwängen des mütterlichen Terrors, um das Ding endlich beim Namen zu nennen, und den Zwängen der Religion.“
Sie küsst mich innig.
„Liebster Benedikt, wann sehen wir uns wieder? Morgen ist ja der letzte Tag meines Urlaubs.“
„Ja? Unserer auch. Verdammt, was machen wir da? Ich muss dir sagen, seit wir uns wiedergefunden haben, interessiert mich das Baden kein bisschen mehr, abgesehen davon, dass mir das Wasser eh noch viel zu kalt ist.“
„Ah, dich auch nicht?“
„Nein. Das Einzige, was mich seither interessiert ... Soll ich's sagen?“
Irmi errötet lieblich. „Ja, bitte.“
„Mein einziger Wunsch ist jetzt, mit dir zusammen zu sein.“
Irmi errötet noch lieblicher. „Mir geht's genauso. Ich würde mit Freuden ...“
„Ich auch.“
„Du, im Internet hab ich gelesen, dass das Innere von Mykonos traumhafte Wanderstrecken bietet. Außerdem ist in Griechenland, wie du weißt, jetzt die Zeit der grünen Hänge, der tausend Blumen, der in allen denkbaren Farben blühenden Sträucher und der im klaren Licht glitzernden Olivenbaumhaine. Könnten wir da nicht ...“
„He, das ist die Idee. So werden wir's machen. Sag, ab wann darf ich morgen Früh bei dir aufkreuzen?“
„Ach, jederzeit. Je früher, desto lieber. Nur, was wird deine Holde dazu sagen?“
„Das lass nur meine Sorge sein.“
„Übrigens, das ist aber nicht die Erika, von der du mir erzählt hast, wie? Die ist ja viel zu jung, als dass ...“
„Nein, nein, natürlich nicht. Von der Erika bin ich längst geschieden.“
Mit einer köstlichen Umarmung nehmen wir Abschied voneinander, und ich eile zu Yvonne zurück. Ich klopfe, warte, klopfe kräftiger, warte weiter. Endlich öffnet sie mir, spricht aber kein Wort, schaut mir mit reichlich merkwürdigem Blick entgegen.
„Na, was ist los?“, sage ich, trete ein und weiß im nächsten Augenblick, was los ist. Im Zimmer stinkt es abscheulich nach Zigarettenrauch. Und ehe ich noch den Urheber des Gestanks ausmachen kann, höre ich seine Stimme.
„Schönen guten Abend“, tönt sie mit englischem Akzent. „Ich hoffe ...“ Und damit verstummt sie abrupt.
Sie gehört natürlich jenem Raucher, der mich heute schon einmal von Yvonne vertrieben (und zu Irmi getrieben) hat. Er sitzt auf einem Stuhl und ist gerade damit beschäftigt, sich die Schuhe anzuziehen. Hierauf erhebt er sich würdevoll, verabschiedet sich sehr elegant mit einer angedeuteten Verbeugung, grinst Yvonne aufdringlich an und verschwindet, ehe ich noch meinen Mund aufbringe, zusammen mit ihr vor der Tür, und ich blicke den beiden verstört und wie gelähmt nach.
Yvonne kommt rasch wieder herein, schließt die Tür hinter sich, wirft mir abermals einen mehr als merkwürdigen Blick zu und murmelt: „Was schaust du mich denn so an?“
„Aber ich werde doch noch meine Liebste anschauen dürfen“, erwidere ich spitz. „War's wenigstens schön mit ihm? Ich meine, wenn er uns schon die Bude verstinkt.“
„Geh, sei doch nicht immer so intolerant. Machen wir halt das Fenster auf.“ Und sie huscht an mir vorbei und öffnet das Fenster. (Hilft natürlich kaum.)
„Soso. Intolerant. Immer. Das ist jetzt aber ein Scherz, wie? Nachdem ich dich gerade eben gefragt hab, ob's schön gewesen ist mit ihm. Wie heißt er eigentlich?“
„Gordon.“
„Aha. Aber meine erste Frage hast du noch immer nicht beantwortet.“
Yvonne schüttelt heftig den Kopf und zeigt eine empörte Miene. „Du bist so was von verbissen. Also gut, wenn du's unbedingt wissen willst: Ja, schön war's mit ihm. Und jetzt kannst du mich erdrosseln.“
Wider Willen muss ich herzlich lachen, denn eigentlich ist mir nicht nach Lachen zumute. „Sag, mein Schatz, kennst du mich wirklich so schlecht? Ist dir noch nie aufgefallen, dass ich kein Othello bin?“
„Na, da habe ich aber noch einmal Glück gehabt.“
„Red doch nicht so hässlich daher. Du weißt doch, dass ich dir jede Freude vergönne, einfach weil ich dich lieb hab. Und jetzt, nach meiner Operation, sowieso.“
Yvonne blickt mir lange in die Augen. Ihre Züge entspannen sich zusehends. Dann kommt sie langsam auf mich zu, stellt sich auf die Zehenspitzen und drückt mir einen keineswegs allzu flüchtigen Kuss auf die Lippen.
„Danke, Schatz“, flüstert sie hernach. Um ihr diese friedliche Stimmung zu erhalten und ihr vielleicht eine weitere Freude zu bereiten, verrate ich ihr, was ich für morgen mit Irmi ausgemacht habe. Daraufhin bleibt sie stumm. Aber in ihrer Miene spiegeln sich sehr unterschiedliche Stimmungen: Zunächst Enttäuschung oder Entrüstung. Doch dann beginnt Yvonne zu strahlen, dass es eine Freude ist.
Tatsächlich ist das jetzt das erste Mal seit meiner Operation vor vier Jahren, dass sich Yvonne mit einem anderen vergnügt, jedenfalls so unverhohlen. Das eine oder andere Mal habe ich sehr wohl schon untrügliche Anzeichen eines Seitensprungs entdeckt, darüber aber nie ein Wort verloren. Erstens soll man bekanntlich nicht mit Steinen werfen, wenn man selbst im Glashaus sitzt. Und zweitens wäre es naiv gewesen, anderes zu erwarten, wenn man sich in meinem Alter mit einer jungen, attraktiven, liebesdurstigen Frau schmückt, zumal jetzt, seit der Operation. Außerdem, Kummer bin ich ja gewohnt, schon seit Erikas Zeiten.