Читать книгу Bergretter und fesche Dirndl: Wildbach Bergroman Sammelband 6 Romane - Sandy Palmer - Страница 15
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ОглавлениеJohanne begann zu laufen, als sie den heimatlichen Hof vor sich auftauchen sah. Die ganze Zeit über hatte sie mit den Tränen gekämpft. Plötzlich ergriff sie die Verzweiflung, wie sie sie noch nie empfunden hatte. Alles in ihr krampfte sich zusammen. Sie war hilflos und allein mit ihrem Schmerz.
Vielleicht würde sie Raphael nie wiedersehen. Hemmungslos begann sie zu weinen.
Als sie die Haustür aufriss und in den Flur lief, kam ihre Mutter gerade aus der Küche. Entsetzt sah sie Johannes tränennasses Gesicht.
»Was ist geschehen, Kind?«, fragte sie aufgeregt.
Johanne antwortete nicht. Sie warf sich in die Arme ihrer Mutter und ließ ihren Tränen freien Lauf. Ihr ganzer Körper bebte und zitterte, so dass Frau Giefner angst und bange wurde.
»Nun red doch endlich!«, forderte sie.
Johanne schluchzte und versuchte, etwas zu sagen. Immer wieder aber versagte ihre Stimme. Es vergingen Minuten, ehe sie in der Lage war, ihrer Mutter. zu erzählen, was passiert war. Frieda Giefner stöhnte gequält auf und bekreuzigte sich.
»Oh, mein Gott«, seufzte sie. »Das hat ja einmal so kommen müssen. Nimmt das denn überhaupt kein Ende mit diesen verrückten Mannsbildern?«
Sie streichelte ihrer Tochter über die Wangen. Es tat ihr unsäglich leid, dass Johanne jetzt auch unter dieser unsinnigen Fehde leiden musste.
»Es wird schon alles wieder gut werden«, meinte sie sanft und führte Johanne zur Wohnstube hinüber. »Der Raphael findet bestimmt eine Möglichkeit. Er ist doch ein schlauer Bursche. Und ich werde auch noch mal mit dem Vater sprechen.«
»Nix wird gesprochen«, herrschte eine Stimme hinter ihnen.
Johanne zuckte wie unter einem Hieb zusammen und zitterte noch mehr als zuvor. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass der Vater ins Haus gekommen war. Er hatte ihre Unterhaltung gewiss mitbekommen. Entsprechend wütend musste er sein.
»Geh auf dein Zimmer!«, schlug die Mutter leise vor und stellte sich wie ein Schutzengel zwischen Tochter und Vater. Die junge Frau gehorchte und nickte schluchzend. Sie wagte es nicht, aufzusehen. Sie kannte den bösen Ausdruck in Sebastian Giefners Augen zur Genüge, wenn er zornig war.
Sie hatte ihr Zimmer noch nicht erreicht, als sie hörte, wie Vater und Mutter zu streiten begannen. Bald wurde es mehr als laut, als Frieda Giefner ihren Mann einen Tyrannen nannte. Kurz danach vernahm man heftiges Poltern und das Schlagen der schweren Haustür.
Johanne wusste, dass der Vater das Haus verlassen hatte. Bestimmt machte er sich jetzt auf den Weg ins Dorf, um dort seinen Zorn zu ertränken.
Hilflos wie ein Häuflein Elend saß sie auf ihrem Bett. Sie wusste weder ein noch aus. Vor wenigen Stunden hatte sie sich noch als die glücklichste Frau im ganzen Tal gefühlt. Nun schien alles zerbrochen und der Himmel über ihr eingestürzt zu sein.
Die Tür wurde geöffnet. Das leise Quietschen ließ sie aufblicken. Es war ihre Mutter. Die geröteten Wangen bewiesen, wie sehr sie sich aufgeregt hatte. So sah man sie nur ganz selten, denn der letzte Streit zwischen den Eheleuten war schon sehr lange her, wenn man sich recht besann.
»Er ist weg«, erklärte Frieda Giefner und setzte sich neben Johanne. Zärtlich legte sie einen Arm um die Schultern der Tochter. »Nun haben wir ein bisserl Zeit für uns. Wenn der Vater heut’ Abend betrunken nach Hause kommt, ist er morgen wieder ruhiger, denn dann plagt ihn der Kater. Danach wird er sich wohl wieder besinnen. Dann rede ich noch einmal mit ihm. Du wirst sehen, es wird alles gut werden.«
»Ach, Mutter«, stöhnte Johanne und hauchte ihr einen Kuss auf die heißen Wangen. »Wenn du doch nur recht hättest ...«
Frieda Giefner wusste, dass es nicht an der Zeit war, viele Worte zu machen. Ihre bloße Nähe und Anwesenheit war in dieser Situation wichtiger denn je. Johanne durfte nicht den Eindruck gewinnen, ganz allein mit ihrem Kummer zu sein.
Lange saßen sie beieinander und sagten kein Wort. Allmählich fühlte die junge Frau, wie die schwere Last von ihrem Herzen fiel. Es tat immer noch weh, an die verloren geglaubte Liebe zu denken, doch es war nicht mehr ganz so schlimm.
»Vertrau auf den Herrgott!«, sagte Frieda Giefner leise. Sie war eine fromme Frau, die streng nach den Geboten lebte und dreimal wöchentlich zur Messe ging. »Er wird dir helfen. Da bin ich mir ganz sicher. Er lässt dich ebenso wenig im Stich wie ich.«
Johanne nickte und versuchte ein Lächeln, das jedoch kläglich ausfiel.
»Ich will’s versuchen, Mutter«, versprach sie.
»Ruh’ dich ein bisserl aus«, meinte Frieda Giefner und erhob sich. »Dann geht’s dir gleich viel besser.«
Johanne kam ihrer Aufforderung nach. Plötzlich fühlte sie sich wie leer und ausgelaugt. Die geistige Erschöpfung breitete sich über ihren gesamten Körper.
Die Mutter hatte die kleine Kammer unter dem Dach noch keine zwei oder drei Minuten verlassen, als sie auch schon eingeschlafen war. Es wurde ein schwerer Schlummer voller Visionen und Alpdrücke. Sie sah Raphael vor sich, dann den wütenden Vater und dazwischen Peter Finkenthal, den Verursacher des neu aufgeloderten Streits zwischen den Harlanders und den Giefners. Er grinste schäbig und begann laut zu lachen, als würde ihn dies alles fürchterlich amüsieren.
War es nur ein Traum oder das Spiegelbild der Zukunft im wahren Leben?
Behielt Peter Finkenthal die Oberhand in diesem grässlichen Spiel von Gefühlen aller Art?